Progesteron

Von , Apotheker, Arzt
Benjamin Clanner-Engelshofen

Benjamin Clanner-Engelshofen ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Er studierte Biochemie und Pharmazie in München und Cambridge/Boston (USA) und merkte dabei früh, dass ihm die Schnittstelle zwischen Medizin und Naturwissenschaft besonders viel Spaß macht. Deshalb schloss er noch ein Studium der Humanmedizin an.

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Progesteron ist ein natürlich im Körper vorkommendes Sexualhormon aus der Gruppe der Gestagene. Es reguliert vor allem im Körper der Frau Vorgänge wie den Menstruationszyklus, die Schwangerschaft sowie die Entwicklung des Embryos. Als Medikament wird Progesteron meist bei einem Hormonmangel verabreicht. Hier lesen Sie alles Wichtige über Progesteron - Wirkung, Anwendung und Nebenwirkungen.

So wirkt Progesteron

Progesteron ist ein natürliches Gestagen (Gelbkörperhormon) und wird bei Frauen verstärkt in der zweiten Hälfte des Menstruationszyklus (auch als Sekretions- oder Lutealphase bezeichnet) vom sogenannten Gelbkörper (Corpus luteum) ausgeschüttet. Der Gelbkörper bildet sich aus dem Eibläschen im Eierstock, nachdem dieses eine befruchtungsfähige Eizelle in den Eileiter abgegeben hat (Eisprung).

Nach der erfolgten Befruchtung und Einnistung der Eizelle in die Gebärmutterschleimhaut steigt der Progesteron-Spiegel noch weiter an, weil die Plazenta das Hormon weiter produziert, um die Gebärmuttermuskulatur zum Schutz der Schwangerschaft ruhig zu stellen.

Auch Männer produzieren – wenn auch in sehr geringen Mengen – Progesteron. Über seine Funktionen im männlichen Körper ist aber viel weniger bekannt als über seine Bedeutung im weiblichen Organismus.

Normwerte von Progesteron

Erwachsene, menstruierende Frauen weisen Progesteron-Werte von nahezu 0 bis durchschnittlich 13 Nanogramm pro Milliliter Blut auf, wobei Schwankungen von bis zu einem Drittel üblich sind. Nach der Menopause, bei Einnahme der Verhütungspille sowie bei Männern liegen die Progesteron-Normwerte unter einem Nanogramm pro Milliliter.

Progesteron & Schwangerschaft

Progesteron ist auch als Schwangerschaftshormon bekannt. Es bereitet in der zweiten Hälfte des Menstruationszyklus die Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) auf die mögliche Einnistung einer befruchteten Eizelle vor. Kommt es nicht zur Befruchtung, löst sich der Gelbkörper nach etwa zehn Tagen auf. In der Folge sinkt die Progesteron-Konzentration im Blut wieder, und die Menstruation tritt ein.

Experten diskutieren noch weitere Effekte des Progesterons. So scheint das Hormon während der Einnistung der befruchteten Eizelle das Immunsystem der Mutter nach unten zu regulieren, damit es nicht gegen die Einnistung arbeitet.

Während der Schwangerschaft soll Progesteron auch die vorzeitige Milchproduktion in den Brüsten hemmen, damit erst nach erfolgter Geburt für den Säugling die Milch bereitgestellt wird. Zudem wird vermutet, dass das Abfallen des Progesteron-Spiegels kurz vor der Geburt zum Einsetzen des Geburtsvorgangs führt und die Gebärmuttermuskeltätigkeit anregt, also die Wehen einleitet.

Darüber hinaus soll das Hormon noch weitere Effekte im Körper ausüben, etwa beim Aufbau des zentralen Nervensystems und im Hinblick auf das Erinnerungsvermögen und Gedächtnis.

Progesteron als Medikament

In der Medizin werden entweder oral einzunehmende Progesteron-Kapseln verwendet oder der Wirkstoff wird lokal (etwa als Creme), parenteral (als Infusion) oder vaginal verabreicht.

Nach oraler Aufnahme wird das Hormon schnell und vollständig in den Körper aufgenommen, aber sofort zu 90 Prozent in der Leber abgebaut. Deshalb entspricht die in den Blutkreislauf gelangende Menge nur etwa einem Zehntel der eingenommen entspricht. Die maximalen Blutwerte werden drei bis vier Stunden nach der Einnahme erreicht, allerdings fallen die Werte schnell wieder ab.

Bei regelmässiger, zweimal täglicher Einnahme lassen sich stabile erhöhte Hormon-Konzentrationen im Körper erzielen.

Wann wird Progesteron eingesetzt?

Die Gabe von Progesteron dient meist dazu, einen Mangel an körpereigenem Hormon auszugleichen. So wird der Wirkstoff zum Beispiel zur Unterstützung der Lutealphase im Rahmen der assistierten Reproduktion (künstliche Befruchtung) und bei hormonbedingten Brustschmerzen vor der Periode (Mastodynie) angewendet.

Ausserdem wird das Hormon (oft zusammen mit einem Östrogen) bei Wechseljahresbeschwerden (Menopausensyndrom) oder im Rahmen einer Hormonersatztherapie nach operativer Entfernung der Eierstöcke eingesetzt.

Die Anwendung während der Schwangerschaft ist zeitlich begrenzt. Die Anwendung beim Menopausensyndrom oder bei hormonbedingten Brustschmerzen kann auch längerfristig erfolgen.

So wird Progesteron angewendet

Der Wirkstoff kann sowohl als Weichkapsel eingenommen als auch lokal als Progesteron-Creme, -Gel oder -Vaginaltablette angewendet werden. Weil der Wirkstoff sehr schnell im Körper abgebaut wird, erfolgt die Anwendung in der Regel zweimal täglich.

Welche Nebenwirkungen hat Progesteron?

Entsprechende Hormonpräparate enthalten natürliches Progesteron ("bioidentisches Progesteron") und sind daher meist gut verträglich. Zu den gängigen Progesteron-Nebenwirkungen zählen Abgeschlagenheit, Schläfrigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen und depressive Verstimmung. Sie treten bei jedem zehnten bis hundertsten Patienten auf.

Bei lokaler Anwendung des Hormons (zum Beispiel in Form von Progesteron-Creme) sind Nebenwirkungen viel seltener. Hautausschläge und Juckreiz werden am häufigsten beobachtet. Seltener treten Kopfschmerzen und Müdigkeit auf.

Was ist bei der Anwendung von Progesteron zu beachten?

Gegenanzeigen

Progesteron darf nicht angewendet werden bei:

  • ungeklärten vaginalen Blutungen
  • Tumor der Brustdrüse oder der Geschlechtsorgane
  • Porphyrie (gestörter Abbau des roten Blutfarbstoffes)
  • schwerer Leberfunktionsstörung

Wechselwirkungen

Da von aussen zugeführtes Progesteron in den weiblichen Hormonhaushalt eingreift, sollten die Präparate genau nach ärztlicher Anweisung angewendet werden.

Das Hormon wird in der Leber von Enzymen (Cytochrom P450-Enzyme) verstoffwechselt, die auch am Abbau vieler anderer Arzneistoffe beteiligt sind. Dazu zählen etwa Wirkstoffe gegen Epilepsie (Phenobarbital, Phenytoin, Carbamazepin), das Antibiotikum Rifampicin, die HIV-Medikamente Nevirapin und Efavirenz sowie Johanniskraut (pflanzliches Antidepressivum). Bei gleichzeitiger Einnahme solcher Medikamente kann daher Progesteron verstärkt abgebaut werden, was seine Wirkung abschwächt oder sogar komplett hemmt.

Kinder und Jugendliche

Kinder sollten das Hormon wegen möglicher Entwicklungsstörungen nicht anwenden. Progesteron besitzt keinen relevanten Nutzen im Kindes und Jugendalter, weshalb eine Anwendung in dieser Altersgruppe äusserst selten stattfindet.

Schwangerschaft und Stillzeit

Progesteron kann in der Schwangerschaft angewendet werden: Es besteht kein erhöhtes Fehlbildungsrisiko. Für die vaginale Anwendung von Progesteron konnte zudem gezeigt werden, dass es bei Risikoschwangerschaften das Risiko für Frühgeburten senkt.

Es gibt keine Indikation für die Anwendung von Progesteron während der Stillzeit. Bei der vaginalen Anwendung konnten in Studien keine Folgen bei gestillten Kindern beobachtet werden.

So erhalten Sie Medikamente mit Progesteron

Progesteron ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz in sämtlichen Darreichungsformen rezeptpflichtig, also nur nach ärztlicher Verschreibung in der Apotheke erhältlich.

Seit wann ist Progesteron bekannt?

Natürliches Progesteron wurde schon 1934/35 entdeckt, wobei vier verschiedene Forschungsgruppen fast gleichzeitig die Entdeckung veröffentlichten. Seinen Namen erhielt das Hormon von der Gruppe um Williard M. Allen, die ihn von "progestationales steroidales Keton" abgeleitet haben. Diese Fachbezeichnung beschreibt die physiologische Wirkung, den allgemeinen Aufbau und ein bestimmtes chemisches Charakteristikum von Progesteron.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Benjamin Clanner-Engelshofen
Benjamin Clanner-Engelshofen

Benjamin Clanner-Engelshofen ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Er studierte Biochemie und Pharmazie in München und Cambridge/Boston (USA) und merkte dabei früh, dass ihm die Schnittstelle zwischen Medizin und Naturwissenschaft besonders viel Spaß macht. Deshalb schloss er noch ein Studium der Humanmedizin an.

Quellen:
  • Aktories, K. et al.: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 11. Auflage, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2013.
  • Pharmakovigilanz und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin: Progesteron, unter: www.embryotox.de (Abruf: 04.06.2021)
  • Stricker, R. et al.: Establishment of detailed reference values for luteinizing hormone, follicle stimulating hormone, estradiol, and progesterone during different phases of the menstrual cycle on the Abbott ARCHITECT analyzer. Clinical chemistry and laboratory medicine (2006), 44(7), 883–887. https://doi.org/10.1515/CCLM.2006.160
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