Wachstumshormonmangel

Von , Arzt
Clemens Gödel

Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.

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Wachstumshormonmangel ist eine seltene Erkrankung, welche vor allem zu körperlichen Entwicklungsstörungen führt. Hauptsymptom bei Kindern ist vermindertes Längenwachstum. Bei Erwachsenen treten andere Symptome in den Vordergrund. Die Patienten erhalten künstliches Wachstumshormon unter die Haut gespritzt. Lesen Sie hier mehr über den  Wachstumshormonmangel.

Wachstumshormonmangel, Test im Labor

Kurzübersicht

  • Behandlung: Injektionen mit gentechnisch hergestelltem künstlichem Wachstumshormon bis zum Abschluss des Wachstums, unter Umständen auch im Erwachsenenalter
  • Symptome: Bei Kindern vor allem gestörtes Wachstum, eventuell gestörte Zahnentwicklung; bei Erwachsenen schlechtes Allgemeinbefinden, Fettverteilungsstörung, Anfälligkeit für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Ursachen und Risikofaktoren: Nur in einem Viertel der Fälle lässt sich eine konkrete Ursache finden; angeboren oder erworben, etwa durch Erbanlage, Tumor der Hypophyse, Folge von Strahlen, Entzündungen, Verletzungen
  • Diagnose: Krankengeschichte, Körpervermessung, Blutuntersuchungen auf die spezifischen Hormone, Handröntgen zur Wachstumsbestimmung, gegebenenfalls Magnetresonanztomografie
  • Prognose: Unbehandelt meist Minderwachstum, Komplikationen möglich, mit Behandlung ist normales Wachstum möglich, beim Erwachsenen mit Behandlung Verbesserung der Lebensqualität

Was ist ein Wachstumshormonmangel?

Bei einem Wachstumshormonmangel besteht ein Mangel an dem Hormon Somatotropin (STH). Es fungiert nicht nur als Wachstumshormon, sondern hat noch viele weitere Aufgaben. So nimmt es etwa Einfluss auf Knochen, Muskeln, Fett, Zuckerhaushalt und kognitive Funktionen.

Rund eines von 4.000 bis 10.000 Kindern ist von einem isolierten Wachstumshormonmangel betroffen. Isoliert bedeutet, dass keine weiteren Hormonausfälle vorliegen. Das ist bei den meisten Patienten mit Wachstumshormonmangel der Fall.

Wachstumshormonmangel kommt sowohl angeboren als auch als erworbene Erkrankung vor.

Somatotropin

Somatotropin wird im Körper von der Hypophyse, der Hirnanhangdrüse, produziert und vor allem während des Schlafs stossweise ausgeschüttet. Reguliert wird diese Ausschüttung durch ein Hormon (GHRH) aus einer übergeordneten Hirnregion, dem Hypothalamus.

Die Freisetzung von Somatotropin ins Blut führt im Körper zu einer Vielzahl von Reaktionen. Unter anderem setzt die Leber Somatomedine frei, vor allem den "insulin like growth factor 1" (IGF-1).

IGF-1 ist der eigentliche Wachstumsfaktor. Durch seine Ausschüttung steigen die Eiweiss-Produktion, Zellvermehrung und -reifung. Auch den Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel beeinflusst IGF-1. Er treibt die Fettauflösung in den Fettzellen voran und schwächt die Wirkung des blutzuckersenkenden Hormons Insulin auf die Zielzellen ab. Dadurch steigt der Blutzuckerspiegel. Ist im Blut ein ausreichend hoher Spiegel an IGF-1 vorhanden, vermindert dies die Ausschüttung von Somatotropin.

Bei einem Wachstumshormonmangel ist auf allen Ebenen des Steuerkreises des Somatotropinhaushalts eine Störung möglich. Neben Produktionsstörungen der einzelnen Faktoren und Hormone sind gestörte Signalwege möglich, wie zum Beispiel Rezeptoren für IGF-1.

Künstliches Wachstumshormon

Die Behandlung des Wachstumshormonmangels ist seit 1957 möglich – durch Ersatz des fehlenden Hormons. Das verwendete Wachstumshormon wurde damals aus der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) Verstorbener gewonnen.

Heute (seit 1985) verwendet man gentechnisch hergestelltes, künstliches Somatotropin, das die Ärzte per Injektion verabreichen.

Was kann man gegen Wachstumshormonmangel tun?

Um die Behandlung von Patienten mit Wachstumshormonmangel zu planen, ist meist ein stationärer Aufenthalt notwendig. In einer spezialisierten Fachklinik stellen die Mediziner die Therapie individuell ein.

Wachstumshormonmangel behandeln Ärzte mit der regelmässigen Gabe von künstlichem Wachstumshormon (Somatotropinanaloga). Diese Therapie beginnt man in der Regel schnellstmöglich nach der Diagnose. Das Hormon muss unter die Haut (subkutan) gespritzt werden. Da die Menge immer exakt sein muss, schult man den Patienten und gegebenenfalls die Eltern für die Medikamentengabe speziell.

Bei Kindern beenden die Behandelnden die Therapie oft, wenn das Längenwachstum abgeschlossen ist oder kein Wachstumshormonmangel mehr besteht. In schweren Fällen ist es notwendig, das Wachstumshormon lebenslang zu spritzen.

Bei Erwachsenen ist in einigen Fällen ebenfalls eine dauerhafte Behandlung notwendig.

Hinzu kommt, dass die Wirkung des künstlichen Wachstumshormons von Patient zu Patient mitunter sehr unterschiedlich ist. Grund dafür sind unter anderem genetische Unterschiede des Wachstumshormonrezeptors (sogenannte Polymorphismen).

Mittlerweile führen die Ärzte eine Behandlung mit künstlichem Somatotropin auch nach dem Abschluss des Wachstums fort, da das Hormon eine Wirkung auf viele Stoffwechselvorgänge hat. Ein positiver Effekt der Behandlung beim ausgewachsenen beziehungsweise erwachsenen Patienten auf viele körperliche Vorgänge ist mittlerweile belegt.

Nebenwirkungen sind möglich, jedoch selten

Die Behandlung mit Somatotropinanaloga ermöglicht es Kindern mit Wachstumshormonmangel in vielen Fällen, eine normale Körpergrösse zu erreichen. Bei erwachsenen Patienten bessert die Therapie Symptome wie vermehrte Fettansammlung am Bauch, verminderte Leistungsfähigkeit und verringerte Knochendichte.

In manchen Fällen hat die Hormonbehandlung weitere, teils unerwünschte Effekte. So treten manchmal lokale Reaktionen an der Einstichstelle wie Kribbeln und Rötung auf. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Harnwegs-, Hals-, Magen-Darm- oder Ohrentzündungen, Kopfschmerzen, Krampfanfälle, allgemeine Schmerzen und Asthma bronchiale. Selten kommt es zu einem Anstieg des Drucks im Gehirn. Bei Krebspatienten ist es möglich, dass durch die Wachstumshormon-Therapie ein weiterer Tumor entsteht.

Das Wachstumshormon hat zudem eine entscheidende Bedeutung für den Zuckerstoffwechsel und damit die Fähigkeit des Organismus, den Zuckerspiegel konstant zu halten. Ist die Therapie mit künstlichem Wachstumshormon schlecht eingestellt, ist es möglich, dass daher der Zuckerhaushalt gestört ist, beziehungsweise sich nicht normalisiert. Das trägt unter Umständen zur Entwicklung von Diabetes mellitus bei.

Durch die Somatotropin-Therapie erhöht sich die Knochendichte. Dadurch verschlechtert sich eventuell eine bestehende Skoliose (seitlich verbogene Wirbelsäule), und es entwickelt sich womöglich eine sogenannte Femurkopf-Epiphysiolyse (ein Schaden am Kopf des Oberschenkelknochens).

Insgesamt sind deutliche Nebenwirkungen unter der Therapie mit künstlichem Wachstumshormon selten. Dennoch sollte der Arzt die Behandlung engmaschig mindestens jeden zweiten Monat überprüfen. Ein wichtiger Parameter ist die IGF-1-Konzentration im Blut. Die Therapie gilt als richtig eingestellt, wenn diese Konzentration im vorgesehenen Bereich ist. Erst, wenn die Behandlung nach einem Jahr keine ausreichende Wirkung zeigt, erwägt man einen Therapieabbruch.

Operation

In manchen Fällen von Wachstumshormonmangel ist eine Operation im Bereich der Hirnanhangdrüse notwendig. Dies gilt insbesondere, wenn Gehirntumore für den Wachstumshormonmangel verantwortlich sind. Spezialisten für diese Eingriffe sind Neurochirurgen.

Symptome

Die Symptome, die ein Wachstumshormonmangel auslöst, sind vielfältig, da das Hormon unterschiedliche Funktionen erfüllt. Hinzu kommt, dass die Symptomatik vom Alter bei Krankheitsbeginn abhängig ist. Das Hauptsymptom ist bei Minderjährigen eine Wachstumsstörung. Bei Erwachsenen mit Wachstumshormonmangel ist das Wachstum meist schon abgeschlossen, weshalb andere Symptome in den Vordergrund treten.

Wachstumshormonmangel bei Kindern

Zentrales, jedoch unspezifisches Symptom bei Kindern mit Wachstumshormonmangel ist das verminderte Längenwachstum. Ein angeborener Wachstumshormonmangel macht sich meist zwischen dem sechsten und zwölften Lebensmonat bemerkbar. Bis zum zweiten Jahr ist das Wachstum jedoch oft noch normal. Die Wachstumsstörung bei einem Wachstumshormonmangel betrifft meistens alle Körperteile gleichermassen (proportionierter Kleinwuchs).

Bei einem nur geringen Wachstumshormonmangel sind betroffene Kinder schlank. Ein ausgeprägter Mangel führt dagegen zur Bildung einer relativ dicken Fettschicht unter der Haut.

Auch die Zahnentwicklung ist von der Wachstumsverzögerung betroffen.

Ein weiteres wichtiges Symptom ist vor allem bei Babys ein sehr deutlich erniedrigter Blutzuckerspiegel (Hypoglykämie). Im Unterschied zu anderen Erkrankungen, die mit niedrigen Blutzuckerspiegeln einhergehen, sind bei angeborenem Wachstumshormonmangel jedoch Gewicht und Grösse des Kindes bei der Geburt meist noch unauffällig.

Besonders bei Neugeborenen ist der dauerhaft niedrige Blutzuckerspiegel oft der einzige Hinweis auf einen Wachstumshormonmangel. Es kommt in einigen Fällen aber eine Hyperbilirubinämie hinzu. Darunter versteht man eine erhöhte Menge an Bilirubin im Blut. Bilirubin ist ein Abbauprodukt des Hämoglobins (roter Blutfarbstoff).

Bei Kindern beeinträchtigt ein Wachstumshormonmangel oft das Allgemeinbefinden so, dass Essen und Trinken verweigert werden.

Wachstumshormonmangel bei Erwachsenen

Bei Erwachsenen mit Wachstumshormonmangel stehen das mässige Allgemeinbefinden und schlechte Laune im Vordergrund. Leistungsfähigkeit und Lebensqualität sind dadurch oft reduziert. Zudem fällt eine Umverteilung des Fettes zum Bauch und Körperstamm auf. Muskelmasse und Knochendichte nehmen ab. Die Blutfettwerte und die Anfälligkeit für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind oft erhöht. Ein Wachstumshormonmangel bei Erwachsenen ist unter Umständen jedoch auch weitgehend symptomlos.

Weitere Hormonstörungen

Das Wachstumshormon wird in der Hypophyse produziert. Diese stellt auch andere Hormone her. Beispiele sind:

  • LH (luteinisierendes Hormon) und FSH (follikelstimulierendes Hormon, wichtig für die Funktion der Sexualorgane)
  • ACTH (adrenocorticotropes Hormon, wichtig für die Funktion der Nebenniere)
  • ADH (antidiuretisches Hormon, wichtig für die Nierenfunktion)
  • TSH (thyreoidea-stimulierendes Hormon, wichtig für die Schilddrüsenfunktion)

Beruht der Wachstumshormonmangel auf einer generellen Erkrankung der Hypophyse, ist in der Regel die Bildung dieser anderen Hormone beeinträchtigt – mit entsprechenden Symptomen.

Symptome geben eventuell Hinweis auf die Krankheitsursache

Es gibt eine Reihe von Symptomen, die in einigen Fällen einen Hinweis darauf geben, was den Wachstumshormonmangel verursacht. Dazu gehören zum Beispiel der sogenannte Pendelnystagmus (unwillkürliches Hin- und Herpendeln des Auges) und ein besonders kleiner Penis (Mikropenis). Diese beiden Symptome sprechen beispielsweise für eine sogenannte septo-optische Dysplasie – eine komplexe neurologische Erkrankung, die Hypophyse und Augennerv betrifft.

Ursachen und Risikofaktoren

Ein Wachstumshormonmangel ist in den meisten Fällen idiopathisch, das heisst, die Ursache ist unbekannt. Nur in rund einem Viertel der Fälle lässt sich eine konkrete Ursache ermitteln.

Die Erkrankung kommt angeboren oder erst später erworben vor. Mögliche Ursachen sind zum Beispiel erbliche Veranlagung, Entzündungen (wie autoimmune Hypophysitis), Gefässschäden, Verletzungen, Tumoren oder Folgen von Strahlenbelastung (etwa durch Chemotherapie). Auch operative Eingriffe im sensiblen Bereich der Hypophyse lösen unter Umständen einen Wachstumshormonmangel aus.

Schwere psychische Belastungen beeinflussen mitunter den sensiblen Prozess des Wachstums und der Entwicklung.

In den meisten Fällen tritt der Wachstumshormonmangel isoliert auf, das heisst, es liegen keine weiteren Hormonstörungen vor.

Untersuchungen und Diagnose

Beim Kind fallen Wachstumsverzögerungen häufig bei einer Vorsorgeuntersuchung beim Arzt auf. Bei den regelmässigen Untersuchungen misst der Arzt Gewicht und Grösse des Kindes. Diese Werte werden in die sogenannte Wachstumskurve (Perzentilenkurve) eingetragen. Aus dieser lässt sich ablesen, ob das Wachstum der Norm entspricht oder wie weit es von dieser abweicht.

Die Ursachen für vermindertes Wachstum sind jedoch sehr vielfältig – Wachstumshormonmangel ist nur ein möglicher Grund. Spezialisten für einen Wachstumshormonmangel sind vor allem Endokrinologen. Das Fachgebiet der Endokrinologie beschäftigt sich mit den (Hormon-)Drüsen des Körpers.

Anamnese-Gespräch

Eine zentrale Rolle bei der Diagnose eines Wachstumshormonmangels ist die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese). Dazu unterhält sich der Arzt ausführlich mit den Eltern des betroffenen Kindes beziehungsweise mit dem erwachsenen Patient selbst. Es geht dabei darum, den individuellen, familiären und sozialen Hintergrund des Betroffenen zu erfahren. Dazu wird der Arzt unter anderem folgende Fragen stellen:

  • Welche Symptome sind Ihnen aufgefallen?
  • Sind die Stimmung, Leistungsfähigkeit oder das Ess- und Trinkverhalten auffällig verändert?
  • Sind Vorerkrankungen bekannt?
  • Wie entwickelten sich andere Familienmitglieder?
  • Bestehen psychische Belastungen?

Körperliche Untersuchung

Auf das Gespräch folgt eine körperliche Untersuchung. Bei Kindern gehört dazu vor allem die Messung der Körpergrösse. Diese Messung muss so exakt wie möglich sein. Neben den absoluten Werten lässt sich die Wachstumsentwicklung berechnen, die wichtig für die Beurteilung der Wachstumsverzögerung ist. Eine sichere Aussage über die Wachstumsgeschwindigkeit lässt sich nur bei längerer Beobachtung über mindestens sechs bis zwölf Monate treffen.

Definitionsgemäss wird das Wachstum als nicht normal eingestuft, wenn die Werte unter der sogenannten dritten Längenperzentile liegen. Das bedeutet, dass 70 Prozent der gleichaltrigen Kinder grösser sind.

Noch etwas spezifischer lässt sich das Wachstum des Kindes ins Verhältnis zur Körpergrösse der Elternteile und damit zu einer erwarteten Zielgrösse setzen. Für die "Zielgrösse" nimmt man die gemittelte Körpergrösse beider Eltern. Bei Jungen addiert man 6,5 Zentimeter, bei Mädchen subtrahiert man davon 6,5 Zentimeter. Mit dieser Grösse lässt sich eine erwartbare Wachstumskurve bemessen. Als erlaubten Abweichungsbereich nimmt man nach oben und unten 8,5 Zentimeter an.

Ausserdem lassen sich proportionale von disproportionalen Wachstumsstörungen unterscheiden. Bei einem Wachstumshormonmangel ist die Wachstumsstörung meist proportioniert, das heisst: Alle Körperteile sind vom verzögerten Wachstum betroffen.

Bei älteren Kindern achtet der Arzt im Rahmen der körperlichen Untersuchung auch auf Pubertätszeichen wie die Ausbildung der Brust und Schambehaarung.

Röntgenuntersuchung

Um einen Wachstumshormonmangel festzustellen, wird ein Röntgenbild der linken Hand gemacht. Mit Hilfe dieses Bildes lässt sich das "Knochenalter" bestimmen. Im Normalfall entspricht es dem Lebensalter. Damit unterscheidet der Arzt, ob eine Entwicklungsverzögerung oder ein Wachstumshormonmangel vorliegt. Ohne den Nachweis eines verzögerten Knochenwachstums ist ein Wachstumshormonmangel unwahrscheinlich.

Blutuntersuchung

Anhand eines Bluttests misst der Arzt Routineparameter sowie die Konzentration von Wachstumshormon Somatotropin (STH), IGF-Bindeprotein-3 (IGFBP-3) und IGF-I. Gemessen werden ausserdem die Blutspiegel anderer Hormone, die wie das Wachstumshormon von der Hypophyse produziert werden (vor allem ACTH und TSH), sowie die durch sie ausgeschütteten Stoffen wie Kortison. Wenn die Ursache für den Wachstumshormonmangel in der Hypophyse liegt, sind häufig mehrere Hormone betroffen. Die Messung des Steuerhormons aus dem Hypothalamus, welches zur Freisetzung des Wachstumshormons führt (GHRH), ist dagegen unzuverlässig.

STH-Stimulationstest

Wenn die Blutwerte von IGF-1 und IGFB-3 erniedrigt sind und sich keine andere Ursache dafür finden lässt, liegt möglicherweise ein Wachstumshormonmangel vor. Um diesem Verdacht nachzugehen, ist es möglich, einen sogenannten STH-Stimulationstest durchzuführen. Dazu spritzt der Arzt dem nüchternen Patienten eine Substanz, welche die Hypophyse zur Ausschüttung von Somatotropin anregt (etwa Glukagon, Insulin, Arginin, Clonidin). Anschliessend entnimmt man in zeitlichen Abständen mehrmals eine Blutprobe, der Arzt analysiert, um zu sehen, ob und wie viel Wachstumshormon ausgeschüttet wurde. 

Über den Wert, der mindestens gemessen werden muss, um einen Wachstumshormonmangel auszuschliessen, wird diskutiert. Meist wird ein Grenzwert zwischen acht und zehn Nanogramm pro Milliliter (ng/ml) Blut angegeben. Ein Wert unter sieben ng/ml spricht für einen Wachstumshormonmangel. Wird eine ausreichend hohe Konzentration von Somatotropin gemessen, so besteht kein Mangel.

Für den Nachweis eines Wachstumshormonmangels benötigt man zwei auffällige Stimulationstests. Man muss aber berücksichtigen, dass das Testergebnis durch viele Faktoren beeinflusst wird (zum Beispiel durch Sexualhormone und Übergewicht). Dadurch ist die Vergleichbarkeit zwischen zwei Tests nicht immer gegeben.

Bei Kindern dürfen Stimulationstests aufgrund von Nebenwirkungen teilweise nicht durchgeführt werden. Keine Stimulation darf bei Neugeborenen und Säuglingen erfolgen.

Magnetresonanztomografie (MRT)

Die Magnetresonanztomografie (MRT) nutzt man bei Verdacht auf einen Wachstumshormonmangel nur in speziellen Fällen – wenn nämlich der Arzt die Ursache für den Wachstumshormonmangel im Gehirn vermutet, etwa in Form eines Tumors.

Genetische Untersuchungen

Genetische Untersuchungen werden eventuell bei Verdacht auf Erbgut-Schäden als Grund für den Wachstumshormonmangel notwendig. Die bisher entdeckten spezifischen Mutationen sind jedoch nur in wenigen Fällen zu finden. Allerdings lassen sich mit einer genetischen Untersuchung eine Reihe von Krankheitssyndromen feststellen.

Krankheitsverlauf und Prognose

Ein unbehandelter Wachstumshormonmangel führt dazu, dass ein Kind kleiner als seine Altersgenossen bleibt. Zusätzlich sind oft andere Organfunktionen beeinträchtigt. Zu den möglichen Komplikationen zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose, Insulinresistenz und kognitive sowie psychische Störungen. Es wird vermutet, dass die Lebenserwartung ohne Therapie vermindert ist.

Wird ein Wachstumshormonmangel bei Kindern rechtzeitig behandelt, ist eine normale Körpergrösse möglich und die Mehrzahl der Krankheitskomplikationen lässt sich verhindern.

Bei Erwachsenen mit Wachstumshormonmangel verbessert die Therapie in den meisten Fällen die Lebensqualität der Betroffenen deutlich.

Der Grossteil der Patienten mit Wachstumshormonmangel und einer unauffälligen MRT-Untersuchung entwickelt später eine normale Wachstumshormonausschüttung. Aus diesem Grund sollten die Diagnose Wachstumshormonmangel und damit auch die Therapie regelmässig überprüft werden.

Autoren- & Quelleninformationen

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Datum :
Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Vorlage:
Dr. med. Monika Seidel
Autor:
Clemens Gödel

Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.

ICD-Codes:
E23
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
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  • Lehnert, H.: Rationelle Diagnostik und Therapie in Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel. Georg Thieme Verlag, 4. Auflage, 2015
  • Rosenecker, J.: Pädiatrische Differenzialdiagnostik. Springer Verlag, 2014
  • S2e-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinderendokrinologie und -diabetologie (DGKED): Diagnostik des Wachstumshormonmangels im Kindes- und Jugendalter (Stand: 2022), unter: www.awmf.org (Abrufdatum: 12.04.2022)
  • Speer, C. P. & Gahr, M.: Pädiatrie. Springer Verlag, 5. Auflage 2019
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