Corona: Psychische Folgen für Kinder und Jugendliche

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Die Coronavirus-Pandemie hat auch das Leben und den Alltag von Kindern und Jugendlichen erheblich erschüttert. Vor allem ist ein grosser Teil ihrer sozialen Kontaktmöglichkeiten aufgrund der Beschränkungen weggebrochen - Kindergarten oder Schule, Sportverein, Chor, Clubbesuche. Hinzu kommen gestresste und besorgte, vielleicht auch gereizte Eltern, die die Situation belasten.

Trauriges Kind schaus während der Coronakrise aus dem Fenster

Kinder und Jugendliche haben zudem oft Angst um Eltern und Grosseltern. Und obwohl sie selbst nur sehr selten schwer an einer Sars-CoV-2-Infektion erkranken, fürchten manche von ihnen auch um die eigene Gesundheit.

Das alles bedeutet eine grosse seelische Belastung für Kinder und Jugendliche während der Pandemie - und bleibt nicht ohne Folgen: Psychische Beschwerden haben bei ihnen während der Pandemie stark zugenommen. Laut einer internationalen Studie des Kinderspitals Zürich und der Universität Bern leiden bis zu 43 Prozent der Kinder und Jugendlichen wegen der Coronapandemie vermehrt unter psychischen Problemen. Die häufigsten Beschwerden sind Angst und Depressionen, auch die Aggression ist gestiegen.

Sozialer Hintergrund entscheidet mit über die seelischen Folgen

Dabei sind Kinder, die in einem stabilen Elternhaus aufwachsen und Hilfe von ihren Eltern erhalten, bislang meist gut durch die Pandemie gekommen.

Jungen Menschen aus sozial schlechter gestellten Familien aber ist es oft weniger gut ergangen: Sie haben aufgrund kleiner Wohnungen weniger Rückzugsmöglichkeiten. Auch Laptops und ähnliche Geräte, die für das digitale Lernen notwendig sind, besitzt nicht jedes dieser Kinder.

Sozial schwächer gestellte Eltern können ihren Nachwuchs zudem schlechter im Homeschooling unterstützen, weil sie meist Berufe haben, die nicht im Homeoffice zu leisten sind – oder ihnen zudem häufiger die nötige Ausbildung fehlt. Das alles bedeutet eine zusätzliche seelische Belastung für betroffene Kinder und Jugendliche.

Am härtesten aber trifft es jene Minderjährige, die im Lockdown Lieblosigkeit oder Misshandlungen ausgesetzt sind. Sie haben keine Rückzugsmöglichkeiten mehr. Folgen von Misshandlungen fallen mangels Kontakten niemandem mehr auf.

Symptome

Wie äussern sich die psychischen Auswirkungen?

  • Ängste: Experten bemerken vor allem, dass Ängste unter Kindern und Jugendlichen zugenommen haben.
  • Depressive Verstimmung: Wenn die Ängste länger anhalten, kann dies in eine depressive Verstimmung übergehen, mit niedergedrückter Stimmung, Rückzug und Verlust von Interessen und Freude.
  • Verhaltensstörungen: Manche Kinder und Jugendliche reagieren mit Verhaltensstörungen wie Hyperaktivität und Aggressivität.
  • Psychosomatische Symptome: Bei manchen Sprösslingen treten psychosomatische Symptome auf wie Magen- oder Kopfschmerzen.
  • Essstörungen: Im Coronajahr ist die Zahl der Jugendlichen gestiegen, die wegen einer Essstörung behandelt werden.
  • Schlafstörungen: Eine weitere verbreitete Folge der seelischen Belastungen sind Schlafstörungen. Eltern beobachten schon bei den Jüngsten Probleme mit dem Ein- und Durchschlafen.
  • Gewichtszunahme: Ist zwar keine psychische Störung, sie kann aber bestehende psychische Probleme verstärken.

Ob es langfristige Auswirkungen der Coronapandemie auf die allgemeine Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gibt, ist noch offen.

Ursachen

Sorgen, ausgehebelte Routinen und direkte Belastungen durch den Lockdown wie Probleme beim Distanzunterricht, Geldsorgen der Eltern und soziale Isolierung erzeugen Stress und Ängste. Beides sind Hauptauslöser für psychische Beschwerden und Erkrankungen.

Weitere Gründe für eine Verschlechterung des psychischen Zustands von Kindern und Jugendlichen sind aber auch physischer Natur – beispielsweise eine schlechtere Ernährung und zu wenig Bewegung. Viele der Kinder und Jugendlichen waren im Lockdown nicht mehr sportlich aktiv, weil Angebote der Sportvereine und Freizeitaktivitäten fehlen.

Tipps zur Bewältigung - was hilft?

Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die helfen, in der Pandemie seelisch stabil zu bleiben. Sie tun sowohl Kindern und Jugendlichen als auch Erwachsenen gut.

Struktur: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Ein Leben ohne Routine stresst und lähmt gleichermassen. Strukturieren Sie daher Ihren Tag und den Ihrer Kinder besonders in Coronazeiten: Wann wird gelernt, wann gibt es Freizeit? Wann wird gegessen und wann gibt’s ein kleines Sportprogramm? Und wann und wie lange werden Medien konsumiert? Erstellen Sie dazu gemeinsam mit Ihren Kindern einen Plan.

Bewegung: Apropos Sportprogramm: Bewegung ist ein natürlicher Stresskiller. Wer sich verausgabt, baut Stresshormone ab. Hinterher ist die Laune gleich um mehrere Punkte auf der Zufriedenheitsskala nach oben geklettert. Unternehmen Sie etwa Familienspaziergänge. Falls Kindern langweilig ist, kann man das auch mit Spielen aufpeppen wie „Ich sehe was, was du nicht siehst.“

Entspannungsübungen: Wo Entspannung ist, ist kein Platz für Ängste. Entspannen kann man auch lernen – das gilt schon für Kindergartenkinder. Achtsamkeitsübungen, progressive Muskelentspannung oder Phantasiereisen sind bei altersgerechter Anleitung kinderleicht.

Gemeinsame Aktivitäten: Viele Familien haben in der Pandemie wieder gemeinsame Aktivitäten für sich entdeckt. Brettspiele, Singen, Basteln und gemeinsames Kochen macht auch den Kleinen Spass. Letzteres insbesondere, wenn jeder mal entscheiden darf, was auf den Tisch kommt.

Kummerkasten-Stunde: Fest eingeplant werden sollte auch Zeit für Gespräche, in denen Sie Ihre Kinder fragen, wie es ihnen geht und was sie vielleicht gerade besonders belastet. Überlegen Sie gemeinsam, was man bei Bedarf tun kann, damit sich das Kind wieder besser fühlt.

Positive Gedanken fördern: In der Pandemie gibt es immer wieder schlechte Nachrichten. Das kriegen auch die Kleinen mit – und die Grossen erst recht. Statt sich von negativen Gefühlen zu sehr runterziehen zu lassen, können Sie die Aufmerksamkeit gezielt auf positive Dinge lenken. Beispielweise in einem abendlichen Ritual: Drei Dinge die schön waren an diesem Tag. Oder von Erlebnissen wie dem letzten Zoobesuch erzählen, der so schön war.

Erklären, was los ist: Kinder merken, wenn ihre Eltern besorgt sind – und sie haben weniger Angst, wenn sie verstehen, warum manche Dinge momentan nicht möglich sind. Erklären Sie Ihrem Kind in einfachen Worten, warum es momentan nicht in den Kindergarten gehen kann oder warum alle mit einem Mundschutz herumlaufen.

Sozialkontakte fördern: Soziale Medien und Videochats können echte Begegnungen nicht ersetzen. Aber sie helfen, die Zeit zu überbrücken. Veranstalten Sie gemeinsame Familienchats vielleicht auch mit Leuten, die Sie sonst selten sehen. Ermutigen Sie Ihr Kind, Kontakt mit den Freunden zu halten. Spass macht es auch, sich gegenseitig ganz analog mal wieder eine Postkarte zu schicken oder ein kleines Geschenk.

Vorbild sein: Beherzigen Sie die Tipps auch selbst. Je gelassener und zuversichtlicher Sie selbst mit der Situation umgehen, desto besser kommen auch ihre Kinder klar. Und ein gutes Vorbild sind Sie dann ausserdem.

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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