Rektumprolaps

Von , Arzt und Medizinjournalist
Dr. med. Martin Waitz

Dr. Martin Waitz hat Humanmedizin an der Universität zu Köln studiert. Er arbeitete als Arzt in der Inneren Medizin sowie als medizinischer Online-Redakteur und Chefredakteur bei Gesundheitsportalen. Seine Schwerpunkte sind die Erstellung und medizinische Qualitätssicherung von Patienteninformationen.

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Rektumprolaps ist ein seltener Darmvorfall, bei dem der Mastdarm in den Anus vorfällt. Neben Nässen, Jucken und Bluten kommt es in vielen Fällen zu Entleerungsstörungen des Darms oder zum ungewollten Stuhlverlust (Inkontinenz). Besonders betroffen sind vor allem ältere Frauen. Erfahren Sie hier mehr über die Behandlung und Symptome des Rektumprolaps.

Frau greift sich an das Gesäß

Kurzübersicht

  • Behandlung: Vom Schweregrad abhängig, in der Regel ist eine operative Behandlung notwendig
  • Symptome: Nässen, Jucken, Stuhlschmieren, teilweise Inkontinenz, Stuhlentleerungsstörungen, Blutungen
  • Ursachen und Risikofaktoren: Beckenbodenschwäche, Alter, weibliches Geschlecht, Verdauungsstörungen (chronische Verstopfung oder Durchfall)
  • Diagnostik: Abfrage der Krankengeschichte und körperliche Untersuchung, Enddarmspiegelung, Ultraschall, selten Magnetresonanztomografie
  • Krankheitsverlauf und Prognose: Meist keine lebensbedrohliche Erkrankung, durch operative Behandlung Beschwerdelinderung oder -freiheit möglich
  • Vorbeugen: Keine grundsätzliche Vorbeugung möglich, Verdauungsstörungen frühzeitig behandeln, Bewegung und ausgewogene Ernährung

Was ist ein Rektumprolaps?

Bei einem Rektumprolaps kommt es immer wieder zu einem Darmvorfall: Das Rektum stülpt sich wie bei einem Teleskop komplett Richtung Anus. Da das Rektum auch als Mastdarm oder Enddarm bezeichnet wird, spricht man auch vom Mastdarmvorfall oder Enddarmvorfall. Im Gegensatz zum Analprolaps schieben sich hier alle Gewebeschichten, also auch die Muskelschichten durch den Anus, beim Analprolaps sind hingegen lediglich die Schleimhaut und die Haut des Analkanals betroffen. Der Rektumprolaps ist mitunter bis zu zehn Zentimeter lang, beim Analprolaps treten maximal zwei Zentimeter aus dem Anus.

Ärzte unterscheiden dabei zwischen einem inneren und einem äusseren Rektumprolaps:

  • Innerer Rektumprolaps: Hier ragt der Enddarm (noch) nicht aus dem Anus.
  • Äusserer Rektumprolaps: Der Enddarm ragt aus dem Anus.

Typischerweise tritt der Rektumvorfall immer wieder auf und entwickelt sich teilweise wieder von alleine zurück oder lässt sich zurückschieben. Zu Beginn bleibt vor allem der innere Rektumprolaps häufig unbemerkt. Im Laufe der Zeit nimmt der Schweregrad jedoch meist zu und der Enddarm ragt aus dem Anus heraus, weil der Schliessmuskel (Analsphinkter) geschädigt oder geschwächt ist.

Was kann man gegen einen Rektumprolaps tun?

Die Behandlung des Rektumprolaps hängt vom Leidensdruck der Betroffenen und vom vorliegenden Schweregrad ab. Da ein Rektumprolaps in den meisten Fällen nicht lebensbedrohlich ist, richtet sich die Entscheidung für eine Therapie unter anderem danach, wie sehr die Lebensqualität eingeschränkt ist. Ist der Schliessmuskel geschädigt, sodass eine Stuhlinkontinenz vorliegt, empfehlen Ärzte in der Regel eine operative Versorgung.

Nicht-operative Versorgung des Rektumprolaps

Es gibt nicht viele Möglichkeiten, um den Rektumprolaps ohne Operation zu behandeln. Wichtig sind jedoch Massnahmen, um einen normalen Stuhlgang zu fördern. Also eine ausgewogene und ballaststoffreiche Ernährung, die weder Verstopfungen noch Durchfälle begünstigt. Bei sehr schwachen Formen des inneren Rektumprolaps gibt es die Möglichkeit, Abhilfe durch ein sogenanntes Pessar herbeizuführen. Ein Pessar ist ein Medizinprodukt, das meist aus Silikon besteht und das es in unterschiedlichen Formen beispielsweise als Ring oder Würfel gibt. In den Körper eingeführt, stützt es das umliegende Gewebe und trainiert den Beckenboden.

Operative Versorgung des Rektumprolaps

In den meisten Fällen operieren Ärzte einen Rektumprolaps. Ziel der Operation ist es, die Beschwerden zu lindern und die Kontinenz, also die Fähigkeit, den Stuhlgang und den Abgang von Darmwinden zu kontrollieren, wiederzuerlangen. Dafür gibt es über 100 verschiedene Operationsverfahren. Welche Vorgehensweise die geeignetste ist, hängt vom individuellen Zustand des Patienten ab. Bezüglich der OP-Methoden unterscheidet man zwei Arten:

  • Eingriffe über den Anus
  • Eingriffe über die Bauchhöhle

Die Operationsmethoden über den Anus haben den Vorteil, dass dabei das Bauchgewebe nicht verletzt wird und häufig schonendere Narkoseverfahren eingesetzt werden. Die Verfahren über die Bauchhöhle erfolgen in der Regel über eine Bauchspiegelung (Laparoskopie) und seltener über einen Bauchschnitt (Laparotomie). Ein Vorteil der Operationsmethode über den Bauchraum ist, dass es dabei die Möglichkeit gibt, andere Organe wie die Gebärmutter und die Vagina durch den Eingriff anzuheben. In vielen Fällen liegt bei einem Rektumvorfall nämlich gleichzeitig das Absenken anderer Organe im Unterbauch vor.

Welche Operation infrage kommt, hängt von mehreren Faktoren ab. Nach einer gründlichen Untersuchung und dem Abwägen der Vor- und Nachteile für den Betroffenen legt der Arzt das passende Vorgehen fest. Wie bei allen operativen Eingriffen kommt es in seltenen Fällen zu Komplikationen wie Blutungen.

Welche Beschwerden verursacht ein Rektumprolaps?

Der Rektumprolaps verursacht zu Beginn oft folgende Beschwerden:

  • Nässen
  • Jucken
  • Blutungen
  • Stuhlschmieren (Schleifspuren in der Unterwäsche)

Diese Symptome treten vor allem bei einem inneren Mastdarmvorfall auf. Eine Stuhlinkontinenz, bei der auch Blähungen unkontrolliert abgehen, entwickelt sich über die Zeit. Insbesondere, wenn der Schliessmuskel Schäden nimmt.

Dass der komplette Enddarm heraushängt, kommt selten vor. Auch Schmerzen sind ein Symptom, das Betroffene weniger beschreiben. Häufig hingegen sind Probleme bei der Stuhlentleerung oder das Gefühl einer unvollständigen Stuhlentleerung. Zudem schränkt ein Rektumprolaps durch die Beschwerden vor allem die Lebensqualität der betroffenen Personen ein.

Wie entsteht ein Rektumprolaps?

Der Rektumprolaps entsteht meist durch das Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Eine Rolle spielen dabei genetische Faktoren zur Veranlagung für eine Gewebeschwäche sowie anatomische Gegebenheiten. Das Rektum, die Harnblase und die Gebärmutter sind durch bestimmte körperliche Strukturen an ihrem Platz im unteren Becken befestigt. Diese Strukturen bestehen vor allem aus Bändern und Muskeln des Beckenbodens. Ist dieser geschwächt, begünstigt dies die Entstehung des Rektumprolaps. Auch ein geschädigter Schliessmuskel erhöht das Risiko für einen Rektumprolaps.

Zudem sind das Alter und das Geschlecht massgeblich: Am häufigsten sind ältere Frauen betroffen, Männer entwickeln viel seltener einen Rektumprolaps (Verhältnis Frauen zu Männer 10:1). Dies ist bei Frauen insbesondere dann der Fall, wenn sie mehrere Kinder vaginal geboren haben.

Daneben zählen Operationen im Beckenbereich wie gynäkologische Operationen oder chronische Verdauungsstörungen wie Verstopfung und Durchfall zu den Risikofaktoren für einen Rektumprolaps. In den meisten Fällen bestehen gleichzeitig Hämorrhoiden.

Rektumprolaps bei Kindern

Diese Erkrankung des Darmvorfalls tritt bei Kindern nur sehr selten auf, und wenn, dann bei Kindern unter drei Jahren. Risikofaktoren für einen Rektumprolaps in diesem Alter sind Mangelernährung oder auch chronische Atemwegserkrankungen wie eine zystische Fibrose.

Wie wird ein Rektumprolaps festgestellt?

Der Arzt stellt den Rektalprolaps meist durch eine körperliche Untersuchung fest. Dabei steht die Abgrenzung zum Analprolaps meist an erster Stelle. Der Arzt tastet dazu den Darmvorfall ab, wobei die Rektumschleimhaut wenig schmerzempfindlich ist. Falls es sich um einen äusseren Rektumprolaps handelt, sieht er oft schon anhand der Schleimhaut, ob es sich um einen Anal- oder einen Rektumprolaps handelt. Ein weiterer Hinweis ist, dass beim Analprolaps maximal wenige Zentimeter (ein bis zwei) aus dem Anus ragen. Ist es mehr, spricht dies für einen Rektumprolaps.

Insbesondere beim inneren Rektumprolaps hilft eine Enddarmspiegelung, um die Diagnose zu stellen. Bei einem äusseren Rektumprolaps ist dies meist nicht notwendig. Zudem dient die Spiegelung des unteren Darmabschnittes dazu, die weiteren Behandlungsmöglichkeiten abzuwägen. Eine Ultraschalluntersuchung hingegen dient dazu, die Funktion des Schliessmuskels zu beurteilen.

In manchen Fällen ist, insbesondere bei einem inneren Rektumprolaps, eine Defäkografie mittels Magnetresonanztomografie (MRT) hilfreich. Bei einer Defäkografie bekommt der Betroffene ein Kontrastmittel in den Enddarm eingeführt. Während der Untersuchung spannt und entspannt er den Schliessmuskel und entleert Stuhl. Dieser Vorgang wird dann mittels MRT aufgezeichnet und gibt Aufschluss über die vorliegende Darmstörung und deren Behandlungsmöglichkeit.

Liegt eine Verstopfungen vor, misst der Arzt gelegentlich die sogenannte Kolontransitzeit. Hier nimmt der Patient bestimmte Marker-Tabletten ein, die mittels einer Röntgenuntersuchung nach circa einer Woche im Darm aufgesucht werden. Je nachdem, wo sich die Marker aus den Tabletten im Darm befinden, lässt sich dadurch die Kolontransitzeit berechnen. Damit beurteilt der Arzt, ob der Dickdarm die Nahrung in einer normalen Geschwindigkeit transportiert.

Treten zudem gynäkologische oder urologische Beschwerden auf wie Harninkontinenz oder besteht ein vaginaler Vorfall, klärt der Arzt dies zusätzlich ab. Meist erfolgt dann eine Weiterleitung an die entsprechenden Fachärzte, wie den Urologen oder den Gynäkologen.

Wie verläuft ein Rektumprolaps?

Der Rektumprolaps tritt recht selten auf und ist in der Regel keine lebensbedrohliche Erkrankung. Nur selten kommt es zu einer Abklemmung des Gewebes. In diesem Fall besteht das Risiko, dass das Gewebe abstirbt, weil es nicht mehr oder nur schlecht durchblutet ist. Dann entwickelt sich der Rektumprolaps unter Umständen zu einer lebensbedrohlichen Erkrankung, etwa wenn es zu einer Blutvergiftung (Sepsis) kommt.

Auch wenn dies nicht die Regel ist, ist eine frühe Behandlung trotzdem zu empfehlen. Ist eine Operation notwendig, verbessert diese oft die Beschwerden des Rektumprolaps. Die Fähigkeit, die Darmentleerung selbstständig zu kontrollieren, wird bei einem Grossteil der Betroffenen wieder erreicht. Nach der Operation gibt es Nachsorgetermine, bei denen der Arzt prüft, ob es Hinweise auf Entzündungen oder Blutungen gibt. Meist erhalten Operierte für ein paar Wochen nach dem Eingriff auch stuhlregulierende Medikamente, damit es zu keiner Verstopfung kommt.

Für Betroffene ist es nun ratsam, auf eine ausgewogene Ernährung zu achten und möglicher Verstopfung frühzeitig vorzubeugen. Wichtig ist auch Sport, der den Beckenboden stärkt. Manche Kliniken oder Krankengymnasten bieten besondere Kurse an, um entsprechende Übungen zur Stärkung der Beckenbodenmuskulatur zu erlernen.

Kann man einem Rektumprolaps vorbeugen?

Einem Rektumprolaps ist generell nicht vorzubeugen. Genetische Veranlagung und Veränderungen durch vaginale Geburten lassen sich nur schwer vermeiden. Es ist jedoch ratsam, chronische Verstopfung oder Durchfälle ärztlich abklären zu lassen und auf eine normale Verdauung zu achten. Zu dieser tragen eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung bei.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Dr. med. Martin Waitz
Dr. med.  Martin Waitz

Dr. Martin Waitz hat Humanmedizin an der Universität zu Köln studiert. Er arbeitete als Arzt in der Inneren Medizin sowie als medizinischer Online-Redakteur und Chefredakteur bei Gesundheitsportalen. Seine Schwerpunkte sind die Erstellung und medizinische Qualitätssicherung von Patienteninformationen.

ICD-Codes:
K62
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
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