Skoliose-Übungen

Von , Arzt
Florian Tiefenböck

Florian Tiefenböck hat Humanmedizin an der LMU München studiert. Im März 2014 stieß er als Student zu NetDoktor und unterstützt die Redaktion seither mit medizinischen Fachbeiträgen. Nach Erhalt der ärztlichen Approbation und einer praktischen Tätigkeit in der Inneren Medizin am Uniklinikum Augsburg ist er seit Dezember 2019 festes Mitglied des NetDoktor-Teams und sichert unter anderem die medizinische Qualität der NetDoktor-Tools.

Alle NetDoktor.ch-Inhalte werden von medizinischen Fachjournalisten überprüft.

Skoliose-Übungen zielen vor allem auf die Rücken-und Bauch-Muskulatur, fördern die Aufrichtung des Körpers entlang der Wirbelsäule und sollen zu einer natürlichen Haltung verhelfen. Die Übungen sind vor allem bei leichten Wirbelsäulen-Verkrümmungen sinnvoll, schwere Formen lassen sich dadurch kaum verbessern. Lesen Sie hier mehr über Skoliose-Übungen.

Skoliose-Übungen lassen sich unter Anleitung erlernen

Welche Übungen können bei Skoliose helfen?

Unter den Skoliose-Übungen gibt es zum einen physiotherapeutische Anwendungen, bei denen der Patient nur wenig mitarbeiten muss. Zum anderen erlernt er krankengymnastische Übungen, die sich aktiv zu Hause wiederholen lassen.

Diese Übungen helfen in erster Linie dabei, das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten und die bestehenden Krümmungen der Wirbelsäule zu reduzieren.

Ziele der Skoliose-Übungen

Ziele von Skoliose-Übungen sind:

  • Verbesserung der Körperhaltung
  • Stärkung der Muskelkraft
  • Beseitigungen von Krümmungen nach vorne (Lordose) und hinten (Kyphose)
  • Steigerung der Lungen- und Herz-Funktion

Es gibt zahlreiche Übungen gegen Skoliose und es gibt verschiedene physiotherapeutische Behandlungskonzepte. Ob sie alle tatsächlich ihre Ziele erfüllen, ist zum Teil umstritten.

Studien haben bislang nicht für alle Übungen eine Wirksamkeit nachgewiesen — allerdings gibt es auch etliche Berichte über kontrolliert erfolgreiche Behandlungen etwa nach der Methode Schroth.

Ärzte empfehlen in der Regel, Skoliose-Übungen auch im Rahmen einer Korsett-Behandlung oder einer operativen Therapie unbedingt durchzuführen.

Skoliose-Übungsmethoden

Es gibt mittlerweile über 100 verschiedene Methoden der Krankengymnastik und Alternativmedizin, eine Skoliose zu behandeln. Im Folgenden sind einige bekannte und verbreitete Therapie-Ansätze genauer beschrieben.

Welche Übungen können Zuhause gemacht werden?

Übungen, die helfen, eine Skoliose zu korrigieren, lassen sich in der Regel von älteren Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen oder bei kleineren Kindern unter Aufsicht Erwachsener auch Zuhause regelmässig ausüben. Allerdings ist es in der Regel sinnvoll, dass sie idealerweise zunächst durch einen Therapeuten kontrolliert und in Rücksprache mit dem Arzt erlernt werden.

Das geschieht etwa ambulant bei einem Physiotherapeuten oder auch stationär mit einem längeren Aufenthalt in speziellen Reha-Kliniken.

Mittlerweile gibt es als Ergänzung zur ambulanten oder auch stationären Physiotherapie aber auch digitale Online-Kurse und Anwendungen gegen Skoliose, die zum Teil durch die Krankenkassen erstattet werden. Fragen Sie dazu am besten Ihren behandelnden Arzt.

Ohne vorherige fachliche Anleitung und ohne ärztlichen Rat selbst Übungen durchzuführen birgt das Risiko, dass sie entweder nicht wirken oder schlimmstenfalls zu Schäden führen.

Klapp’sches Kriechen

Der deutsche Chirurg Rudolf Klapp entwickelte bereits im Jahr 1905 Übungen zur Behandlung von Skoliose. Der Patient führt sie im Vierfüssler-Stand aus. Filz- oder Schaumstoff-Polster schützen dabei Hände, Füsse und Knie.

Bei den einzelnen Skoliose-Übungen "kriechen" die Patienten beispielsweise auf Händen und Knien (beispielsweise im Pass- oder Kreuzgang) oder rutschen durch das Strecken der Arme nach vorne (Rutsch-Halte). Ziel ist es, so die Rumpf-Muskulatur zu kräftigen und zu dehnen sowie die Wirbelsäule beweglicher zu machen.

Vojta-Technik (neurophysiologische Bewegungs-Bahnung)

Die Skoliose-Übungen des tschechischen Neurologen Václav Vojta fasst man unter dem Begriff Reflex-Lokomotion zusammen. Ein Reflex ist die immer gleiche körperliche Reaktion auf einen bestimmten Reiz.

Bei der Vojta-Technik liegen die Patienten entweder auf dem Bauch, dem Rücken oder auf der Seite. Anschliessend drückt der Therapeut auf bestimmte Körperstellen um gezielt Bewegungs-Reflexe auszulösen. Dabei werden wiederum Nerven angeregt, die bestimmte Muskeln versorgen. Diese Skoliose-Übungen wendet man vor allem bei Säuglingen und kleinen Kindern an, um das Ungleichgewicht einzelner Muskel-Gruppen auszugleichen.

Die Vojta-Technik hilft oft auch bei Erwachsenen und zahlreichen anderen Nerven- oder Muskel-Erkrankungen (wie etwa Querschnitts-Lähmung, kindliche Hirn-Schädigungen, Schlaganfall, Multiple Sklerose). Sie wirkt auf die Gleichgewichts-Steuerung, Körper-Aufrichtung und zielgerichtete Bewegungs-Abläufe (etwa mit den Händen greifen). Diese Vorgänge laufen bei Gesunden automatisch ab, sind bei verschiedenen Krankheiten aber deutlich eingeschränkt.

Bei regelmässiger Anwendung dieser Skoliose-Übungen nach Vojta lassen sich die zuständigen Nervenbahnen leichter aktivieren (Bahnung). Neben der Körper-Haltung beeinflusst die Technik auch verschiedene Körper-Funktionen, beispielsweise die Atmung, Blasen- und Darmfunktion oder das Sprechen und Schlucken.

Dreidimensionale Skoliose-Übungen nach Schroth(-Lehnert)

Diese Methode begründete die selbst von Skoliose betroffene Gymnastik-Lehrerin Katharina Schroth in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Nachfolgend entwickelte sie sie weiter.

Der Patient betrachtet sich dabei im Spiegel und korrigiert zusammen mit dem Therapeuten bestmöglich seine falsche Körper-Haltung. Ziel ist, dass der Betroffene anschliessend bewusst Gelenk-Stellungen, Muskel-Längen oder Bänder-Dehnungen wahrnimmt und verinnerlicht.

Umgekehrt ist beabsichtigt, dass der Betroffene so falsche Körper-Positionen, die eine Skoliose fortschreiten lassen, erkennt und vermeidet (wie etwa krummes Sitzen im Beruf). Diese Skoliose-Übungen schulen zusammenfassend Koordination, Haltung und Bewegungen. Beabsichtigt ist, dass die Betroffenen sie zunehmend unterbewusst in den Alltag einbauen.

Drehwinkel-Atmung

Zu den Skoliose-Übungen nach Schroth gehört auch die sogenannte Drehwinkel-Atmung. Durch bewusstes Einatmen (bei Drehung und Streckung des Oberkörpers) ist beabsichtigt, die Rippen auf der Seite wieder nach vorne zu drücken, wo die verdrehte Wirbelsäule einen abgeflachten Brustkorb bewirkt. Idealerweise dreht sich zeitgleich auch die Wirbelsäule mit und erreicht eine gesündere Position.

Weitere Skoliose-Übungen

Neben den genannten Therapie-Methoden gibt es noch viele weitere Skoliose-Übungen. In der Regel führt man verschiedene Skoliose-Übungen durch und kombiniert diese miteinander.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick:

Ziel

Beispiele geeigneter Skoliose-Übungen oder Therapieformen

Stärkung der Rumpf-Muskulatur

  • Medizinisches Krafttraining (MTT)
  • Funktionelle Bewegungslehre nach Klein-Vogelbach (etwa mit einem Gymnastikball)
  • Skoliose-Übungen an der Sprossen- oder Kletterwand
  • Skoliose-Übungen nach Schroth
  • Stemm-Führung nach Brunkow

Aufrichtung der Wirbelsäule

  • Schulung des Zusammenspiels zwischen Bewegungs- und Positions-Fühlern, Muskeln und Nerven mittels Propriozeptiver Neuromuskulärer Fazilitation (PNF) oder Stochastischer Resonanz-Therapie auf Vibrationsgeräten (SRT)
  • Kräftigung der Muskulatur auf der Krümmungs-Seite, Dehnen der entgegengesetzten Seite
  • Manuelle Therapie (wie etwa Gelenk-Therapie nach Dorn und Massagen nach Breuss)
  • Atemtherapie (etwa Drehwinkel-Atmung nach Schroth)

Erhalten des (erreichten) Zustandes

  • Ausgewählte Sportarten
  • Rückenschule
  • Fortführung der zuvor erlernten Skoliose-Übungen

Auch alternative Heilungsansätze wie die Osteopathie oder Chiropraktik finden in der Skoliose-Therapie Anwendung. Die Wirksamkeit alternativer Heilungsansätze ist jedoch umstritten und bislang nicht nach wissenschaftlich-schulmedizinischen Kriterien erwiesen. Es ist ratsam, sie nur ergänzend und in Absprache mit dem Arzt anzuwenden.

Welche Übungen können im Fitness-Studio gemacht werden?

Einige gezielte Kraft-Übungen für den Rücken, Rückenschule und andere Übungen lassen sich mit fachlichem Rat durch einen Trainer auch in vielen Fitness-Studios durchführen. Oft gibt es auch spezielle Angebote. Sinnvoll ist es, sich zuvor Rat beim Arzt zu holen, der Betroffenen auch konkrete Übungen und Trainings vorschlägt.

Welche Sportarten sind geeignet bei Skoliose?

Bei Skoliose Sport zu treiben ist nicht nur möglich, sondern sogar absolut empfehlenswert. Davon ausgenommen sind allerdings schwere Wirbelsäulen-Verkrümmungen mit Einschränkungen der Herz-Lungen-Funktion. Bewegungsmangel fördert das Voranschreiten der Skoliose.

Sport stärkt dagegen die Rücken- und Rumpf-Muskulatur und ergänzt Skoliose-Übungen optimal. Auch nach operativen Eingriffen ist es möglich, dass der Patient nach einer gewissen Zeit wieder Sport macht.

Sportarten mit ruckartigen Stoss- und Dreh-Bewegungen sind für Betroffene allerdings nicht geeignet. Dazu zählen beispielsweise Bodybuilding, Gewichtheben, Tennis, Trampolinspringen, freies Reiten oder Golf. Besonders geeignete Sportarten hingegen sind:

  • Nordic Walking und Wandern
  • Inlineskaten, Rollschuhfahren, Schlittschuh- oder Skilanglauf
  • Radfahren
  • Schwimmen (insbesondere Rücken- und Kraul-Schwimmen), Wassersport-Übungen (etwa Wassergymnastik)
  • Therapeutisches Reiten
  • Yoga, Pilates

Auch Joggen ist sinnvoll bei Skoliose, allerdings ist es wichtig, hier auf passendes Schuhwerk zu achten. Ausserdem sind weiche Böden (Wald, Wiese) geeigneter als Asphalt. Tanz- oder Gymnastik-Sport, wie beispielsweise Aerobic, wirken ebenfalls in der Regel einer Skoliose entgegen.

Allerdings sind Skoliosen bei Kunst-Turnerinnen und Ballett-Tänzerinnen gehäuft zu finden, weswegen ein direkter Nutzen umstritten bleibt.

Als optimaler Sport bei Skoliose gilt Klettern. Es gibt sogar spezielle Skoliose-Übungen für Kletter- und Sprossenwände.

Autoren- & Quelleninformationen

Jetzt einblenden
Datum :
Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:

Florian Tiefenböck hat Humanmedizin an der LMU München studiert. Im März 2014 stieß er als Student zu NetDoktor und unterstützt die Redaktion seither mit medizinischen Fachbeiträgen. Nach Erhalt der ärztlichen Approbation und einer praktischen Tätigkeit in der Inneren Medizin am Uniklinikum Augsburg ist er seit Dezember 2019 festes Mitglied des NetDoktor-Teams und sichert unter anderem die medizinische Qualität der NetDoktor-Tools.

ICD-Codes:
M41
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • Bischoff, H.-P. et al.: Praxis der konservativen Orthopädie, Georg Thieme Verlag, 1.Auflage, 2009
  • Breusch, S. et al.: Klinikleitfaden Orthopädie Unfallchirurgie, Urban & Fischer/Elsevier Verlag, 9.Auflage, 2019
  • Deutscher Verband für Physiotherapie, Patienteninformationen, unter: www.physio-deutschland.de (Abrufdatum: 08.04.2022)
  • Deutsches Skoliose Netzwerk (DSN), Physiotherapie, unter: www.deutsches-skoliose-netzwerk.de (Abrufdatum: 08.04.2022)
  • Hefti, F. et al.: Kinderorthopädie in der Praxis, Springer-Verlag, 3.Auflage, 2015
  • Heisel, J.: Physikalische Medizin - Praxiswissen Halte- und Bewegungsorgane, Georg Thieme Verlag, 1.Auflage, 2005
  • Hüter-Becker, A. et al.: Physiotherapie in der Pädiatrie, Georg Thieme Verlag, 2.Auflage, 2010
  • Kuster, M. et al.: Orthopädie und Unfallchirurgie, Springer Verlag, 1.Auflage, 2011
  • Mayer, C. et Siems, W.: 100 Krankheitsbilder in der Physiotherapie, Springer Medizin Verlag, 2.Auflage, 2019
  • Rüther, W. et al.: Orthopädie und Unfallchirurgie, Urban & Fischer/Elsevier Verlag, 20.Auflage, 2014
  • S1 Leitlinien zum speziellen Rehabilitationskonzept bei Wirbelsäulendeformitäten (Stand 2012, abgelaufen 2017, Leitlinie zur Zeit überarbeitet), unter: www.awmf.org (Abrufdatum: 08.04.2022)
  • Trobisch, P. et al.: Die idiopathische Skoliose, in: Deutsches Ärzteblatt 49, Dezember 2010, S.875-884
Teilen Sie Ihre Meinung mit uns
Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie NetDoktor einem Freund oder Kollegen empfehlen?
Mit einem Klick beantworten
  • 0
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
0 - sehr unwahrscheinlich
10 - sehr wahrscheinlich