SCLC: Kleinzelliges Bronchialkarzinom

Von , Arzt
und , Medizinredakteurin und Biologin
Marian Grosser

Marian Grosser studierte in München Humanmedizin. Daneben hat der vielfach interessierte Arzt einige spannende Abstecher gewagt: ein Philosophie- und Kunstgeschichtestudium, Tätigkeiten beim Radio und schließlich auch für Netdoktor.

Martina Feichter

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

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Das kleinzellige Bronchialkarzinom (small-cell lung cancer, SCLC) ist eine Form von Lungenkrebs. Dieser Tumor wächst sehr schnell und bildet früh Tochtergeschwülste (Metastasen) in anderen Körperregionen. Deshalb ist das kleinzellige Bronchialkarzinom sehr gefährlich. Lesen Sie hier, wie häufig das SCLC ist und wie es behandelt wird!

kleinzelliges bronchialkarzinom

Kleinzelliges Bronchialkarzinom: Beschreibung

Das kleinzellige Bronchialkarzinom ist mit etwa 12 bis 15 Prozent die zweithäufigste Form von Lungenkrebs (nach dem nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom). Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei etwa 70 Jahren. Hauptrisikofaktor ist Rauchen.

Den Ausgangspunkt für ein kleinzelliges Bronchialkarzinom bilden sogenannte APUD-Zellen in der Bronchialschleimhaut. Das sind Zellen, die verschiedene kleine Eiweissstücke (Peptide) und deren Vorstufen enthalten (APUD steht für Amine Precursor Uptake and Decarboxylation).

Betrachtet man ein kleinzelliges Bronchialkarzinom unter dem Mikroskop, erscheinen die Krebszellen klein, flach und dicht beieinander liegend. Weil die Zellen optisch auch an Haferflocken erinnern, wird diese Krebsform auch „Haferzellkarzinom“ genannt. Im klinischen Alltag bezeichnen Ärzte ein kleinzelliges Lungenkarzinom oft schlicht als „Kleinzeller“. 

Wie wächst ein kleinzelliges Bronchialkarzinom?

Kleinzelliger Lungenkrebs entsteht in den meisten Fällen zentral in der Lunge. Er wächst dort wie eine Manschette um die grösseren Luftwege (Bronchien). Die entarteten Zellen teilen sich sehr schnell. Der Tumor wächst also rasant.

Ausserdem streut ein kleinzelliges Bronchialkarzinom schon früh über die Blut- und Lymphbahnen in andere Körperregionen, wo sich dann Tochtergeschwülste (Metastasen) bilden.

Das schnelle Wachstum und die frühe Metastasen-Bildung machen ein kleinzelliges Bronchialkarzinom aggressiv und schwer behandelbar – zum Zeitpunkt der Diagnose ist es meist schon in einem fortgeschrittenen Stadium.

Kleinzelliges Bronchialkarzinom: Symptome

Lungenkrebs (wie das kleinzellige Bronchialkarzinom) zeigt sich anfangs meist nur durch unspezifische Beschwerden. Dazu zählen beispielsweise anhaltender Husten, Schmerzen in der Brust und Abgeschlagenheit. Viele Patienten nehmen diese Symptome nicht ernst. So führen Raucher solche Beschwerden einfach auf den Zigarettenkonsum zurück. Andere Betroffene vermuten eine hartnäckige Erkältung oder Bronchitis.

Weil ein kleinzelliges Bronchialkarzinom sich schnell ausbreitet, kommen bald weitere Symptome hinzu. Das können zum Beispiel Atemnot, blutiger Auswurf, Fieber, rapider Gewichtsverlust und nächtliche Schweissattacken sein.

Manche der Beschwerden sind darauf zurückzuführen, dass ein kleinzelliges Bronchialkarzinom oft hormonartige Stoffe ins Blut ausschüttet (Paraneoplastisches Syndrom). Das kann unterschiedliche Auswirkungen haben, zum Beispiel Fetteinlagerung im Gesicht und am Rumpf, brüchige Knochen, Nierensteine oder Herzrhythmusstörungen.

Mehr zu den allgemeinen Symptomen bei Lungenkrebs und den speziellen Beschwerden beim kleinzelligen Bronchialkarzinom lesen Sie im Text Lungenkrebs: Symptome.


Kleinzelliges Bronchialkarzinom: Ursachen und Risikofaktoren

Der Hauptrisikofaktor für ein kleinzelliges Bronchialkarzinom (und allgemein für Lungenkrebs) ist Rauchen. Besonders Menschen, die schon früh im Leben damit begonnen haben und/oder stark rauchen, erkranken eher an einem bösartigen Tumor der Lunge. Aber auch Passivrauchen erhöht das Risiko für Lungenkrebs.

Daneben gibt es weitere Risikofaktoren für Lungenkrebs. Dazu zählen zum Beispiel der Kontakt mit Asbest und eine hohe Schadstoffbelastung der Luft.

Mehr über die möglichen Auslöser eines Bronchialkarzinoms lesen Sie unter Lungenkrebs: Ursachen und Risikofaktoren.

Kleinzelliges Bronchialkarzinom: Untersuchungen und Diagnose

Um einen Verdacht auf Lungenkrebs abzuklären, wird der Arzt den Patienten zuerst bitten, ihm seine Beschwerden genau zu schildern. Ausserdem fragt er, ob und wie viel der Patient raucht und welchen Beruf er hat. Anhand dieser Informationen kann der Arzt die Krankengeschichte des Patienten erstellen (Anamnese).

Danach folgen eine körperliche und verschiedene weitere Untersuchungen. Auf einer Röntgenaufnahme des Brustkorbs (Röntgen-Thorax) lassen sich krankhafte Veränderungen oftmals schon erkennen. Detaillierte Bilder der Lunge liefert eine Computertomografie (CT). Weitere Untersuchungen können den Verdacht auf Lungenkrebs erhärten und helfen, die Ausbreitung des Tumors festzustellen.

Mehr über die verschiedenen Untersuchungen und Tests bei einem Bronchialkarzinom lesen Sie unter Lungenkrebs: Untersuchungen und Diagnose.

Kleinzelliges Bronchialkarzinom: Behandlung

Grundsätzlich stehen für die Behandlung von kleinzelligen Bronchialkarzinomen (und anderen Formen von Lungenkrebs) folgende Therapieansätze zur Verfügung:

Die einzelnen Therapieverfahren lassen sich in unterschiedlicher Weise kombinieren, wobei vor allem das Lungenkrebs-Stadium und der allgemeine Zustand der Betroffenen ausschlaggebend sind. So erhält jeder Patient und jede Patientin eine individuell passende Therapie.

Mehr zur Einteilung von Lungenkrebs in verschiedene Krankheitsstadien lesen Sie in unserem Beitrag Lungenkrebs.

Behandlung in sehr frühen Stadien (Very Limited Disease, VLD)

Bei etwa fünf Prozent der SCLS-Patienten befindet sich ein kleinzelliges Lungenkarzinom zum Zeitpunkt der Diagnose noch in einem sehr frühen Stadium: Der Tumor ist auf einen kleinen Bereich in der Lunge beschränkt und hat noch keine Metastasen an weiter entfernten Stellen gebildet. In der Medizin spricht man hierbei von „Very Limited Disease“ (VLD).

In diesem sehr frühen Krankheitsstadium ist ein kleinzelliges Bronchialkarzinom noch operabel und damit prinzipiell heilbar. Sicherheitshalber erhalten die Patienten aber zusätzlich eine Chemotherapie. Sie kann entweder vor der Operation erfolgen (neoadjuvante Chemotherapie), um den Tumor für den Eingriff zu verkleinern. Oder die Chemotherapie erfolgt nach der Operation, um eventuell verbliebene Krebszellen zu eliminieren (adjuvante Chemotherapie).

Falls sich schon Krebszellen in Lymphknoten nachweisen lassen, erhalten die Patienten in der Regel auch eine Strahlentherapie. In manchen Fällen wird vorsorglich noch eine Schädelbestrahlung durchgeführt, weil ein kleinzelliges Bronchialkarzinom oft Tochtergeschwülste (Metastasen) im Gehirn bildet.

Behandlung im mittleren Stadium (Limited Disease, LD)

Von einer „Limited Disease“ (LD) sprechen Mediziner, wenn sich ein kleinzelliges Lungenkarzinom bereits grossflächiger in der Lunge ausgebreitet und oft schon mehrere Lymphknoten befallen hat. Tochtergeschwülste in anderen Körperregionen (Metastasen) lassen sich aber noch keine nachweisen. Das ist zum Zeitpunkt der Erstdiagnose bei etwa einem Drittel der Betroffenen der Fall.

Eine Operation ist in diesem Stadium meist nicht mehr möglich. Stattdessen werden die Patienten und Patientinnen in der Regel mit einer Kombination aus Chemo- und Strahlentherapie behandelt (Strahlenchemotherapie, Radiochemotherapie). Vorsorglich wird immer auch der Schädel bestrahlt. Die Bestrahlung des Schädels reduziert das Risiko für Hirnmetastasen von etwa 40 auf unter fünf Prozent.

Behandlung in fortgeschrittenen Stadien (Extensive Disease, ED)

Bei 60 bis 70 Prozent der Patienten hat der Lungentumor zum Zeitpunkt der Diagnose bereits das Stadium „Extensive Disease“ (ED) erreicht. Das bedeutet: Der Tumor hat schon Metastasen in anderen Körperregionen gebildet. Eine Heilung ist dann in der Regel nicht mehr möglich. Die Erkrankten erhalten eine sogenannte palliative Therapie: Sie zielt darauf ab, die Beschwerden zu lindern und die Überlebenszeit möglichst zu verlängern.

Die Standardtherapie im ED-Stadium ist eine Kombination aus Chemotherapie und Immuntherapie (Chemoimmuntherapie). Diese Therapieform lindert in der Regel die Beschwerden, verbessert die Lebensqualität und verlängert die Überlebenszeit.

Die Patienten erhalten neben Zytostatika (Chemotherapie) auch das immuntherapeutische Medikament Atezolizumab oder Durvalumab. Das sind sogenannte Immun-Checkpoint-Hemmer: Sie blockieren das von den Krebszellen produzierte Protein PD-L1. Dieses hindert das Immunsystem daran, gegen den Krebs vorzugehen.

Durch die Blockade von PD-L1 kann die Immuntherapie also die Unterdrückung der Abwehrkräfte aufheben – das Immunsystem ist dann in der Lage, den Tumor verstärkt anzugreifen. Allerdings wirkt die Behandlung mit Immun-Checkpoint-Hemmern nicht bei allen Patienten.

Zusätzlich wird manchmal der Schädel bestrahlt: Das soll Hirnmetastasen verhindern beziehungsweise bereits bestehende Metastasen bekämpfen. In bestimmten Fällen wird auch der Primärtumor in der Lunge bestrahlt.

Weitere Behandlungsstrategien richten sich nach vorhandenen Symptomen und Komplikationen der Krebserkrankung. Wenn sich etwa Metastasen im Skelett gebildet haben, die dem Patienten Schmerzen und vielleicht sogar Knochenbrüche bescheren, kann man diese Metastasen gezielt bestrahlen.

Kleinzelliges Bronchialkarzinom: Prognose

In den selteneren Fällen, in denen ein kleinzelliges Bronchialkarzinom in einem frühen Stadium (VLD) entdeckt wird, besteht bei sofortiger und richtiger Behandlung noch die Chance auf Heilung. Im mittleren Stadium (LD) liegt die 5-Jahres-Überlebensrate zwischen 30 und 35 Prozent.

Ein kleinzelliges Bronchialkarzinom wird meist erst dann entdeckt, wenn es schon weit fortgeschritten ist und Metastasen gebildet hat (ED). Ohne Behandlung sterben die Betroffenen meist innerhalb weniger Monate. Mit der individuell passenden Therapie lässt sich die Prognose verbessern, das heisst, die Überlebenszeit der Patienten verlängern.

Die mittlere Überlebenszeit bei ED-Patienten unter Chemoimmuntherapie beträgt 12 Monate, die 2-Jahres-Überlebensrate 20 bis 25 Prozent und die 3-Jahres-Überlebensrate 15 bis 20 Prozent. Die Chemoimmuntherapie kann die 3-Jahres-Überlebensrate im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie verdreifachen.

Mehr zu Prognose und Heilungschancen eines Bronchialkarzinoms lesen Sie im Text Lungenkrebs: Lebenserwartung.

Autoren- & Quelleninformationen

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Datum :
Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Vorlage:
Dr. med. Rainald Fischer
Autoren:
Marian Grosser
Marian Grosser

Marian Grosser studierte in München Humanmedizin. Daneben hat der vielfach interessierte Arzt einige spannende Abstecher gewagt: ein Philosophie- und Kunstgeschichtestudium, Tätigkeiten beim Radio und schließlich auch für Netdoktor.

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

Quellen:
  • Classen, M. et al.: Innere Medizin, Elsevier/Urban & Fischer Verlag, 6. Auflage, 2010
  • Deutsche Krebsgesellschaft e.V.: "Lungenkrebs: Basis-Infos für Patienten und Angehörige", unter: www.krebsgesellschaft.de (Abrufdatum: 21.09.2023)
  • Deutsche Krebshilfe: „Lungenkrebs“, aus der Reihe „Die blauen Ratgeber“, Stand:01/2022, unter: www.krebshilfe.de (Abrufdatum: 19.09.2023)
  • Herold, G.: Innere Medizin, Eigenverlag, 2013
  • Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO): Lungenkarzinom, kleinzellig (SCLC), Stand: Januar 2023, unter: www.onkopedia.com (Abrufdatum: 21.09.2023)
  • Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin/Deutsche Krebsgesellschaft: Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms, Stand: Juli 2023, unter: www.register.awmf.org (Abrufdatum: 21.09.2023)
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