Kinder; Heuschnupfen

Besser Dreckspatz sein

Von , Medizinredakteurin und Biologin
Martina Feichter

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

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Was haben Kinderkrippen, Trans-Fettsäuren und das Bruttosozialprodukt mit der Häufigkeit von Asthma, Heuschnupfen und Allergien zu tun? Viel, wie eine weltweite Mammutstudie unter Kindern und Jugendlichen zeigt

20 Jahre akribische Forschung, mehr als zwei Millionen Teilnehmer aus allen Teilen der Welt: Die Initiatoren der Mammutstudie ISAAC*, einer internationalen Langzeituntersuchung zu Asthma und Allergien im Kindes- und Jugendalter, ziehen erstmals Bilanz. Eine der wichtigsten Erkenntnisse: Mit der richtigen Lebensweise wie gesunder Ernährung und dem Verzicht auf Nikotin - auch durch die Eltern - lässt sich Asthma und Allergien vorbeugen, berichten Forscher der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU).

Trio fatal

Teilnehmer der Studie waren Kinder und Jugendliche aus 106 Ländern. Die Wissenschaftler untersuchten bei ihnen die Häufigkeit und Verbreitung von Symptomen dreier Erkrankungen: Asthma, Heuschnupfen und allergiebedingte Juckflechte (Ekzem). Das Trio hängt zusammen. So kann Asthma auch durch Allergien, insbesondere Heuschnupfen, ausgelöst werden. Mediziner sprechen dann von einem Etagenwechsel. Anhand von Fragebögen und klinischer Tests (inklusive genetischer Analysen) untersuchten die Forscher die Verteilung und Entwicklung der Krankheiten.

Die richtige Ernährung

Dabei zeigte sich zum Beispiel, dass in einigen Ländern besonders viele Kinder (mindestens neun Prozent) in den vorangegangenen zwölf Monaten zwei oder drei der abgefragten Symptome (Asthma, Heuschnupfen, Ekzem) gelitten hatten. Dieses Phänomen liess sich in auffällig vielen englischsprachigen Ländern beobachten. Prof. Ulrich Keil von der WWU sieht die Erklärung in der ähnlichen Ernährungsweise in Grossbritannien, USA, Australien & Co.: "Trans-Fettsäuren in frittierten Gerichten, in Fast Food, vielen Margarinen und Backwaren schaden. Mediterrane Kost mit Meeresfisch, Gemüse, Hülsenfrüchten, Brot, Nüssen und Oliven- oder Rapsöl hingegen schützt."

Nikotin, Stillen & Co.

Ein weiterer Hebel, mit dem sich Asthma und Allergien vorbeugen lassen, ist der Verzicht der Eltern (und Jugendlichen) auf Nikotin. In der Studie berichteten Kinder von rauchenden Eltern häufiger über allergische Symptomen und Asthma als die Sprösslinge aus rauchfreien Haushalten.

Ebenfalls einen Schutzeffekt bietet das Stillen von Säuglingen, wie die Untersuchung einmal mehr bestätigte. Dagegen kann die Einnahme von Paracetamol in der frühen Kindheit zur Entwicklung von Allergien beitragen.

Kranke Reiche

Sogar ökonomische Faktoren beeinflussen laut ISAAC das Erkrankungsrisiko - zumindest bei Asthma: Je höher das Bruttosozialprodukt (BSP) eines Staates ist, desto mehr Menschen leiden unter Asthma. "Uns haben die riesigen Unterschiede überrascht", sagt Keil. "In Albanien etwa gab eine winzige Minderheit von weniger als drei Prozent der Befragten für die letzten zwölf Monate Asthmasymptome an, in Grossbritannien, Neuseeland, Australien, Irland, Kanada und den USA war der Anteil teils zehnmal so hoch." Schweres Asthma sei in reichen Ländern aber nicht stärker verbreitet - kein Wunder: Da die medizinische Versorgung in reichen Ländern besser ist, kann eine Verschlimmerung der Symptome oft verhindert werden.

Wachsendes Problem

Weil die ISAAC-Forscher ihre Daten zu unterschiedlichen Zeitpunkten - Mitte der 90er Jahre sowie Anfang des neuen Jahrtausends - erhoben haben, lassen sich zeitliche Trends in der Verbreitung der drei Krankheiten abschätzen. "In den reichen Ländern nimmt die Häufigkeit von Asthma nicht zu, in bisher ärmeren aber schon", erklärt Keil. Der Unterschied zwischen den Ländern wird also kleiner. "Da aber der grössere Teil der Weltbevölkerung in Ländern mit niedrigem BSP lebt und dort auch das Bevölkerungswachstum grösser ist, leidet ein immer grösserer Teil der Weltbevölkerung an Asthma."

Mittelmässiges Deutschland

Im Ländervergleich liegt Deutschland bei allen untersuchten Symptomen im Mittelfeld. Hierzulande hatten sich zwei Studienzentren - Münster und Greifswald - an ISAAC beteiligt. Der innerdeutsche Vergleich liess dabei einen kleinen, aber feinen Unterschied erkennen: Asthma und Allergien sind im Osten Deutschlands seltener als im Westen, das heisst: In Greifswald sind die Kinder und Jugendlichen in dieser Hinsicht offenbar gesünder. Der Unterschied in den Zahlen sei zwar relativ gering, aber statistisch signifikant, so die Forscher.

Gesellige Dreckspatzen

Keil glaubt den Grund dafür zu kennen: "Kinderkrippen waren und sind auf dem Gebiet der ehemaligen DDR weiter verbreitet". Die Kinder würden dort stärker mit Keimen konfrontiert, wodurch sich ihr Immunsystem besser entwickeln kann.

Aus dem gleichen Grund entwickeln Bauernhof-Kinder seltener Allergien als ihre Altersgenossen in der Stadt, die in einem sterileren Umfeld aufwachsen. Das konnte bereits in früheren Untersuchungen gezeigt werden: Kleine Dreckspatzen, die in ihrer Freizeit regelmässig mit Gleichaltrigen herumtoben, leben also gesünder.

* ISAAC = International Study of Asthma and Allergies in Childhood

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Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

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