Subclavian-Steal-Syndrom

Von , Ärztin
Mareike Müller

Mareike Müller ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion und Assistenzärztin für Neurochirurgie in Düsseldorf. Sie studierte Humanmedizin in Magdeburg und sammelte viel praktische medizinische Erfahrung während ihrer Auslandsaufenthalte auf vier verschiedenen Kontinenten.

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Das Subclavian-Steal-Syndrom ist eine Durchblutungsstörung des Gehirns. Sie kommt durch eine Verengung einer Arm-Arterie in Nähe des Schlüsselbeins (Arteria subclavia) zustande. Patienten empfinden häufig Schwindel oder Sehstörungen. Die Krankheit lässt sich durch einen Eingriff heilen. Lesen Sie hier mehr zum Subclavian-Steal-Syndrom.

Verengung einer Arterie

Kurzübersicht

  • Symptome: Anfallsartige Schwindelanfälle, Sehstörungen, Bewusstseinsstörungen, Kopfschmerzen, Schmerzen in einem Arm; besonders, wenn der betroffenen Arm bewegt wird.
  • Ursachen und Risikofaktoren: Verengung in einer der Schlüsselbeinarterien, die den Arm versorgen; "Anzapfen" der das Hirn versorgenden Wirbelarterien. Rauchen, Bewegungsmangel, hohes Blutfett sowie Gefässleiden sind Risikofaktoren.
  • Diagnose: Symptome, Krankengeschichte, Blutdruckmessung an beiden Armen, Ultraschall mit Darstellung des Blutflusses, eventuell Computer- oder Magnetresonanztomografie, Angiografie.
  • Behandlung: Operation weitet die Verengung oder umgehen mit einem Bypass.
  • Prognose: Behandelt gute Prognose; unbehandelt Komplikationen bis hin zum Schlaganfall möglich.
  • Vorbeugen: Bei bekanntem Risiko Kontrolluntersuchungen der Durchblutung; Senken des Arteriosklerose-Risikos durch Rauchverzicht, gesunde Ernährung, Sport.

Was ist das Subclavian-Steal-Syndrom?

Das Subclavian-Steal-Syndrom ist eine sehr seltene Durchblutungsstörung des Gehirns. Es tritt auf, wenn eine Schlüsselbeinarterie (Arteria subclavia) verengt ist, die für die Blutversorgung der Arme zuständig ist. Diese Verengung ist meist durch eine Verkalkung der Gefässe bedingt.

Die verengte Schlüsselbeinarterie zapft zum Ausgleich die Wirbelarterie (Arteria vertebralis) an, die eigentlich Blut ins Gehirn leitet: Das heisst, die Schlüsselbeinarterie „stiehlt“ (englisch „to steal“ = stehlen) Blut aus der Arteria vertebralis und damit vom Gehirn. Damit gehört die Erkrankung zu den sogenannten Anzapf-Phänomenen (Steal-Phänomenen).

Dadurch kommt es zu einer Mangelversorgung verschiedener Hirnabschnitte. Um die Ursachen für ein Subclavian-Steal-Syndrom besser zu verstehen, lohnt sich ein kurzer Blick auf die Anatomie.

Anatomie

Das Gehirn wird sowohl durch die rechte und linke Arteria carotis interna als auch durch die rechte und linke Arteria vertebralis mit Blut versorgt. Diese Arterien sind über zwischengeschaltete Blutgefässe miteinander verbunden.

Die linke Karotis-Arterie entspringt der Hauptschlagader (Aorta). Links zweigt die linke Arteria subclavia ab. Die rechte Körperhälfte wird versorgt, indem aus der Aorta der Truncus brachiocephalicus entspringt. Dieser teilt sich anschliessend in die rechte Arteria subclavia und die rechte Karotis-Arterie auf.

Aus der rechten und linken Arteria subclavia entspringt die jeweilige Arteria vertebralis. Diese verläuft entlang der Wirbelkörper Richtung Schädel und versorgt dort Teile des Gehirns. Die Arteria subclavia verläuft weiter unter dem Schlüsselbein entlang Richtung Achsel und übernimmt die Blutversorgung der Arme.

Aufgrund der Verläufe der Blutgefässe stehen die Arteria carotis, die Arteria vertebralis und die Arteria subclavia in Verbindung miteinander.

Subclavian-Steal-Syndrom und Subclavian-Steal-Phänomen

Das Subclavian-Steal-Syndrom wird als solches bezeichnet, wenn verschiedene Krankheitszeichen vorliegen, die gleichzeitig auftreten und in einem Zusammenhang zueinander stehen. Man spricht dann auch von einem Symptom-Komplex.

Davon zu unterscheiden ist das Subclavian-Steal-Phänomen. Ärzte verwenden diesen Begriff, wenn die Ursache für ein mögliches Subclavian-Steal-Syndrom vorliegt, aber der Patient (noch) keine Symptome zeigt, das heisst asymptomatisch ist.

Wie äussert sich ein Subclavian-Steal-Syndrom?

Das Subclavian-Steal-Syndrom äussert sich durch verschiedene Krankheitszeichen, die meist nur eine Körperhälfte betreffen. Es müssen nicht immer alle der folgenden Symptome vorliegen. Einige Patienten bleiben bei Verengungen der Arteria subclavia beschwerdefrei (asymptomatisch, Subclavian-Steal-Phänomen).

Die folgenden Krankheitszeichen sind beim Subclavian-Steal-Syndrom typisch:

  • Ungerichteter Schwindel (anders als bei anderen Arten von Schwindel scheinen sich die Umgebung oder der Boden nicht in eine bestimmte Richtung zu bewegen)
  • Gleichgewichtsstörungen, Ohrensausen
  • Gangunsicherheit
  • Sehstörungen, Augenmuskel-Lähmungen
  • Bewusstseins-Störungen bis zur Ohnmacht, plötzliche Stürze möglich (Sturz-Attacke)
  • Lähmungen, Sensibilitätsstörungen
  • Sprach-, Schluckstörungen
  • Kopfschmerzen am Hinterkopf

Bei einem Subclavian-Steal-Syndrom verstärken sich die Beschwerden häufig, wenn der Patient den Arm der betroffenen Seite bewegt.

Ausserdem sind Schmerzen, Blässe und verringerte Temperatur eines Arms möglich.

Die Symptome treten sowohl dauerhaft (chronisch) auf als auch anfallsartig, wenn der betreffende Arm bewegt wird.

Ursachen und Risikofaktoren

Ursache des Subclavian-Steal-Syndroms ist eine starke Verengung (Stenose) oder ein Verschluss (Okklusion) der Arteria subclavia oder des Truncus brachiocephalicus. Entscheidend dabei ist, dass diese Verengung vor dem Abgang der Arteria vertebralis aus der Arteria subclavia liegt.

Durch die Verengung gelangt zu wenig Blut in den Arm der betroffenen Seite. Dadurch entsteht ein Unterdruck in der Arteria subclavia. Aufgrund der Schwerkraft zapft diese so die Arteria vertebralis an, die normalerweise das Gehirn mitversorgt. Der Blutstrom der Arteria vertebralis wird dabei umgedreht und das Blut fliesst von ihr in die Arteria subclavia und nicht mehr ins Gehirn.

Mögliche Ursachen der Arterienverengung sind eine Arteriosklerose (Verengung des Gefässes durch Kalkablagerungen), eine spezielle Form der Arterien-Entzündung (Takayasu-Arteriitis) oder ein sogenanntes Halsrippen-Syndrom, bei dem eine zusätzliche Rippe am Halswirbel Blutgefässe einengt.

Aufgrund der Ausgleichs- oder Umgehungs-Mechanismen beim Subclavian-Steal-Syndrom fehlt Blut im Gehirn. Vor allem, wenn der betroffene Arm einen erhöhten Blutbedarf hat, wie bei Bewegung, verstärkt sich die Mangelversorgung im Gehirn. Dadurch kommt es besonders auf der betroffenen Seite zu Ausfall-Erscheinungen wie Schwindel oder Sehstörungen.

Risikofaktoren für ein Subclavian-Steal-Syndrom

Besonders gefährdet, an einem Subclavian-Steal-Syndrom zu erkranken, sind Patienten mit einem Gefässleiden. Vor allem Verkalkungen der Arterien (Arteriosklerose) führen dazu, dass sich die Blutgefässe verengen.

Risikofaktoren dafür sind Rauchen, erhöhte Blutfettwerte und Bewegungsmangel. Ausserdem sind Fehlbildungen der Gefässe ein Risikofaktor für Verengungen sowie das seltene Vorkommen einer zusätzlichen Halsrippe.

Untersuchungen und Diagnose

Um ein Subclavian-Steal-Syndrom festzustellen, setzt Ihr Arzt verschiedene Untersuchungsmethoden ein. Zunächst befragt er Sie nach Ihrer Krankengeschichte (Anamnese). Dazu stellt er Ihnen unter anderem folgende Fragen:

  • Ist Ihnen öfters schwindelig?
  • Tritt der Schwindel verstärkt nach einer Belastung der Arme auf?
  • Haben Sie Ohrensausen?
  • Ist der Schwindel schwankend, drehend oder ungerichtet?
  • Leiden Sie an Blutverfettung?
  • Haben Sie Probleme mit dem Herzen oder den Gefässen?
  • Haben Sie plötzliche Ohnmachtsanfälle?

Anschliessend untersucht Ihr Arzt Sie körperlich. Dabei tastet er unter anderem den Puls und misst den Blutdruck. Wenn auf einer Seite der Puls abgeschwächt ist und zwischen beiden Armen eine Blutdruckdifferenz von über 20 mmHg besteht (Millimeter Quecksilbersäule = mmHg, Messeinheit des Blutdrucks), deutet dies auf eine mögliche Verengung der Arteria subclavia und damit auf ein Subclavian-Steal-Syndrom hin.

Ausserdem hört Ihr Arzt Ihr Herz und die umliegenden Blutgefässe ab. Bei einer Verengung der Arteria subclavia ist das Strömungs-Geräusch verändert.

Beim Verdacht auf ein Subclavian-Steal-Syndrom veranlasst Ihr Arzt unter Umständen weitere Untersuchungen. Die Methode der ersten Wahl ist dabei die Doppler- oder Duplex-Sonografie. Dies ist eine Ultraschalluntersuchung, mit der sich sowohl die Gefässe als auch der Blutfluss darstellen lassen. So ist eine eventuelle Verengung der Arteria subclavia und eine Umkehr des Blutflusses in der Arteria vertebralis zu erkennen.

Andere bildgebende Verfahren setzt der Mediziner in manchen Fällen zusätzlich zur Diagnostik ein. Dazu zählt eine Röntgenuntersuchung der Gefässe mittels Computertomografie oder Magnetresonanztomografie (CT- oder MRT-Angiografie) beziehungsweise eine Angiografie mit Kontrastmittel.

Dabei muss der Arzt ein Aortenbogen-Syndrom ausschliessen, bei dem es zwar zu ähnlichen Symptomen kommt, aber bei dem Verengungen in mehreren Gefässen vorliegen.

Behandlung

Es gibt verschiedene Behandlungsarten des Subclavian-Steal-Syndroms. Sind schwere Symptome vorhanden, empfindet der Patient einen hohen Leidensdruck.

Hat der Arzt in den Untersuchungen eine starke Verengung oder ein Verschluss der Arteria subclavia festgestellt, erfolgt ein Eingriff mit einer Operation. Gängige Verfahren sind die perkutane transluminale Angioplastie (PTA) sowie das Einsetzen eines Bypasses.

PTA und Bypass

Bei einer perkutanen transluminalen Angioplastie (PTA) schiebt man einen Katheter über ein Blutgefäss bis zur Verengung vor. Dort wird ein Ballon platziert, der das Gefäss aufweitet (Ballondilatation).

Ein Bypass ermöglicht die Umgehung eines verengten Gefässes: Der Bypass, der häufig aus körpereigenen Gefässen besteht, wird jeweils vor und hinter der Verengung mit dem Blutgefäss verbunden.

Auf diese Weise leitet man das heranströmende Blut über den Bypass an der Verengung vorbei und die dahinterliegenden Körperabschnitte werden weiterhin versorgt.

Krankheitsverlauf und Prognose

Bei rechtzeitiger Behandlung hat das Subclavian-Steal-Syndrom eine gute Prognose. Nicht alle Patienten mit einer Verengung der Arteria subclavia zeigen die entsprechenden Symptome (Subclavian-Steal-Phänomen). Mit der Zeit geht eine leichte Verengung aber oft in eine schwere Verengung über oder führt sogar zum vollständigen Verschluss des Gefässes.

Ist eine Arteriosklerose der Schlüsselbein-Arterie die Ursache, sind auch an anderen Arterien ähnliche Verengungen oder Verkalkungen möglich, die unter Umständen lebensbedrohlich werden. Daher wird der Arzt im Verlauf auch andere Gefässabschnitte, wie zum Beispiel die Herzkranzgefässe, im Auge behalten.

Nach einem Herzinfarkt erfolgen Bypässe der Herzkranzgefässe häufig mithilfe der inneren Brustwandarterie (Arteria thoracica interna), die aus der Arteria subclavia entspringt. Kommt es zu einem Subclavian-Steal-Syndrom, also einer Verengung der Arteria subclavia, ist es möglich, dass es durch einen solchen Bypass eine Mangelversorgung am Herzen und eventuell zu Brustschmerzen kommt.

Neben den genannten Symptomen beim Subclavian-Steal-Syndrom führt ein Verschluss der Arteria subclavia häufig auch zu Durchblutungsstörungen im Arm. Ist der Truncus brachiocephalicus verengt, sind neben dem Subclavian-Steal-Syndrom Probleme in der Gehirnversorgung über die Karotis-Arterie möglich, was Schlaganfälle als mögliche Folge hat. 

Vorbeugung

Das Subclavian-Steal-Syndrom lässt sich bei bekannten Risiken oder zusätzlicher Gefährdung wie bei einem Herzkranzgefässbypass vorbeugend behandeln. Dabei versucht der Arzt, das Risiko für einen möglichen Verschluss der Arteria subclavia zu senken. Weil eine solche Gefässverengung häufig bei Arteriosklerose entsteht, empfiehlt der Mediziner etwa, nicht zu rauchen, sich fettarm und ausgewogen zu ernähren und regelmässig Sport zu treiben.

Ferner untersucht man die Durchblutung in regelmässigen Kontrolluntersuchungen bereits vorsorglich, wenn ein entsprechendes Risiko besteht oder die Erkrankung bereits einmal überstanden wurde

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Mareike Müller
Mareike Müller

Mareike Müller ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion und Assistenzärztin für Neurochirurgie in Düsseldorf. Sie studierte Humanmedizin in Magdeburg und sammelte viel praktische medizinische Erfahrung während ihrer Auslandsaufenthalte auf vier verschiedenen Kontinenten.

ICD-Codes:
G45
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
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