Junge Frau spendet Blut

Coronavirus: Rettende Plasmaspende

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Alle NetDoktor.ch-Inhalte werden von medizinischen Fachjournalisten überprüft.

Im Blut genesener Covid-19-Patienten steckt ein Stoff, der Leben retten kann: Antikörper. Erste Tests aus China zeigen, dass sich schwer erkrankte Menschen nach einer Blutplasma-Transfusionen tatsächlich erholten. Jetzt rufen auch deutsche Forscher, Personen, die eine Coronavirusinfektion überstanden haben, zur Spende auf. Wie funktioniert sie und wie schnell könnte sie verfügbar sein?

Gegen das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 gibt es noch kein Medikament und keine aktive Impfung. Bislang muss das Immunsystem der Patienten selbst damit fertig werden. Doch das schafft nicht jeder Körper - beispielsweise wenn die Abwehrkräfte durch Vorerkrankung oder Alter geschwächt sind. Dann könnten Antikörper aus dem Blut von Menschen helfen, die die Krankheit bereits überwunden haben.

Ins Blut geschleuste Abfangjäger

Das Prinzip: Die Antikörper werden die Patienten in Form einer aufbereiteten Plasmaspende verbreicht. Die winzigen Abfangjäger machen dann die Viren unschädlich, bevor sie Körperzellen entern und sich weiter vermehren können.

Kranke profitieren also direkt und müssen die Antikörper nicht erst selbst bilden. In kleinen Experimenten in China haben sich schwer erkrankte Covid-19-Patienten nach solchen Antikörpergaben rascher erholt.

Neu ist der Ansatz nicht: 1901 erhielt der Immunologe Emil von Behring für die Entdeckung einer Antikörpertherapie aus Serum gegen Diphterie und Wundstarrkrampf den Nobelpreis.

Erste Tests schon in der kommenden Woche?

Auch in Deutschland wollen Forscher verschiedener Einrichtungen das Verfahren im Kampf gegen das Coronavirus möglichst rasch testen. Einer, der schon in den Startlöchern sitzt, ist der Transfusionsmediziner Prof. Rainer Blasczyk von der Medizinischen Hochschule Hannover.

„Schon kommende Woche könnte das erste Präparat verfügbar sein“, sagt er im Gespräch mit NetDoktor. Nach einem Aufruf laufen Eignungstests von Plasmaspendern in Hannover bereits an. Bevor er den ersten schwerkranken Patienten damit tatsächlich behandeln kann, müssen der Transplantationsspezialist und sein Team noch auf die behördliche Genehmigung warten.

Unkomplizierte Spende

Die Plasmaspende selbst ist keine grosse Sache: Sie läuft ähnlich wie eine Blutspende ab. Je nach Grösse und Gewicht können während einer Sitzung bis zu 850 Milliliter Plasma abgezapft werden. Dazu wird es über ein spezielles Gerät gemeinsam mit den wertvollen Antikörpern von den übrigen Blutbestandteilen getrennt. „Plasmapherese“ nennt man dieses Verfahren, mit dem man bis zu drei Plasmakonserven erhält.

Die übrigen Blutbestandteile wie rote und weisse Blutkörperchen erhält der Spender sofort wieder zurück. Deswegen ist Plasma spenden auch häufiger möglich als eine Blutspende. „In welchem Abstand für unseren Zweck gespendet werden kann, müssen wir noch herausfinden“, sagt Blasczyk. Denn für die Behandlung müssten ausreichend Antikörper in der Spende vorhanden sein.

„Auch leicht Erkrankte und Gefährdete behandeln“

Der Vorteil des Verfahrens: Die Methode ist erprobt. Reine Plasmaübertragungen (Plasma-Transfusionen) werden ohnehin tagtäglich in der Medizin durchgeführt. Dabei geht es allerdings vor allem darum, bei Blutverlusten das Blutvolumen auszugleichen, und nicht um die hier so begehrten Antikörper.

Blasczyk denkt längst weiter: „Ich halte es für sehr wichtig, auch leicht erkrankte Patienten zu behandeln – damit sie erst gar nicht so schwer krank werden“, sagt der Transfusionsmediziner. Bei ihnen, so ist er überzeugt, wäre die Behandlung besonders wirksam. Ausserdem könne man das gespendete Plasma auch vorbeugend einsetzen, „um besonders gefährdetes medizinisches Personal zu schützen“, sagt Blasczyk. Gleiches wäre auch für Personen mit einem hohen Risiko für schwere Verläufe von Covid-19 möglich.

Zehntausende Spender benötigt

Für den grossen Wurf auch zur Prävention und für leicht Erkrankte wären allerdings enorm viele Spenden notwendig – deutschlandweit etwa 30.000, schätzt der Transfusionsexperte. „Aber wir brauchen die schliesslich nicht an einem Tag. Über Monate gerechnet, halte ich das für machbar.“ Denn die einmal gewonnen und aufbereiteten Plasmaspenden zu verabreichen, ist unproblematisch und kann in jeder Klinik erfolgen.

Derzeit beläuft sich die Zahl der Personen, die eine Sars-CoV-2-Erkrankung mit amtlicher Bestätigung auskuriert haben, allerdings erst auf gute 9000. Doch unter denen ist die Spendenbereitschaft enorm: „Wir haben bereits in den ersten Tagen mehrere Hundert Angebote erhalten“, sagt Blasczyk – „nicht nur aus Niedersachsen, sondern aus dem ganzen Bundesgebiet.“

Verkürzte Quarantäne für Plasmaspenden

Unmittelbar eingesetzt werden, kann das gespendete Plasma dann allerdings nicht. Normalerweise bleibt es vier Monate bei minus 40 Grad in der Quarantänelagerung. Erst wenn der Spender dann erneut negativ auf Krankheiten wie HIV und Hepatitis getestet wurde, wird es freigegeben.

„So viel Zeit haben wir jetzt nicht“, sagt Blasczyk. Die Quarantäne soll daher auf drei Wochen verkürzt werden. Für den Anfang könne man mögliche Krankheitserreger im Blutplasma aber auch gezielt neutralisieren. Ist die Unbedenklichkeit des Plasmas gesichert, wird es per Infusion in die Blutbahnen des Empfängers geleitet. Dabei muss er, wie bei einer Bluttransfusion, die Blutgruppe des Spenders vertragen.

Die Risiken sind bekannt – und gering

Mögliche Risiken einer Plasmatransfusion sind bekannt. „Allergische Reaktionen, beispielsweise“, sagt Blasczyk. Aber auch andere, ungetestete Infektionserreger, die mit dem Plasma übertragen werden könnten, wären in Einzelfällen denkbar. Sehr selten träten auch sogenannte transfusionsinduzierte Lungeninsuffizienzen auf, bei denen spezielle Plasmabestandteile ein Lungenversagen auslösen können. „Da liegen die Zahlen inzwischen aber bei weniger als zwei auf eine Million Gaben“, beruhigt Blasczyk.

Offene Fragen: Wie viel, wie oft, für wen - und wie wirksam?

Noch sind derzeit viele Fragen offen: Wie hoch muss die Zahl der Antikörper im Plasma sein? Wie viele Infusionen benötigt man zum vorbeugenden Schutz, wie viele zur Behandlung leicht Erkrankter und wie viele zur Behandlung schwerkranker Patienten?

Vor allem aber muss sich noch zeigen, wie gut das Verfahren in der Behandlung von Covid-19 tatsächlich wirkt. Die chinesischen Experimente waren zwar sehr vielversprechend. Die Forscher haben aber bislang nur sehr wenige Spender und Patienten untersucht. Das schränkt die Aussagekraft der Daten deutlich ein.

„Es könnte klappen“

Hinzu kommt: „Es gab keine Kontrollpersonen, die keine Plasmaspende erhielten“, erklärt Blasczyk. Zudem haben die Patienten natürlich zusätzlich antivirale Medikamente bekommen. Wie gross die Wirkung der Antikörper allein war, wie gut sich die Patienten auch ohne diese erholt hätten, lasse sich also nicht bestimmen. Der erfahrene Transplantationsmediziner Blasczyk ist dennoch überzeugt: „Diese Methode wird sehr hilfreich sein. Wenn wir alle zusammenarbeiten, könnte es klappen.“

Plasmaspender gesucht! Wenn Sie an Covid-19 erkrankt waren und die Erkrankung bereits überstanden haben, könnten auch Sie als Plasmaspender in Frage kommen. Nehmen Sie Kontakt auf!

Plasmaspende an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH):

  • Ihre Symptome sind bereits seit vier Wochen vollständig abgeklungen.
  • Sie wurden zweimal negativ auf Sars-CoV-2 getestet.

Kontakt

  • Telefon: 08 00 532 532 5
  • Mail: RKP-Spende@mh-hannover.de

Plasmaspende am Uniklinikum Münster

Personen, die eine Coronavirus-Infektion hatten und jetzt

  • einen negativen Corona-Test haben
  • oder seit mindestens 10 Tagen symptomfrei sind.

Kontakt:

  • Telefon: 0251 83 57935
  • Mail: hepar@ukmuenster.de

Autoren- & Quelleninformationen

Jetzt einblenden
Datum :
Autor:

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Chenguang Shen at. Al.: Treatment of 5 Critically Ill Patients With COVID-19 With Convalescent Plasma, JAMA. Published online March 27, 2020. doi:10.1001/jama.2020.4783
Teilen Sie Ihre Meinung mit uns
Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie NetDoktor einem Freund oder Kollegen empfehlen?
Mit einem Klick beantworten
  • 0
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
0 - sehr unwahrscheinlich
10 - sehr wahrscheinlich