Paralytischer Ileus

Von 
und , Medizinredakteurin und Biologin
Dr. med. Mira Seidel

Dr. med. Mira Seidel ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.

Martina Feichter

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

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Ein paralytischer Ileus ist ein Darmverschluss infolge einer Lähmung (Paralyse) der Darmmuskulatur. Dadurch wird der Darminhalt nicht weitertransportiert. Ein paralytischer Darmverschluss tritt mitunter nach einer Blinddarmoperation auf, wenn der Darm als Reaktion auf den Eingriff zum Stillstand kommt. Welche weiteren Ursachen es gibt, wie sich ein paralytischer Ileus äussert und wie er behandelt wird, erfahren Sie hier!

Paralytischer Ileus Bauch mit Narbe

Kurzübersicht

  • Ursachen: Blutgerinnsel in Darmgefässen, Bauchoperationen, gestörte Nervenfunktion, Stoffwechselstörungen, bestimmte Medikamente, chronische Darmkrankheiten
  • Symptome: Übelkeit, Erbrechen, aufgeblähter Bauch, diffuse Bauchschmerzen, keine Darmgeräusche
  • Krankheitsverlauf und Prognose: Abhängig von der Ursachen, ohne Behandlung lebensbedrohlich
  • Untersuchung und Diagnose: Körperliche Untersuchung, Abhören des Bauchs, Röntgen, Ultraschalluntersuchung
  • Behandlung: Darmperistaltik-anregende Medikamente, Magensonde, Einlauf, seltener auch Operation
  • Vorbeugen: Keine generelle Massnahme, verdauungsfördernde Massnahmen bei Einnahme bestimmter Medikamente

Was ist ein paralytischer Ileus?

Bei einem paralytischen Darmverschluss steht die Darmpassage still. Im Gegensatz zu der mechanischen Form ist hier eine Lähmung der Darmmuskulatur der Grund. Es gibt verschiedene Ursachen für einen paralytischen Darmverschluss. Blutgerinnsel, Bauchoperationen, Darmerkrankungen sowie Störungen des Stoffwechsels oder der Nervenfunktion zählen zu den Gründen.

Die Symptome des paralytischen Ileus treten meist schleichender auf als bei anderen Darmverschlussformen. Ein typischer Hinweis auf die Darmlähmung liefert das Abhorchen des Bauchs: Jegliche Darmgeräusche fehlen.

Ein paralytischer Ileus lässt sich in vielen Fällen konservativ, das heisst ohne Operation behandeln. Geht die Darmlähmung aus einem mechanischen Ileus hervor, ist hingegen eine Operation notwendig.

Was sind die Ursachen für einen paralytischen Ileus?

Für einen paralytischen Ileus (Darmlähmung) gibt es verschiedene Ursachen. Manchmal steckt der Verschluss eines Darmgefässes durch ein Blutgerinnsel dahinter. Das Gerinnsel ist dann entweder direkt vor Ort im betreffenden Blutgefäss entstanden (Thrombus) oder von anderer Stelle mit dem Blutstrom herangeschwemmt worden (Embolus).

Wenn das Gerinnsel das Gefäss komplett verschliesst, erhält das Darmgewebe, das von diesem Gefäss eigentlich versorgt wird, keinen Sauerstoff und keine Nährstoffe mehr – es stirbt ab (Nekrose). Mediziner bezeichnen das Geschehen als Mesenterialinfarkt.

In anderen Fällen entsteht ein paralytischer Ileus als Reflex nach Operationen im Bauchraum. Durch die Operation werden mechanische Reize ausgelöst, wodurch die Darmbewegung zum Stillstand kommt (postoperativer Ileus). Auch bei einer Gallen- oder Nierenkolik tritt manchmal reflektorisch ein paralytischer Ileus auf.

Bei Erkrankungen, die die Nerven betreffen (wie Syringomyelie, Herpes Zoster) kommt es mitunter zu einer sogenannten neurogenen Darmlähmung.

Schwere Baucherkrankungen wie eine Bauchfellentzündung, eine Blinddarmentzündung oder eine Bauchspeicheldrüsenentzündung führen ebenfalls mitunter zum paralytischen Ileus. Umgekehrt besteht beim fortgeschrittenen paralytischen Ileus die Gefahr einer Bauchfellentzündung, wenn Darmbakterien die Darmwand durchbrechen und so in die Bauchhöhle gelangen.

Auch chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind in manchen Fällen die Ursache für einen paralytischen Ileus.

Des Weiteren verursachen bestimmte Medikamente zuweilen eine Darmlähmung. Dazu zählen zum Beispiel starke Schmerzmittel aus der Gruppe der Opiate, Parkinsonmedikamente, Antidepressiva sowie krampflösende Arzneimittel (Spasmolytika). Auch der Missbrauch von Abführmitteln (Laxanzien) führt im Extremfall zu einem paralytischen Ileus.

Störungen des Elektrolythaushalts und des Stoffwechsels sind ebenfalls mögliche Ursachen. So besteht zum Beispiel bei einem Kaliummangel (Hypokaliämie) sowie bei einem ketoazidotischen Koma (schwere Komplikation bei Diabetes mellitus) das Risiko für einen Darmstillstand.

Bei manchen Patienten lässt sich der paralytische Ileus auf eine Harnvergiftung zurückführen. Darunter versteht man eine Anreicherung harnpflichtiger Substanzen im Blut (Urämie) infolge einer gestörten Nierenfunktion. Weitere mögliche Ursachen der Darmlähmung sind eine Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) sowie Verletzungen im Bauchraum.

Hinweis: Manchmal entwickelt sich ein paralytischer Ileus aus einem mechanischen Ileus (also aus einem Darmverschluss infolge eines mechanischen Hindernisses).

Welche Symptome verursacht ein paralytischer Ileus?

Beim paralytischen Ileus fehlen jegliche Zeichen von Darmbewegung. Der Arzt stellt selbst mit dem Stethoskop keine oder kaum Darmgeräusche fest. Solche Geräusche deuten in der Regel auf eine normale Darmtätigkeit hin.

Der Bauch ist bei einer Darmlähmung zunächst stark aufgebläht. Im weiteren Verlauf ist die Bauchdecke stark angespannt und hart (Trommelbauch). Weder Stuhl noch Winde gehen ab (Stuhl- und Windverhalt).

Schluckauf, Übelkeit, Erbrechen sowie Schmerzen im Bauchbereich sind weitere häufige Symptome.

Wie ist die Prognose bei einer Darmlähmung?

Der Krankheitsverlauf bei einem paralytischen Darmverschluss hängt von seiner Ursache ab. Unbehandelt besteht die Gefahr, dass sich lebensbedrohliche Komplikationen entwickeln. Das gilt vor allem dann, wenn sich die Darmlähmung an einen mechanischen Darmverschluss angeschlossen hat.

Bei einer reflektorischen Darmlähmung nach einer Operation ist die Prognose bei entsprechender Behandlung zumeist gut.

Wie wird ein paralytischer Ileus festgestellt?

Die körperliche Untersuchung und das Röntgen sind die wichtigsten Schritte, um einen paralytischen Ileus zu diagnostizieren:

Bei der körperlichen Untersuchung horcht der Arzt den Bauch gründlich mit dem Stethoskop ab. Sind in keiner Bauchregion Darmgeräusche zu hören, besteht dringender Verdacht auf einen paralytischen Ileus. Ärzte bezeichnen das Phänomen als „Grabesstille“ im Bauchraum. Sind Darmgeräusche hörbar, schliesst das einen paralytischen Darmverschluss aus.

Die Röntgenaufnahme wird im Stehen oder mit halb aufgerichtetem Oberkörper angefertigt. Man sieht typischerweise stehende Flüssigkeitsspiegel und stark gedehnte und geblähte Darmabschnitte im Röntgenbild.

Wie wird ein paralytischer Ileus behandelt?

Patienten mit einem paralytischen Ileus (oder einer anderen Form von Darmverschluss) dürfen zunächst nichts mehr essen oder trinken, bis sich der Darm durch eine Therapie wieder erholt hat. Über eine Infusion erhalten die Betroffenen notwendige Flüssigkeit und Nährstoffe.

Ausserdem lassen sich über den Venenzugang Medikamente verabreichen. Das sind vor allem Wirkstoffe, welche die Darmbewegung (Peristaltik) anregen. Sie dienen dazu, den gelähmten Darm wieder in Gang zu bringen. Bei Bedarf bekommen die Patienten weitere Medikamente wie Schmerzmittel oder Mittel gegen Übelkeit und Erbrechen.

Ausserdem wird eine Magensonde gelegt, um gestauten Magen- und Darminhalt abzuleiten. Mithilfe eines rektalen Einlaufs lässt sich der Darm zusätzlich entleeren.

Darüber hinaus ist es wichtig, die Ursache der Darmlähmung zu beseitigen. So muss zum Beispiel eine Schilddrüsenunterfunktion oder eine schwere Stoffwechselentgleisung bei Diabetikern als Auslöser des paralytischen Ileus entsprechend behandelt werden.

Solche konservativen Massnahmen genügen meist, um eine Darmlähmung zu beheben. Eine Operation ist aber dann nötig, wenn sich ein paralytischer Ileus aus einem mechanischen Darmverschluss heraus entwickelt hat oder eine Bauchfellentzündung vorliegt.

Lässt sich einem paralytischen Darmverschluss vorbeugen?

Für einen paralytischen Darmverschluss gibt es viele verschiedene Ursachen, denen sich nicht durch generelle Massnahmen vorbeugen lässt. Um Komplikationen wie eine Darmlähmung zu verhindern, ist es jedoch wichtig, mögliche zugrundeliegende Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Entzündungen im Bauchraum ausreichend behandeln zu lassen.

Für Menschen, die bestimmte Medikamente (wie Opiate) einnehmen, ist unter Umständen das Risiko für einen paralytischen Ileus höher. Dann ist es sinnvoll, sich von einem Arzt beraten zu lassen, welche Massnahmen – etwa in der Ernährung – zu einer gesunden Darmmotorik beitragen.

Es ist nicht ratsam, Abführmittel auf eigene Faust einzunehmen. Denn manche dieser Mittel führen bei Daueranwendung zu einer Gewöhnung des Körpers. Dadurch besteht die Gefahr, dass es unter Umständen zu einer Darmlähmung kommt. Wenn Sie unter Verstopfung leiden, ist es empfehlenswert, mit ihrem Arzt über sinnvolle Gegenmassnahmen zu sprechen.

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Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autoren:
Dr. med. Mira Seidel
Dr. med.  Mira Seidel

Dr. med. Mira Seidel ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

ICD-Codes:
K56
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • Bieber, C. et al.: Duale Reihe Innere Medizin. Georg Thieme Verlag, 4. Auflage, 2018
  • Henne-Bruns, D. et al.: Duale Reihe Chirurgie. Georg Thieme Verlag, 4. Auflage, 2012
  • Müller, M.: Chirurgie für Studium und Praxis. Medizinische Verlags- und Informationsdienste, 15. Auflage 2020
  • Renz-Polster, H. et al.: Basislehrbuch Innere Medizin. Elsevier Verlag, 6. Auflage 2017
  • Schumpelick, V. et al.: Kurzlehrbuch Chirurgie. Georg Thieme Verlag, 8. Auflage, 2010
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