Resilienz

Von , Redakteurin
Miriam Steinbach

Miriam Steinbach studierte Soziologie und Psychologie in Heidelberg. Anschließend absolvierte sie ein journalistisches Volontariat in Karlsruhe und schrieb Texte für ein Gesundheits- und Lifestyle-Magazin. Ihr großes Interesse an digitaler Gesundheit führte sie 2019 zur NetDoktor/mylife-Gruppe. Bei NetDoktor bringt sie seitdem ihre medizinredaktionelle Expertise vor allem im Bereich Alternativmedizin ein.

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Jobverlust, Scheidung oder der Tod eines Familienmitglieds: Manche Menschen fallen selbst in den grössten Stürmen des Lebens nicht um. Sie sind resilient, also widerstandsfähig. Lesen Sie hier, was Resilienz genau ist, welche Faktoren sie ausmachen und ob es möglich ist, auch im Erwachsenenalter die eigene Belastbarkeit zu stärken.

Resilienz

Resilienz: Was ist das?

Der Begriff Resilienz leitet sich ab vom englischen Wort „resilience“. Es steht im Deutschen für Spannkraft, Widerstandsfähigkeit oder Elastizität. In der Psychologie definiert Resilienz die Fähigkeit zu Belastbarkeit und innerer Stärke.

Das bedeutet: Bei resilienten Menschen bleibt die psychische Gesundheit während und nach Widrigkeiten erhalten oder ist schnell wieder hergestellt - beispielsweise nach einer Scheidung, einem Jobverlust oder dem Tod eines nahstehenden Menschen. Wer resilient ist, lässt sich im Optimalfall von solch schwierigen Lebensumständen nicht entmutigen, sondern lernt etwas daraus und integriert die Erfahrungen.

Resilienz vermeidet häufig psychische Erkrankungen

Stress, traumatische Ereignisse oder belastende Lebensumstände lösen häufig psychische Erkrankungen wie Depression, Angst oder Sucht aus. Deshalb spielt das Konzept der Resilienz auch bei verschiedenen Behandlungsmethoden eine Rolle.

Die Bezeichnung von Resilienz als innere Widerstandsfähigkeit kommt ursprünglich aus der Entwicklungspsychologie und bezog sich zunächst auf Kinder, die sich trotz belastender Umstände normal entwickelten.

Wechselspiel von Risiko- und Schutzfaktoren

Was Resilienz im Detail genau ausmacht, ist bis heute nicht komplett erforscht. Klar ist aber: Resilienz ist ein komplexer psychischer Mechanismus, bei dem das Wechselspiel von Risiko- und Schutzfaktoren im Leben eines Menschen entscheidend ist. Auch die Genetik spielt eine Rolle.

Ausserdem hat sich gezeigt: Resilienz ist nicht allein ein statisches Persönlichkeitsmerkmal, sondern auch eine erlernbare Strategie, wie ein Mensch mit Problemen umgeht. Deshalb lässt sich Widerstandsfähigkeit selbst im Alter noch stärken.

Faktoren für Resilienz

Was ein Mensch als Stress oder Herausforderung empfindet, ist subjektiv. Es gibt jedoch einige Faktoren, die einen Menschen resistenter dagegen machen. Wir stellen Ihnen diese Faktoren vor.

Feste Bindungen

Die Entwicklungspsychologin Emmy Werner startete in den 1950er-Jahren auf der hawaiianischen Insel Kauai eine Langzeitstudie, bei der knapp 700 Jungen und Mädchen aus schwierigen Verhältnissen teilnahmen.

Im Laufe der Zeit zeigte sich, dass vor allem die Kinder, die eine liebevolle Bezugsperson hatten, später als Erwachsene ein stabiles Leben führten. Die Bezugsperson musste dabei nicht zwangsläufig ein Elternteil sein. Sie entwickelten auch durch einen verlässlichen Verwandten, einen Nachbarn oder einen Lehrer eine innere Widerstandsfähigkeit.

Die Ergebnisse der Hawaii-Studie zeigen: Bindung ist ein wichtiger Schutzfaktor. Für die Ausprägung von Resilienz ist es bedeutsam, dass ein Kind zumindest eine enge Bezugsperson hat, die sich liebevoll kümmert, auf Bedürfnisse reagiert, Grenzen setzt und Orientierung bietet. Es zeigte sich auch in anderen Studien: Eine einzige verlässliche Bindung macht häufig Risikofaktoren wie Armut wett.

Genetik

Verschiedene Wissenschaftler haben ausserdem herausgefunden, dass es mehrere „Resilienz-Gene“ gibt. Zu ihnen gehören:

Gen 5-HTT

Das Gen 5-HTT enthält die Bauanleitung für den Transporter des Glückshormons Serotonin. Das Besondere: Es gibt davon eine kürzere und eine längere Version. Die lange Variante des Serotonintransporters vermittelt offenbar Widerstandskraft gegen widrige Umstände.

Gen MAO-A

Ausserdem gibt es das sogenannte „Gewaltspiralen“-Gen. Es handelt sich erneut um eine Erbanlage, die den Serotoninstoffwechsel betrifft, nämlich das Gen für das Enzym Monoaminooxidase-A (MAO-A). Die Genvariante für eine hohe MAO-A-Aktivität vermittelt psychische Widerstandskraft gegen widrige Umstände.

Wissenschaftler konnten den Effekt aber nur für männliche Probanden nachweisen, da das Gen für MAO-A auf dem X-Chromosom liegt. Während Männer nur ein X-Chromosom besitzen, haben Frauen zwei davon. Eine Mutation im MAO-A-Gen schlägt bei ihnen deshalb nicht so stark durch.

Zusammenspiel von Umwelt und Genetik: Epigenetik

Eine ungünstige genetische Voraussetzung bedeutet aber nicht, dass ein Mensch nicht resilient sein kann. Vielmehr ist das Zusammenspiel von Umwelt und Genetik entscheidend. Konkret: die Epigenetik.

Im Laufe des Lebens verändert sich das Erbgut eines Menschen durch epigenetische Prozesse stetig weiter. Das bedeutet: Wenn wir bestimmte Erfahrungen machen, schlagen sie sich an zahlreichen Orten im Körper als chemische Markierungen in der DNA nieder.

Zu den typischen Faktoren, die Spuren hinterlassen gehören:

  • Stress
  • Ernährung
  • Drogen
  • Luftverschmutzung
  • geistige Anstrengung

Die epigentischen Veränderungen lassen sich aber auch wieder löschen. Forscher vermuten, dass besonders Menschen, die leicht mit epigenetischen Veränderungen auf die Umwelt reagieren, wiederum auch von positiven Verhaltensweisen profitieren und dadurch resilienter werden. Beispielsweise durch Entspannungsübungen, Anti-Stress-Training oder eine Psychotherapie.

Das zeichnet einen resilienten Menschen aus

Bei der Hawaii-Studie kam heraus, dass besonders freundliche und anschmiegsame Kinder leichter eine Bezugsperson fanden. Eine offene Persönlichkeit ist deshalb eine wichtige Voraussetzung, um Bindungen einzugehen und dadurch widerstandsfähig zu werden.

Resiliente Menschen zeigen im Grosshirnrindengebiet ausserdem weniger Aktivität. Das bedeutet: Sie machen sich weniger Sorgen um Vergangenheit oder Zukunft. Dadurch regen Sie sich nicht so stark auf und warten gelassener ab, was passieren wird. Sie sind so auch achtsamer im Alltag. Das wirkt sich unter Umständen positiv auf den Blutdruck aus.

Ausserdem haben resiliente Menschen häufig diese Eigenschaften:

Emotionale Ausgeglichenheit

Resiliente Menschen sind emotional ausgeglichen. Ihre Frusttoleranz ist hoch und sie verfügen über ein flexibles sowie wenig impulsives Temperament. Von Gegenwind im Leben lassen sie sich nicht frustrieren, sondern gehen die Probleme an. Sie sehen sich nicht als Opfer des Schicksals, sondern nehmen ihr Leben in die Hand.

Selbstwirksamkeit

Eine weitere Eigenschaft, die typisch für resiliente Menschen ist: Sie glauben an sich und sind optimistisch. Meist haben sie bereits früh eine sogenannte Selbstwirksamkeitserwartung erworben. Das bedeutet: Sie haben die Überzeugung, gezielt Einfluss auf die Welt nehmen zu können. Sie glauben, dass sich die Dinge so entwickeln, wie sie es sich wünschen. Ein Beispiel für Selbstwirksamkeit ist der Slogan von Barack Obama „Yes, wie can!“.

In Studien zeigte sich weiter: Die Erwartung, ein Problem lösen zu können, hilft auch in der Realität. Aus Selbstwirksamkeit erwächst so ein gesundes Selbstbewusstsein – eine weitere wichtige Voraussetzung für Resilienz.

Intelligenz und Humor

Intelligenz ist ein weiterer Faktor für Resilienz. Dadurch schafft es ein Mensch leichter, kreative Wege aus der Krise zu finden. Humor hilft, Spannungen abzubauen und soziale Unterstützung zu gewinnen.

Die sieben Säulen der Resilienz

Es gibt verschiedene Modelle in der Psychologie, die sich mit Resilienz auseinandersetzen und erklären, wie sich im Alltag der Umgang mit Stress und Krisen trainieren lässt. Die „sieben Säulen der Resilienz“ ist ein Modell von Ursula Nauber, auf das in zahlreichen Kursen in Deutschland zurückgegriffen wird.

Zu den sieben Säulen der Resilienz gehören:

  1. Optimismus: Bezieht sich auf die Haltung, dass Probleme lösbar sind und überwunden werden können.
  2. Akzeptanz von Krisen. Erst wenn Probleme akzeptiert werden, können Lösungen gefunden werden.
  3. Lösungsorientierung: Wichtig ist es im dritten Schritt, eine Lösung für das Problem zu finden und dadurch die Kontrolle über die Krise zu bekommen.
  4. Opferrolle verlassen: Um handlungsfähig zu sein, ist es bedeutsam, sich wieder der eigenen Fähigkeiten bewusst zu sein und sich nicht als Opfer des Schicksals zu sehen.
  5. Verantwortung übernehmen: Das Erkennen, dass man selbst für Dinge zuständig ist und sie gezielt beeinflussen kann.
  6. Netzwerkorientierung: Enge Bindungen vermitteln ein Gefühl der Zugehörigkeit und senken das Stresslevel.
  7. Zukunftsplanung: Ein Teil der Zukunft lässt sich planen. Es ist deshalb gut, sich auf Krisen vorzubereiten beziehungsweise sie im Optimalfall rechtzeitig zu erkennen, gegenzusteuern und sie dadurch zu vermeiden.

So lässt sich Resilienz fördern – die besten Tipps

Von der Forschung gibt es einige praktische Tipps, um im Alltag resilienter zu werden. Dazu gehören:

  • Es ist wichtig, die eigenen Stärken und Schwächen zu kennen.
  • Akzeptieren Sie, dass Veränderungen zum Leben gehören.
  • Arbeiten Sie nicht an mehreren Problemen gleichzeitig. Wer privat mit seiner Beziehung zu kämpfen hat, sollte nicht auch noch im Berufsleben einen Konflikt provozieren.
  • Fühlen Sie sich nicht als Opfer des Schicksals. Es gibt immer einen Neuanfang. Vielleicht ist eine Krise auch die Chance für Neues, das Sie glücklich macht.
  • Setzen Sie sich realistische Ziele.
  • Pflegen Sie Ihre sozialen Beziehungen.
  • Tun Sie sich etwas Gutes. Positive Gefühle wie Freude, Liebe oder Humor stärken die Abwehrkräfte und kompensieren negative Erlebnisse.
  • Setzen Sie Grenzen im Umgang mit anderen Menschen. Wenn Ihnen beispielsweise bestimmte Freundschaften nur Kraft rauben, müssen Sie nicht weiter in Kontakt bleiben.
  • Ist jemand verstorben, ist es manchmal hilfreich, sich daran zu erinnern, welche Belastungen Sie schon überstanden haben. Erinnern Sie sich noch an Strategien, die Ihnen geholfen haben? Wenn ja, vielleicht eignen sie sich auch in dieser schweren Zeit.
  • Gehen mit Ihrem Kummer auch Schlafstörungen, Niedergeschlagenheit oder Antriebslosigkeit einher und dauern sie über zwei Wochen an, gehen Sie zu einem Arzt und klären Sie die Symptome ab. Eventuell ist eine Psychotherapie ratsam.

Kinder und Resilienz

Ein Baby hat durch die Gene bereits ein gewisses Mass an Resilienz. Weitere innere Widerstandskraft entsteht in den ersten Lebensjahren. Besonders wichtig sind in dieser Zeit ein positives Erziehungsklima, die Übertragung von Verantwortung und die Vermittlung eines Zugehörigkeitsgefühls.

Es ist dabei aber keineswegs ratsam, Probleme von Kindern fernzuhalten. Laut der Psychologin Christina Berndt muss Resilienz wie ein Muskel trainiert werden. Eltern, die ihre Kinder überbehüten, erreichen häufig das Gegenteil, von dem was sie eigentlich anstreben: Sie schützen ihre Kinder nicht, sondern machen sie labiler, weil sie mit Schwierigkeiten nicht umgehen können.

Für den Alltag bedeutet das konkret: Überall da, wo ein Kind nicht unbedingt Hilfe braucht, sollten Eltern es gewähren lassen. Beispielsweise schafft es ein Zweijähriger auch allein, wieder aufzustehen, wenn er hingefallen ist.

Bei älteren Kindern ist es hilfreich, ihnen altersgerechte Verantwortung zu übertragen. Das können einfache Aufgaben im Haushalt sein wie den Müll rausbringen oder das Kinderzimmer aufräumen.

Kinder werden dann am ehesten resilient, wenn Eltern sie autoritativ erziehen. Das heisst, dass sie Wärme und Unterstützung zeigen, aber auch klare Grenzen setzen und kontrollieren. Wenn Kinder negative Erfahrungen machen, ist es ausserdem wichtig, ihnen zu zeigen, dass Sie als Erwachsener da sind – egal welchen Unsinn sie angestellt haben. Das ist einer der wichtigsten Schutzfaktoren im Leben.

Von Bedeutung für innere Widerstandsfähigkeit ist es ausserdem, dass ein Kind Vertrauen in die eigene Kraft und Fähigkeiten gewinnt. Es muss sich selbst als wertvoll erleben und das Gefühl bekommen, dass es durch seine Handlungen etwas verändern kann.

Grenzen von Resilienz

Auch wenn Resilienz im Laufe des Lebens erlernbar ist, gibt es Grenzen des Konzepts. Gesellschaftliche Ungerechtigkeiten werden beispielsweise nicht berücksichtigt. Vielmehr hat der Einzelne selbst die Verantwortung, seine Krisen zu bewältigen. Das übt aber einen grossen Druck aus.

Einstellungen auf emotionaler Ebene sind ausserdem oft schwer zu ändern. Hat jemand bereits in seiner Kindheit viele negative Dinge erlebt hat und bekommt nun keinen Job, fällt es ihm häufig nicht leicht, seine Lebenseinstellung ins Positive zu drehen.

Dazu ist der eigene Handlungsspielraum im Leben manchmal auch eingeschränkt. Fleiss, Optimismus und Offenheit garantieren nicht automatisch, dass alles gut wird. Oft braucht es auch Glück und die passende Chance, um aus schwierigen Situationen wieder herauszukommen. Es genügt dann nicht allein, flexibel und anpassungsfähig zu sein.

Wer sich mit seinen Krisen und Sorgen überfordert fühlt und länger als zwei Wochen mit körperlichen Problemen wie Schlafstörungen, Antriebslosigkeit und Rücken-, Magen- oder Kopfschmerzen zu kämpfen hat, sollte sich ärztliche Hilfe suchen.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:

Miriam Steinbach studierte Soziologie und Psychologie in Heidelberg. Anschließend absolvierte sie ein journalistisches Volontariat in Karlsruhe und schrieb Texte für ein Gesundheits- und Lifestyle-Magazin. Ihr großes Interesse an digitaler Gesundheit führte sie 2019 zur NetDoktor/mylife-Gruppe. Bei NetDoktor bringt sie seitdem ihre medizinredaktionelle Expertise vor allem im Bereich Alternativmedizin ein.

Quellen:
  • Berndt, C.: „Epigenetik und Resilienz – was die Seele stark macht“, www.suchtberatung-ags.ch (Abruf 09.12.2021)
  • Berndt, C.: „Resilienz. Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft“, dtv, 2015
  • Bundeszentrale für politische Bildung: „Resilienz“, www.bpb.de (Abruf 09.12.2021)
  • Herrman, H. et al: „What is resilience?”, www.pubmed.ncbi.nlm.nih.gov (Abruf 09.12.2021)
  • Kalisch, R.: „Der resiliente Mensch“ Berlin Verlag, 2017
  • Resilienz Akademie: „Sieben Säulen der Resilienz nach Ursula Nuber“, www.resilienz-akademie.com (Abruf 09.12.2021)
  • Stangl, W.: „Resilienz– Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik“, www.stangl.de
  • Wu, G.: “Unterstanding resilience“, www.ncbi.nlm.nih.gov (Abruf 09.12.2021)
  • Wustmann, C.: „Resilienz. Widerstandsfähigkeit von Kindern in Tageseinrichtungen fördern“, Cornelsen, 2004
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