Glioblastom

Von , Ärztin
und , Biologin und Medizinredakteurin
Dr. med. R. Schwarz

Dr. Schwarz studierte Medizin in Würzburg, wo sie auch ihre Promotion abschloss. Nach sehr vielseitigen Aufgaben während der medizinischen praktischen Ausbildung (PJ) u.a. in der Inneren Medizin und Chirurgie ist sie nun als Fachärztin für Radiologie tätig.

Dr. Monique Amey-Özel

Dr. Monique Amey-Özel hat Biologie an der Universität Bonn studiert und in den Neurowissenschaften promoviert. Sie war mehrere Jahre in der Forschung und als Lehrbeauftragte u.a. im Fach Anatomie an medizinischen Ausbildungseinrichtungen tätig. Sie beriet als Pharmareferentin Ärzte in verschiedenen Indikationen und ist nun als Medizinredakteurin verantwortlich für die Erstellung medizinischer Texte sowohl für Fachkreise als auch interessierte Laien.

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Das Glioblastom ist ein bösartiger Hirntumor. Er entwickelt sich meistens innerhalb kurzer Zeit bei Menschen im mittleren Lebensalter und tritt überall im Gehirn auf. Risikofaktoren sind weitestgehend unbekannt. Trotz intensiver Behandlung mittels Operation, Strahlen- und Chemotherapie beträgt die durchschnittliche Glioblastom-Lebenserwartung nur etwas mehr als ein Jahr. Hier lesen Sie alles Wichtige über das Glioblastom.

Gehirntumor Glioblastom Kopfschmerzen

Kurzübersicht

  • Prognose: Ein Glioblastom ist nicht heilbar. Die Prognose ist zum Beispiel abhängig vom Gesundheitszustand des Erkrankten und vom Tumorstadium. Die Überlebenszeit schwankt zwischen wenigen Monaten und einigen Jahren.
  • Symptome: Kopfschmerzen vor allem nachts und morgens, Übelkeit und Erbrechen, Sprachstörungen oder epileptische Anfälle, Koma
  • Ursachen: Auslöser sind bislang unklar, ein erhöhtes Risiko besteht bei bestimmten Erbkrankheiten, erhöhter Strahleneinwirkung und möglicherweise durch Radiofrequenzfelder
  • Diagnose: Körperliche, neurologische und neuropsychologische Untersuchungen, Magnetresonanztomografie (MRT), Computertomografie (CT), Positronen-Emissions-Tomografie (PET)
  • Behandlung: Operation, Chemo- und Strahlentherapie

Was ist ein Glioblastom?

Das Glioblastom gehört als bösartiger Hirntumor den Gliomen an und ist unter diesen die häufigste Form. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ordnet das Glioblastom dem Grad 4 zu. Dies ist der höchste Schweregrad, den ein Hirntumor erreicht. Eine Heilung ist nach derzeitigem Stand der Medizin nicht möglich.

Meistens bildet sich der Tumor in einer Grosshirnhälfte und wächst schnell über den Balken in die andere Gehirnhemisphäre ein. Seine Form ähnelt dann einem Schmetterling, weshalb man ihn manchmal auch anschaulich als „Schmetterlingsgliom“ bezeichnet.

Untersucht man das Tumorgewebe unter dem Mikroskop, erkennt man kleine Hohlräume (Zysten), abgestorbenes Gewebe (Nekrosen) und Einblutungen. Dieses bunte und oft variable Erscheinungsbild hat dem Tumor den Namen Glioblastoma multiforme oder auch „buntes Gliom“ verliehen.

Primäres und sekundäres Glioblastom

Die Tumorzellen des Glioblastoms stammen von speziellen Zellen des zentralen Nervensystems ab, den Gliazellen. Sie erfüllen viele wichtige Funktionen. Beispielsweise halten sie die Nervenzellen in Position und versorgen diese mit Nährstoffen. Je nach genauer Entstehung unterscheidet man eine primäre und eine sekundäre Tumorform:

  • Primäres Glioblastom: Es geht direkt aus gesunden Gliazellen hervor und ist sehr viel häufiger als ein sekundärer Tumor. Es entwickelt sich innerhalb weniger Wochen und betrifft vorwiegend ältere Personen im sechsten bis siebten Lebensjahrzehnt.
  • Sekundäres Glioblastom: Es entwickelt sich aus einem Hirntumor niedrigeren WHO-Grades. In diesem Fall ist das Glioblastom das Endstadium einer länger verlaufenden Tumorerkrankung. Der Altersgipfel der Betroffenen liegt zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr.

Die früher übliche Einteilung in ein "Glioblastom, IDH-Wildtyp" und ein "Glioblastom, IDH-mutiert" gilt nach der aktuellen Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation nicht mehr. Es gibt nur eine Hirntumor-Variante, die Mediziner formal als Glioblastom bezeichnen. Die sekundären Glioblastome, die sich aus einem Astrozytom Grad 2 oder 3 entwickeln, sind nach der neuen Einteilung "Astrozytome, IDH-mutiert, Grad 4".

"IDH-mutiert" steht übrigens für eine punktuelle Veränderung in einem bestimmten Gen, genauer des Enzyms Isocitratdehydrogenase-1- oder -2-Gen. Dieses Enzym ist am Zellstoffwechsel beteiligt. Nach einer IDH-Mutation suchen Mediziner gezielt bei allen Hirntumoren, um diese entsprechend zu klassifizieren.

Häufigkeit eines Glioblastoms

Männer sind häufiger von einem Glioblastom betroffen als Frauen. Jährlich erkranken etwa drei von 100.000 Personen an einem solchen Hirntumor. Damit handelt es sich nicht nur um das häufigste Gliom, sondern auch um den häufigsten primären bösartigen Hirntumor bei Erwachsenen überhaupt. Gliome treten mitunter familiär gehäuft auf und tendieren dazu, innerhalb des ersten Jahres nach Diagnose wiederzukehren (Rezidiv).

Bis zum heutigen Tag stehen keine anerkannten Vorbeugungs- oder Früherkennungsmassnahmen zur Verfügung.

Glioblastom: Spezielle Varianten

In seltenen Fällen grenzen sich spezielle Varianten vom Glioblastom ab: das Gliosarkom, das Riesenzell-Glioblastom und das epitheloide Glioblastom. Sie weisen charakteristisch veränderte Gewebeeigenschaften auf – Diagnose, Therapie und Prognose sind jedoch bei allen Varianten gleich. Gleiches gilt für Glioblastome bei Kindern.

Welche Lebenserwartung besteht bei einem Glioblastom?

Selbst unter maximaler Therapie ist ein Glioblastom in der Regel nicht heilbar. Personen, die sich einer Operation, Strahlen- und Chemotherapie unterzogen haben, haben eine mittlere Überlebenszeit von ungefähr 15 Monaten beziehungsweise von wenigen Jahren (etwa zwei bis vier) bei einem Glioblastom mit MGMT-Promotor-Methylierung. Etwa fünf bis sieben Prozent der Betroffenen überlebt durchschnittlich fünf Jahre. Ohne Therapie stirbt eine erkrankte Person unter Umständen bereits nach circa zwei Monaten.

Lebenserwartung und -qualität unterliegen dabei auch individuellen Faktoren. Die Tumorzellen haben nicht bei jedem Betroffenen dieselben Eigenschaften. Einige lassen sich besser behandeln als andere. Schrumpft der Tumor unter einer Therapie schnell zusammen, ist die Glioblastom-Prognose besser als in anderen Fällen.

Ausserdem vertragen Erkrankte Chemotherapeutika und Strahlentherapie unterschiedlich gut. Sind die Nebenwirkungen zu stark, schadet eine Glioblastom-Therapie den Betroffenen mehr, als dass sie ihnen nützt. Dann wägen die erkrankte Person, Angehörige und Arzt in einem gemeinsamen Gespräch individuell ab, ob die Behandlung weniger intensiv oder überhaupt weitergeführt wird.

Dadurch beeinflussen Betroffene bis zu einem gewissen Grad selbst den Glioblastom-Verlauf: Sie akzeptieren eine kürzere Lebenszeit, wenn sich dadurch ihre Lebensqualität mit dem Glioblastom verbessert.

Wie äussert sich ein Glioblastom?

Die Symptome eines Glioblastoms wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Sprachstörungen oder epileptische Anfälle nehmen ungewöhnlich rasch zu. Grund hierfür ist, dass der Tumor innerhalb weniger Wochen entsteht und sehr schnell wächst. Das Gehirn hat keine Möglichkeit, sich so schnell an die veränderten Druckverhältnisse anzupassen, wodurch es meist im Verlauf zu einer plötzlichen Verschlechterung der Symptome kommt.

Wie bei nahezu allen Krankheiten des Gehirns hängen die Beschwerden beim Glioblastom vor allem von der genauen Lokalisation des wuchernden Gewebes ab. Je nach Hirnregion zeigen sich also völlig unterschiedliche Symptome.

Die Kopfschmerzen treten typischerweise während der Nacht oder in den frühen Morgenstunden auf und bessern sich im Laufe des Tages. Anders als gewöhnliche Kopfschmerzen kehren sie mit der Zeit immer heftiger werdend zurück. Medikamente bleiben oftmals wirkungslos.

Weitere mögliche Symptome sind Krampfanfälle (epileptische Anfälle), Wesensveränderungen und anhaltende Müdigkeit (Fatigue). Wächst das Glioblastom im Sprachzentrum oder in Steuerzentren einzelner Muskeln, haben Betroffene Schwierigkeiten, zu sprechen oder sich zu bewegen. Diese Beschwerden treten oftmals schlagartig auf und erscheinen anfangs wie ein Schlaganfall.

Wächst das Glioblastom, erhöht sich der Hirndruck. Betroffenen ist daher vor allem morgens oft übel. Einige müssen sich übergeben. Steigt der Druck weiter, wirken die Betroffenen oft müde oder schläfrig. Im Extremfall ruft ein Glioblastom komatöse Zustände hervor.

Wie entsteht ein Glioblastom?

Ein Glioblastom geht aus sogenannten Gliazellen hervor. Diese Zellen halten und stützen den Aufbau des zentralen Nervensystems. Sie grenzen das Nervengewebe gegenüber der Hirnoberfläche und den Blutgefässen ab und erfüllen zahlreiche weitere Aufgaben (zum Beispiel Nährstoffversorgung).

Genau wie andere Zellen des Körpers erneuern sie sich regelmässig. Dabei treten bei einem Glioblastom Fehler auf, die zu einem unkontrollierten Zellwachstum und schliesslich zu einem Tumor führen.

Risikofaktoren für ein Glioblastom

Warum ein Glioblastom entsteht, ist bisher erst unzureichend geklärt. Allerdings gibt es eine Reihe von Faktoren, die das Risiko erhöhen, an einem Glioblastom zu erkranken:

Ionisierende Strahlen: Als gesichert gilt der schädigende Einfluss ionisierender Strahlen – etwa im Rahmen einer Strahlentherapie. Die therapeutische Bestrahlung eines anderen Tumors verursacht dann ein Glioblastom im Nachgang. In diesen Fällen geschieht das ungefähr sieben bis neun Jahre nach einer erfolgten Strahlentherapie eines Hirntumors.

Erbliche Krankheitsbilder: Glioblastome treten meist sporadisch auf, das heisst sie sind in den meisten Fällen nicht vererbbar. Allerdings gibt es eine Reihe genetischer Erkrankungen, bei denen generell Hirntumore häufiger entstehen:

  • Neurofibromatose (NF): seltene, erbliche Erkrankung, die mit gutartigen Tumoren im Nervensystem einhergeht
  • Tuberöse Sklerose (auch Morbus Bournville-Pringle): Erbkrankheit, die mit Fehlbildungen und Tumoren des Gehirns einhergeht, häufig zusammen mit Hautveränderungen und gutartigen Tumoren anderer Organsysteme
  • Turcot-Syndrom: Erbkrankheit, die mit einer Vielzahl von Polypen im Darm einhergeht
  • Lynch-Syndrom: führt zu einer erblich bedingten Häufung von Krebserkrankungen der Verdauungsorgane
  • Li-Fraumeni-Syndrom: sehr seltene Erkrankung, die durch eine Keimbahnmutation eines Tumorsuppressor-Gens entsteht; tritt bereits im frühen Lebensalter auf und geht mit einer Reihe verschiedenster Tumore einher

Radiofrequenzfelder: Bislang besteht noch kein eindeutig belegter Zusammenhang zwischen der Entstehung allgemein von Gliazell-Tumoren (Gliome) und einwirkender Radiofrequenzstrahlung, wie sie etwa in der mobilen Kommunikation (mobile Telefone, Antennen des Mobilfunknetzes etc.) Verwendung findet.

Allerdings führt die IARC – also die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation – Radiofrequenz-Felder bereits seit 2011 als ein mögliches Karzinogen auf. Eine neue Bewertung ist geplant, zumal nach 2011 durchgeführte Studien die ersten Hinweise bislang nicht bestätigten.

Welche Untersuchungen werden bei einem Glioblastom durchgeführt?

Die Diagnose eines Glioblastoms stellen in der Regel Fachärzte für Nervenheilkunde (Neurologen). Sie befragen und untersuchen den Betroffenen eingehend und veranlassen eine Bildgebung des Schädels. Beteiligt sind unter anderem spezialisierte Radiologen (Neuroradiologen) und Neurochirurgen.

Ziel der Ärzte ist es, den Hirntumor möglichst genau zu klassifizieren – also zu bestimmen, in welchem Stadium er sich befindet, wo genau er liegt und welche individuellen Eigenschaften das Tumorgewebe besitzt. Dies ist die Voraussetzung für die Planung der optimalen Behandlung.

Anamnese

Zur Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) erkundigt sich der Arzt zunächst ausführlich nach den Symptomen und dem zeitlichen Verlauf, sowie nach eventuellen Grund- oder Vorerkrankungen.

Insbesondere krankheitsbedingte Einschränkungen der Selbstbestimmung und Selbstversorgung bewertet der Arzt im Vorfeld. Dabei bestimmt er meist den sogenannten Karnofsky-Index – auch „Karnofsky-Perfomance-Status“ (KPS) genannt.

Der KPS ist eine weitestgehend subjektive Einschätzung, obwohl auch Ergebnisse von körperlichen Untersuchungen und Laborwerten in die Abwägung einfliessen.

Der KPS reicht dabei von null bis hundert Prozent, wobei 30 Prozent einen Schwerbehinderten-Status ausweisen und 90 Prozent minimale Symptome bei einer normalen Aktivität widerspiegeln. Je nach KPS plant das behandelnde Ärzteteam das weitere Vorgehen entsprechend der körperlichen Verfassung des Betroffenen.

Neurologische Untersuchung

Anschliessend untersucht der Arzt den Erkrankten eingehend und achtet insbesondere auf neurologische Ausfallerscheinungen (neurologische Untersuchung). Im weiteren Verlauf führt er zudem eine Kombination unterschiedlicher neuropsychologischer Einzeltests durch.

Fachkreise bezeichnen dies als eine sogenannte standardisierte Testbatterie, die möglichst lebensnah viele kognitive Fähigkeiten beleuchten soll. Dabei greift der Arzt beispielsweise auf folgende Tests zurück:

Mini-Mental-Status-Test (MMST): Der MMST ist ein kombinierter Test über circa 30 Minuten, der aus Handlungsaufgaben und einem Fragenkatalog besteht. Bekannt ist er aus der Demenz-Diagnostik. Er liefert auch ein zuverlässiges Bild über mögliche Beeinträchtigungen durch einen Hirntumor wie das Glioblastom.

Montreal Cognitive Assessment (MoCa): Der MoCa ist ebenfalls ein geeigneter Test, um Defizite durch die Hirntumorerkrankung abzuschätzen. Er dauert etwa zehn Minuten und ermöglicht es, leichte kognitive Störungen zu entdecken.

Bildgebende Verfahren

Oft treten die Beschwerden plötzlich auf und deuten recht eindeutig auf ein krankhaftes Geschehen im Gehirn hin. Infolgedessen veranlasst der Arzt zeitnah eine bildgebende Untersuchung.

  • Magnetresonanztomografie (MRT): Das wichtigste diagnostische Verfahren bei einem Glioblastom ist die MRT-Untersuchung des Schädels. In der Regel erhält die erkrankte Person dabei ein Kontrastmittel. Das Tumorgewebe nimmt dieses auf und grenzt sich dadurch deutlicher vom umliegenden Gewebe ab.
  • Computertomografie (CT): Wenn aus bestimmten Gründen eine MRT nicht möglich ist (etwa bei Trägern eines Herzschrittmachers), führen Ärzte alternativ eine CT-Untersuchung als bildgebendes Verfahren durch (ebenfalls mit Kontrastmittel).
  • Positronen-Emissions-Tomografie (PET): Das PET-Verfahren macht Bereiche des Gehirns mit einer erhöhten Stoffwechselrate – wie sie für Hirntumoren charakteristisch ist – sichtbar. Dies erleichtert die weitere Therapieplanung und identifiziert einen geeigneten Ort zur Entnahme einer Gewebeprobe (Biopsie) für weitere labordiagnostische Untersuchungen.

Biopsie

Wenn ein Hirntumor gut zugänglich ist, entfernen ihn Ärzte operativ (Resektion). Unter Umständen ist dies nicht möglich, etwa wenn der Betroffene ohnehin stark geschwächt ist. Dann entnehmen die Ärzte gezielt eine Gewebeprobe (stereotaktische Biopsie).

Das Tumorgewebe untersuchen Spezialisten, die Pathologen, anschliessend im Labor. Erst dann lassen sich die Gewebeeigenschaften genau feststellen und ein Glioblastom endgültig klassifizieren.

Beim Glioblastom hat die sogenannte MGMT-Promotor-Methylierung besondere Bedeutung. Dabei handelt es sich nicht (mehr) um einen biologischen Marker, der zur Unterscheidung der Tumorklassen dient, sondern um einen „prädiktiven Marker“. Mit seiner Hilfe schätzen Ärzte in etwa ab, wie wirksam eine bestimmte Therapie ist.

O-6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase (MGMT) ist ein wichtiges DNA-Reparaturenzym. Das heisst, es repariert Schäden am Erbgut. Der MGMT-Promotor ist der entsprechende Erbgutabschnitt, der jene Informationen (Bauplan) des MGMT-Reparaturenzyms speichert.

Ist diese bestimmte Erbgutregion charakteristisch verändert (methyliert), so ist dieser Abschnitt der Erbinformation nicht mehr lesbar – das heisst, es fehlt ein wichtiges Reparaturenzym. Das ist generell ungünstig. Allerdings haben Studien gezeigt, dass Personen mit einem MGMT-Promotor-methylierten Glioblastom entsprechend behandelt länger überleben. Denn sie sprechen auf die verfügbare Behandlung besser an.

Wie wird das Glioblastom behandelt?

Bei einem Glioblastom ist die Therapie der Wahl eine radikale Operation (Resektion). Ihr folgen für gewöhnlich Bestrahlung und Chemotherapie. Unter Umständen wenden Ärzte sogenannte Tumortherapiefelder (TTF) an.

Die genaue Behandlung richtet sich danach, wie alt der Betroffene ist und in welcher körperlichen Verfassung er sich befindet. Ausserdem spielen die genauen Gewebeeigenschaften des Tumors eine Rolle.

Das IDH-mutierte Astrozytom Grad 4, früher sekundäres/IDH-mutiertes Glioblastom genannt, behandeln Ärzte genauso.

Glioblastom-OP

Ärzte versuchen, das Tumorgewebe möglichst vollständig zu entfernen und gesundes Gewebe zu schonen. Hierfür erfolgen beispielsweise verschiedene Bildaufnahmen während der OP. Dadurch ist es Chirurgen möglich, sich im Gehirn leichter zu orientieren (Neuronavigation). Ist eine Resektion nicht möglich, entnehmen Ärzte zumindest eine Gewebeprobe.

Bestrahlung und Chemotherapie

Anhand des entfernten oder entnommenen Tumorgewebes sind Mediziner in der Lage, das Glioblastom genau zu klassifizieren und die weitere Therapie zu planen. Üblicherweise bestrahlt der Arzt die Tumorregion (Radiotherapie). Das soll weitere entartete Zellen abtöten und ein erneutes Wachstum oder Auftreten des Glioblastoms hinauszögern.

Meist gleichzeitig erhalten Betroffene eine Chemotherapie mit dem Wirkstoff Temozolomid. Es handelt sich also um eine Radiochemotherapie, die sich für gewöhnlich über sechs Wochen erstreckt. Die Bestrahlung erfolgt dabei in mehreren Sitzungen. Temozolomid nehmen Betroffene täglich ein. Der Radiochemotherapie schliesst sich üblicherweise eine reine Chemotherapie über mehrere Monate an.

Angepasste Glioblastom-Behandlung

Von dem beschriebenen Behandlungsschema weichen Ärzte unter bestimmten Umständen ab. Bei betroffenen Personen, die jünger als 70 Jahre alt und in guter Verfassung sind, erfolgen Bestrahlung und Chemotherapie mitunter getrennt voneinander – sofern beim Glioblastom eine MGMT-Methylierung vorliegt.

Bei älteren Personen sind die Bestrahlungssitzungen im Rahmen einer Radiochemotherapie möglicherweise verringert (hypofraktionierte Strahlentherapie). Ist der Betroffene in keiner guten körperlichen Verfassung, führen Ärzte eher eine alleinige Chemotherapie (MGMT methyliert) oder eine alleinige Bestrahlung (MGMT nicht methyliert) durch.

Tumortherapiefelder

Ergänzend nach einer operativen, medikamentösen und Strahlentherapie bieten spezielle Behandlungszentren eine weitere Therapiemöglichkeit mit sogenannten Tumortherapiefeldern (Tumor Treating Fields, TTFields) an. Dabei handelt es sich um elektrische Wechselfelder einer bestimmten Frequenz (200 kHz), die das Wachstum des Glioblastoms hemmen. Ziel ist es, den bis dahin erreichten Zustand möglichst lange zu erhalten.

Für die TTFields-Behandlung klebt der Arzt spezielle Keramikgelpads auf die rasierte Kopfhaut, wodurch eine Art Haube entsteht. Über diese Pads bauen sich dann elektrische Wechselfelder auf. Das hindert die Tumorzellen daran, sich weiter zu teilen und stattdessen bestenfalls abzusterben.

Die Wechselfelder erzeugt ein batteriebetriebenes Gerät, das die Person in einem Rucksack mit sich trägt. Generell findet diese Glioblastom-Therapie ambulant – also überwiegend im häuslichen Umfeld beziehungsweise Alltag des Erkrankten – statt. Experten empfehlen, die TTFields täglich mindestens 18 Stunden anzuwenden. Die aufgeklebten Pads verbleiben auf der Kopfhaut, wobei der Arzt sie etwa alle drei bis vier Tage wechselt.

Neben einer TTFields-Behandlung nehmen erkrankte Personen weiterhin das Medikament Temozolomid.

Kostenübernahme TTFields

Seit Mai 2020 übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Behandlung mit TTFields für Personen mit neu diagnostiziertem Glioblastom. Voraussetzung ist, dass der Tumor nach einer abgeschlossenen Radiochemotherapie nicht (früh) erneut wächst. Um dies auszuschliessen, veranlassen Ärzte zuvor eine Magnetresonanztomografie (MRT) des Kopfes.

Ärzte verschiedener Fachrichtungen – etwa der Nervenheilkunde, der Strahlentherapie und Krebsheilkunde – legen zuvor in der Tumorkonferenz für jeden Betroffenen individuell fest, welche Therapie besonders geeignet ist. Erst wenn die beteiligten Ärzte die TTFields empfehlen, zahlt die gesetzliche Krankversicherung die Behandlung.

(Noch) Keine Standardtherapie

Laut den aktuellen ärztlichen Leitlinien ist die Behandlung mit Tumortherapiefeldern (noch) nicht als Standardtherapie eines Glioblastoms anzusehen. Hierfür sind zunächst weiterführende, unabhängige Studien notwendig. Diese sollen unter anderem die vielversprechenden Ergebnisse der Zulassungsstudie bestätigen.

Gemäss dieser Studie lebten Betroffene mit einer kombinierten TTFields- und Temozolomid-Therapie länger als solche, die das Medikament ohne TTFields-Begleitbehandlung erhielten. Die Lebensqualität war in beiden Personengruppen ähnlich.

Experten des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bewerteten den Zusatznutzen der kombinierten Therapie in einer Stellungnahme positiv. Dieser Einschätzung folgte der "Gemeinsame Bundesausschuss" (G-BA) und nahm die Behandlungsmöglichkeit in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen auf.

Kritiker halten die Ergebnisse der Zulassungsstudie für die TTFields-Zusatzbehandlung jedoch für weniger eindeutig. Sie bemängeln beispielsweise das Studien-Design, da etwa eine Vergleichsgruppe mit einer „Scheinbehandlung“ fehlte. Der positive Beitrag einer TTFields-Behandlung ist nach Meinung dieser Kritiker weiterhin unklar. Demnach hätten die Studienteilnehmer auch wegen der intensiveren Betreuung länger gelebt.

Mögliche Nebenwirkungen

Insgesamt gilt die TTFields-Behandlung als gut verträglich. Die häufigsten Nebenwirkungen, die im Rahmen der Zulassungsstudie erfasst wurden, waren Hautirritationen durch die aufgeklebten Pads (Rötung, selten Juckreiz oder Blasen).

Die IQWiG-Experten verweisen in einer Stellungnahme zudem darauf, das die Möglichkeit besteht, dass sich manche Erkrankte durch die lange tägliche Anwendung der kabelgebundenen Pads in ihrem Alltag eingeschränkt fühlen.

Behandlung des wiederkehrenden Tumors

Kehrt ein Tumor nach einer abgeschlossenen Therapie zurück oder wächst das Glioblastom unter einer laufenden Behandlung, entscheidet das Ärzteteam individuell über eine erneute Operation, Strahlen- oder Chemotherapie. Bei letzterer kommen neben Temozolomid auch andere Substanzen zum Einsatz, beispielsweise das Zytostatikum Lomustin (CCNU) oder der Antikörper Bevacizumab.

Linderung der Krankheitssymptome

Neben den oben angeführten Therapien, die den Tumor direkt bekämpfen, kommen Massnahmen zur Linderung der Krankheitssymptome zum Einsatz. Dazu gehören beispielsweise Schmerzmittel, Kortison gegen einen erhöhten Hirndruck oder sogenannte Antikonvulsiva, wenn der Betroffene durch das Glioblastom epileptische Anfälle erleidet.

Da das Glioblastom eine sehr schlechte Prognose hat, ist die Krankheit für viele Betroffene und Angehörige schwer zu verarbeiten. Hier unterstützen unter Umständen eine Psychotherapie, Seelsorge oder Selbsthilfegruppen.

Best Supportive Care beim Glioblastom

Grundsätzlich ist es möglich, dass Ärzte, erkrankte Personen und Angehörige zusammen entscheiden, das Glioblastom nicht (mehr) gezielt zu behandeln. Stattdessen konzentriert sich das Behandlungsteam auf eine Therapie der körperlichen Beschwerden, um die verbliebene Lebenszeit des Betroffenen bestmöglich zu gestalten. Diese „Best Supportive Care“ genannte Palliativversorgung begleitet den Erkrankten (und ihm Nahestehende) auch durch die intensiven psychischen und spirituellen Umstände der letzten Lebensphase.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Vorlage:
Thomas M. Klemme
Autoren:
Dr. med. R. Schwarz
Dr. med.  R. Schwarz

Dr. Schwarz studierte Medizin in Würzburg, wo sie auch ihre Promotion abschloss. Nach sehr vielseitigen Aufgaben während der medizinischen praktischen Ausbildung (PJ) u.a. in der Inneren Medizin und Chirurgie ist sie nun als Fachärztin für Radiologie tätig.

Dr. rer. nat. Monique Amey-Özel
Dr.  Monique Amey-Özel

Dr. Monique Amey-Özel hat Biologie an der Universität Bonn studiert und in den Neurowissenschaften promoviert. Sie war mehrere Jahre in der Forschung und als Lehrbeauftragte u.a. im Fach Anatomie an medizinischen Ausbildungseinrichtungen tätig. Sie beriet als Pharmareferentin Ärzte in verschiedenen Indikationen und ist nun als Medizinredakteurin verantwortlich für die Erstellung medizinischer Texte sowohl für Fachkreise als auch interessierte Laien.

ICD-Codes:
D43C71D33
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
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  • Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung (MVV-RL): Tumortherapiefelder beim Glioblastom (20.03.2020, Inkrafttreten am 23.05.2020), unter: www.g-ba.de (Abrufdatum: 08.11.2021)
  • Bundesamt für Strahlenschutz: Einstufung hochfrequenter elektromagnetischer Felder durch die IARC, Stand: April 2021, unter: www.bfs.de (Abrufdatum: 08.11.2021)
  • Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC): Intrakranielle Gliome, unter: www.dgnc.de (Abrufdatum: 08.11.2021)
  • Deutsche Krebsgesellschaft (DKG): Astrozytome und Glioblastome, unter: www.krebsgesellschaft.de (Abruf: 08.11.2021)
  • Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH): Hochmaligne Gliome – Kurzinformation, unter: www.gpoh.de (Abrufdatum: 08.11.2021)
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  • Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie: Neue Glioblastom-Therapie mit einigen Fragezeichen (31.01.2018), unter: www.dgn.org (Abrufdatum: 08.11.2021)
  • S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN): Gliome (Stand: Februar 2021), unter: www.awmf.org
  • Stellungnahme des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zu TTFields als Zusatzbehandlung, unter: www.iqwig.de (Abrufdatum: 08.11.2021)
  • Stupp, R. et al.: Effect of Tumor-Treating Fields Plus Maintenance Temozolomide vs Maintenance Temozolomide Alone on Survival in Patients With Glioblastoma – A Randomized Clinical Trial, in: JAMA 2017, 318(23): 2306-2316
  • Zentrum für Neuropathologie und Prionforschung der LMU München: IDH1/2-Status, unter: www.neuropathologie.med.uni-muenchen.de (Abrufdatum: 08.11.2021)
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