PIMS (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome)
PIMS (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome), auch PIMS-Syndrom genannt, ist eine Multi-Entzündungserkrankung, die Kinder betrifft. Sie geht unter anderem mit starken Bauchschmerzen, anhaltendem Fieber und PIMS steht im Verdacht, als Spätfolge einer Coronavirusinfektion bei Kindern aufzutreten. Doch was ist PIMS? Worauf müssen Eltern achten und wie erkennt man PIMS bei Kindern? Informieren Sie sich hier!
Kurzübersicht
Definition: PIMS (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome), auch Multisystem Inflammatory Syndrome in Children (MIS-C) genannt, ist eine Entzündungserkrankung, die verschiedene Organe betrifft. PIMS steht im Verdacht, eine Spätfolge der Coronavirusinfektion bei Kindern zu sein.
Ursache: Bislang unklar; Ärzte vermuten, dass eine überschiessende Immunreaktion nach einer Coronavirusinfektion Entzündungsprozessen an inneren Organen, Haut, Schleimhäuten hervorruft.
Symptome: Fieber (>48 Stunden), Hautausschlag, entzündete Schleimhäute, juckende Augen, Übelkeit und Erbrechen, Durchfall, Kreislaufbeschwerden, (starke) Bauchschmerzen, bis hin zum Verdacht auf Blinddarmentzündung
Häufigkeit: Zunahme seit Ende 2020, im Winter 2020/2021 bis zu 18 Fälle pro Woche im Krankenhaus in Deutschland und Österreich, 7- bis 10-Jährige machen ein Drittel der Betroffenen aus, Jungen häufiger betroffen
Krankheitsverlauf: Fieber setzt zwei bis vier Wochen nach der Coronavirus-Infektion ein; unter ärztlicher Behandlung gute Prognose; sieben Prozent der betroffenen Kinder entwickeln Folgeschäden, vor allem am Herz-Kreislauf-System
Behandlung: Intensivmedizinische Behandlung, immunmodulatorische Therapie, z.T. systemische Antibiotikatherapie
Was ist PIMS?
PIMS ist ein Multi-Entzündungssyndrom bei Kindern. Ursache für die heftigen Entzündungsprozesse ist vermutlich eine Überreaktion des Immunsystems auf Viren. Bislang ist allerdings nur wenig über die Erkrankung bekannt.
Die PIMS-Krankheit steht im Verdacht, als Folge einer Coronavirusinfektion aufzutreten, da die meisten Betroffenen Antikörper gegen Sars-CoV-2 tragen. Einen Beweis dafür, dass die Infektion mit Sars-CoV-2 später die seltenen Entzündungserkrankung bei Kindern verursacht, gibt es bislang noch nicht.
Da es sich um ein neuartiges Krankheitsbild handelt, gibt es noch keinen einheitlichen Namen. Zwei Begriffe haben sich bislang für Entzündungserkrankung etabliert: Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (PIMS) und Multisystem Inflammatory Syndrome in Children (MIS-C).
Das Virus gelangt über den Rachen in die tiefen Atemwege und vermehrt sich dort. Das aktiviert das Immunsystem. Die Abwehrzellen produzieren dann sogenannte proinflammatorische Zytokine und Chemokine. Bei den meisten Patienten hat der Körper die Infektion zu diesem Zeitpunkt schon im Griff.
Bei einigen Patienten scheint es jedoch die Ausschüttung dieser Zytokine unkontrolliert abzulaufen, sodass sich ein sogenannter Zytokinsturm entwickelt. Die Folge sind Entzündungsreaktionen. Zudem verstärkt sich die Gerinnungsneigung des Blutes. Im schlimmsten Fall droht ein Multiorganversagen.
Wissenschaftler konnten bei Untersuchungen Schäden an den Innenwänden der Blutgefässe beobachten. Wie dieser mit den entzündlichen Prozessen der Organe zusammenhängt, ist allerdings noch unklar.
Wann liegt PIMS vor?
Alle Kinder und Jugendliche (bis 19 Jahre), die bislang mit PIMS im Krankenhaus behandelt wurden, litten an Fieber , das über 48 Stunden lang anhielt. Ausserdem waren sie entweder akut mit Sars-CoV-2 infiziert oder hatten in der Vergangenheit eine Coronavirusinfektion durchgemacht. Der Direktnachweis der Viren ist bei vielen Patienten zwar negativ, doch bei den meisten Betroffenen fanden Mediziner Antikörper gegen Sars-CoV-2.
Laut Weltgesundheitsorganisation liegt PIMS vor, wenn die folgenden Kriterien der Falldefinition erfüllt sind:
- Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre mit Fieber (>48h)
und mindestens zwei der folgenden Kriterien:
- Hautausschlag (Exanthem) oder beidseitige nicht eitrige Bindehautentzündung (Konjunktivitis) oder Entzündungen an Haut oder Schleimhaut
- Niedriger Blutdruck (arterielle Hypotonie) oder Schock
- Myokardiale Dysfunktion, Herzbeutelentzündung (Perikarditis) , Herzklappenentzündung (Valvulitis) oder Koronare Herzkrankheit (KHK; Koronarpathologien)
- Blutgerinnungsstörung (Koagulopathie)
- Akute Probleme des Verdauungstraktes (Durchfall , Erbrechen , Bauchschmerzen , Verdacht auf Blinddarmentzündung )
- Auffälligkeiten im Blutbild
und
- erhöhte Entzündungswerte (CRP , PCT, BSG )
- wenn keine andere eindeutige Erklärung für die Beschwerden vorliegt
Besteht der Verdacht auf PIMS, müssen die Ärzte andere schwere Erkrankungen ausschliessen, die ähnliche Symptome verursachen. Dazu gehören zum Beispiel eine Blutvergiftung (Sepsis), Darminfektion oder schwere Herz- oder Lungenerkrankungen.
Häufigkeit von PIMS
Insgesamt gibt es bislang 255 gemeldete PIMS Erkrankungen in Deutschland und Österreich (Stand: 21.03.2021). Mehr als die Hälfte der betroffenen Kinder war vier bis zehn Jahre alt. Jungen machen 65 Prozent der Fälle aus und sind damit häufiger betroffen als Mädchen. Ein Grossteil (82 Prozent) der erkrankten Kinder hatte keine Vorerkrankung.
Bereits 2020, während der frühen Phase der Coronavirus-Pandemie, kam es in stark betroffenen Ländern vermehrt zu seltenen, aber heftigen Entzündungserkrankungen bei Kindern nach einer durchgemachten Coronavirusinfektion. Allein in Deutschland wurden vergangenes Jahr rund 50 Fälle dokumentiert.
Im Winter 2020/2021, als die Corona-Zahlen in der zweiten Welle deutlich anstiegen, nahmen auch die Zahlen der PIMS-Fälle zu. Von Ende November 2020 bis Anfang Februar 2021 behandelten deutsche und österreichische Krankenhäuser bis zu 18 Kinder mit PIMS pro Woche. Im Februar und März gingen die Fallzahlen wieder zurück.
Betroffene Organe
Das PIM-Syndrom betrifft verschiedene Organe und Körperstrukturen. Laut der bislang vorliegenden Daten finden die Entzündungsprozesse an folgenden Organen und Gewebe statt:
- Herz-Kreislauf-System (bei 82% der gemeldeten Fälle)
- Magen-Darm-Trakt (77%)
- Haut (73%)
- Schleimhaut, inkl. Bindehautentzündung (69%)
- Untere Atemwege (55%)
- Blut, Blutgerinnung, blutbildende Organe (42%)
- Obere Atemwege, HNO (30%)
- Nervengewebe, neuromuskuläre Entzündungen (24%)
- Leber (21%)
- Nieren (21%)
- Skelettmuskulatur (13%)
PIMS oder Kawasaki-Syndrom?
Die Entzündungserkrankung PIMS ähnelt stark dem sogenannten Kawasaki-Syndrom . Auch dabei kommt es zu einer Überreaktion des kindlichen Immunsystems nach einer Infektion mit Viren oder Bakterien. Am Kawasaki-Syndrom erkranken vor allem Kleinkinder zwischen zwei und fünf Jahren. Die Erkrankung beginnt mit hohem Fieber, das für mehr als fünf Tage anhält.
Es gibt fünf Hauptsymptome, die typisch für das Kawasaki-Syndrom sind. Sie werden auch Kawasaki-Kriterien genannt:
- Fieber über 39°C, ohne dass Bakterien/Viren die Auslöser sind
- Rötung der Mundschleimhaut, Zunge und Lippen
- Hautausschlag auf Brust, Bauch und Rücken und später Abpellen der Haut
- beidseitige Bindehautentzündung (Konjunktivitis) ohne Eiterbildung
- geschwollene Lymphknoten am Hals
Die Symptome der beiden Erkrankungen ähneln sich sehr. Dennoch handelt es sich um zwei verschiedene Krankheitsbilder. Kawasaki-Patienten können allerdings zusätzlich an PIMS erkranken.
Krankheitsformen
Ärzte unterscheiden zwischen diesen Krankheitsformen:
- Sars-CoV-2 non-Kawasaki PIMS (non-KS-PIMS) : reine PIMS-Fälle nach der oben genannten Falldefinition und Bewertung, mit maximal einem Kawasaki-Kriterium
- Sars-CoV-2 Kawasaki-Syndrom (KS): Kawasaki-Syndrom Fälle mit Erfüllen von mindestens zwei der fünf Kawasaki-Kriterien
- Sars-CoV-2 PIMS plus Kawasaki-Syndrom (KS-PIMS): PIMS-Fälle, die auch mind. 2 der 5 Kawasaki-Kriterien erfüllen
Etwa zwei Drittel der PIMS-Patienten erfüllt die Kawasaki-Kriterien. Zusätzlich treten bei PIMS weitere Symptome wie zum Beispiel neurologische Beschwerden, starke Bauchschmerzen oder Verdauungsstörungen auf. Diese sind bei Kawasaki seltener.
PIMS: Symptome
PIMS bei Kindern äussert sich zunächst eher mit unspezifischen Beschwerden. Bei den meisten Betroffenen diagnostizierten die Ärzte bei der Aufnahme in die Klinik zunächst eine andere Ursache für die Beschwerden.
Das Hauptsymptom der Entzündungserkrankung ist Fieber. Alle betroffenen Kinder litten für mehr als 48 Stunden an erhöhter Temperatur. Die folgende Auflistung zeigt die möglichen Symptome von PIMS bei Kindern:
- Fieber (>48 Stunden)
- Hautausschlag
- entzündete oder veränderte Schleimhäute
- Lymphknotenschwellung
- juckende Augen (Bindehautentzündung)
- Übelkeit und Erbrechen
- Durchfall
- (starke) Bauchschmerzen
- Kreislaufbeschwerden bis zu Kreislaufversagen
- Herzrhythmusstörungen
Wenn es nach einer Coronavirusinfektion bei Ihrem Kind die aufgeführten Beschwerden auftreten, sollten Sie umgehend einen Arzt aufsuchen.
Behandlung von PIMS bei Kindern
Obwohl es sich um eine ernst zu nehmende Erkrankung handelt, brauchen Eltern nicht in Panik zu verfallen. PIMS lässt sich gut behandeln. Da es bislang zur Behandlung von PIMS kaum Studien gibt, erfolgt die Therapie unter intensivmedizinischer Überwachung.
Die intravenöse Gabe von Immunglobulinen (IVIG) half den meisten Patienten einer kleinen Fallstudie in Liverpool. Sie bekamen eine oder zwei Dosen des Medikaments. Sechs von 28 Patienten waren bereits nach der ersten Dosis fieberfrei. In Kombination mit intravenösem Methylprednisolon (IVMP) sank das Fieber etwas schneller. Ob die Behandlung mir Immunglobuline überhaupt erforderlich ist, müssen klinische Studien zeigen.
Eine Patientin mit Verdacht auf Hyperinflammation nach einer vermuteten Sars-CoV-2-Infektion wurde erfolgreich mit hoch-dosiertem Anakinra behandelt. Dabei handelt es sich um ein Immunsuppressivum. Das Mittel unterdrückt die Immunreaktion des Körpers und kommt normalerweise bei rheumatoider Arthritis zum Einsatz. Die Patientin konnte nach acht Tagen aus der Klinik entlassen werden.
Ein Grossteil der Kinder bekommt zudem systemisch Antibiotika verabreicht.
Krankheitsverlauf und Prognose
Die Entzündungserkrankung PIMS kann etwa zwei bis vier Wochen nach der Infektion auftreten. Unbehandelt sind die Entzündungsprozesse gefährlich und können im schlimmsten Fall tödlich sein. Da Ärzte PIMS allerdings gut behandeln können, gibt es bislang in Deutschland keinen bestätigten Todesfall. Vereinzelt kamen kritische Krankheitsverläufe vor.
Die Prognose für die Patienten ist günstig. Etwas mehr als 45 Prozent der im Krankenhaus behandelten Kinder ist nach der Entlassung genesen. 43 Prozent verlassen die Klinik mit Restsymptomen. Bei etwa sieben Prozent der Betroffenen treten allerdings Folgeschäden auf. In Folge der Entzündungserkrankung treten Herz-Kreislauf-Beschwerden auf.
Autoren- & Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
- Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, e.V.: PIMS Survey Update: 2021, Kalenderwoche 12; unter www.dgpi.de, Abruf am 31.03.2021
- Gelbe Liste: Anakinra; unter www.gelbe-liste.de; Abruf am 31.03.2021
- Hyperinflammation bei SARS-CoV-2-Infektion. rheuma plus 19, 202 (2020). unter https://doi.org/10.1007/s12688-020-00385-9, Abruf am 31.03.2021
- Pharmazeutische Zeitung: Postvirales Covid-Syndrom bei Kindern häuft sich; unter: www.pharmazeutische-zeitung.de, Abruf am 31.03.2021
- Robert Koch-Institut: Hyperinflammationssyndrom bei COVID-19, Stand: 27.07.2020; unter: https://www.rki.de; Abruf am 31.03.2021
- S2k-Leitlinien: Kawasaki-Syndrom, Stand 2020, unter www.awmf.org, Abruf am 31.03.2021