Psychische Erkrankungen

Psychische Erkrankungen sind ebenso vielfältig wie die Krankheiten des Körpers. Sie beinträchtigen Stimmungen und Gefühle, verursachen Ängste und Zwangshandlungen, verzerren die Wahrnehmung oder stören Denkvermögen und Gedächtnis. Lesen Sie hier, welche Erkrankungen psychische Ursachen haben, wie man sie einteilt, woran man sie erkennt und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.

Erkrankungen der Seele sind weit verbreitet: Jeder dritte Bundesbürger leidet innerhalb eines Jahres unter einer oder gleich mehreren seelischen Krankheiten. Da psychische Erkrankungen nicht sichtbar sind wie ein gebrochenes Bein, wird das Leid, das sie verursachen, häufig unterschätzt. Ein großer Teil der Betroffenen erhält keine Hilfe. Lesen Sie hier, welche Formen psychischer Erkrankungen es gibt, wie man sie behandeln kann und wo Sie Hilfe finden.    

Psychische Krankheiten von A bis Z

Die am stärksten verbreiteten psychischen Erkrankungen sind Angststörungen. Mehr als 16 Prozent der Menschen leiden hierzulande innerhalb eines Jahres darunter, gefolgt von alkoholbedingten Störungen (11 Prozent) und Depressionen (8 Prozent). Häufig erleben die Betroffenen gleich mehrere psychische Krankheiten, die sich gegenseitig verstärken können. Beispielsweise treten Depressionen und Angststörungen häufig gemeinsam auf. Viele psychisch erkrankte Menschen versuchen zudem, ihre Symptome mit Alkohol oder anderen psychisch wirksamen Substanzen in schädlichem Maße selbst zu „therapieren“.

Psychische Störungen: Welche Formen gibt es?

Abhängig von den Symptomen und Ursachen lassen sich psychische Krankheiten in verschiedene Gruppen einordnen.    

Angststörungen

Bei einer Angststörung leidet der Patient unter Ängsten, für die es objektiv gesehen keinen oder keinen angemessenen Anlass gibt. Die Symptome einer Angststörung können so gravierend sein, dass die Betroffenen in ihrer Teilnahme am Leben stark eingeschränkt sind.

Affektive Störungen

Affektive Störungen beeinflussen Stimmung und Gefühle der Erkrankten. Dazu gehören depressive Symptome wie Freudlosigkeit, Verzweiflung und Antriebshemmung, aber auch manische Symptome wie eine überzogen gehobene Stimmung mit ausgeprägtem Risikoverhalten.

Psychotische Störungen

Psychotische Störungen gehen mit einem Verlust der Realität einher. Dazu gehören Halluzinationen, Wahnstörungen oder Ich-Störungen, bei denen den Betroffenen das Gefühl für das eigene Ich verlieren.

Essstörungen

Essstörungen haben in den letzten Jahrzehnten in ihrer Häufigkeit erheblich zugenommen. Magersucht (Anorexia nervosa) erfährt die häufigste Aufmerksamkeit. Sie tritt aber deutlich seltener auf als Bulimie (Ess-Brech-Sucht) und Binge-Eating-Störungen.

Zwangsstörungen

Zwanghaft Putzen, Händewaschen, Zählen, Kontrollieren: Zwangsstörungen beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen erheblich. Helfen kann dann eine Konfrontationstherapie, bei der die Betroffenen sich ihren Ängsten schrittweise stellen. Wer beispielsweise einen Waschzwang hat, beschmutzt sich die Hände absichtlich und verzichtet dann für die vereinbarte Zeit auf das Reinigungsritual. Zunächst wird starke innere Unruhe verspüren oder sogar Angst, wenn er das Ritual nicht ausleben kann. Dadurch, dass diese von allein wieder abbaut, lernt er zunehmend seinen Zwang zu kontrollieren.

Suchterkrankungen

Alkoholsucht, Tablettensucht, Spielsucht, Drogensucht: Suchterkrankungen gibt es viele und sie sind weit verbreitet. Ihnen gemein ist, dass sie meist nur mit hoher Eigenmotivation und professioneller Hilfe zu überwinden sind. Hat sich die Sucht erst einmal verfestigt, ist eine Rückkehr zum kontrollierten Konsum meist nicht mehr möglich.

Somatoforme Störungen

Menschen mit somatoformen Störungen leiden unter körperlichen Beschwerden, für die keine organische Ursache gefunden werden kann, die das Ausmaß der Beschwerden ausreichend erklärt. Sie äußern sich beispielsweise in Form von Schmerzen, Schwindel, Magen-Darm-Beschwerden, Herzproblemen oder Atembeschwerden.

Belastungsstörungen

Unter Belastungsstörungen verstehen Psychologen Reaktionen, die nach starken seelischen Belastungen auftreten. Dazu gehört die akute Belastungsstörung („Nervenzusammenbruch“), die unmittelbar nach einem Ereignis auftritt, und die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), die sich verzögert zeigt. Mitunter werden auch sogenannte Anpassungsstörungen dazugezählt, bei denen ein belastendes Ereignis nur schwer überwunden wird (z.B. eine Trennung, Jobverlust).

Persönlichkeitsstörungen

Borderliner, narzisstischer, dissozialer Typus: Die Psychologie benennt zehn verschiedene Persönlichkeitsstörungen mit ganz unterschiedlichen Merkmalen. Sie alle bewirken, dass die Betroffenen erhebliche soziale Defizite haben und damit Probleme in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen verursachen. Häufig fällt es den Betroffenen schwer, ihr Verhalten als Ursprung des Problems zu erkennen.

Organisch bedingte psychische Störungen

Organische Störungen im Gehirn, wie beispielsweise der Untergang bestimmter Hirnzellen, rufen psychiatrische Symptome hervor. Ein häufiges Beispiel dafür sind Demenzerkrankungen, bei der nicht nur Gedächtnis und Denkvermögen nachlassen, sondern häufig auch Ängste und Depressionen auftreten.

Psychische Erkrankungen bei Kindern

Ob Angststörung oder Depression: Selbst kleine Kinder können schwer an einem psychischen Leiden erkranken. Junge Kinder klagen dann häufig über Kopfweh und Bauchweh, weil sie keine Worte für den inneren Schmerz haben. Das Teenageralter und die damit einhergehenden Verunsicherungen ist eine Phase, in der psychische Störungen zunehmen.

Folgende Anzeichen können auf eine psychische Störung in der Kindheit und Jugend hinweisen:

  • Ängstlichkeit, Schüchternheit, Rückzug
  • Lustlosigkeit, Interessensverlust
  • Hyperaktivität, Rastlosigkeit 
  • Unaufmerksamkeit, Konzentrationsstörungen
  • Selbstverletzendes Verhalten (Nägelkauen, Haare ausreißen, Ritzen etc.)
  • Aggressivität
  • Erhebliche Gewichtsab- oder -zunahme
  • Verstummen (Mutismus)
  • Zwanghaft wiederholte Handlungen
  • Tics (z.B. Blinzeln, Zucken, Lautäußerungen) 
  • Bettnässen

Verhaltensstörungen im Kindes- und Jugendalter

Ob aggressives Verhalten, extreme Schüchternheit oder Hyperaktivität: Verhaltensauffälligkeiten und -störungen im Kindes- und Jugendalter verhindern, dass sich die jungen Menschen ihren Möglichkeiten entsprechend entwickeln. In vielen Fällen lösen Verhaltensstörungen erhebliche soziale Konflikte aus.

Psychische Erkrankungen im Alter

Bei alten Menschen werden psychische Erkrankungen häufig übersehen. Gemütsveränderungen wie Antriebslosigkeit, niedergedrückte Stimmung und Interessensverlust werden dann häufig als normale altersbedingte Erscheinung eingestuft, obwohl eigentlich eine Depression dahintersteckt. 

Auch Suchterkrenkungen bleiben oft unentdeckt. Gangunsicherheit, Vergesslichkeit und Verwirrtheit können aber auch auf eine Alkohol- oder Tablettenabhängigkeit zurückzuführen sein. 

In jedem Fall ist die Behandlung psychischer Erkrankungen auch im Alter wichtig. Selbst bei sehr alten Menschen lässt sich das seelische Befinden deutlich verbessern und die Lebensqualität im letzten Lebensabschnitt erheblich erhöhen.

Psychische Erkrankungen: Symptome

So vielfältig psychische Erkrankungen sind, so vielfältig sind auch die Symptome, die mit ihnen einhergehen. Für Außenstehende sind sie meist sehr schwer nachvollziehbar – und mitunter auch beängstigend. Auch deshalb werden Menschen mit psychischen Erkrankungen noch immer häufig ausgegrenzt.

Folgende Symptome können auf eine psychische Störung hinweisen:

Suizidgedanken

Manche Menschen mit einer schweren psychischen Erkrankung entwickeln aufgrund des großen Leidensdrucks Suizidgedanken. Bei schweren Depressionen sind sie sogar ein verbreitetes Symptom und Teil der Erkrankung. 

Für Freunde oder Angehörige ist es wichtig, Andeutungen zum Suizid immer ernst zu nehmen. Ermutigen Sie die Betroffenen, professionelle Hilfe anzunehmen und unterstützen sie sie dabei.

Psychische Erkrankungen: Ursachen

Eine Veranlagung für psychische Erkrankungen schlummert in den Genen. Seelische Krankheiten treten aber häufig erst auf, wenn ungünstige äußere Faktoren hinzukommen. Insbesondere Stresssituationen begünstigen den Ausbruch einer psychischen Erkrankung. Neben negativen Erlebnissen wie Mobbing oder Jobverlust können das auch positive sein wie ein beruflicher Aufstieg, ein Umzug oder die Geburt eines Kindes. 

Prägungen in der Kindheit beeinflussen die Anfälligkeit oder Widerstandsfähigkeit gegenüber psychischen Erkrankungen erheblich. Entscheidend für innere Stabilität ist eine verlässliche, liebevolle und bestärkende Bindung zu einer Bezugsperson – sei es ein Elternteil oder eine Person außerhalb der Familie.

Psychische Erkrankungen: Diagnose

Für psychische Erkrankungen gibt es derzeit noch keine objektiven messbaren Parameter wie bestimmte Blutwerte oder Ergebnisse von Hirnscans. Die Diagnose erfolgt auf Basis spezieller Fragebögen und der anschließenden Beurteilung durch Psychiater und Psychologen.

Die Diagnosestellung ist nicht ganz einfach, da die Symptome sehr voneinander abweichen. Zudem sind manche Erkrankte bemüht, ihre Erkrankung aus Scham, beispielsweise bei Suchterkrankungen, oder aus Misstrauen, beispielsweise bei wahnhaften Erkrankungen, zu verbergen.

Psychische Erkrankungen: Behandlung mit Medikamenten

Zur Behandlung psychischer Erkrankungen stehen verschiedene Medikamente sowie psychotherapeutische Therapiemodelle zur Verfügung. Medikamente zielen häufig auf den Botenstoffhaushalt im Gehirn, der bei Menschen mit psychischen Erkrankungen oftmals außer Balance geraten ist. Andere wirken grundsätzlich beruhigend oder dämpfen Wahnvorstellungen. In Abhängigkeit der Beschwerden kann auch eine Kombination mehrerer Wirkstoffe notwendig sein.

Medikamente bei Angststörungen

Der Überbegriff Angststörungen umfasst grob fünf voneinander abgrenzbare Formen, für die jeweils unterschiedliche Medikamente eine Zulassung besitzen. Verwendet werden unter anderem:

Medikamente bei Depression

Wird eine Depression mit Medikamenten behandelt, dauert es in der Regel zwei bis drei Wochen bis die antidepressive (stimmungsaufhellende) Wirkung eintritt. Verwendete Arzneistoffe sind:

Medikamente bei Manie

Manische Störungen sind mit wahnhaften-psychotischen Beschwerden, selbstschädigendem Verhalten und unkritischer Fremdgefährdung vergesellschaftet. In der medikamentösen Behandlung kommen zum Einsatz:

Medikamente bei psychotischen Störungen

Psychotische Störungen wie beispielsweise Schizophrenie sind in viele Fällen medikamentös behandlungsbedürftig. Übliche Wirkstoffe in der Therapie sind:

Medikamente bei Essstörungen

Essstörungen sind die psychischen Störungen mit der höchsten Sterblichkeit. Sie sind eine häufige Erkrankung im Jugendalter. Bei schweren Verläufen kann eine Therapie mit Medikamenten, als Teil eines Gesamtbehandlungsplans, notwendig werden:

Medikamente bei Zwangsstörungen

Zwangsstörungen führen oft zu einer starken Beeinträchtigung des psychosozialen Funktionsniveaus. Ziel der Behandlung ist eine Verbesserung der Zwangssymptomatik. Zur Anwendung kommen:

Medikamente bei Suchterkrankungen

Alkohol-, Opioid-, Cannabis- und Kokain- beziehungsweise Amphetamin-Missbrauch sind mit Abstand die häufigsten Suchterkrankungen in Europa und den USA. Der Entzug ist schwierig und wird mit folgenden Medikamenten unterstützt:

Medikamente bei somatoformen Störungen

Somatoforme Störungen sind körperliche Symptome, für die trotz ärztlicher Abklärung keine hinreichend erklärende organische Ursache gefunden werden kann. Hilfreiche Arzneistoffe in Verbindung mit einer Psychotherapie sind zum Beispiel:

Medikamente bei Persönlichkeitsstörungen

Arzneimittel stellen in der Behandlung von Menschen mit Persönlichkeitsstörungen nur einen Baustein unter vielen dar. Zur Anwendung kommen unter anderem:

Medikamente bei Demenz

Es gibt verschiedene Formen von Demenz und nicht alle sind einer medikamentösen Therapie zugänglich. Für die Demenz vom Alzheimer-Typ stehen folgende Medikamente zur Verfügung:

Medikamente bei ADHS

Das Aufmerksamkeitsdefizits-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) ist ein komplexes Krankheitsbild, das sich entweder durch eine Aufmerksamkeitsstörung oder eine Hyperaktivität beziehungsweise einer Kombination aus beidem bemerkbar macht und in der Regel bereits im Kindesalter zutage tritt. Zugelassene Arzneistoffe sind:

Psychische Erkrankungen: Psychotherapeutische Behandlungen

Es gibt eine ganze Reihe verschiedener psychotherapeutische Ansätze. Sie helfen, verfestigte ungünstige oder selbstabwertende Gedankenmuster zu überwinden, die viele psychische Erkrankungen befeuern. Oder sie helfen Ängste zu kontrollieren und unterstützen dabei, Suchtimpulsen zu widerstehen.

Über eine Psychotherapie lassen sich viele psychische Erkrankungen nachhaltig positiv beeinflussen oder sogar überwinden. Oft ist eine Kombination beider Ansätze sinnvoll.

Professionelle Hilfe: Unterschiede zwischen Psychotherapeuten, Psychiater, Psychologe

Psychotherapeut, Psychiater, Psychologe – sie alle sind Experten, die sich mit der menschlichen Psyche auskennen. Als Therapeuten sind aber nur jene geeignet, die eine psychotherapeutische Zusatzausbildung gemacht haben.

So ist nicht jeder Psychologe automatisch Therapeut. Dafür ist ein Studium mit dem Schwerpunkt der Klinischen Psychologie nötig. Es folgen aufbauend mehrere Jahre zusätzlicher praktischer Ausbildung. Da psychologische Psychotherapeuten kein medizinisches Studium absolvieren, können sie keine Psychopharmaka verschreiben.

Ein Psychiater hingegen hat ein medizinisches Studium abgeschlossen und anschließend eine Facharztausbildung in Psychiatrie absolviert. Ein Psychiater kann psychiatrische Diagnosen stellen und entsprechende Medikamente verschreiben und zum psychologischen Psychotherapeuten überweisen. Eine psychotherapeutische Behandlung bieten Psychiater nur selten an.

Autoren- & Quelleninformationen

Jetzt einblenden
Datum :
Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen: