Vergesslichkeit

Von , Chemikerin, Medizinjournalistin
und , Wissenschaftsjournalistin
Ingrid Müller

Ingrid Müller ist Chemikerin und Medizinjournalistin. Sie war zwölf Jahre Chefredakteurin von NetDoktor.de. Seit März 2014 arbeitet sie als freie Journalistin und Autorin unter anderem für Focus Gesundheit, das Gesundheitsportal ellviva.de, den Verlag living crossmedia und den Gesundheitschannel von rtv.de.

Carola Felchner

Carola Felchner ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion und geprüfte Trainings- und Ernährungsberaterin. Sie arbeitete bei verschiedenen Fachmagazinen und Online-Portalen, bevor sie sich 2015 als Journalistin selbstständig machte. Vor ihrem Volontariat studierte sie in Kempten und München Übersetzen und Dolmetschen.

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Vergesslichkeit ist nicht ungewöhnlich: Leicht ist mal der Name eines Bekannten oder die Milch beim Einkaufen vergessen. Einzelne Aussetzer des Gedächtnisses sind noch kein Krankheitszeichen. Auch im Alter muss Vergesslichkeit nicht zwangsläufig auf Demenz hindeuten. Es kann noch andere Gründe haben, wenn Gedächtnisinhalte nicht abrufbar sind. Mehr über die Ursachen von Vergesslichkeit und was Sie gegen Gedächtnislücken tun können, lesen Sie hier.

Vergesslichkeit

Kurzübersicht

  • Bedeutet Vergesslichkeit gleich Demenz? Nein, ein gewisses Mass an Vergesslichkeit ist normal. Erst ein merkliches und kontinuierliches Nachlassen der Gedächtnisleistung kann ein Warnsignal für eine ernste Gedächtnisstörung wie Demenz sein.
  • Wie viel Vergesslichkeit ist normal? Einen allgemeingültigen Richtwert gibt es hier nicht. Wer ab und zu etwas vergisst, muss sich meist keine Sorgen machen. Häufen sich die Gedächtnislücken und/oder treten noch andere Symptome auf (Verlegen von Dingen, Verlust der Orientierung etc.), sollten Sie aber zum Arzt gehen.
  • Ursachen von Vergesslichkeit: u. a. Stress, Erschöpfung, bestimmte Medikamenten, Alkoholmissbrauch, Demenz (wie Alzheimer), Hirnhautentzündung, Epilepsie, Schlafapnoe, Nieren- oder Leberversagen, Herzschwäche, Schilddrüsenerkrankungen, Blutarmut, psychische Störungen
  • Vergesslichkeit – was tun? Bei bestehender Vergesslichkeit und zur Vorbeugung werden Gedächtnistraining, anregende Hobbies, gesunde Ernährung, regelmässige Bewegung und Entspannung empfohlen.
  • Das macht der Arzt bei Vergesslichkeit: Durchführen von Tests zur genauen Abklärung der Ursache, dann Einleiten einer geeigneten Therapie (z.B. mit Medikamenten).

Wie viel Vergesslichkeit ist normal?

Mit Vergesslichkeit verbinden viele Menschen sofort die Diagnose "Alzheimer" oder allgemein "Demenz". Das ist aber falsch – nicht jeder, der vergesslich ist, ist auch dement oder anderweitig krank. Jeder Mensch vergisst ab und zu etwas – junge ebenso wie ältere. Das ist keine Schwäche, sondern ein notwendiger Mechanismus des Gehirns, um sich vor einer Reizüberflutung zu schützen. Eine gewisse "Verpeiltheit" ist also normal, sofern sie sich in Massen hält und nicht verstärkt.

Ebenfalls normal ist es, im Alter vergesslicher zu sein bzw. sich an einiges nicht mehr (genau) erinnern zu können. Denn mit den Jahren verlangsamen sich auch die Prozesse, mittels derer das Gehirn Gedächtnisinformationen speichert und abruft. Die Zellen übertragen die Informationen dann langsamer, die Merkfähigkeit lässt nach. Das heisst: Auch bei älteren Menschen muss Vergesslichkeit nicht unbedingt auf eine Demenz (wie Alzheimer) hindeuten. So ist gerade bei Senioren beispielsweise ein Flüssigkeitsmangel oft der Auslöser von Vergesslichkeit. Auch bei Stress und Erschöpfung kann einen das Gedächtnis schon mal im Stich lassen.

Merklich häufen sollten sich solche Erinnerungslücken oder gar Verwirrtheit jedoch nicht. Passiert das doch, kann dies auf eine verminderte Gedächtnisleistung hindeuten, die über die "harmlose" Vergesslichkeit hinausgeht. Mögliche Gründe dafür sind mangelnde Hirndurchblutung durch "verkalkte" Arterien, Depressionen, Angststörungen, Alkoholmissbrauch – oder auch Demenz.

Ab wann ist Vergesslichkeit krankhaft?

Wann Vergesslichkeit über den normalen Massstab hinausgeht, ist schwer zu sagen. Mancher Mensch hält sich schon für vergesslich, wenn er mal die EC-Karten-Pin vergessen hat. Andere machen sich auch dann noch keine Gedanken, wenn sie jeden zweiten Tag irgendetwas verlegen. "Normal" lässt sich also nur schwer genau definieren.

Grundsätzlich lässt sich aber sagen: Veränderungen in der Gedächtnisleistung, die länger als ein halbes Jahr anhalten und auch für Dritte bemerkbar sind, können Warnsignale sein, die man ärztlich abklären lassen sollte. Solche Veränderungen können zum Beispiel sein:

  • Sie vergessen häufig Termine, Namen, Passwörter etc.
  • Ihnen fallen öfters ganz alltägliche Worte und Begriffe nicht mehr ein.
  • Sie haben an Ihnen bekannten Orten gelegentlich das Gefühl, sich nicht auszukennen.
  • Sie verlegen häufig Sachen (Schlüssel, Brille, Hausschuhe, Fernbedienung etc.).
  • Eigentlich gewohnte Handlungen wie Bügeln oder das Wechseln einer Glühbirne fallen Ihnen schwer(er).

Die Alarmglocken sollten in folgenden Fällen schrillen, weil sie Anzeichen einer fortgeschrittenen Gedächtnisstörung sein können:

  • wiederholtes Stellen der gleichen Frage, obwohl der der Betreffende die Antwort darauf schon (mehrfach) erhalten hat.
  • wiederholtes Erzählen der gleichen Geschichte innerhalb einer kurzen Zeit (z.B. einer Stunde) und der gleichen Person gegenüber
  • Probleme bei alltäglichen Tätigkeiten und Bewegungsabläufen (z. B. Essen kochen, aber vergessen, es an den Tisch zu bringen)
  • Schwierigkeiten, sich an Geschehnisse zu erinnern, die erst vor wenigen Minuten stattgefunden haben
  • nicht nur Vergessen von Details oder bestimmten Fakten, sondern ganzer Geschehnisse
  • Orientierungsprobleme, auch in bekannter Umgebung
  • wenig Antrieb, sozialer Rückzug

Vergesslichkeit: Ursachen und mögliche Erkrankungen

Konzentrationsschwäche und Vergesslichkeit können viele Gründe haben. Die wichtigsten sind:

Demenz

Demenz ist ein Überbegriff für verschiedene Erkrankungen, bei denen allesamt die geistige Leistungsfähigkeit und das Denkvermögen beeinträchtigt sind. Betroffene Menschen haben Schwierigkeiten, Neues gedanklich aufzunehmen und wiederzugeben. Beeinträchtigt sind auch die Orientierungsfähigkeit sowie das Sprechen und Rechnen. Schliesslich verändert sich auch die gesamte Persönlichkeit.

Wichtige Formen beziehungsweise Ursachen von Demenz:

  • Alzheimer: Die häufigste Form der Demenz ist die Alzheimer-Krankheit. Bei den Betroffenen gehen fortschreitend Gehirnzellen zugrunde – warum, weiss man nicht genau. Gesichert ist: Im Gehirn der Betroffenen fehlt es an Acetylcholin (ein Nervenbotenstoff). Zudem bilden sich Eiweissablagerungen im Gehirn, die für das Zellsterben verantwortlich sein könnten.
  • Vaskuläre Demenz: Die vaskuläre Demenz ist die zweithäufigste Form von Demenz. Sie basiert auf Durchblutungsstörungen im Gehirn. Verantwortlich dafür sind kleine Schlaganfälle. Das Gedächtnis kann bei einer vaskulären Demenz deutlich länger erhalten bleiben als bei Alzheimer – Vergesslichkeit tritt also erst später im Krankheitsverlauf auf.
  • Lewy-Körperchen-Demenz: Bei der Lewy-Body-Demenz bilden sich Eiweissablagerungen im Gehirn – wie bei Alzheimer. Daher zeigen beide Demenzformen ähnliche Symptome. Typisch für die Lewy-Body-Demenz sind aber optische Halluzinationen und starke Schwankungen der geistigen Leistungsfähigkeit und Wachheit im Tagesverlauf.
  • Frontotemporale Demenz: Bei Menschen mit frontotemporaler Demenz (FTD) verändern sich vor allem die Persönlichkeit und das zwischenmenschliche Verhalten – die Betroffenen verhalten sich auffällig und unsozial. Ihr Gedächtnis bleibt dagegen lange erhalten. Bei der FTD sterben Nervenzellen vor allem im Stirn- und Schläfenlappen des Gehirns ab.
  • Creutzfeldt-Jacob-Erkrankung: Die Creutzfeldt-Jacob-Krankheit äussert sich in einer rasch fortschreitenden Demenz – mit Störungen der Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit, Konzentration und des Gedächtnisses. Zur Demenz kommen dann motorische Störungen (wie Muskelzuckungen) hinzu. Ursache ist die Ablagerung atypischer Eiweissbruchstücke (Prionen) im Gehirn.
  • Veitstanz: Das ist der alte Name für die erbliche Nervenerkrankung Chorea Huntington. Betroffene entwickeln – neben anderen Symptomen – auch eine fortschreitende Demenz.
  • Parkinsonkrankheit: Etwa ein Drittel aller Menschen mit Morbus Parkinson (Schüttellähmung) entwickelt im späteren Krankheitsverlauf auch eine Demenz. Mediziner sprechen hier von Parkinson-Demenz.
  • HIV/AIDS: Bei einer fortgeschrittenen HIV-Erkrankung kann auch das Gehirn befallen werden. Es resultiert eine sogenannte HIV-Enzephalopathie, die mit Demenzsymptomen einhergeht (HIV-Demenz oder Aids-Demenz).

Andere Krankheiten

Die Vergesslichkeit kann auch im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen stehen. Beispiele sind:

  • Hirnhautentzündung (Meningitis): Hier können Vergesslichkeit, Konzentrationsschwäche, Verwirrtheit und Benommenheit bis hin zum Koma (selten) auftreten. Am häufigsten sind Bakterien oder Viren die Verursacher.
  • Gehirnentzündung (Enzephalitis): Menschen mit einer Hirnhautentzündung erleiden in manchen Fällen auch eine Gehirnentzündung. Symptome sind unter anderem Bewusstseinsstörungen, Vergesslichkeit oder Verwirrtheit.
  • Schlafapnoe: Bei Menschen mit einer Schlafapnoe kommt es zu wiederholten Atemaussetzern im Schlaf. Die Nachtruhe ist dadurch erheblich beeinträchtigt. Häufige Folgen sind Müdigkeit, Vergesslichkeit und Konzentrationsschwäche tagsüber.
  • Chronic Fatigue Syndrome (CFS): Auch Chronisches Erschöpfungssyndrom genannt. Typisch für die Krankheit ist eine schwere geistige (und körperliche) Erschöpfung mit Konzentrationsschwäche, Vergesslichkeit oder Reizbarkeit.
  • Schilddrüsenerkrankungen: Sowohl eine Überfunktion (Hypertyhreose) als auch eine Unterfunktion (Hypothyreose) kann mit Vergesslichkeit, Orientierungsschwierigkeiten und Gedächtnisproblemen einhergehen.
  • Akutes Nierenversagen: Es kann sich unter anderem durch Gedächtnisstörungen, Konzentrationsschwäche und Vergesslichkeit äussern. Das Gleiche gilt für die chronische Nierenschwäche (chronische Niereninsuffizienz).
  • Leberversagen: Eine Leberinsuffizienz (zum Beispiel infolge von Leberzirrhose oder Hepatitis) kann das Gehirn schädigen. Symptome sind Vergesslichkeit, Konzentrationsschwäche bis hin zur Bewusstlosigkeit (Leberkoma).
  • schwere Herzschwäche: Viele Patienten mit einer schwerer Herzinsuffizienz leiden unter Vergesslichkeit, Gedächtnisschwierigkeiten und Denkproblemen.
  • ausgeprägte Blutarmut: Eine Anämie, vor allem bedingt durch einen Eisenmangel (Eisenmangelanämie), kann die geistige Leistungsfähigkeit einschränken. Vergesslichkeit und Gedächtnisstörungen sind einige der möglichen Anzeichen. Auch eine Vitamin-B12-Mangelanämie kann Vergesslichkeit, Konzentrationsschwäche und Müdigkeit auslösen.
  • Epilepsie: Nicht nur das typischen Krampfen, auch Konzentrationsschwäche, Vergesslichkeit und Wahrnehmungsschwierigkeiten können im Zusammenhang mit einer Epilepsie auftreten.
  • Hirntraumata: Traumatische Hirnverletzungen können die Nervenzellen schädigen, sodass in der Folge die geistige Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sein kann.

Psychische Störungen

Depressionen können ebenfalls das Gedächtnis beeinflussen: Sie können unter anderem zu Einbussen der geistigen Leistungsfähigkeit, Vergesslichkeit, Konzentrationsschwäche und Merkproblemen führen.

Auch Angststörungen können das Gehirn beeinträchtigen und Vergesslichkeit auslösen – eventuell auch aufgrund bestimmter Medikamente, die gegen die krankhafte Angst eingenommen werden.

Andere Ursachen von Vergesslichkeit

Es gibt noch andere Faktoren, die sich negativ auf das Gedächtnis auswirken können. Einige davon sind:

  • Alkoholmissbrauch
  • Krebstherapien, vor allem Chemotherapie (sog. "Chemobrain")
  • verschiedene Medikamente (z. B. Beruhigungsmittel)
  • Stress
  • Schlafstörungen
  • Müdigkeit, Erschöpfung
  • Flüssigkeits- und Nahrungsmangel (v. a. bei älteren Menschen)

Vergesslichkeit: Was können Sie selbst tun?

Einer Vergesslichkeit können Sie vorbeugen, indem Sie einen möglichst gesunden Lebensstil pflegen. Dazu zählen:

  • Ernähren Sie sich ausgewogen.
  • Achten Sie auf regelmässige Bewegung.
  • Trinken Sie nicht zu viel und nicht zu oft Alkohol. Noch besser: Verzichten Sie ganz darauf!
  • Sorgen Sie regelmässig für Entspannung, besonders wenn Sie gestresst sind oder unter Schlafstörungen leiden. Hilfreich sind etwa Entspannungstechniken wie Yoga, Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung nach Jacobson.
  • Trainieren Sie regelmässig Ihre Gehirn. Suchen Sie sich Hobbys, die Sie geistig fordern (z.B. Lesen, Musikinstrument oder Schach spielen).
  • Treffen Sie Freunde! Der soziale Kontakt mit anderen Menschen scheint auch dem Gehirn gut zu tun.

Gedächtnistraining

Ein Mensch besitzt rund 100 Milliarden Nervenzellen, von denen er nur einen kleinen Bruchteil nutzt. Wer aber seine grauen Zellen nicht regelmässig beansprucht, riskiert, dass sie verkümmern und an Leistungsfähigkeit einbüssen. Vergesslichkeit oder Konzentrationsschwäche können die Folgen sein. Mit dem Alter verringert sich die Zahl der Nervenzellen ohnehin schon ganz ohne Zutun!

Ein Gedächtnistraining schützt zwar nicht nachgewiesenermassen vor Demenz, aber Ihre grauen Zellen freuen sich trotzdem, wenn sie gefordert werden. Mit ein bisschen Training können Sie Ihre Merkfähigkeit schnell und effektiv steigern – das Gedächtnis für Zahlen, Begriffe, Personen oder Bilder lässt sich so verbessern.

Auch Menschen, die schon unter einer Demenz leiden, können von Gehirnjogging profitieren. Allerdings sind normale Formen des Gedächtnistrainings für Demenzkranke weniger gut geeignet. Denn die Demenz nimmt Betroffenen die Möglichkeit, sich etwas zu merken, das Gedächtnis aufzubauen und zu verbessern. Hier ist es hilfreicher, wenn die Patienten ihre Erinnerungen aktivieren, die im Langzeitgedächtnis gespeichert sind.

Wichtig: Die Übungen müssen den Betroffenen Spass machen und ihnen Erfolgserlebnisse verschaffen! Diese helfen zwar nicht primär gegen die Vergesslichkeit, stärken aber das Selbstwertgefühl, das unter der Vergesslichkeit leiden kann!

Vergesslichkeit: Was macht der Arzt?

Besteht der Verdacht, dass Ihre Vergesslichkeit auf einer ernsthaften Gedächtnisstörung beruhen könnte, können verschiedenen Untersuchungen und Tests Klarheit bringen. Bestätigt sich der Verdacht, wird der Arzt Ihnen eine geeignete Behandlung vorschlagen.

Diagnose

Zunächst wird der Arzt im Gespräch Informationen zu Ihrer Krankengeschichte einholen (Anamnese). Mögliche Fragen sind zum Beispiel:

  • Wie häufig lässt Sie Ihr Gedächtnis im Stich?
  • Seit wann besteht die Vergesslichkeit?
  • Haben Sie den Eindruck, Ihre Vergesslichkeit nimmt zu?
  • Können Sie sich Dinge nicht mehr merken, die früher kein Problem für Sie waren?
  • Können Sie vertraute Arbeitsabläufe nicht mehr richtig ausführen?
  • Nehmen Sie irgendwelche Medikamente? Wenn ja, welche?

Demenztests

Vermutet der Arzt, dass Sie möglicherweise eine Demenz entwickeln, können neuropsychologische Demenztests weiterhelfen. Bei diesen Tests beobachtet der Arzt unter anderem, wie konzentriert Sie bestimmte Aufgaben erfüllen und ob Sie unter einer Konzentrationsschwäche leiden.

Besonders bekannt ist der Uhrentest: Dabei legt der Arzt Ihnen ein Blatt Papier mit einem leeren Kreis darauf vor. In diesen Kreis sollen Sie dann die Ziffern einer Uhr eintragen sowie den Stunden- und Minutenzeiger so einzeichnen, dass sie eine bestimmte Uhrzeit anzeigen. Menschen mit einer Demenz gelingt dies oft nicht.

Weitere Untersuchungen

Routinemässig wird auch eine körperliche Untersuchung durchgeführt, einschliesslich Blutdruckmessung. Um mehr über Zustand und Leistungsfähigkeit des Nervensystems zu erfahren, wird der Arzt unter anderem die Muskel- und Pupillenreflexe testen (im Rahmen einer neurologischen Untersuchung). Weitere Untersuchungen hängen zum Teil davon ab, welche Ursache der Arzt hinter den Beschwerden vermutet.

Besonders hilfreich können bildgebende Untersuchungen sein: Lässt sich mittels Computertomografie (CT) oder Kernspintomografie (Magnetresonanztomografie, MRT) eine Schrumpfung des Gehirns feststellen, spricht das für eine Demenz als Ursache der Vergesslichkeit. Bei Verdacht auf eine Lebererkrankungen oder Nierenversagen wird der Arzt unter anderem eine Bauch-Ultraschall machen.

Eine Messung der Herzströme (EKG) gibt Aufschluss über den Herzrhythmus und die Herzfrequenz. Wichtig ist das beispielsweise bei Verdacht auf eine Herzschwäche. Eine Messung der Hirnströme (EEG) erlaubt eine Beurteilung der Hirnaktivität.

Hilfreich kann auch eine Untersuchung des Nervenwassers sein (Liquordiagnostik). Dazu entnimmt der Arzt mit einer dünnen Hohlnadel eine Probe des Nervenwassers aus dem Rückenmarkskanal (Lumbalpunktion).

Bei Verdacht auf Parkinson führt der Arzt zusätzlich zu den oben genannten Verfahren einen L-Dopa-Test sowie eine Sonderform der Computertomografie – Single Photon Emission Computed Tomography (SPECT) – durch.

Das Schlafapnoe-Syndrom lässt sich mithilfe schlafmedizinischer Untersuchungen im Schlaflabor diagnostizieren.

Blutuntersuchungen sind beispielsweise bei Verdacht auf Leberversagen, Nierenversagen, Schilddrüsenerkrankungen, Blutarmut sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch aufschlussreich. Vermutet der Arzt ein Nierenversagen, kann auch eine Urinuntersuchung Klarheit bringen. Eine Bauchspiegelung (Laparoskopie) hilft bei der Abklärung vermuteter Lebererkrankungen.

Bei psychischen Störungen (Depression, Angststörungen) als Ursache der Vergesslichkeit kommen psychologische Tests zur Anwendung.

Therapie

Die Therapie der Gedächtnisstörung hängt von der Ursache ab.

Eine Demenz ist zwar nicht heilbar, aber gut mit Medikamenten zu behandeln, die den Verlauf bremsen. Dazu gehören zum Beispiel die sogenannten Acetylcholinesterase-Hemmer. Andere Substanzen sollen die Hirnleistung von Demenz-Patienten verbessern können. So gibt es etwa Hinweise, dass ein bestimmter Extrakt aus Ginkgo-Blättern (EGb 761) sich positiv auf die Kognition von Patienten mit leichter bis mittelgradiger Alzheimer-Demenz oder vaskulärer Demenz und nicht-psychotischen Verhaltenssymptomen auswirkt.

Vergesslichkeit: Wann müssen Sie zum Arzt?

Sie haben die Milch beim Einkaufen vergessen oder schon wieder Ihre Brille verlegt? Das muss Sie nicht sofort beunruhigen. Nicht jeder geistige Aussetzer bedeutet, dass Sie sofort einen Arzt aufsuchen müssen. Es können auch harmlose Ursachen wie Stress, Müdigkeit, Flüssigkeitsmangel oder Schlafstörungen hinter der Vergesslichkeit stecken.

Wenn Ihr Gedächtnis allerdings häufiger streikt (siehe die oben aufgelisteten Warnzeichen und Alarmsignale), sollten Sie die Ursache Ihrer Vergesslichkeit von einem Arzt abklären lassen. Oft sind auch Hinweise nahestehender Menschen hilfreich bei der Erkennung einer beginnenden Demenz.

Eine allgemeine Aussage, ab wann Sie bei Vergesslichkeit einen Arzt aufsuchen sollten, gibt es allerdings nicht. Der erste Ansprechpartner sollte jedenfalls Ihr Hausarzt sein. Er wird Sie bei Bedarf zum Facharzt (Neurologen) überweisen. Darüber hinaus gibt es auch spezialisierte Gedächtnissprechstunden für Menschen, die unter (möglicherweise krankhafter) Vergesslichkeit leiden.

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Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autoren:
Ingrid Müller

Ingrid Müller ist Chemikerin und Medizinjournalistin. Sie war zwölf Jahre Chefredakteurin von NetDoktor.de. Seit März 2014 arbeitet sie als freie Journalistin und Autorin unter anderem für Focus Gesundheit, das Gesundheitsportal ellviva.de, den Verlag living crossmedia und den Gesundheitschannel von rtv.de.

Carola Felchner
Carola Felchner

Carola Felchner ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion und geprüfte Trainings- und Ernährungsberaterin. Sie arbeitete bei verschiedenen Fachmagazinen und Online-Portalen, bevor sie sich 2015 als Journalistin selbstständig machte. Vor ihrem Volontariat studierte sie in Kempten und München Übersetzen und Dolmetschen.

Quellen:
  • Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg e.V. – Selbsthilfe Demenz: "Ist das schon Demenz oder noch Vergesslichkeit?"; unter: www.alzheimer-bw.de (Abruf: 21.04.2020)
  • Berufsverbände und Fachgesellschaften für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland und der Schweiz: "Was ist eine Demenz und welche Formen gibt es?"; unter: www.neurologen-und-psychiater-im-netz.de (Abruf: 21.04.2020)
  • Blank, I.: "Was ist eigentlich ein Veistanz?", in: Deutsche Apotheker Zeitung (DAZ) 2008, Nr. 38, S.80; unter: www.deutsche-apotheker-zeitung.de (Abruf: 21.04.2020)
  • Broschüre des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ): "Was ist eine Demenz?", 4. Auflage, Novemeber 2017; unter: www.bmfsfj.de
  • Deutsche Alzheimer Gesellschaft: "Die Alzheimer-Krankheit und andere Demenzformen"; unter: www.deutsche-alzheimer.de (Abruf: 21.04.2020)
  • Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V.: "Creutzfeldt-Jakob-Krankheit"; unter: www.deutsche-alzheimer.de (Abruf: 21.04.2020)
  • Informationsblatt der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V.: "Die Häufigkeit von Demenzerkrankungen" (Juni 2018); unter: www.deutsche-alzheimer.de
  • Informationszentrum Epilepsie (ize) der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie e.V.: "Bewusstseinsstörungen bei Menschen mit Epilepsie"; unter: www.dgfe.org (Abruf: 21.04.2020)
  • Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): "Nützen ginkohaltige Mittel?"; unter: www.gesundheitsinformation.de (Abruf: 21.04.2020)
  • Neurozentrum Bern: "Gedächtnisstörung"; unter: www.neurozentrum-bern.ch (Abruf: 21.04.2020)
  • Patienten-Information der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: "Demenz – mehr als nur vergesslich"; unter: www.patienten-information.de (Abruf: 21.04.2020)
  • Pressemitteilung der Deutschen Herzstiftung (5/2016): "Neue Studie: Hirnjogging für Patienten mit Herzschwäche"; unter: www.herzstiftung.de
  • S3-Leitlinie „Behandlung von Angststörungen“ der Aktion Psychisch Kranke e.V. et al. (Stand: 2014; derzeit in Überarbeitung)
  • S3-Leitlinie „Demenzen“ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) (Stand: Januar 2016)
  • Wegweiser Demenz des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: "Frontotemporale Demenz oder Pick-Krankheit"; unter:www.wegweiser-demenz.de (Abruf: 21.04.2020)
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