Sepsis (Blutvergiftung)

Eine Sepsis wird umgangssprachlich auch als "Blutvergiftung“ bezeichnet. Sie beschreibt eine potenziell lebensbedrohliche Organfunktionsstörung infolge einer fehlgeleiteten Immunantwort des Körpers auf eine – meist bakteriell bedingte – Infektion.
Kurzfassung:
- Eine Sepsis geht von einer lokalen Infektion aus und breitet sich im Körper aus, wenn die Krankheitserreger in den Blutkreislauf gelangen.
- In den meisten Fällen sind Bakterien Auslöser einer Sepsis, seltener auch Viren, Pilze oder Parasiten.
- Anzeichen für eine Sepsis sind unter anderem Fieber, Schüttelfrost, Unruhe, Desorientierung und rote Flecken auf der Haut.
- Die Behandlung der Sepsis erfolgt auf der Intensivstation.
Was ist eine Sepsis?
Die Sepsis (Blutvergiftung) ist ein komplexes Krankheitsbild, definiert als lebensbedrohliche Organfunktionsstörung durch eine fehlregulierte Immunantwort als Reaktion auf eine Infektion. Meist geht die Sepsis von einem lokal begrenzten Infektionsherd aus, etwa von einem entzündeten Blinddarm oder entzündetem Lungengewebe (Lungenentzündung ).
Kann die örtliche Infektion nicht effektiv eingegrenzt werden, breiten sich die Erreger über das Blut im gesamten Körper aus. Die Erreger, aber auch von ihnen produzierte Giftstoffe (Toxine) lösen eine allgemeine Entzündungsreaktion und damit eine Immunantwort aus. Die körpereigenen Abwehrzellen setzen bestimmte Reaktionen in Gang, um die Krankheitserreger zu bekämpfen. Im Falle einer Sepsis entgleist diese Immunantwort jedoch.
Es werden mehr und mehr entzündungsfördernde (proinflammatorische) Botenstoffe produziert, die sich nicht nur gegen die Erreger bzw. ihre Toxine richten, sondern auch zu systemischen Funktionsstörungen und Schäden in allen Organen führen – bis hin zum Organversagen.
Zusätzlich werden vom Immunsystem auch "antiinflammatorische“ (entzündungshemmende) Stoffe – also Gegenspieler der proinflammatorischen Immunreaktion – produziert, die aber wiederum selbst Schäden an den Organen auslösen bzw. Sekundärinfektionen begünstigen können. Warum es zu dieser Fehlregulation des Immunsystems kommt, ist noch nicht restlos geklärt.
+++ Mehr zum Thema: Immunsystem +++
Was geschieht bei einer Sepsis im Körper?
- Blutdruckabfall
Botenstoffe von Entzündungszellen und bestimmten Infektionserregern bewirken, dass die Gefäße durchlässiger für Flüssigkeit werden und sich erweitern. Dadurch bilden sich Wasseransammlungen im Gewebe (Ödeme) und der Blutdruck sinkt in den erweiterten Gefäßen stark ab. Das Herz versucht, durch schnelleres Schlagen den Blutdruck weiter aufrechtzuerhalten.
- Bildung von Blutgerinnseln
Zusätzlich bilden sich Blutgerinnsel, welche die Durchblutung kleiner Gefäße blockieren können (Mikrozirkulationsstörung). In sämtlichen Organen des Körpers kann es dadurch zu Sauerstoffmangel kommen und es können erhebliche Schäden entstehen.
- Beschleunigung der Atmung
Da sich unkontrolliert Blutgerinnsel im Körper bilden, ist die Blutgerinnung bei Verletzungen stark eingeschränkt. Schon durch geringste Gefäßverletzungen entstehen Hauteinblutungen und Organblutungen, wodurch es zu einem ausgeprägten Blutverlust kommen kann. Durch den Sauerstoffmangel wird die Atmung beschleunigt, wodurch der Säure-Basen-Haushalt im Körper aus dem Gleichgewicht geraten kann.
+++ Mehr zum Thema: Schock +++
Welche Ursachen hat eine Sepsis?
Eine Sepsis kann als Komplikation jeder akuten, zunächst lokal begrenzten Infektion auftreten, etwa bei Lungenentzündung , Harnwegsinfekten, aber auch Wundinfektionen. Auslöser sind in der Regel Bakterien, seltener Viren oder Pilze.
Häufige Primärherde sind:
- Infektionen der Lunge (Pneumonie)
- Harnwegsinfekte
- Infektionen des Magen-Darm-Trakts
- Infektionen der Hirnhaut (Meningitis)
- Infektionen der Nieren (Nephritis)
- Infektionen der Haut (Wunden, Abszesse)
- Infektionen der Knochen (Osteomyelitis)
- Infektionen des Bauchfells (Peritonitis)
Im Krankenhaus sind neben Operationen auch invasive Untersuchungen und Eingriffe mögliche Ausgangspunkte einer Sepsis. Ein in der Blase liegender Katheter kann beispielsweise dort zunächst eine Harnwegsentzündung verursachen, aus der sich anschließend eine Sepsis entwickelt. Auch länger liegende Gefäßzugänge können eine Eintrittspforte für Keime darstellen. Bei Patienten, die mechanisch beatmet werden, sind Lungenentzündungen mit nachfolgender Sepsis gefürchtet.
+++ Mehr zum Thema: Krankenhauskeime +++
Welche Symptome treten bei einer Sepsis auf?
Eine Sepsis kann sich rasch innerhalb von Stunden entwickeln. Meistens haben die Patienten folgende Beschwerden:
- hohes Fieber
- Schüttelfrost
- beschleunigte Atmung, Atemprobleme
- beschleunigter Herzschlag
- niedriger Blutdruck
- Schläfrigkeit
- Unruhe
- Verwirrung
An der oft überwärmten Haut können rote Flecken entstehen (Erythem). Übelkeit und Erbrechen sind ebenfalls möglich. In fortgeschrittenen Stadien kommen weitere Symptome dazu, je nachdem, welche und wie stark die verschiedenen Organsysteme (Niere, Lunge, Leber, Darm, Herz, Gehirn) geschädigt sind.
Die Urinproduktion sinkt aufgrund von Nierenschäden ab und kann bei einem Nierenversagen komplett zum Erliegen kommen. Luftnot und übermäßiges Atmen (Hyperventilation) können Zeichen einer schweren Lungenschädigung und Kreislaufbelastung sein. Bei schwerer Leberschädigung entwickeln die Betroffenen eine Gelbsucht. Ist ein Organ so stark beeinträchtigt, dass es seine Aufgaben im Körper nicht mehr erfüllen kann, sprechen Ärzte von einem Organversagen. Ist mehr als ein Organ in einer solchen Situation, spricht man von einem Multiorganversagen.
Durchblutungsstörungen können nicht nur an Organen, sondern auch an Armen und Beinen auftreten und schwere Gewebeschäden hinterlassen. Finger und Zehen können sich verfärben, absterben und müssen möglicherweise amputiert werden. Eine Sepsis kann zudem mit starken Schmerzen einhergehen, wenn die Erkrankung schon sehr weit fortgeschritten ist.
+++ Mehr zum Thema: Blutsauerstoff und Sauerstoffsättigung +++
Risikofaktoren für eine Sepsis
Die Sepsis ist eine häufige Komplikation schwerer Infektionen. Ihre Zahl hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Grundsätzlich kann jeder Mensch an einer Sepsis erkranken. Besonders gefährdet sind Menschen ...
- in höherem Alter
- mit chronischen Erkrankungen (u.a. von Lunge, Herz, Leber und Nieren)
- mit Diabetes
- mit übermäßigem Alkoholkonsum
- mit eingeschränktem Immunsystem (z.B. nach Organtransplantation)
- die sich mit Antibiotika resistenten Keimen infiziert haben
Wie wird eine Sepsis diagnostiziert?
Bei Verdacht auf eine Sepsis müssen Diagnostik und Therapie so rasch wie möglich beginnen. Hierfür wurden unterschiedliche Score-Systeme entwickelt. Zu diesen gehören der sogenannte SOFA-Score (Sepsis Organ Failure Assessment Score) und der im Jahr 2016 entwickelte Sequential (Sepsis-related) Organ Failure Assessment Score.
Beide Systeme berücksichtigen folgende Punkte:
- Lungenfunktion
- zentrales Nervensystem
- Kreislauf
- Gerinnung
- Leberfunktion
- Nierenfunktion
Besteht aufgrund des SOFA-Scores der Verdacht auf eine Sepsis, entnimmt der Arzt zunächst eine Blutprobe. Nun wird versucht, den Erreger direkt nachzuweisen (mittels Blutkultur oder Chip-Verfahren). Ebenfalls auf Krankheitserreger untersucht werden Körperflüssigkeiten aus Organen, in denen die Quelle der Infektion vermutet wird, wie Urin, Speichel (Sputum), Wundflüssigkeit oder Bronchialschleim.
Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen sowie Computertomografien können nötig sein, um den Ort der ursprünglichen Infektion zu lokalisieren. Mittels Röntgenuntersuchung des Brustkorbs kann etwa eine Lungenentzündung nachgewiesen werden. Weiters werden regelmäßig Bluttests durchgeführt, um eventuelle Gerinnungsstörungen zu erkennen und die Körperfunktionen zu überwachen.
+++ Mehr zum Thema: Blutuntersuchung +++
Wie wird eine Sepsis behandelt?
Eine Sepsis wird auf der Intensivstation behandelt, um eine engmaschige Kontrolle des Zustands des Patienten zu ermöglichen.
- Eine Infusionstherapie mit Medikamenten gegen den bzw. die Erreger ist notwendig.
- Sofern möglich, wird auch ein Chirurg versuchen, den Ursprung der Infektion zu säubern.
Medikamentöse Behandlung
Patienten werden auf der Intensivstation genau überwacht und erhalten neben Infusionen mit großen Mengen an Flüssigkeit oft für einige Zeit auch Schmerz- und Beruhigungsmittel. Es wird zunächst ein gegen möglichst viele Keime wirksames Mittel verabreicht. Später, wenn Laboruntersuchungen den Krankheitserreger und seine Resistenzen genau identifiziert haben, kann die Therapie auf ein Antibiotikum mit zielgerichteter Wirkung umgestellt werden. Die Auswahl orientiert sich dementsprechend an:
- der Infektionsquelle
- der Grunderkrankung
- den ermittelten Resistenzen der Erreger
- vorbestehenden Antibiotikatherapien
- Risikofaktoren
Chirurgische Säuberung und Basismaßnahmen
Wenn möglich, versuchen Chirurgen, den Infektionsherd, von dem die Sepsis ausgeht, zu säubern oder herauszuschneiden. Sauerstoffversorgung, Kreislauf, Säure-Basen-Haushalt, alle Organfunktionen und Gerinnung werden auf der Intensivstation genau überwacht. Die Patienten erhalten Sauerstoff über die Nase, wenn dies nötig ist und sie eigenständig ausreichend atmen können. Zur Unterstützung des Blutdrucks ist es meist notwendig, große Mengen an Flüssigkeit über Infusionen zuzuführen.
Sonstige notwendige Behandlungen
Je nachdem, welche Organsysteme in Mitleidenschaft gezogen sind, können weitere Behandlungen nötig sein:
- bei Nierenversagen: Blutwäsche (Dialyse)
- bei Lungenversagen: mechanische Beatmung
- bei septischem Schock: Gabe von Medikamenten zur Unterstützung des Kreislaufs
- bei überschießender Immunreaktion: Glukokortikoide zur Dämpfung
- bei Gerinnungsstörungen: Gabe von gerinnungshemmenden Medikamenten
- bei Störungen des Zuckerstoffwechsels: Gabe von Insulin
Eine Ernährung mittels Magensonde oder, wenn dies nicht möglich ist, über einen Gefäßkatheter kann bei längerer Krankheitsdauer nötig sein.
Autoren:
Jochen Niehaus, Christopher Waxenegger
Medizinisches Review:
Ao. Univ.-Prof. Dr. Andreas Spittler
Redaktionelle Bearbeitung:
Dr. med. Lisa Demel, Mag. Astrid Leitner
Weitere Artikel zum Thema
Wie werden Infektionen übertragen?
Krankheitserreger können auf unterschiedliche Art und Weise in den Körper gelangen, die meisten haben einen für sie typischen Übertragungsweg.
Wie gelangen Erreger in den Körper?
Bakterien, Viren und Einzeller können über verschiedene Eintrittspforten in den Körper gelangen.
Lungenentzündung
Die Pneumonie ist eine Entzündung des Lungengewebes. Sie wird meist von Viren oder Bakterien verursacht.