Giardiasis

Von 
Dr. med. Fabian Dupont

Fabian Dupont ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Der Humanmediziner ist bereits für wissenschaftliche Arbeiten unter anderem Belgien, Spanien, Ruanda, die USA, Großbritannien, Südafrika, Neuseeland und die Schweiz. Schwerpunkt seiner Doktorarbeit war die Tropen-Neurologie, sein besonderes Interesse gilt aber der internationalen Gesundheitswissenschaft (Public Health) und der verständlichen Vermittlung medizinischer Sachverhalte.

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Die Giardiasis (Lamblienerkrankung) ist eine Durchfallerkrankung, die durch einzellige Darmparasiten ausgelöst wird. In manchen Weltregionen ist bis zu einem Drittel der Bevölkerung infiziert. Der Schmarotzer kann unregelmässigen Stuhlgang oder langanhaltenden Durchfall auslösen. Für Kinder, Menschen mit Vorerkrankungen und Immungeschwächte kann er auch gefährlich werden. Lesen Sie hier alles Wichtige über die Giardiasis!

Giardiasis

Giardiasis: Beschreibung

Wie die Malaria wird die Durchfallerkrankung Giardiasis von sogenannten Protozoen ausgelöst. Das sind Einzeller mit einem echten Zellkern. Im Fall von Giardiasis handelt es sich dabei um Erreger aus der Gruppe der Giardien (Lamblien). Sie werden fäkal-oral übertragen. Das bedeutet, sie werden über Lebensmittel oder Trinkwasser übertragen, die mit Spuren von Stuhl eines Infizierten verunreinigt sind. Oft geschieht dies bei der Zubereitung von Essen durch "schmutzige Hände" oder verseuchtes Trinkwasser.

Der Giardiasis-Erreger ist weltweit verbreitet, kommt also auch in Mitteleuropa vor. Besonders betroffen sind allerdings südliche Länder - je nach den hygienischen Verhältnissen kann bis zu ein Drittel der Bevölkerung mit den Parasiten infiziert sein.

Hierzulande sind oft Reiserückkehrer betroffen, welche die Giardien vor allem aus Asien (z.B. Indien) und Afrika (z.B. Ägypten), aber auch aus Ländern wie Türkei, Spanien oder Italien mitbringen. Ausserdem tritt die Durchfallerkrankung oft in Kindertageseinrichtungen auf.

Lebenszyklus: Giardiasis           

Die Erreger der Giardiasis - die Giardien (Lamblien) - haben einen sehr einfachen Lebenszyklus:

Die ausgewachsenen Parasiten (Trophozoiten) leben in den Furchen der Dünndarmwand infizierter Menschen. In aller Regel verlassen sie die Schleimhaut nicht, sodass die Infektion auf den Darm begrenzt bleibt. Allerdings verändern die Giardien die Darmoberfläche, was die Aufnahme von Nährstoffen stören und in der Folge Mangelerscheinungen beim Patienten verursachen kann.

Bei Menschen mit Vorschädigungen im Darm oder einem schwachen Immunystem können die Parasiten auch durch die Darmwand brechen und in verschiedenen anderen Körperregionen Probleme verursachen (z.B. Bauchspeicheldrüsenentzündung = Pankreatitis).

Die Erreger können sich asexuell fortpflanzen, indem sie sich einfach teilen und so Nachkommen erzeugen. Einige ausgewachsene Erreger wandern den Darm entlang und verwandeln sich in Zysten (inaktives Stadium): Sie umgeben sich mit einer schützenden Hülle, mit der sie - wenn sie mit dem Stuhl ausgeschieden werden - in der Aussenwelt eine Zeitlang überleben können, bis sie in den Körper eines anderen Menschen gelangen. Beispielsweise können die Zysten im (Trink-)Wasser bis zu drei Monate infektiös bleiben.

Werden die Zysten von einem Menschen über Nahrung oder Trinkwasser aufgenommen, entwickeln sie sich im Darm erneut zu ausgewachsenen Trophozoiten - der Zyklus beginnt von neuem.

Giardiasis: Symptome

Viele Menschen, die mit Giardien infiziert sind, zeigen überhaupt keine Beschwerden, sodass sie nie einen Arzt aufsuchen oder behandelt werden. Kommt es zu allerdings zu Symptomen, ist der immer wiederkehrende, wochenlange Durchfall meist das Hauptproblem. Unklare Bauchschmerzen und Völlegefühl sind weitere häufige Symptome von Giardiasis.

Insgesamt sind bei einer Giardien-Infektion hauptsächlich folgende Beschwerden möglich:

  • Übelkeit und Erbrechen
  • kolikartige Bauchschmerzen
  • mässiger, oft schaumig-wässriger Durchfall, eventuell mit Blutbeimengungen
  • Blähungen
  • Ödeme, also Wasseransammlungen im Gewebe (in langwierigen Krankheitsfällen)
  • Mangelernährung (in schweren Fällen, weil dann zu wenig Nährstoffe über den Darm aufgenommen werden können)
  • Bauchspeicheldrüsenentzündung oder Gallengangsentzündung (z.B. bei massivem Befall oder bei immungeschwächten Menschen)

Da viele Menschen keine Symptome haben und die Erkrankung daher nicht erkannt und behandelt wird, stellen die Betroffenen lange Zeit eine potenzielle Infektionsquelle für andere dar.

Giardiasis: Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursache der Giardiasis ist die Infektion mit dem Einzeller Giardia intestinalis. Manche Quellen nennen den Parasiten bei seinem alten Namen Giardia lamblia.

Der Parasit wird besonders über fäkal verunreinigtes Trinkwasser und kontaminierte Lebensmittel übertragen (z.B. durch Trinken von kontaminiertem Wasser oder Verzehr von Lebensmitteln, die unter mangelhaften Bedingungen zubereitet wurden). Damit ist eine schlechte Nahrungsmittelhygiene eine der Hauptrisikofaktoren für Giardiasis. Sie herrscht in vielen Entwicklungsländern, sodass es weltweit pro Jahr ungefähr 200 Millionen Neuinfektionen gibt. Aber auch im südlichen und östlichen Europa besteht ein erhöhtes Ansteckungsrisiko.

Grundsätzlich kann man sich aber überall mit Giardien infizieren - auch in Mitteleuropa, zum Beispiel beim Schwimmen in verunreinigten Badegewässern. Ausserdem sind bei uns oft Kindertagesstätten von Erkrankungsfällen betroffen, zum Beispiel wenn sich infizierte Kinder nach dem Toilettengang nicht richtig die Hände waschen. Dann ist auch Ansteckung von Mensch zu Mensch (über Schmierinfektion) möglich.

Für eine Infektion und Übertragung genügen bereits zehn Zysten des Giardiasis-Erregers!

Darüber hinaus ist Giardiasis intestinalis einer der Hauptverursacher von Reisedurchfall. Wer in Risikoregionen reist, kann auch noch Wochen nach der Heimkehr einen langanhaltenden, relativ leichten Durchfall entwickeln, wie er für Giardiasis typisch ist.

Neben dem Menschen infiziert der Giardiasis-Erreger auch noch andere Säugetiere. Biber, Katzen und Hunde stellen dabei ein wichtiges Reservoir dar. Als Reservoir bezeichnet man Tiere, die den Krankheitserreger in der Natur "beheimaten" und damit das Überleben des Erregers sichern, selbst wenn alle Menschen effizient behandelt würden.

Giardiasis Untersuchungen und Diagnose

Die Erreger der Giardiasis lassen sich oft im (frischen) Stuhl von Betroffenen nachweisen. Meist dient dazu ein immunologischer Test auf Oberflächenmoleküle von Giardia intestinalis. Seltener wird nach den Einzellern mittels Mikroskop in der Stuhlprobe gesucht. In der Regel sind für eine sichere Diagnose drei Stuhlproben nötig, die der Patient zu unterschiedlichen Zeiten abgeben muss. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, eine Giardiasis auch wirklich zu erkennen.

Sollte die Diagnose der Giardiasis im Stuhl nicht gelingen, kann eine Darmbiopsie erforderlich werden: Der Arzt entnimmt dabei eine Probe der Dünndarmschleimhaut. Bei fast allen Infizierten lässt sich darin der Erreger nachweisen.

Giardiasis: Behandlung

Die Giardiasis lässt sich mit bestimmten Antibiotika (wie Metronidazol oder Albendazol) und Anti-Wurm-Mitteln behandeln, obwohl der Erreger werde ein Bakterium noch ein Wurm ist. Dennoch stören diese Medikamente den Stoffwechsel des Parasiten und führen zu seinem Tod.

Hat der Betroffene durch den Durchfall viel Flüssigkeit verloren, bekommt er als Ersatz spezielle Elektrolytlösungen.

Eine Giardien-Infektion sollte auch dann behandelt werden, wenn keine Symptome auftreten. Die Infizierten scheiden den Erreger nämlich mit dem Stuhl aus und stellen somit eine Infektionsquelle für andere dar.

Krankheitsverlauf und Prognose

Die Giardiasis ist eine harmlose, aber häufige Parasiteninfektion. Viele Patienten merken nichts von ihrer Erkrankung. Daher ist die effiziente Bekämpfung des Parasiten so schwer.

Bei Patienten mit Vorerkrankungen wie Immunschwäche oder Mukoviszidose, wo die Darmbarriere keinen ausreichenden Schutz darstellt, besteht die Gefahr, dass die Giardien weiter in den Körper eindringen und den Betroffenen schwer krank machen. Dies stellt allerdings die Ausnahme dar. In aller Regel treten keine ernsten Beschwerden auf. Eine länger bestehende und nicht (ausreichend) behandelte Giardiasis kann aber zu Mangelerscheinungen führen, weil die Nährstoffaufnahme im befallenen Darm gestört ist.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Vorlage:
Dr. med. Andreas Ploch
Autor:
Dr. med. Fabian Dupont
Dr. med.  Fabian Dupont

Fabian Dupont ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Der Humanmediziner ist bereits für wissenschaftliche Arbeiten unter anderem Belgien, Spanien, Ruanda, die USA, Großbritannien, Südafrika, Neuseeland und die Schweiz. Schwerpunkt seiner Doktorarbeit war die Tropen-Neurologie, sein besonderes Interesse gilt aber der internationalen Gesundheitswissenschaft (Public Health) und der verständlichen Vermittlung medizinischer Sachverhalte.

ICD-Codes:
A07
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
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  • Greten, H. et al.: Innere Medizin, Georg Thieme Verlag, 13. Auflage, 2010
  • Hof, H. & Schlüter, D.: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie, Georg Thieme Verlag, 8. Auflage, 2022
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  • Robert Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin 48/2019, unter: www.rki.de (Abruf: 28.02.2022)
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