Regeneration der Lunge

Von , Medizinjournalistin
Sabine Schrör

Sabine Schrör ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte Betriebswirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit in Köln. Als freie Redakteurin ist sie seit mehr als 15 Jahren in den verschiedensten Branchen zu Hause. Die Gesundheit gehört zu ihren Lieblingsthemen.

Alle NetDoktor.ch-Inhalte werden von medizinischen Fachjournalisten überprüft.

Bis zu einem gewissen Grad ist eine geschädigte Lunge zur Regeneration fähig: Das Atmungsorgan kann defekte Lungenzellen ersetzen. Solche Defekte entstehen etwa durch eingeatmete Schadstoffe oder Erkrankungen. Wie der Zellenersatz genau funktioniert, was der Lunge bei der Regeneration hilft und wie lange sie für die Selbstheilung braucht, erfahren Sie hier.

Frau zerbricht Zigarette

Kann sich die Lunge regenerieren?

Über die Atmung ist die Lunge direkt mit der Aussenwelt verbunden. Das macht sie anfällig für schädliche Umwelteinflüsse. Zigarettenrauch und Abgase können dem empfindlichen Gewebe ganz schön zusetzen. Aber auch Infektionen mit Bakterien oder Viren hinterlassen ihre Spuren in der Lunge in Form von geschädigten beziehungsweise zerstörten Lungenzellen.

Lange Zeit nahmen Mediziner an, dass die Lunge nicht in der Lage ist, defekte Zellen zu reparieren. Man ging davon aus, dass sich einmal zerstörtes Gewebe nicht regenerieren kann. Heute weiss man jedoch, dass dies nicht stimmt. Eine Selbstheilung der Lunge ist sehr wohl möglich, wenn auch in geringerem Mass als bei anderen Organen wie Haut oder Darm.

Was hilft der Lunge, sich zu regenerieren?

Um hierauf Antworten zu finden, gilt es zunächst zu verstehen: Wie regeneriert sich die Lunge? Forscher haben herausgefunden, dass Stammzellen bei der Regeneration der Lunge eine wesentliche Rolle spielen. Dabei handelt es sich sozusagen um Zellen im Urzustand.

Rolle der Stammzellen bei der Regeneration der Lunge

Sie können sich unbegrenzt vermehren, sich bei Bedarf in alle möglichen Arten von ausdifferenzierten Zellen verwandeln und so defekte Zellen ersetzen.

Genau das geschieht, wenn Zellen in der Lunge zerstört werden: Stammzellen der Lunge bewegen sich dann zum betroffenen Gewebe und differenzieren sich so aus, dass sie die Aufgaben der kaputten Zellen übernehmen können. Dabei helfen ihnen bestimmte Botenstoffe und biochemisch aktive Substanzen wie Enzyme und Wachstumsfaktoren.

Bei dauerhaften Schädigungen, zum Beispiel durch langjähriges starkes Rauchen, funktioniert der Erneuerungsprozess allerdings nicht mehr richtig. Dann wird das Lungengewebe fehlerhaft umgebaut. Das kann sich in Erkrankungen wie COPD oder Lungenfibrose niederschlagen.

Ansatzpunkt: Signalweg-Blockade

Forscher arbeiten daran, diesen krankhaften Umbau der Lunge (Remodeling) zu entschlüsseln. Das soll helfen, optimierte Therapieansätze für die Behandlung von Lungenkrankheiten wie Asthma und COPD zu entwickeln.

Dabei zeigte sich etwa, dass bei Lungenfibrose bestimmte Signalwege gestört sind, über die der Gewebeumbau gesteuert wird. Wissenschaftler sehen darin einen Ansatzpunkt für neue Behandlungsformen. So haben Tests ergeben, dass eine Blockade des sogenannten Wnt-Signalwegs möglicherweise bei Lungenfibrose hilfreich sein kann.

Ansatzpunkt: Künstliche Stammzellen

Ein weiterer Ansatzpunkt sind sogenannte Induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen). Das sind künstlich erzeugte Stammzellen:

Im Labor werden bereits entwickelte Körperzellen mithilfe spezieller Gene (sogenannter Pluripotenzfaktoren) in Stammzellen zurückverwandelt. Diese könnten zukünftig bei der Therapie von Lungenerkrankungen zum Einsatz kommen.

Die künstlich erzeugten Stammzellen lassen sich auch patientenindividuell modellieren. Dazu verwenden Wissenschaftler Zellen des jeweiligen Patienten für die Umprogrammierung.

Prompte Regenerationshilfe: Rauchstopp

Jeder Mensch kann auch selbst etwas tun, um seine Lunge bei der Regeneration zu unterstützen. Dazu gehört vor allem, so wenig Schadstoffe wie möglich einzuatmen, um den empfindlichen Regenerationsprozess nicht zu stören.

Insbesondere sollte man auf das Rauchen verzichten. Der Grund: Tabakrauch schädigt die Lungenzellen auf Dauer nachhaltig und fördert fehlerhafte Regenerationsprozesse.

Wie lange braucht die Lunge zur Erholung?

Wie lange die Lunge braucht, um sich nach einer Schädigung zu regenerieren, ist individuell unterschiedlich. Die Zeitspanne hängt zum Beispiel vom Alter und von den Lebensgewohnheiten ab.

Generell lässt sich sagen, dass die Erholung der Lunge nach einem Rauchstopp etwa neun Monate dauert. Dann reduzieren sich Hustenanfälle, die Flimmerhärchen erholen sich, und der Schleimabbau klappt wieder besser. Auch das Risiko für Lungenkrebs sinkt immer stärker mit den Jahren des Nichtrauchens.

Wer mit dem Rauchen aufhört, kann also die Regeneration seiner Lunge wirksam unterstützen und die Erholung der Lungenfunktion beschleunigen.

Fazit

Insgesamt gilt: Die Lunge braucht mehr Zeit zur Regeneration als viele andere Organe. Sie ist aber – im Widerspruch zu früher verbreiteten Auffassungen – durchaus in der Lage, sich selbst zu heilen. Neue Forschungsergebnisse und Therapieansätze sowie eigene Massnahmen – vor allem der Rauchstopp – können ihr dabei helfen.

Autoren- & Quelleninformationen

Jetzt einblenden
Datum :
Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Sabine Schrör
Sabine Schrör

Sabine Schrör ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte Betriebswirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit in Köln. Als freie Redakteurin ist sie seit mehr als 15 Jahren in den verschiedensten Branchen zu Hause. Die Gesundheit gehört zu ihren Lieblingsthemen.

Quellen:
  • Beers, F. et Morrisey, E.: The three R’s of lung health and disease: repair, remodelling an regeneration, in: The Journal of Clinical Investigation, 2011, 121(6): 2065- 2073
  • Birkelbach, B. et al.: Linking progression of fibrotic lung remodeling and ultrastructural alterations of alveolar epithelial type II cells in the amiodarone mouse model, in: Am J Physiol Lung Cell Mol Physiol. 2015,309(1): L63-75
  • Conlon, T.M. et al.: Inhibition of LTβR-signaling activates Wnt-induced regeneration in lung, in: Nature, 2020 DOI: 10.1038/s41586-020-2882-8
  • Helmholtz Zentrum München, Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH): Regeneration der Lunge und Airway-Remodeling (Stand: 22.04.2022), unter: www.lungeninformationsdienst.de
  • James, A.L. et Wenzel, S.: Clinical relevance of airway remodelling in airway disease, in: European Respiratory Journal, 2007, 30: 134-155
  • Kotton, D.N.: Next Generation regeneration: the Hope and Hype of Lung Stem Cell Research, in: American Journal Of Respiratory and Critical Care Medicine, 2012, Apr 19.
  • Lau, A. et al.: Stem Cells and Regenerative Medicine in Lung Biology and Diseases, in Molecular Therapy, 2012, Mar 6 doi: 10.1038/mt.2012.37
  • Strunz, M. et al.: Alveolar regeneration through a Krt8+ transitional stem cell state that persists in human lung fibrosis, in: Nature Communications. 2020 Jul 16;11(1):3559. doi: 10.1038/s41467-020-17358-3.
  • Uhl, F. et al.: Preclinical validation and imaging of Wnt-induced repair in human 3D lung tissue cultures, in: EurRespir J 2015, 46: 1150–1166
  • Verband pneumologischer Kliniken e. V.: "Reparaturfähigkeit der Lunge wurde bisher offenbar unterschätzt", Meldung vom 04.06.2015, unter: www.lungenaerzte-im-netz.de
Teilen Sie Ihre Meinung mit uns
Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie NetDoktor einem Freund oder Kollegen empfehlen?
Mit einem Klick beantworten
  • 0
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
0 - sehr unwahrscheinlich
10 - sehr wahrscheinlich