Junge Frau mit E-Zigarette

Dampfen ist keine Alternative

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Mit Rauchen aufzuhören, ist verdammt schwer. Das Suchtpotenzial von inhaliertem Nikotin ist höher als das von Koks oder Alkohol. Nikotinpflaster und -kaugummis sollen den Entzug abfedern. Doch damit lässt sich nur die körperliche Entwöhnung erleichtern.

Was davon unberührt bleibt, sind die Verhaltensmuster, liebgewonnenen Gewohnheiten und Rituale, die sich tief eingeschliffen haben: das Zigarrettchen zum Kaffee am Morgen oder nach einem schönen Essen, die Zigarettenpause mit Kollegen. Orale Stimulation, eine Zigarettenlänge Auszeit vom Stress, kommunikativer Anknüpfungspunkt – all das kann kein Pflaster ersetzen. Eine E-Zigarette schafft das schon eher.

Einstiegshilfe zum Ausstieg aus der Sucht?

Als Einstiegshilfe zum Ausstieg werden E-Zigaretten darum angepriesen. Und eine grosse Studie, die jüngst im renommierten New England Journal erschienen ist, scheint dies sogar zu bestätigen. Demnach hielten von Teilnehmern, die mithilfe von E-Zigaretten das Rauchen aufgaben, 18 Prozent den Rauchstopp mindestens ein Jahr durch. Von denen, die es mit Pflastern & Co versucht hatten, waren es nur 9,9 Prozent.

Doch die Ergebnisse sind mit Vorsicht zu geniessen. Das betonen gleich zwei begleitende Editorials des Journals, in denen Experten zu dieser Studie Stellung nehmen. Wesentlicher Kritikpunkt: Die Probanden hatten grösstenteils schon eine professionelle Tabakentwöhnungsbehandlung durchlaufen.

Eine solche basiert auf professionellem, therapeutischem Coaching, meist unterstützt durch Nikotin-Ersatzprodukte und begleitet von Gruppensitzungen mit Gleichgesinnten. „Normalerweise liegt die Erfolgsquote solcher Programme bei rund 30 Prozent“, berichtet Prof. Stefan Andreas, Leiter der Lungenfachklinik Immenhausen und des Bereiches Pneumologie an der Universitätsklinik Göttingen, auf einem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pulmologie Pneumologie in München.

Suchtverschiebung statt Befreiung

Doch 75 Prozent der Teilnehmer der diskutierten Studie gehörten zu jenen, die schon einmal gescheitert waren. Das schmälert die Aussagekraft der Ergebnisse: Dass die reine Nikotinersatztherapie auch bei einem zweiten Anlauf nicht fruchtete, überrascht wenig.

Ebenso wenig, dass der Rauchstopp leichter fällt, wenn man weiterhin etwas zum Schmauchen hat. „Das Problem ist aber: Viele überwinden die Sucht nicht, sie ersetzen sie nur durch eine andere“, warnt der Pneumologe im Gespräch mit NetDoktor. Die Leute dampften nun weiterhin, statt zu rauchen. In der Kontrollgruppe, die Pflaster zum Nikotinersatz bekommen hatte, waren die meisten Zigarettenabstinenten nach einem Jahr ganz weg vom Nikotin.

Sehnsucht nach der Zigarette

Anders als die Teilnehmer mit Nikotinpflaster vermissten viele, die der E-Zigaretten-Nutzer die Tabakglimmstängel noch immer. Die E-Zigarette - sie bleibt ein Ersatz. Der Grund: Der Nikotinkick der E-Zigarette erreicht in Sekunden das Gehirn – er ist daher stärker als bei Pflaster & Co. „Die Rückfallquote ist darum besonders hoch“, berichtet Andreas. Tatsächlich landet über kurz oder lang ein grosser Teil wieder bei Tabakzigaretten. Experten empfehlen daher, die E-Zigaretten nur an Rauchstoppwillige abzugeben, die bereits eine professionell unterstützte Rauchentwöhnung erfolglos durchlaufen haben.

Immerhin: Angesichts des Cocktails von 4800 Chemikalien (darunter Krebserreger wie Arsen, Blei, und Formaldehyd), die mit dem Tabakrauch inhaliert werden, könnte man E-Zigaretten dennoch für eine vertretbare Alternative halten. Tatsächlich aber sind auch die Ex-Raucher, die langfristig bei der E-Zigarette bleiben, nicht auf der sicheren Seite.

E-Zigaretten sind keine harmlosen Verdampfer!

Denn dass E-Zigaretten wirklich weniger schädlich sind als ihre tabakhaltigen Pendants, wird vermutet, ist aber noch lange nicht bewiesen. Dass sie nicht die harmlosen Verdampfer sind, für die die Hersteller sie gern ausgeben, hingegen schon. Forscher um Prof. Robert Bals von der Universität des Saarlandes haben in einer Übersichtsstudie zusammengetragen, was man zu diesem Thema bislang herausgefunden hat.

Es ist alarmierend. Schon nach kurzer Zeit drohen erhebliche gesundheitliche Konsequenzen durch E-Zigaretten: Lungenemphyseme, Bronchitis, häufigere Infekte, Störung des Immunsystems, Störung der Genregulation.

Black Box Langzeitfolgen

Was passiert, wenn man die verdampften Fluids über Jahre und Jahrzehnte inhaliert, kann noch niemand sagen. Dazu gibt es die Dampfer schlicht noch nicht lange genug. Aber angesichts der Folgen, die man jetzt schon kennt, ist vieles denkbar, was man von Normalrauchern kennt: von Herzleiden über COPD bis hin zu Krebs. „Auf jeden Fall wissen wir, das jede Art von Dämpfen und Stäuben, die inhaliert werden, sehr schädlich für die Lunge sein kann – ob das nun Feinstaub ist oder Stickoxid“, sagt Andreas.

Da drängt sich die abschliessende Frage auf: Warum sollte es ausgerechnet bei E-Zigaretten anders sein?

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Belinda Borrelli et al.: E-Cigarettes to Assist with Smoking Cessation, February 14, 2019, N Engl J Med 2019; 380:678-679 DOI: 10.1056/NEJMe1816406https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMe1816406
  • Peter Hajek et al.: A Randomized Trial of E-Cigarettes versus Nicotine-Replacement Therapy, February 14, 2019, N Engl J Med 2019; 380:629-637https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1808779
  • Robert Bals et al.: Electronic Cigarettes – Task Force report from the European Respiratory Society, European Respiratory Journal 2018; DOI: 10.1183/13993003.01151-2018https://erj.ersjournals.com/content/early/2018/11/15/13993003.01151-2018
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