Stuhlinkontinenz

Von , Medizinredakteurin
Tanja Unterberger

Tanja Unterberger studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Wien. 2015 begann sie ihre Arbeit als Medizinredakteurin bei NetDoktor in Österreich. Neben dem Schreiben von Fachtexten, Magazinartikeln sowie News bringt die Journalistin auch Erfahrung im Podcasting und in der Videoproduktion mit.

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Stuhlinkontinenz (auch Darminkontinenz, anale oder anorektale Inkontinenz) ist die Unfähigkeit, Stuhl oder Darmgase zurückzuhalten bzw. den Darm bewusst zu entleeren. Häufig ist die Ursache eine schwache Schliess- oder Beckenbodenmuskulatur (z.B. altersbedingt oder nach einer Geburt). Zur Therapie kommen unter anderem Medikamente infrage, eine Ernährungsumstellung und Beckenbodentraining, selten auch eine Operation. Mehr zum Thema lesen Sie hier!

Mann sitzt auf der Toilette und hält Klopapierrollen in den Händen

Kurzübersicht

  • Ursachen: Nachlassende Schliessmuskulatur und Beckenbodenmuskulatur, ausgelöst unter anderem durch zunehmendes Alter, Erkrankungen (z.B. Schlaganfall) oder Verletzungen (z.B. Dammriss nach der Geburt)
  • Behandlung: Der Arzt behandelt eine Stuhlinkontinenz je nach Ursache. Abhilfe schaffen zum Beispiel Medikamente, Biofeedback und Krankengymnastik, eine Ernährungsumstellung oder Analtampons. In schweren Fällen ist eine Operation notwendig.
  • Beschreibung: Bei einer Stuhlinkontinenz verlieren Betroffene die Fähigkeit, ihren Darminhalt sowie Darmgase zurückzuhalten.
  • Diagnose: Gespräch mit dem Arzt (z.B. über das Stuhlverhalten), körperliche Untersuchungen des Schliessmuskels und des Mastdarms (z.B. Darmspiegelung, Ultraschalluntersuchung, Analsphinktermanometrie, Defäkografie)
  • Verlauf: Die Prognose ist sehr unterschiedlich und hängt von der Ursache sowie vom Alter des Betroffenen ab. In vielen Fällen lässt sich die Lebensqualität durch geeignete Therapien deutlich verbessern.
  • Vorbeugen: Beckenboden stärken (z.B. durch gezielte Übungen, Beckenbodentraining), regelmässig bewegen, ausgewogen und ballaststoffreich ernähren, Übergewicht vermeiden.

Was sind die Ursachen für Stuhlinkontinenz?

Die Darmentleerung ist ein komplexer Vorgang, an dem mehrere Bereiche des Darms beteiligt sind. Das sogenannte Kontinenzorgan „Anorektum“ (Schliessapparat) verschliesst den After. Es ermöglicht, den Stuhlgang sowie Darmgase kontrolliert zurückzuhalten oder abzusetzen (Kontinenz). Das Kontinenzorgan besteht aus dem Mastdarm (= Rektum, letzter Abschnitt des Darms), als Reservoir für den Stuhl, und dem Schliessmuskelapparat (= Sphinkter), welcher den Analkanal umgibt.

Ist eine oder sind beide der Komponenten im Laufe des Lebens durch Erkrankungen, Fehlbildungen oder Verletzungen beschädigt, kann es zur Stuhlinkontinenz kommen. Selten ist eine Darminkontinenz, etwa aufgrund von Missbildungen, angeboren.

Die wichtigsten Ursachen einer Stuhlinkontinenz im Überblick:

Schwache Schliess- und Beckenbodenmuskulatur im Alter

Eine Schliessmuskelschwäche und Schliessmuskeldefekte sind die häufigsten Ursachen für Stuhlinkontinenz und treten häufig bei älteren Menschen auf. Grund dafür ist, dass mit zunehmendem Alter die Muskelmasse sowie das stützende Bindegewebe im Beckenboden (z.B. bei einer Beckenbodensenkung) und Analbereich abnimmt (muskuläre Stuhlinkontinenz).

Dammriss nach der Geburt

Häufig sind Frauen nach einer vaginalen Geburt von Stuhlinkontinenz betroffen. Dabei reisst, oft unbemerkt, der Schliessmuskel (Dammriss) während der Presswehen ein, was später zu Beschwerden führt. Auch durch anale Operationen, bei denen der Schliessmuskel verletzt wird, kann es zu einer Darminkontinenz kommen.

Mastdarmvorfall

Ein Rektumprolaps (Mastdarmvorfall) verursacht unter Umständen ebenfalls eine Stuhlinkontinenz. Dabei verschiebt sich der Mastdarm aus seiner ursprünglichen Position und tritt aus dem Anus (häufig während des festen Stuhlgangs) heraus. Meist lösen fortgeschrittene Hämorrhoiden (Grad 3 bis 4) einen Mastdarmvorfall aus.

Neurologische Erkrankungen

Unabhängig vom Alter führen neurologische Erkrankungen wie ein Schlaganfall, Multiple Sklerose, Alzheimer oder eine Querschnittslähmung dazu, dass die Nervenversorgung der Beckenbodenmuskulatur gestört ist. Dadurch spüren die Betroffenen den Drang zur Stuhlentleerung häufig erst verspätet oder gar nicht (neurogene Stuhlinkontinenz). Auch bei Menschen mit Diabetes mellitus sind Nervenschäden möglich, die zu einer Stuhlinkontinenz führen.

Ein weiterer möglicher Auslöser sind Beschwerden an der Wirbelsäule oder wenn die Beckennerven nach einer vaginalen Entbindung beschädigt sind. Ebenso führt eine Schwangerschaft in manchen Fällen dazu, dass die Muskulatur des Beckenbodens nachlässt. Vor allem in der Zeit kurz vor der Geburt kommt es bei einigen Frauen dann zu einem ungewollten Abgang von Blähungen oder Stuhl.

Durchfallerkrankungen

Bei Durchfallerkrankungen kann der dünnflüssige Stuhl, selbst bei sonst gesunden Menschen, den Schliessmuskel überfordern und dazu führen, dass Betroffene den Stuhl nicht zurückhalten können. Ursache für Durchfall (Diarrhö) sind häufig Infekte, Lebensmittelvergiftungen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten (z.B. Milchzuckerunverträglichkeit), seltener chronische Darmerkrankungen (z.B. Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa).

Verstopfung

Verstopfung (Obstipation) und ein träger Darm können auf Dauer auch zu einer Stuhlinkontinenz führen. Durch den festsitzenden Stuhl im Darm entsteht eine Blockade, die nur flüssigen Stuhl passieren lässt. Dadurch produziert der Darm mehr Flüssigkeit und es kommt zur sogenannten Überlaufinkontinenz.

Der wässrige Stuhl ist meist schwer zu kontrollieren und tritt infolgedessen tröpfchenweise aus. Zudem pressen Menschen mit Verstopfung oft zu stark, um den Darm zu entleeren. Dies führt unter Umständen dazu, dass der Schliessmuskel überdehnt oder verletzt wird, was eine Stuhlinkontinenz zusätzlich begünstigt.

Darmverengung durch Tumor oder Operation

Ist der Darm durch einen Tumor verengt oder wurde der Mastdarm operativ verkleinert (z.B. nach der Entfernung eines Tumors oder von Analfisteln), kann es anschliessend zu einer Stuhlinkontinenz kommen.

Übergewicht

Starkes Übergewicht (Adipositas) begünstigt eine schwache Beckenbodenmuskulatur und damit unter anderem eine Stuhlinkontinenz.

Medikamente

Bestimmte Medikamente führen in manchen Fällen zu einer Stuhlinkontinenz. Dazu gehören unter anderem Abführmittel (z.B. Paraffin), Antidepressiva sowie Medikamente gegen Parkinson.

Psychische Störungen

In seltenen Fällen sind psychische Störungen Ursache für eine Stuhlinkontinenz, etwa wenn Betroffene aufgrund eines Traumas in kleinkindliche Verhaltensweisen zurückfallen und dadurch die erlernte Fähigkeit, bewusst Stuhl abzusetzen, verlieren.

Was kann man gegen Stuhlinkontinenz tun?

Eine Stuhlinkontinenz behandelt der Arzt je nach Ursache. Zunächst setzt er meist auf nicht-operative (konservative) Therapien. Dazu kommen beispielsweise Medikamente, Beckenbodentraining, Biofeedback oder eine Ernährungsumstellung infrage. Diese Massnahmen bringen in den meisten Fällen bereits gute Erfolge.

Sind Grunderkrankungen, wie etwa eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, Ursache für die Beschwerden, behandelt der Arzt zunächst diese, um anschliessend Schäden am Schliessmuskel zu versorgen.

In schweren Fällen von Stuhlinkontinenz oder wenn nicht-operative Massnahmen nicht den gewünschten Erfolg bringen, ist eine Operation notwendig.

Beckenbodentraining

Die Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur ist eine wesentliche Voraussetzung, um einer Stuhlinkontinenz entgegenzuwirken. Dabei stärkt Beckenbodengymnastik (= Sphinktertraining) gezielt die Muskulatur im Anal- und Beckenbereich. Vor allem bei Menschen mit Bindegewebsschwäche und bei Frauen, die mehrere Geburten hatten, ist Beckenbodentraining sehr wirksam. Ärzte empfehlen, das Training unter Anleitung spezialisierter Physiotherapeuten durchzuführen.

Übungen bei Stuhlinkontinenz

Um Ihre Beckenboden- und Schliessmuskulatur zu stärken, helfen gezielte Übungen. Auf diese Weise können Sie Ihre Wind- und Stuhlkontrolle verbessern und einer Stuhlinkontinenz vorbeugen.

Übung in Rückenlage

  • Legen Sie sich in Rückenlage auf eine gerade Unterfläche.
  • Strecken Sie die Beine parallel aus und spannen Sie Ihr Gesäss zusammen mit Ihrem Schliessmuskel an (zukneifen!).
  • Halten Sie die Spannung beim Ausatmen für drei Sekunden, und entspannen Sie die Muskulatur anschliessend beim Einatmen.
  • Wiederholen Sie die Übung einmal mit ausgestreckten und überkreuzten Beinen und einmal mit aufgestellten Beinen (Knie gebeugt, Fussflächen am Boden).

Übung im Sitzen

  • Setzen Sie sich auf einen Stuhl.
  • Neigen Sie Ihren Oberkörper leicht nach vorne.
  • Stellen Sie beide Beine nebeneinander, und führen Sie die erste Übung (Übung in Rückenlage) im Sitzen durch.
  • Pressen Sie nun beide Fersen gegeneinander, und drücken Sie gleichzeitig die Knie auseinander.
  • Spannen Sie dabei Ihre Gesässmuskeln an.

Übung in Bauchlage

  • Legen Sie sich in Bauchlage auf eine gerade Unterfläche.
  • Pressen Sie die Fersen aneinander, und drücken Sie gleichzeitig die Knie auseinander.
  • Spannen Sie dabei Ihre Gesässmuskeln an.

Übung im Stehen

  • Stehen Sie gerade.
  • Spannen Sie Ihren Schliessmuskel zusammen mit Ihrer Gesässmuskulatur an.
  • Halten Sie die Spannung beim Ausatmen für drei Sekunden, und entspannen Sie die Muskulatur anschliessend beim Einatmen.
  • Wiederholen Sie die Übung, während Sie gehen.

Übung im Alltag

  • Versuchen Sie im Alltag (z.B. beim Warten an der roten Ampel, beim Zähneputzen am Morgen, beim Autofahren, im Büro) immer wieder, Ihr Gesäss und Ihren Schliessmuskel für einige Sekunden anzuspannen. Halten Sie die Anspannung dabei möglichst lange.

Führen Sie diese Übungen am besten regelmässig (ca. zweimal täglich zehn Wiederholungen pro Übung) durch.

Ernährung

Um eine Darminkontinenz zu behandeln, ist eine sogenannte Stuhlregulierung wichtig. Das bedeutet, der Stuhl sollte im besten Fall nicht zu fest und nicht zu weich sein, und man sollte regelmässig Stuhl absetzen. Ärzte empfehlen daher, auf eine ausgewogene und ballaststoffreiche Ernährung (z.B. Gemüse, Obst, Getreide, Hülsenfrüchte) zu achten und ausreichend Flüssigkeit (mindestens zwei Liter Flüssigkeit pro Tag) zu sich zu nehmen.

Quellende Nahrungsmittel, wie in Wasser eingeweichte Flohsamen, sorgen zusätzlich dafür, dass sich das Stuhlvolumen erhöht, wodurch sich die Stuhlkonsistenz normalisiert. Reis, ein geriebener Apfel oder zerdrückte Bananen helfen dem Darm ebenso, den Stuhlgang zu regulieren.

Lebensmittel, die den Darm reizen, wie Kaffee, Alkohol und blähende Speisen (z.B. Bohnen, Kohl, Getränke mit Kohlensäure), sollten Menschen mit Stuhlinkontinenz hingegen meiden.

Ein Stuhltagebuch kann Ihnen dabei helfen, ein besseres Gespür dafür zu entwickeln, welche Speisen und Gewohnheiten Ihre Kontinenz fördern bzw. die Beschwerden verschlimmern.

Richtiges Stuhlverhalten

Beim Gang auf die Toilette ist es wichtig, auf das richtige Stuhlverhalten zu achten. Beachten Sie dabei Folgendes:

  • Gehen Sie nur auf die Toilette, wenn Sie Stuhldrang haben.
  • Pressen Sie während des Stuhlgangs nicht zu stark.
  • Bleiben Sie nicht zu lange auf der Toilette sitzen (höchstens drei Minuten, kein Zeitungslesen)

Hilfsmittel

Mittlerweile ist eine Vielzahl an Produkten auf dem Markt, die Menschen mit einer Stuhlinkontinenz zur Verfügung stehen. Hilfsmittel wie Windeln für Erwachsene, Einlagen oder Analtampons geben Menschen mit Stuhlinkontinenz einen Teil ihrer Lebensqualität zurück und ermöglichen ihnen, ein fast normales Leben zu führen.

Biofeedback

Um den Beckenboden und die Schliessmuskelspannung selbst besser wahrzunehmen, kann ergänzend der Einsatz von Biofeedback helfen. Dazu platziert der Arzt einen kleinen Ballon über eine Sonde im Analkanal, den der Patient gezielt mit seiner Schliessmuskulatur zusammendrücken muss.

Ein Gerät zeigt dabei über optische oder akustische Signale an, wenn der Betroffene den Ball zusammendrückt. Zudem zeigt es an, wie stark die Kontraktion der Analmuskulatur ist. Das Biofeedback-Training folgt einem individuell festgelegten Übungsplan, den der Arzt erarbeitet. Meist sind nur wenige Sitzungen (etwa sechs bis zehn) nötig, um den Beckenboden wieder zu aktivieren, und Betroffene trainieren (ohne Gerät) anschliessend zu Hause weiter.

Elektrostimulation

Eine Elektrostimulation hilft Betroffenen ebenso dabei, die Funktion ihrer Schliessmuskeln zu verbessern. Dazu führt der Arzt dem Patienten über Elektroden schwachen Strom (Reizstrom) zu, wodurch sich der Schliessmuskel passiv anspannt. Damit die Therapie erfolgreich ist, ist es notwendig, sie regelmässig durchzuführen. Meist sind erst nach einigen Wochen erste Effekte spürbar.

Bei Entzündungen des Mastdarms ist der Einsatz von Biofeedback und Elektrostimulation nicht zu empfehlen, da dies die Darmwand zusätzlich reizt.

Medikamente

Zur Behandlung von Stuhlinkontinenz kommen verschiedene Medikamente infrage. Je nachdem, welcher Effekt gewünscht ist, kann der Arzt entweder Abführmittel (Laxanzien) oder Medikamente, die die Darmtätigkeit hemmen (Motilitätshemmer), verordnen.

Um einem überraschenden Abgang von Stuhl vorzubeugen, verschreibt er Abführmittel, die den Dickdarm dazu anregen, Stuhl auszuscheiden. Zusätzlich kommen etwa milde Abführzäpfen oder Einläufe (Klistiere) infrage, um den Darm zu einem gewünschten Zeitpunkt gezielt zu entleeren.

Motilitätshemmer wie der Wirkstoff Loperamid führen dazu, dass der Transport der Nahrung durch den Darm verlangsamt abläuft. Der Stuhl verdickt sich, und der Betroffene muss seltener auf die Toilette.

Nehmen Sie Medikamente bei Stuhlinkontinenz nicht eigenmächtig ein, sondern nur in Rücksprache mit dem Arzt! Die unkontrollierte Einnahme von Abführmitteln und Motilitätshemmern bringt unter Umständen Ihre Darmtätigkeit durcheinander und verstärkt die Beschwerden.

Operation

Operationen im Beckenbodenbereich sollten im Idealfall von einem spezialisierten Arzt (Proktologen) in einem auf diesen Bereich spezialisierten, chirurgischen Zentrum erfolgen.

Operation am Schliessmuskel

Die am häufigsten angewandte Methode bei Stuhlinkontinenz ist die Operation, bei der der Arzt die Schliessmuskulatur so gut wie möglich wiederherstellt. Dazu näht der Arzt den Schliessmuskel nach Verletzungen oder Einrissen wieder zusammen. Die Operation führt er über den Anus durch, das heisst ohne Bauchschnitt, und ist daher wenig belastend für den Patienten.

Ist der Schliessmuskel stark beschädigt, ersetzt ihn der Arzt häufig durch ein körpereigenes Implantat (meist ein Muskel vom Oberschenkel), auch Gracilis-Plastik genannt. In manchen Fällen verwendet der Arzt einen körperfremden, künstlichen Schliessmuskel oder ein Analband aus Kunststoff.

Darmschrittmacher (Sakrale Nervenstimulation)

Eine neuere Therapie bei Stuhlinkontinenz ist die sogenannte sakrale Nervenstimulation oder Neuromodulation (SNM). Sie folgt dem Prinzip des Herzschrittmachers. Dazu implantiert der Arzt dem Patienten im Bereich des Kreuzbeins eine dünne Elektrode. Ein Schrittmacher, der sich ebenso unter der Haut befindet, gibt dort leichte elektrische Impulse ab, die die Nerven am Enddarm anregen und die Muskelfunktion steigern.

Die Methode eignet sich vor allem für Menschen, deren Stuhlinkontinenz durch eine neurologische Störung ausgelöst ist. Der Eingriff unter Narkose dauert etwa 40 Minuten, meist ist ein kurzer stationärer Aufenthalt im Krankenhaus nötig.

Prolaps-Operation

Bei einem Rektumprolaps (Mastdarmvorfall) fixiert der Arzt den Mastdarm mithilfe eines Kunststoffnetzes am Kreuzbein im kleinen Becken. Diese Operation führt der Arzt meist im Rahmen einer Bauchspiegelung über die Bauchdecke mit einem Endoskop durch. Auch dabei handelt es sich um einen kleinen Eingriff, der keinen grossen Bauchschnitt erfordert.

Dem Eingriff folgt meist ein Krankenhausaufenthalt von vier bis fünf Tagen.

Spritzen mit „Bulking Agents“

In manchen Fällen spritzt der Arzt Substanzen unter die Haut des Analkanals, sogenannte „Bulking Agents“. Dabei handelt es sich um Substanzen wie Teflonpartikel, Kollagen, Silikon oder Bioglas. Sie verbleiben im Gewebe und verengen den Analkanal. Dies ist meist ambulant möglich und für den Betroffenen in der Regel schmerzlos.

Die Wirkung der Bulking Agents hält allerdings oft nur kurz an und muss wiederholt werden. Da zudem allergische Reaktionen auf die Substanzen möglich sind, wird diese Therapie nur in Ausnahmefällen bei Stuhlinkontinenz durchgeführt.

Künstlicher Darmausgang

Versagen alle Möglichkeiten der Behandlung, legt der Arzt in seltenen Fällen einen künstlichen Darmausgang (Stoma) an, den er gegebenenfalls wieder rückoperiert. Dabei verbindet der Arzt einen Teil des Dickdarms mit der Bauchdecke. Dadurch entsteht eine Öffnung, an der ein Beutel zur Stuhlentleerung angebracht ist. Dieser Eingriff sollte jedoch erst nach reiflicher Überlegung stattfinden.

Für eine nachhaltige Behandlung sind nach einer Operation meist nicht-operative Massnahmen zur Unterstützung notwendig.

Was versteht man unter Stuhlinkontinenz?

Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Stuhlkontinenz die erlernte Fähigkeit, „Stuhlgang willentlich ort- und zeitgerecht abzusetzen“. Dementsprechend ist es Menschen mit einer Stuhlinkontinenz (auch Darminkontinenz, anale Inkontinenz, anorektale Inkontinenz oder fäkale Inkontinenz) nicht mehr möglich, ihren Stuhlgang bewusst zurückzuhalten. Flüssiger oder fester Stuhl sowie Darmgase (Blähungen, Winde) entweichen unkontrolliert, ohne dass der Betroffene etwas dagegen tun kann.

Die Stuhlinkontinenz ist keine eigenständige Krankheit, sondern tritt als Symptom bei verschiedenen Erkrankungen auf. Je nach Ausprägung lässt sie sich in drei Schweregrade einteilen:

Grad 1: Die Unterwäsche ist häufig verschmutzt und Darmgase entweichen unkontrolliert.

Grad 2: Die Unterwäsche ist häufig verschmutzt, Darmgase entweichen unkontrolliert und der Betroffene verliert flüssigen Stuhl.

Grad 3: Der Betroffene hat keine Kontrolle mehr darüber, wann und wo er flüssigen sowie festen Stuhl absetzt und Darmgase entweichen lässt.

Wer ist besonders betroffen?

Generell können Menschen jeder Altersklasse von einer Stuhlinkontinenz betroffen sein. Unter einer Stuhlinkontinenz leiden weltweit etwa ein bis drei Prozent der Bevölkerung. Bei älteren Menschen ist die Zahl der Betroffenen um einiges höher als bei jüngeren Menschen.

Laut Experten kommt Darminkontinenz ausserdem bei Frauen etwa vier bis fünf Mal häufiger vor als bei Männern. Grund dafür sind die unterschiedlichen anatomischen Gegebenheiten im Beckenbereich von Männern und Frauen. Zudem begünstigen Schwangerschaften und Geburten die Entstehung von Stuhlinkontinenz bei Frauen.

Psychische Belastung bei Stuhlinkontinenz

Menschen mit Stuhlinkontinenz haben meist einen sehr hohen Leidensdruck, da der Zeitpunkt des Stuhlverlusts nicht vorhersehbar ist. Dies ist oft mit Scham und grossen psychischen Belastungen für die Betroffenen verbunden. Durch ihre Angst, in der Öffentlichkeit in eine unangenehme Situation zu geraten, ziehen sich stuhlinkontinente Menschen häufig zurück.

Sie bleiben am liebsten zu Hause, schlagen Einladungen aus, gehen nicht zu Veranstaltungen oder in Restaurants und teilen sich aus Scham ihrer Umgebung (z.B. Familie, Freunde) nicht mit. Sie leiden meist schwer unter der sozialen Isolation.

Menschen mit Stuhlinkontinenz trauen sich oft auch nicht, ihr Problem mit dem Arzt zu besprechen. Hilfe durch den Arzt und vielfältige Therapien sowie zahlreiche Hilfsmittel stehen aber durchaus zur Verfügung. In vielen Fällen ist die Stuhlinkontinenz gut behandelbar, was Betroffenen meist einen normalen Alltag trotz Darminkontinenz ermöglicht.

Falls Sie den Verdacht haben, selbst von einer Stuhlinkontinenz betroffen zu sein oder dass ein Angehöriger von Ihnen betroffen ist, scheuen Sie sich nicht vor einem Gespräch mit einem Arzt.

Wie stellt der Arzt die Diagnose?

Bei ersten langanhaltenden Schwierigkeiten mit der Stuhlkontrolle (z.B., wenn Blähungen ungewollt entweichen), ist es wichtig, frühzeitig einen Arzt aufzusuchen.

Welcher Arzt zur Diagnose infrage kommt, ist je nach Ursache unterschiedlich. Das kann entweder der Hausarzt, ein Frauenarzt (Gynäkologe), ein Urologe oder ein Enddarmspezialist (Proktologe) sein. Dabei gilt: Je früher Sie sich an einen Arzt wenden, desto schneller kann er Ihnen helfen und die Beschwerden im besten Fall beheben.

Gespräch mit dem Arzt

Zuerst führt der Arzt ein ausführliches Gespräch mit dem Betroffenen und erhebt die Krankengeschichte. Dazu stellt er unter anderem Fragen zu den auftretenden Beschwerden und dem Stuhlverhalten.

Ärzte empfehlen, etwa ab zwei Wochen vor dem Arzttermin ein Tagebuch über die Toilettengewohnheiten zu führen:

  • Wie oft am Tag haben Sie Stuhlabgang?
  • Wie oft müssen Sie sich beeilen, um rechtzeitig zur Toilette zu kommen?
  • Wie oft haben Sie unkontrollierten Stuhlabgang, weil Sie den Abgang nicht lange genug hinauszögern konnten?
  • Wie oft geht Stuhl unkontrolliert ab, ohne dass Sie es spüren?
  • Tragen Sie Einlagen/Windeln?
  • Ist Ihre Unterwäsche bzw. sind Ihre Einlagen verschmutzt?
  • Hindert Sie Ihre Stuhlinkontinenz daran, normalen Alltagstätigkeiten nachzugehen, wie beispielsweise die Wohnung zu verlassen oder einkaufen zu gehen?
  • Wie ist die Konsistenz Ihres Stuhls? Überwiegend fest, weich, flüssig?

Ein offenes Gespräch mit dem Arzt ist der erste Schritt, um die Ursache für die Beschwerden zu finden, und trägt wesentlich dazu bei, die richtige Behandlung zu finden.

Der Weg zur Abklärung dauert oft sehr lange. Viel Betroffene weigern sich aus Scham und Angst, über das Thema zu sprechen. Aber scheuen Sie sich nicht, sich Ihrem Arzt anzuvertrauen. Er ist dazu da, Ihnen zu helfen und Ihre Lebensqualität mit einer geeigneten Behandlung zu verbessern.

Körperliche Untersuchung

Es folgt eine körperliche Untersuchung. Dazu hört der Arzt den Bauch auf ungewöhnliche Darmgeräusche mit einem Stethoskop ab. Zudem inspiziert er den Analbereich, um mögliche Hautveränderungen, Fissuren, Narben, Hämorrhoiden oder Fisteln auszuschliessen.

Um den Schliessmuskel und den Mastdarm zu beurteilen, tastet der Arzt diese behutsam ab. Dabei stellt er unter anderem fest, wie stark die Eigenspannung des Schliessmuskels in Ruhe und beim bewussten Zusammenkneifen ist. Gegebenenfalls stellt der Arzt durch das Abtasten fest, ob Polypen oder Tumoren vorliegen.

Weiterführende Untersuchungen

Anschliessend führt der Arzt eine Rektoskopie (Spiegelung des Mastdarms) und Koloskopie (Spiegelung des Dickdarms) durch. Damit schliesst er unter anderem Tumoren als (seltene) Ursache für eine Stuhlinkontinenz aus.

Es folgen weitere Untersuchungen, um die Funktion des Schliessmuskels zu beurteilen. Mit der sogenannten Sphinktermanometrie (anorektale Manometrie) misst der Arzt mittels einer kleinen Sonde (Messkatheter) die Druckwerte im Analkanal. Eine anale Untersuchung mit Ultraschall (Endosonografie) gibt dem Arzt zudem Aufschluss, ob Verletzungen des Schliessmuskels, wie sie beispielsweise nach Entbindungen oder Operationen auftreten, vorliegen.

Mithilfe einer Defäkografie ist es möglich, die Beweglichkeit des Beckenbodens zu beurteilen sowie Aussackungen im Enddarm festzustellen. Dazu verabreicht der Arzt dem Patienten über den After röntgendichtes Kontrastmittel, das beim nächsten Stuhlgang über einen Video-Röntgenfilm die funktionellen Abläufe der Darmentleerung sichtbar macht.

Gegebenenfalls nutzt der Arzt bildgebende Verfahren wie eine Computertomografie (CT) oder eine Magnetresonanztomografie (MRT), um Schnittbilder des Schliessmuskels und des Beckenbodens anzufertigen.

Ist Stuhlinkontinenz heilbar?

Die Prognose bei einer Stuhlinkontinenz ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Sowohl die Ursache als auch das Alter des Betroffenen beeinflussen den Verlauf. Entsprechende Therapien lindern die Beschwerden jedoch häufig und verbessern die Lebensqualität deutlich. Allerdings ist es nicht immer möglich, die Stuhlkontrolle wieder vollständig herzustellen.

Wie beugt man Stuhlinkontinenz vor?

Nicht in allen Fällen ist es möglich, einer Stuhlinkontinenz gezielt vorzubeugen. Allerdings gibt es einige Massnahmen, mit denen Sie Ihr Risiko deutlich senken:

  • Bewegen Sie sich regelmässig.
  • Stärken Sie Ihre Beckenbodenmuskulatur (z.B. durch Beckenbodentraining oder gezielte Übungen).
  • Vermeiden Sie Überg
  • Ernähren Sie sich ausgewogen und ballaststoffreich (z.B. Gemüse, Obst, Getreide, Hülsenfrüchte).
  • Verzichten Sie auf blähende Lebensmittel (z.B. Bohnen, Kohl, Getränke mit Kohlensäure).
  • Trinken Sie ausreichend (mindestens zwei Liter Flüssigkeit pro Tag).
  • Achten Sie auf regelmässigen Stuhlgang.

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