Hämochromatose

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und , Medizinredakteurin
Clemens Gödel

Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.

Sabrina Kempe

Sabrina Kempe ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie hat Biologie studiert und sich dabei besonders in die Molekularbiologie, Humangenetik und Pharmakologie vertieft. Nach ihrer Ausbildung zur Medizinredakteurin in einem renommierten Fachverlag hat sie Fachzeitschriften und eine Patientenzeitschrift betreut. Jetzt verfasst sie Beiträge zu Medizin- und Wissenschaftsthemen für Experten und Laien und redigiert wissenschaftliche Fachbeiträge von Ärzten.

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Die Hämochromatose ist eine Eisenspeicherkrankheit. Es wird dabei zu viel Eisen im Körper eingelagert, vor allem in Leber und Herz. Mögliche Folgen sind zum Beispiel Leberzirrhose und Herzmuskelerkrankung. Die Hämochromatose kann angeboren oder erworben sein. Sie wird mit Aderlässen oder Medikamenten (Eisenchelatoren) behandelt. Lesen Sie hier mehr über Symptome, Ursachen, Diagnostik und Therapie der Hämochromatose!

Hämochromatose

Kurzübersicht

  • Was ist Hämochromatose? Erkrankung, bei der zu viel Eisen im Körper eingelagert wird (Eisenspeicherkrankheit).
  • Ursachen: Die primäre Form basiert auf Genmutationen bei Eiweissen, die den Eisenstoffwechsel regulieren. Die sekundäre Hämochromatose beruht auf anderen Erkrankungen (angeborenen oder erworbenen) oder auf übermässiger Eisenzufuhr (v.a. als Infusion).
  • Symptome: z.B. starke Müdigkeit, Reizbarkeit, verringerte sexuelle Lust, Oberbauchkrämpfe, Gelenkschmerzen
  • Spätschäden: Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), Leberschäden, Braunfärbung der Haut, schwere Gelenkbeschwerden und Herzschäden, Impotenz, Ausbleiben der Regelblutung
  • Behandlung: Aderlass bzw. Erythrozytapherese, Medikamente (Eisenchelatoren), ggf.Organtransplantation, Verzicht auf eisenreiche Lebensmittel (wie Innereien), möglichst kein Alkohol.
  • Prognose: Bei frühzeitiger Behandlung normale Lebenserwartung. Bestehen bereits Spätschäden, verschlechtert sich die Prognose.

Hämochromatose: Definition

Die Hämochromatose ist eine Eisenspeicherkrankheit: Der Körper der Betroffenen nimmt übermässig viel Eisen aus der Nahrung auf. Dadurch kommt es zu einer Eisenüberladung (Siderose) des Gewebes. Besonders gefährlich sind Ablagerungen des überschüssigen Eisens in Leber und Herzmuskel, aber auch in Gelenken, Bauchspeicheldrüse, Haut oder Hirnanhangdrüse (Hypophyse).

Je nach Entstehung unterscheiden Mediziner:

  • primäre Hämochromatose: Sie ist genetisch bedingt und damit angeboren (auch hereditäre Hämochromatose genannt).
  • sekundäre Hämochromatose: Sie wird aufgrund einer anderen Erkrankung erworben.

Hämosiderose

Als Hämosiderose bezeichnet man eine vermehrte Eisenablagerung im Körper infolge einer erhöhten Eisenkonzentration im Blut. Der Begriff wird zum Teil als Synonym für Hämochromatose verwendet oder als eine Art Vorstufe davon angesehen. Er leitet sich von Hämosiderin ab – einem eisenhaltigen Eiweisskomplex: Eisen kann im Körper in Form von Hämosiderin gespeichert werden, vor allem in speziellen Immunzellen, den Makrophagen.

Eine Hämosiderose muss nicht immer den ganzen Körper betreffen – sie kann auch nur lokal auftreten, zum Beispiel an den Unterschenkeln.

Häufigkeit

Die primäre oder angeborene (hereditäre) Hämochromatose ist die häufigste genetisch bedingte Stoffwechselstörung im nordeuropäischen Raum. Sie trifft Männer zehnmal häufiger als Frauen, weil diese durch den Menstruationszyklus regelmässig Blut und damit auch Eisen verlieren.

Insgesamt findet sich die Hämochromatose bei einem bis fünf von 1.000 Menschen. Erste Anzeichen für die Hämochromatose sind bei Männern zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr und bei Frauen meist erst nach den Wechseljahren feststellbar.

Die Erkrankung ist für bis zu zwei Prozent neu aufgetretener Fälle von Diabetes mellitus und für bis zu 15 Prozent aller Leberzirrhosen (Schrumpfleber) verantwortlich.

Hämochromatose: Symptome

Wird die Hämochromatose nicht frühzeitig behandelt, treten die ersten offensichtlichen Eisenüberschuss-Symptome meist erst zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr auf, und zwar bei Männern oft früher als bei Frauen: Diabetes mellitus, Leberschäden und Braunfärbung der Haut (Hyperpigmentierung, Bronzediabetes). Aber auch Herzprobleme, Gelenkschäden und Hormonstörungen gehören zu den wichtigen Hämochromatose-Symptomen. Dabei handelt es sich aber um Spätschäden. Sie sind mittlerweile seltener geworden, weil die Hämochromatose inzwischen meistens frühzeitiger entdeckt wird.

Es gibt jedoch auch Formen der Hämochromatose, bei der sich bereits vor der Geburt Leberschäden ausbilden (neonatale Hämochromatose). Zudem gibt es auch eine jugendliche Hämochroamtose, die sich schon vor dem 30. Lebensjahr zeigt. Sie ist vor allem durch Herzschwäche und eine Unterfunktion der Geschlechtsdrüsen gekennzeichnet.

Hämochromatose-Symptome im Überblick

In der Frühphase der Eisenspeicherkrankheit zeigen sich Symptome, die vor allem unspezifisch sind. Dazu gehören:

  • starke Müdigkeit
  • Reizbarkeit, depressive Verstimmung
  • Infektanfälligkeit
  • nachlassendes sexuelles Verlangen (Libido)
  • Veränderung von Länge und Stärke der Regelblutung
  • graubraun verfärbte Haut, vermehrte Bildung roter Flecken
  • Haarausfall oder frühzeitiges Ergrauen der Haare
  • Krämpfe im Oberbauch
  • Schmerzen in der Brust (vor allem auf der rechten Körperseite)
  • Kurzatmigkeit
  • unregelmässiger Herzschlag
  • Gelenkschmerzen (besonders in Knien, Hüfte und Fingern)

Symptome und Spätschäden im Detail

Gelenke

Bis zu 80 Prozent der Patienten klagen über schwere Gelenkbeschwerden (Arthropathie), die oft schon Jahre vor der Diagnose beginnen. Typischerweise sind die Gelenke der Mittel- und Zeigefinger an beiden Händen betroffen, aber auch Knie- und Hüftgelenke. Die Gelenkbeschwerden verschlimmern sich im Verlauf der Erkrankung und können entweder entzündlicher oder nicht entzündlicher Natur sein. Sie hängen offenbar nicht mit dem Ausmass der Eisenüberladung zusammen.

Wie die Gelenkschmerzen bei der Eisenspeicherkrankheit entstehen, ist noch unklar.

Leber

Die Leber ist einer der Hauptspeicherorte für Eisen und das erste Organ, das vom Blut nach Durchfliessen des Darms (wo das Eisen aufgenommen wird) erreicht wird. Eine Eisenüberladung über einen längeren Zeitraum führt zu einem bindegewebigen Umbau der Leber (Leberfibrose) und dann zum Untergang von Lebergewebe (Leberzirrhose). Die typischen Symptome dafür sind:

In rund 30 Prozent der Hämochromatose-Fälle mit Leberzirrhose entwickelt sich ein bösartiger Lebertumor (Leberkarzinom, Hepatozelluläres Karzinom). Damit ist das Risiko für Leberkrebs bei Hämochromatose um das 100-Fache erhöht. Andere Lebererkrankungen wie Leberentzündung (Hepatitis) können das Voranschreiten der Leberschädigung verstärken.

Haut

Die Haut kann sich besonders in der Achselhöhle dunkel (bronzefarben) verfärben. Dies liegt daran, dass sich vermehrt Melanin (der dunkle Pigmentfarbstoff) in der Haut einlagert. Dies bezeichnet man als Bronzediabetes. Die Hauthaare dünnen aus, insbesondere in der Achselhöhle.

Bauchspeicheldrüse

Auch die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) wird bei einer Hämochromatose durch den Eisenüberschuss belastet. Zunächst reagieren die Köperzellen nicht mehr auf das blutzuckersenkende Pankreas-Hormon Insulin (Insulinresistenz). Später sind die Insulin-produziernden Zellen der Bauchspeicheldrüse durch das Eisen so geschädigt, dass sie nicht mehr genügend Insulin herstellen können. Dadurch entwickelt sich eine Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus).

Herz

Herzschäden sind eine häufige Todesursache bei jungen Hämochromatose-Patienten. Eisenablagerungen im Herz führen zu Muskelschäden (Kardiomyopathie) und Herzrhythmusstörungen. Daraus können Herzschwäche und -versagen mit Lebensgefahr resultieren. Wenn im Rahmen der Hämochromatose Herzmuskelschäden auftreten, kann eine Transplantation erforderlich sein.

Hormonsystem (Endokrinum)

Die verschiedenen Hormonsysteme des Körpers können in unterschiedlichem Ausmass von der Hämochromatose betroffen sein. Typisch ist eine Unterfunktion der Geschlechtsdrüsen (Eierstöcke, Hoden), der Schilddrüse und der Nebennierenrinde. Männer können impotent werden. Bei Frauen kann die Regelblutung ausbleiben (Amenorrhö).

Der Eisenstoffwechsel

Der Körper braucht Eisen für die Herstellung roter Blutkörperchen (Erythrozyten) sowie das Überleben und Wachstum von Zellen. In grösseren mengen ist das Schwermetall aber giftig. Deshalb muss der Körper den Eisenhaushalt bedarfsabhängig steuern und Aufnahme und Ausscheidung im Gleichgewicht halten – damit weder ein Eisenmangel noch eine Eisenüberladung entsteht.

Pro Tag benötigt der Körper 25 Milligramm Eisen. Das meiste davon holt er sich aus dem Abbau alter roter Blutzellen. Der restliche Bedarf wird über eisenhaltige Nahrung gedeckt. Gesunde Menschen nehmen etwa zehn Prozent des in der Nahrung enthaltenen Eisens im Darm auf (ungefähr 1 bis 2 Milligramm pro Tag). Bei einer genetisch bedingten Hämochromatose werden dagegen bis zu 20 Prozent des Nahrungseisens aufgenommen.

Aufnahme und Speicherung von Eisen

Der entscheidende Schritt der Eisenaufnahme ist der Übergang des Eisens aus der Darmzelle und aus den Zellen des retikuloendothelialen Systems (u.a. Immunzellen) in das Blut, der unter anderem durch das Eiweiss Hepcidin kontrolliert wird. Hepcidin wird in der Leber hergestellt und hemmt das Transportprotein Ferroportin, über das Darm- und Immunzellen ihr gespeichertes Eisen freisetzen können. Im Blut wird Eisen gebunden an das Protein Transferrin transportiert.

Der Hauptteil des Körpereisens wird in den roten Blutzellen (Hämoglobin), in Leber und Immunzellen (retikuloendotheliales System) gespeichert – zum Beispiel in Form von Ferritin (ein Eisen-Protein-Komplex), das im Blut nachgewiesen werden kann. Normalerweise speichert der Körper ein bis vier Gramm Eisen – bei einer Hämochromatose dagegen mehr als die doppelte Menge.

Hämochromatose: Ursachen und Risikofaktoren

Meistens ist der Eisenüberschuss ist angeboren (primäre Hämochromatose). Seltener ist die erworbene (sekundäre) Form der Eisenspeicherkrankheit.

Angeborene (primäre) Hämochromatose

Die häufigste Ursache für Hämochromatose sind Veränderungen (Mutationen) an Genen, die den Bauplan für Eiweisse enthalten, welche den Eisenhaushalt regulieren. Je nach betroffenem Gen unterscheidet man verschiedene Typen dieser genetisch bedingten Hämochromatose. Hierzulande tritt fast nur der Typ 1 auf – eine Genmutation auf Chromosom 6, die das Gen HFE ("High Iron Fe") betrifft. Das durch dieses Gen kodierte HFE-Protein aktiviert das Regulatorprotein Hepcidin:

Das HFE-Protein bindet vermutlich an den Andockstellen (Rezeptoren) von Transferrin auf der Oberfläche der Zellen und blockiert diese. Das Transportprotein für Eisen kann dann nicht mehr an seinen Rezeptor binden. Das fördert die Ausschüttung von Hepcidin. Dieses Eiweiss wiederum hemmt die Eisenaufnahme aus dem Darm.

Durch die Genmutation beim Typ 1 der primären Hämochromatose fällt das HFE-Protein aus bzw. ist in zu geringer Menge vorhanden. In der Folge fehlt Hepcidin als Bremse der Eisenaufnahme. Dadurch wird im Darm zu viel Eisen aufgenommen.

Das Transportprotein Transferrin im Blut kann die erhöhte Eisenmenge nicht mehr transportieren, und die Zellen können das überschüssige Eisen nicht mehr in stabiler Form speichern. Instabiles Eisen entsteht im Blut und schädigt die Körperzellen. Das belastet die betroffenen Organe sehr stark und kann schwere Komplikationen zur Folge haben. Es dauert jedoch meist Jahrzehnte, bis solche Organschäden resultieren.

Erworbene (sekundäre) Hämochromatose

Bei den sogenannten sekundären Formen der Hämochromatose kommt es meist zunächst zu einer Eisenüberladung der Zellen des retikuloendothelialen Systems, also unter anderem Zellen des Immunsystems, aber auch weiterer Organe. Die häufigste Ursache ist eine angeborene oder erworbene Fehlfunktion der Blutbildung, die meist mit einer Blutarmut (Anämie) einhergeht. Einerseits steigert der Körper dadurch die Eisenaufnahme über den Darm. Andererseits müssen bei starker Blutarmut wiederholt Bluttransfusionen gegeben werden. Dadurch wird dem Körper künstlich viel Eisen zugeführt. Seltener kann zum Beispiel auch eine jahrelange Eisenzufuhr in Form von Tabletten für eine Hämochromatose verantwortlich sein.

Weitere mögliche Ursachen für eine sekundäre Hämochromatose sind eine Fehlbildung des roten Blutfarbstoffes (Thalassämie) und eine abnorme Verformbarkeit der roten Blutzellen (Sichelzellanämie). Beides sind genetisch bedingte Erkrankungen.

Zu den erworbenen Erkrankungen, die eine Hämochromatose verursachen können, gehören das Myelodysplastische Syndrom (MDS; eine Störung der Blutbildung im Knochenmark) und die Myelofibrose (bindegewebige Umbildung des Knochenmarks). Beide Krankheiten haben gemeinsam, dass der Umsatz der (roten) Blutzellen und damit auch des Eisens deutlich erhöht ist.

Hämochromatose: Untersuchungen und Diagnose

Betroffene merken im Frühstadium meist nichts von der Hämochromatose. Frühzeichen wie Gelenkbeschwerden oder Müdigkeit sind unspezifisch. In den meisten Fällen wird eine Hämochromatose daher entweder zufällig bei Blutuntersuchungen entdeckt, die Hinweise auf eine Störung des Eisenhaushalts geben. Oder die Diagnose der Hämochromatose wird durch ein systematisches Screening (von Familienmitgliedern) aufgrund von Auffälligkeiten gestellt.

Erhebung der Krankengeschichte

Zur Abklärung einer möglichen Hämochromatose wird Ihr Arzt zunächst Ihre Krankengeschichte erheben (Anamnese). Im Gespräch wird er Ihnen unter anderem folgende Fragen stellen:

  • Waren bisherige Blutuntersuchungen auffällig?
  • Sind in Ihrer Familie Eisenspeicherkrankheiten bekannt?
  • Leiden Sie unter Gelenkbeschwerden oder Müdigkeit?
  • Haben Sie Bauch- oder Herzbeschwerden?

Körperliche Untersuchung

Bei der körperlichen Untersuchung achtet Ihr Arzt insbesondere auf Zeichen einer Herz- und Leberschädigung sowie eine verstärkte Pigmentierung der Haut (Bronzediabetes). Gelenkbeschwerden an Zeige- und Mittelfinger sind ebenfalls typisch für eine Hämochromatose.

Blutuntersuchungen

Sehr wichtig für die Diagnose einer Eisenspeicherkrankheit sind Blutwerte, die eine Aussage über den Eisenhaushalt erlauben (Eisenwerte). Zudem können verschiedene Hormonwerte aufschlussreich sein.

Eisenwerte

Die wichtigsten Parameter zur Beurteilung des Eisenhaushaltes sind der Eisenspiegel im Blutserum, das Ferritin (Speichereiweiss für Eisen) und die Transferrinsättigung:

  • Eisenspiegel: Bei zu viel Eisen im Blut erhärtet sich der Verdacht auf Hämochromatose. Allerdings kann auch bei normalen Eisenwerten eine Eisenspeicherkrankheit nicht sicher ausgeschlossen werden.
  • Ferritin: Niedrige Werte signalisieren Eisenmangel, erhöhte Werte einen vergrösserten Eisenspeicher – aber nicht immer, denn es gibt noch andere Ursachen für einen hohen Ferritinwert: gefährliche wie Krebs und weniger gefährliche wie Entzündungen. Letztere sind sogar oft der Grund für erhöhtes Ferritin. Daher ist der Ferritin-Wert nicht auswertbar, wenn gleichzeitig die Entzündungsparameter (wie CRP) erhöht sind.
  • Transferrinsättigung: Sie gibt an, wie viel des vorhandenen Transferrins (wichtigste Transportprotein für Eisen) mit dem Schwermetall beladen ist. Bei mehr als 45 Prozent ergibt sich der Verdacht auf Hämochromatose. Bei einer Sättigung von über 60 Prozent ist der Verdacht sogar sehr stark. Eine normale Sättigung schliesst eine Hämochromatose quasi aus.

Zur Bestimmung dieser Parameter sollten eine Blutprobe nüchtern am Morgen abgenommen werden. Anschliessend erfolgt die Auswertung für die Hämochromatose-Diagnose im Labor.

Hat ein Patient sowohl eine erhöhte Ferritin-Konzentration als auch eine hohe Transferrinsättigung, liegt der Verdacht auf eine Eisenspeicherkrankheit nahe. Der Patient hat quasi zu viel Eisen im Blut. Um den Verdacht zu bestätigen, sollte ein Hämochromatose-Gentest durchgeführt werden (siehe unten).

Hormonwerte

Bei der Erstdiagnose oder Hinweisen auf Störungen des Hormonsystems sollten entsprechende Untersuchungen gemacht werden. Vermutet der Arzt zum Beispiel eine gestörte Schilddrüsenfunktion, wird er die Schilddrüsenhormone im Blut bestimmen. Analog werden bei Verdacht auf eine Unterfunktion der Geschlechtsdrüsen oder der Nebennierenrinde ebenfalls die entsprechenden Hormone gemessen werden.

Gentest

Erhärten auffällige Eisen-Blutwerte den Verdacht auf eine Hämochromatose, ist ein Gentest der nächste Schritt. Zunächst wird getestet, ob eine Mutation des HFE-Gens (C2828Y) vorliegt – was der häufigsten Form von Hämochromatose (Typ 1) entspricht. Jeder Mensch hat zwei Kopien dieses Gens – jeweils eine von Mutter und Vater. Die Genmutation kann auf beiden oder nur auf einer zu finden sein:

  • HFE-Mutation auf beiden Genkopien: Die Patienten sind homozygote Träger der Genmutation. Die Diagnose Hämochromatose ist damit gesichert, sodass auf die Entnahme einer Gewebeprobe aus der Leber (Leberbiopsie) verzichtet werden kann.
  • HFE-Mutation nur auf einer Genkopie: Die Patienten sind heterozygote Träger und meist gesund. Sie sollten sich aber regelmässig untersuchen lassen. Entwickelns sich Symptome einer Hämochromatose oder Leberschäden, ist entweder eine Leberbiopsie oder ein weiterer Gentest ratsam. Finden sich in der Biopsie Hinweise auf eine Eisenspeicherkrankheit, kann nach anderen bekannten Mutationen im Eisenstoffwechsel gesucht werden (also anderen Typ von genetisch bedingter Hämochromatose).

Bei genetisch bedingten Formen der Hämochromatose sollten auch Familienmitglieder auf eine Hämochromatose untersucht werden.

Leberuntersuchungen

Durch die Entnahme einer Gewebeprobe aus der Leber (Biopsie) können stichprobenartig der Zustand der Leber und ihr Eisengehalt (Berliner-Blau-Reaktion) überprüft werden. Allerdings ist die Probenentnahme mit Risiken verbunden. Zudem sind die Eiseneinlagerungen in der Leber unregelmässig verteilt. Deshalb wird eine Leberbiopsie heutzutage nicht mehr durchgeführt, wenn ausschliesslich das Lebereisen bestimmt werden soll. Stattdessen kommt sie in der Regel nur bei stark erhöhten Ferritinwerten (mehr als 1.000 Nanogramm pro Milliliter) zum Einsatz, um die Schwere der Leberschädigung festzustellen.

Der Eisengehalt der Leber kann als Lebereisenkonzentration oder als Lebereisenindex angegeben werden. Letzterer ergibt sich, wenn man die Lebereisenkonzentration durch das Alter des Patienten teilt.

Heute kann die Biopsie durch moderne technische Verfahren ersetzt werden, die keine Gewebeentnahme erfordern. Dazu zählen:

  • Lebersuszeptometrie: Diese Untersuchungsmethode macht sich die magnetischen Eigenschaften des Eisens zunutze. Das Verfahren ist jedoch sehr teuer und wird selten eingesetzt.
  • Magnetresonanztomografie (MRT) der Leber: Mithilfe der MRT (auch Kernspintomografie genannt) kann der Eisengehalt der Leber ebenfalls abgeschätzt werden, allerdings erst in späten Stadien der Erkrankung.

Zur Prüfung von Funktion und Zustand der Leber müssen regelmässig Blutwerte gemessen und Ultraschalluntersuchungen gemacht werden. Wenn die Leber bereits Zeichen einer Zirrhose aufweist, sollte auch die Konzentration des α-Fetoproteins im Blut als Marker für bösartige Entartungen des Lebergewebes bestimmt werden.

Herzfunktion und -eisen

Schäden am Herzmuskel und Herzrhythmusstörungen, die zu einem Herzversagen führen können, sind eine mögliche Todesursache bei Hämochromatose. Die Herzfunktion sollte daher mittels Herzultraschall (Echokardiografie) und Messung der elektrischen Herzaktivität (EKG) überprüft werden. Mit einer Kernspintomografie kann der Arzt den Eisengehalt (Herzeisen) und den Zustand des Herzens beurteilen.

Hämochromatose: Behandlung

Der Eisenüberschuss im Körper wird gefährlich, wenn er nicht behandelt wird. Ziel der Hämochromatose-Therapie ist es deshalb, die Eisenbelastung des Körpers zu verringern und somit das Fortschreiten der Hämochromatose zu verhindern. Dazu stehen folgende Therapien zur Verfügung:

  • Aderlass bzw. Erythrozytapherese
  • Eisenchelatoren

Unterstützend kann eine angepasste Ernährung bei Eisenüberuss helfen.

Im fortgeschrittenen Zustand einer Hämochromatose können schwere Organschäden zudem eine Organtransplantation notwendig machen.

Aderlasstherapie

Die Aderlass-Therapie (Phlebotomie) wird vor allem bei genetisch bedingter Hämochromatose durchgeführt. Dazu werden dem Patienten in gewissen Zeitabständen rund 500 Milliliter Blut aus einer Vene abgenommen. Pro Aderlass können so rund 250 Milligramm Eisen aus dem Körper entfernt werden.

Bei einer symptomatischen Hämochromatose befinden sich zirka 10 bis 30 Gramm Eisen im Körper. Um die Eisenspeicher wieder auf Normalniveau (bis zu vier Gramm Eisen) zu bringen, sind daher 40 bis 120 Aderlässe über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren notwendig:

  • Zu Beginn werden die Aderlässe ein- bis zweimal pro Woche durchgeführt. Zur Verlaufskontrolle werden regelmässig die Blutkonzentrationen von Ferritin und dem roten Blutfarbstoff (Hämoglobin) gemessen. Ein niedriger Hämoglobin-Wert zeigt eine Blutarmut an. Dann muss die Therapie eventuell unterbrochen werden.
  • Wenn sich die Ferritin-Konzentration im Blut normalisiert hat, reichen vier bis sechs Aderlässe pro Jahr.

Wenn Familienmitglieder eines Patienten mit genetischer Hämochromatose erhöhte Ferritinwerte aufweisen, kann bei ihnen eine vorbeugende Aderlass-Behandlung durchgeführt werden.

Erythrozytapherese

Auf dem gleichen Prinzip wie der Aderlass beruht die Erythrozytapherese. Im Gegensatz zum Aderlass wird hier aber das entnommene Blut maschinell aufgetrennt: Nur die roten Blutzellen werden entfernt, die restlichen Blutbestandteile werden dem Körper wieder zugeführt.

Dieses Verfahren wird unter anderem bei Patienten mit Blutarmut aufgrund von Defekten der roten Blutzellen eingesetzt. Im Vergleich zum Aderlass können bei der Erythrozytapherese mehr rote Blutzellen pro Behandlungstermin entnommen werden, sodass die Betroffenen weniger häufig zur Behandlung erscheinen müssen.

Eisenchelatoren

Die medikamentöse Therapie der Hämochromatose soll die Eisen-Ausscheidung über den Urin und Stuhl steigern. Erreicht wird dies mit sogenannten Chelatbildnern oder Chelatoren. sind Substanzen, die Eisen binden und dann mit ihm ausgeschieden werden. Früher wurde der Wirkstoff Deferoxamin als Dauerinfusion verabreicht. Heute wird täglich der Wirkstoff Deferasirox als Tablette eingenommen.

Eisenchelatoren werden vor allem bei Hämochromatose-Formen gegeben, die mit einer Blutarmut verbunden sind. Denn Aderlässe sind dann nicht möglich. Meist wird die Gabe von Eisenchelatoren bei besonders hohen Serumferritin-Werten oder einer Lebereisenkonzentration über dem Grenzwert begonnen. Sie muss in der Regel lebenslang fortgesetzt werden. Nur selten normalisieren sich die Blutwerte des Eisenhaushalts wie Ferritin.

Intensivierte Behandlung

Wenn die Therapie mit Eisenchelatoren nicht ausreichend anschlägt, schwere Herzschäden bestehen oder aus anderen Gründen eine rasche Eisen-Eliminierung notwendig ist, kann die medikamentöse Therapie intensiviert werden. Eine solche Intensiv-Behandlung sollte in spezialisierten Zentren durchgeführt werden. Die Chelatbildner werden dann über 24 Stunden kontinuierlich unter die Haut oder in die Vene zugeführt. Auch eine längere Intensiv-Gabe über diesen Weg ist möglich.

Risiken und Nebenwirkungen

Bei einer Behandlung mit Chelatbildnern sollten Nutzen und Risiken immer wieder von Neuem sorgfältig abgewogen werden. Die Wirkstoffe stehen nämlich im Verdacht, das Wachstum von Kindern zu hemmen.

Bei Erwachsenen sind Magen-Darm-Beschwerden, Hautausschläge und eine Erhöhung der Leberenzymkonzentration im Blut typische Nebenwirkungen der Eisenchelatoren. Auch Innenohr- und Sehstörungen, Fieber, Kopfschmerzen und Gelenkbeschwerden können auftreten.

Schwangere dürfen nicht mit Chelatbildnern behandelt werden. Ab dem vierten Schwangerschaftsmonat kann aber eventuell unter strenger Abwägung die Therapie (wieder)aufgenommen werden. In diesem Fall sind engmaschige Untersuchungen der Schwangeren unbedingt erforderlich.

Schwangere Frauen mit Hämochromatose sollten sich in spezialisierten Zentren beraten lassen.

Hämochromatose: Ernährung

Eine streng eisenarme Diät ist nur sehr schwer einzuhalten und auch nur wenig wirksam. Aus diesem Grund wird auch keine spezielle Hämochromatose-Ernährung empfohlen.

Angeraten ist jedoch der Verzicht auf eisenreiche Lebensmittel wie Innereien. Zu beachten ist auch, dass Kaffee und Tee die Eisenaufnahme reduzieren können, während durch den Konsum von Alkohol mehr Eisen im Darm aufgenommen wird. Rotweine können zudem reich an Eisen sein. Deshalb sollten Betroffene Alkohol möglichst meiden.

Die Einnahme von Vitaminpräparaten wird nicht empfohlen.

Am besten eignet sich als Getränk zu den Mahlzeiten schwarzer Tee, um die Eisenaufnahme aus der Nahrung zu reduzieren.

Organtransplantation

In späten Stadien von Hämochromatose mit schweren Leber- oder Herzschäden kann eine entsprechende Organtransplantation lebensnotwendig werden. Eine seit Geburt bestehende Hämochromatose (neonatale Hämochromatose) ist etwa der häufigste Grund für eine Lebertransplantation in den ersten drei Lebensmonaten.

Hämochromatose: Krankheitsverlauf und Prognose

Wird die Hämochromatose früh erkannt und behandelt – bevor Spätschäden wie Leberzirrhose, Kardiomyopathie oder Diabetes mellitus auftreten –, haben Betroffene eine normale Lebenserwartung.

Deutlich schlechter ist die Prognose, wenn die Hämochromatose erst spät erkannt oder nicht behandelt wird. Auch wenn durch Blutarmut häufige Bluttransfusionen nötig werden, kann die Eisenüberladung schneller voranschreiten. Am meisten gefürchtet sind schwere Herzschäden, die zu einem (plötzlichen) Herzversagen mit Todesfolge führen können. Die regelmässige Überwachung der Organfunktionen, insbesondere von Herz und Leber, sind daher unbedingt erforderlich.

Lebervergrösserungen und Erhöhungen der Leberenzyme sind bei einer erfolgreichen Therapie der Hämochromatose meist rückläufig. Spätfolgen wie Diabetes mellitus oder Herzschäden lassen sich durch die Behandlung aber kaum verbessern. Auch Gelenkbeschwerden und eine Hodenunterfunktion bleiben trotz Therapie bestehen. Allerdings kann die Behandlung Symptome wie Schmerzen und Müdigkeit lindern und damit die Lebensqualität von Hämochromatose-Betroffenen deutlich steigern.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autoren:
Clemens Gödel

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Sabrina Kempe

Sabrina Kempe ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie hat Biologie studiert und sich dabei besonders in die Molekularbiologie, Humangenetik und Pharmakologie vertieft. Nach ihrer Ausbildung zur Medizinredakteurin in einem renommierten Fachverlag hat sie Fachzeitschriften und eine Patientenzeitschrift betreut. Jetzt verfasst sie Beiträge zu Medizin- und Wissenschaftsthemen für Experten und Laien und redigiert wissenschaftliche Fachbeiträge von Ärzten.

ICD-Codes:
E83D57D56D47D46
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • European Association for the Study of the Liver. EASL Clinical Practice Guidelines for HFE Hemochromatosis. Journal of Hepatology, Vollume 53, Issue 1, P3-22, 2010
  • Hämochromatose-Vereinigung Deutschland e.V.: www.haemochromatose.org (Abruf: 07.08.2020)
  • Herold, G. et al.: Innere Medizin 2015, Eigenverlag 2014
  • Niederau C. et al. „Hepatische Eisenüberladung – Gute Prognose bei Therapie der Hämochromatose im Frühstadium“, Gastro-News, Ausgabe 3/2018
  • Pschyrembel Online: www.pschyrembel.de (Abruf: 07.08.2020)
  • S1-Leitlinie „Molekulargenetische Diagnostik der hereditären Hämochromatose“ der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik und des Berufsverbands Deutscher Humangenetiker (Stand: 2008)
  • S2-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der sekundären Eisenüberladung bei Patienten mit angeborenen Anämien“ der Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie (Stand: 6/2015; derzeit in Überarbeitung)
  • Saito, H.: "Metabolism of iron stores", Nagoya J. Med. Sci. 76. 235-254, 2014
  • Sebode, M. et al.: "Inflammatorische Erkrankungen mit Leber- und Gelenkbeteiligung", Der Internist 2013; 4: 441-448
  • Ulvik, R.J.: "The liver in hemochromatosis", J Trace Elem Med Biol (2015), Vol. 31: 219-224
  • Yun, S. & Vincelette, N.D.: "Update on iron metabolism and molecular perspective of common genetic and acquired disorder, hemochromatosis", Crit Rev Oncol/Hematol (2015), 95(1): 12-25
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