Vaginismus

Von , Medizinredakteurin
Mag. Astrid Leitner

Astrid Leitner studierte in Wien Tiermedizin. Nach zehn Jahren in der veterinärmedizinischen Praxis und der Geburt ihrer Tochter wechselte sie – mehr zufällig – zum Medizinjournalismus. Schnell war klar: Das Interesse an medizinischen Themen und die Liebe zum Schreiben ergeben für sie die perfekte Kombination. Astrid Leitner lebt mit Tochter, Hund und Katze in Wien und Oberösterreich.

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Vaginismus bezeichnet ein schmerzhaftes, krampfartiges Zusammenziehen der Scheiden- und Beckenmuskulatur, etwa beim Geschlechtsverkehr. Das Eindringen in die Vagina ist dann nicht oder nur unter Schmerzen möglich. Körperliche Ursachen sind nicht feststellbar, die Auslöser liegen in der Psyche. Lesen Sie hier, welche Ursachen ein Scheidenkrampf hat und wie er behandelt wird!

Frau mit Schmerzen am Bett sitzend.

Kurzübersicht

  • Was ist Vaginismus? Krampfartiges Zusammenziehen von Scheiden- und Beckenbodenmuskeln, etwa beim Geschlechtsverkehr. In schweren Fällen reicht allein der Gedanke an Geschlechtsverkehr aus, um einen schmerzhaften Scheidenkrampf auszulösen.
  • Behandlung: Vaginaldilatoren, Psycho- und Sexualtherapie, Entspannungstechniken, Beckenbodentraining, in seltenen Fällen Medikamente.
  • Ursachen: Angst vor Schmerz oder Verletzung beim Geschlechtsverkehr, Angst vor Schwangerschaft, traumatische Erlebnisse (Missbrauch, Geburtstrauma), Partnerschaftsprobleme, emotionaler Stress, Depression
  • Risikofaktoren: Allgemeinerkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck, gestörtes Verhältnis zur eigenen Sexualität.
  • Symptome: Schmerzhafte Verkrampfung der Scheiden- und Beckenbodenmuskulatur, Schmerzen beim Sex, Angst vor Schmerzen und Verletzung, Penis kann nicht oder nur unter Schmerzen eindringen, Schuldgefühle
  • Diagnostik: Ausführliches Arztgespräch, Ausschluss körperlicher Ursachen wie Infektionen oder Entzündungen im Intimbereich.
  • Vorbeugen: Gesunde Beziehung zum eigenen Intimbereich, Aufarbeitung traumatischer Erlebnisse, gut trainierter Beckenboden, konfliktarme Partnerschaft

Was ist Vaginismus?

Ein Vaginismus (Vaginalspasmus, Scheidenkrampf) liegt dann vor, wenn sich Scheiden- und Beckenbodenmuskulatur etwa beim Geschlechtsverkehr krampfartig zusammenziehen und das Eindringen in die Vagina (Penetration), zum Beispiel durch einen Penis, nicht möglich oder mit grossen Schmerzen verbunden ist. Bei vielen Betroffenen verkrampft die Scheide auch beim Versuch, einen Tampon einzuführen oder bei der gynäkologischen Untersuchung. In schweren Fällen reicht allein der Gedanke an eine Manipulation im Intimbereich aus, dass sich Scheide und Beckenboden krampfartig zusammenziehen.

Ein auftretender Scheidenkrampf löst meist eine Spirale aus Angst und Schmerz aus. Obwohl die Frau beispielsweise eigentlich Verlangen nach Geschlechtsverkehr hat, überwältigt sie die Angst vor Schmerz. Dadurch ziehen sich die Muskeln im Intimbereich noch mehr zusammen und verursachen oder verstärken den Schmerz.

Typisch für Vaginismus ist, dass keine körperlichen Ursachen wie Infektionen oder Entzündungen vorliegen. Die Ursache des Spasmus liegt in der Psyche.

Vaginismus ist keine Krankheit, sondern eine schmerzhafte sexuelle Funktionsstörung. Von einer sexuellen Funktionsstörung spricht man, wenn die eigene Sexualität nicht befriedigend ausgelebt werden kann. Dazu zählen etwa Orgasmus- oder Erektionsschwierigkeiten sowie mangelndes sexuelles Interesse. Beim Vaginismus hat die Frau ein sexuelles Verlangen, die Penetration ist aber nicht oder nur unter Schmerzen möglich.

Formen von Vaginismus

Beim Vaginismus werden zwei Formen unterschieden, ausschlaggebend für die Unterscheidung ist der Zeitpunkt, zu dem der Scheidenkrampf zum ersten Mal auftritt. Beim primären Vaginismus besteht die Funktionsstörung bereits von Geburt an, beim sekundären entwickelt sich die Störung im Laufe des Lebens.

Primärer Vaginismus: Der primäre Vaginismus ist angeboren. Die Funktionsstörung wird in der Regel beim ersten Geschlechtsverkehr erkannt.

Sekundärer Vaginismus: Beim sekundären Vaginismus war Geschlechtsverkehr bzw. Eindringen in die Vagina zuvor schmerzfrei möglich. Der Scheidenkrampf wird durch ein traumatisches Ereignis wie sexuellen Missbrauch oder ein Geburtstrauma ausgelöst.

Was ist GPSPS?

GPSPS ist die Abkürzung für Genito-Pelvine Schmerz-Penetrationsstörung. Dabei handelt es sich um eine sexuelle Funktionsstörung, bei der die Krankheitsbilder Vaginismus (Verkrampfung der Scheide) und Dyspareunie (Schmerzen beim Geschlechtsverkehr) gleichzeitig auftreten.

Wie wird Vaginismus behandelt?

Ziel der Behandlung ist, das reflexartige Zusammenziehen der Scheiden- und Beckenbodenmuskulatur zu mindern und der Frau die Selbstbestimmung über ihre Sexualität zurückzugeben. Die Frau lernt langsam und schrittweise, dass Geschlechtsverkehr ohne Schmerzen möglich ist.

Vaginaldilatoren

Vaginaldilatoren sind spezielle Plastikstifte, die in unterschiedlichen Grössen erhältlich sind. Diese werden von der Frau selbst in zunehmender Stärke in die Vagina eingeführt. Sie bewirken, dass die Vagina geweitet und die Muskulatur an das Eindringen gewöhnt wird. Dadurch entsteht ein Gefühl für die eigene Vagina, und die Frau macht die Erfahrung, dass das Einführen ohne Schmerzen möglich ist.

Im weiteren Verlauf wird mitunter der Sexualpartner in die Übungen miteinbezogen. Wichtig ist jedoch, dass die Patientin die Kontrolle über die Übungsabläufe behält, indem sie beispielsweise den Penis selbst einführt.

Psycho- und Sexualtherapie

In vielen Fällen von Vaginismus ist eine begleitende Psychotherapie hilfreich, insbesondere dann, wenn traumatische Ereignisse wie Missbrauch oder Probleme in der Partnerschaft den Vaginismus verursachen.

Bei einer Sexualtherapie setzt sich die Patientin intensiv mit der Beziehung zum eigenen Körper sowie mit Sexualität auseinander. Im Idealfall wird ein Sexualpartner in die Therapie miteinbezogen.

Beckenbodentraining

Beim Beckenbodentraining lernt die Frau, die Beckenbodenmuskulatur gezielt anzuspannen und wieder zu entspannen. Einige Übungen lassen sich jederzeit unkompliziert in den Tagesablauf einbauen.

Tipps für den Alltag

  • Spannen Sie die Beckenbodenmuskulatur im Alltag, beispielsweise beim Warten an der Ampel oder beim Telefonieren immer wieder an.
  • Spannen Sie den Beckenboden bei körperlicher Belastung (zum Beispiel beim Tragen schwerer Lasten) bewusst an.
  • Vermeiden Sie starkes Pressen beim Stuhlgang.
  • Achten Sie auf eine ausgewogene und ballaststoffreiche Ernährung, und trinken Sie ausreichend!
  • Übergewicht drückt auf den Beckenboden. Versuchen Sie, Ihr Normalgewicht zu erreichen!

Spezielle Übungen für den Beckenboden

Beckenbodenlift (im Stehen): Stehen Sie hüftbreit mit geradem Oberkörper. Stellen Sie sich den Beckenboden als Lift vor, der langsam nach oben fährt. Spannen Sie die Beckenbodenmuskulatur an, und ziehen Sie den imaginären Lift nach oben. Die Spannung für einen Moment halten. Dann den Lift langsam – Stock für Stock – wieder nach unten sinken lassen.

Katzenbuckel (im Vierfüsslerstand): Knien Sie sich auf den Boden, und stützen Sie sich auf den Händen ab, der Rücken bleibt gerade. Atmen Sie tief ein und anschliessend durch den Mund aus. Bilden Sie dabei einen Katzenbuckel (Rücken gerundet nach oben ziehen, Kopf zwischen die Arme). Dann wieder einatmen und Rücken begradigen.

Sesselmarsch (im Sitzen): Setzen Sie sich auf einen Sessel, und rücken Sie an die vordere Kante. Die Beine stehen hüftbreit im rechten Winkel. Pressen Sie nun mit den Fersen fest gegen den Boden. Dadurch wird der hintere Teil des Beckenbodens aktiviert. Halten Sie die Spannung. Um den vorderen Beckenboden zu aktivieren, drücken Sie die Zehenspitzen fest gegen den Boden.

Entspannungsübungen

Emotionaler Stress und innere Anspannung verstärken bestehende Probleme mitunter. Entspannungsübungen helfen, zu mehr innerer Ruhe zu gelangen. Besonders empfehlenswert sind Atemübungen oder die „progressive Muskelentspannung“. Fragen Sie Ihren Arzt nach Therapeuten, die Sie dabei anleiten.

Medikamente

In seltenen Fällen setzt der Arzt Medikamente ein, um einer weiteren Verkrampfung vorzubeugen. Durch die Injektion sogenannter „Muskelrelaxantien“ – das sind Wirkstoffe, die die Muskulatur entspannen – bessern sich die Beschwerden zumindest vorübergehend.

Scheidenkrampf selber lösen?

Sprechen Sie mit Ihrem Partner darüber, sobald Sie Schmerzen beim Eindringen etwa des Penis in die Vagina verspüren. Versuchen Sie nicht, die Penetration „mit Gewalt“ zu erzwingen. Dadurch entsteht ein Teufelskreis, der die Beschwerden nur verstärkt. Versuchen Sie, zu entspannen, und suchen Sie bald einen Arzt auf. Er unterstützt Sie dabei, die Ursache für den Vaginismus zu ergründen und eine entsprechende Therapie zu finden.

Die Therapie des Vaginismus erfordert viel Geduld – auch von Ihrem Partner, führt aber in den meisten Fällen zu guten Erfolgen!

Was sind die Ursachen für Vaginismus?

Ursachen

Die Ursache für Vaginismus liegt in der Psyche. Körperliche Ursachen wie Infektionen oder Entzündungen im Genitalbereich (wie beispielsweise Endometriose), die ebenfalls krampfartige Schmerzen verursachen, sind in der Regel nicht vorhanden. Die Verkrampfung im unteren Drittel der Scheide ist ein starker unbewusster Abwehrreflex der Frau, der Auslöser dafür ist Angst vor Schmerz oder Verletzung.

Mögliche Ursachen sind:

  • Betroffene Frauen glauben etwa, dass die Scheide zu eng (beispielsweise für den Penis des Sexualpartners) ist, und fürchten sich vor Schmerzen beim Eindringen.
  • Angst vor Verletzung des Intimbereichs, etwa durch den Penis des Partners
  • Angst vor einer Schwangerschaft
  • Ablehnung von Penetration im Allgemeinen
  • Ablehnung des Geschlechtspartners
  • Partnerschaftsprobleme
  • Traumatische Erlebnisse wie sexueller Missbrauch, Geburtstrauma oder schmerzhafte Untersuchung beim Gynäkologen
  • Emotionaler Stress, Depressionen

Symptome

Die Symptome bei Vaginismus variieren von Frau zu Frau. Bei leichteren Formen tritt die Verkrampfung nur in bestimmten Situationen wie beispielsweise unter Stress auf. Beim „totalen Vaginismus“ verkrampft die Scheide immer, sobald sie berührt wird. Für betroffene Frauen ist sowohl Geschlechtsverkehr als auch das Einführen von Tampons unmöglich. Auch die gynäkologische Untersuchung mit dem Spekulum kann grosse Probleme bereiten.

Symptome:

  • Schmerzhafte Krämpfe des Beckenbodens und der Vaginalmuskulatur.
  • Die Verkrampfung ist willentlich nicht kontrollierbar.
  • Das Einführen des Penis, der Finger, eines Dildos oder eines Tampons ist nicht oder nur unter starken Schmerzen möglich.
  • Vermeidung von sexuellen Aktivitäten.
  • Vermeidung oder Angst vor einer Untersuchung beim Frauenarzt.
  • In manchen Fällen kann alleine der Gedanke an eine Penetration einen Scheidenkrampf auslösen.
  • Betroffene Frauen leiden häufig unter einer grossen seelischen Belastung. Das kann so weit gehen, dass sie sich nicht als vollwertige Frau fühlen, Schuldgefühle dem Partner gegenüber haben und unter Minderwertigkeitsgefühlen leiden.

Wenden Sie sich bei Sexualproblemen an den Frauenarzt Ihres Vertrauens. Er wird die Ursache des Problems mit Ihnen ergründen und eine entsprechende Therapie einleiten. Vor allem bei Vaginismus sind die Behandlungserfolge in der Regel sehr gut!

Risikofaktoren

Studien zeigen, dass Sexualstörungen im Allgemeinen mit Risikofaktoren wie Diabetes, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Depressionen verbunden sind. Auch Mädchen und Frauen, die Sexualität als etwas Schamhaftes betrachten oder in einer Familie aufgewachsen sind, in denen das Thema tabuisiert wurde, sind anfälliger für Vaginismus.

Untersuchung und Diagnose

Erster Ansprechpartner bei Verdacht auf Vaginismus ist der Frauenarzt (Gynäkologe). In einem ausführlichen Erstgespräch (Anamnese) erfragt der Arzt die bestehenden Probleme. Ausserdem wird er Fragen zu Vorerkrankungen und zur sexuellen Vorgeschichte stellen, beispielsweise ob Missbrauchserfahrungen bestehen oder Probleme in der Partnerschaft. Ausserdem ist es für den Arzt wichtig zu wissen, ob die Patientin bei jeder Art von Penetration einen Scheidenkrampf erlebt und seit wann das Problem besteht. Ebenso erfragt der Arzt vergangene Schwangerschaften und Geburten.

Auch wenn die Hemmschwelle, über die eigene Sexualität zu sprechen, oftmals hoch ist, ist es wichtig, mit dem Arzt offen darüber zu sprechen. Nur so finden Sie die Ursache der Störung heraus und wie Sie dagegen angehen können!

Sofern es möglich ist – und die betroffene Frau die Untersuchung toleriert – untersucht der Arzt den Geschlechtstrakt auf Veränderungen, die ebenfalls Schmerzen und Scheidenkrämpfe verursachen. Dazu zählen etwa Infektionen der Scheide, Verletzungen, Narben oder Krankheiten wie Endometriose.

Ist eine gynäkologische Untersuchung (noch) nicht möglich, berät der Arzt die Frau über die weitere Vorgehensweise. Die Untersuchung erfolgt erst dann, wenn die Frau dazu bereit ist.

Um sich auf die Untersuchung vorzubereiten, hilft es, sich zuvor alleine mit der eigenen Intimregion vertraut zu machen. Das kann zum Beispiel die Betrachtung der Vagina vor dem Spiegel sein oder das leichte Berühren mit den Fingern. Wenn das schmerzfrei gelingt, beginnt die Frau mit Einführübungen: Sie versucht unter entspannten Bedingungen, ihre Finger oder sogenannte Vaginaldilatoren in die Scheide einzuführen. Dabei handelt es sich um spezielle Stäbe, die in verschiedenen Grössen erhältlich sind. Die Patientin lernt, dass sie unter Umständen noch Unbehagen, aber keinen Schmerz empfindet und dass sich die negativen Gefühle mit der Zeit abschwächen.

Vorbeugung

Einem Scheidenkrampf lässt sich nicht vollständig vorbeugen, da er nicht willentlich gesteuert wird. Eine gesunde Beziehung zum eigenen Intimbereich und ein gut trainierter Beckenboden mindern die Wahrscheinlichkeit, einen Vaginismus zu entwickeln. Ebenso bedeutend ist die Aufarbeitung traumatischer Ereignisse (Missbrauch, schwere Geburt) und die Unterstützung durch Vertraute.

Krankheitsverlauf und Prognose

Unbehandelt verschwindet Vaginismus in den seltensten Fällen von selbst. Lässt sich die Frau behandeln, ist die Prognose sehr günstig, selbst wenn der Vaginismus bereits seit vielen Jahren besteht. Der Erfolg liegt bei etwa 90 Prozent.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:

Astrid Leitner studierte in Wien Tiermedizin. Nach zehn Jahren in der veterinärmedizinischen Praxis und der Geburt ihrer Tochter wechselte sie – mehr zufällig – zum Medizinjournalismus. Schnell war klar: Das Interesse an medizinischen Themen und die Liebe zum Schreiben ergeben für sie die perfekte Kombination. Astrid Leitner lebt mit Tochter, Hund und Katze in Wien und Oberösterreich.

ICD-Codes:
N94F52
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
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