Polymyositis

Von , Arzt
und , Medizinjournalistin
Marian Grosser

Marian Grosser studierte in München Humanmedizin. Daneben hat der vielfach interessierte Arzt einige spannende Abstecher gewagt: ein Philosophie- und Kunstgeschichtestudium, Tätigkeiten beim Radio und schließlich auch für Netdoktor.

Sabine Schrör

Sabine Schrör ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte Betriebswirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit in Köln. Als freie Redakteurin ist sie seit mehr als 15 Jahren in den verschiedensten Branchen zu Hause. Die Gesundheit gehört zu ihren Lieblingsthemen.

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Die Polymyositis ist eine seltene entzündliche Muskelerkrankung. Sie ähnelt der Dermatomyositis, verursacht jedoch keine Hautveränderungen. Die Symptome an der Muskulatur umfassen dagegen das gleiche Spektrum, Muskelschwäche und -schmerzen stehen also im Vordergrund. Erfahren Sie hier alles Wichtige über die Polymyositis.

Dermatomyositis: Polymyositis

Kurzüberblick

  • Definition: Polymyositis ist eine seltene entzündliche Muskelerkrankung aus der Gruppe der rheumatischen Erkrankungen. Sie betrifft hauptsächlich erwachsene Frauen.
  • Symptome: Abgeschlagenheit, allgemeine Schwäche, Fieber, Muskelschwäche (v.a. im Schulter- und Beckenbereich), Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen, ggf. weitere Symptome (z.B. Schluckstörungen, Atemprobleme, Raynaud-Syndrom, geschwollenes Zahnfleisch)
  • Ursachen: Autoimmunerkrankung, deren Ursache nicht vollständig geklärt ist. Vermutlich genetisch bedingt und durch äussere Faktoren (wie Infekte) ausgelöst.
  • Diagnose: Blutuntersuchungen, Elektromyografie (EMG), Ultraschall, Kernspintomografie, Muskelbiopsie.
  • Behandlung: Medikamente (Kortison, Immunsuppressiva), Physiotherapie und gezieltes Muskeltraining.
  • Prognose: Die richtige Behandlung kann die Symptome meist deutlich lindern oder ganz beseitigen. Oft bleibt aber eine leichte Muskelschwäche zurück. Komplikationen und begleitende Tumorerkrankungen können die Prognose verschlechtern.

Polymyositis: Definition und Häufigkeit

Der Begriff „Polymyositis“ stammt aus dem Griechischen und bezeichnet eine Entzündung („-itis“) vieler („poly“) Muskeln („myos“). Die Polymyositis zählt zu den rheumatischen Erkrankungen und ist der Dermatomyositis sehr ähnlich. Anders als diese betrifft sie aber nur die Muskulatur und nicht zusätzlich auch noch die Haut.

Sowohl Polymyositis als auch Dermatomyositis sind oft mit weiteren Erkrankungen verbunden, etwa mit anderen Autoimmunerkrankungen, Virusinfektionen oder Krebs. Ein bösartiger Tumor tritt bei Polymyositis-Patienten allerdings deutlich seltener auf als bei Dermatomyositis-Betroffenen.

Die Polymyositis kommt mit weltweit rund fünf bis zehn Neuerkrankungen pro einer Million Menschen und Jahr noch seltener vor als die Dermatomyositis. Es erkranken fast ausschliesslich Erwachsene daran, und zwar meist zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer.

Einschlusskörperchen-Myositis

Seit einiger Zeit wird die Einschlusskörperchen-Myositis von der Polymyositis abgegrenzt. Dabei handelt es sich um eine entzündliche Muskelerkrankung, die vor allem bei Männern ab dem 50. Lebensjahr auftritt. Die Einschlusskörperchen-Myositis verursacht die gleichen Symptome wie die Polymyositis, entwickelt sich jedoch langsamer. Anders als die Polymyositis, befällt sie keine weiteren Organe, und auch die für die Polymyositis typischen Muskelschmerzen bleiben bei der Einschlosskörperchen-Myositis aus.

Unterschiede gibt es auch im Rahmen der Diagnostik. So sind die Muskelenzyme bei der Einschlusskörperchen-Myositis - im Gegensatz zur Polymyositis - nicht erhöht. Typischerweise lassen sich jedoch bei feingeweblichen Untersuchungen (Biopsie) sogenannte Einschlusskörperchen an den betroffenen Muskeln nachweisen. Das sind kleine Partikel im Inneren von Zellen oder Zellkernen, die sich im Lichtmikroskop erkennen lassen. Sie bestehen meist aus fehlerhaften Eiweissen.

Trotz aller Unterschiede wird die Einschlusskörperchen-Myositis in gleicher Weise behandelt wie die Polymyositis.

Polymyositis: Symptome

Bei einer Polymyositis zeigen sich - wie bei der Dermatomyositis - oft unspezifische Anfangssymptome. Sie umfassen beispielsweise Abgeschlagenheit und ein allgemeines Schwächegefühl. Auch Fieber ist möglich. Da solche Symptome auch bei vielen anderen Erkrankungen auftreten können (angefangen bei einer gewöhnlichen Erkältung), lassen sie zunächst nicht an eine Polymyositis denken.

Charakteristisch ist dagegen eine innerhalb von Wochen oder Monaten fortschreitende, symmetrische Muskelschwäche, vor allem im Bereich von Becken, Oberschenkeln, Schultern und Oberarmen. Muskelschmerzen treten ebenfalls auf, allerdings seltener als bei der Dermatomyositis. Viele Polymyositis-Patienten berichten zusätzlich über Gelenkschmerzen.

Wie bei der Dermatomyositis ist auch bei der Polymyositis eine Beteiligung innerer Organe möglich. Das kann dann beispielsweise zu Schluckstörungen, Herzrhythmusstörungen, Herzschwäche und/oder Lungenfibrose führen.

Weitere mögliche Symptome sind das Raynaud-Syndrom (Blaufärbung der Fingerspitzen) und geschwollenes Zahnfleisch.

Generell verläuft die Polymyositis von Patient zu Patient unterschiedlich. Das Hauptsymptom der Muskelschwäche tritt immer auf. Doch wie stark die Beschwerden ausgeprägt sind, wie schnell sie fortschreiten und wie schwer die Erkrankung insgesamt verläuft, ist sehr individuell.

Ist Polymyositis heilbar?

Bei rund 50 Prozent der Betroffenen führt die richtige Behandlung innerhalb von fünf Jahren zur vollständigen Heilung, sodass die Medikamente abgesetzt werden können. Oft bleibt aber eine leichte, nicht behindernde Muskelschwäche im betroffenen Körperbereich zurück. Zudem kann die Erkrankung zurückkehren.

Bei 30 Prozent der Patienten kann die Behandlung die Polymyositis zum Stillstand bringen. Bei 20 Prozent schlägt die Therapie nicht an - die Erkrankung schreitet weiter fort.

Risikofaktoren für schwere Verläufe

Bei älteren Patienten sowie bei männlichen Patienten verläuft eine Polymyositis oft schwerwiegender. Das Gleiche gilt, wenn Herz oder Lunge mitbetroffen sind. Auch eine begleitende Krebserkrankung gilt als Risikofaktor für einen schweren Verlauf der Polymyositis. Die Lebenserwartung kann in solchen Fällen verringert sein.

Polymyositis: Ursachen

Wie genau eine Polymyositis entsteht, ist nicht abschliessend geklärt. Unstrittig ist jedoch, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt. Das bedeutet: Das Immunsystem greift hier aufgrund einer Fehlregulation körpereigene Strukturen an - im Fall der Polymyositis die Muskulatur.

Auch die Dermatomyositis ist eine Autoimmunerkrankung. Schaut man genauer hin, zeigt sich aber, dass die Autoimmunreaktion bei der Polymyositis anders verläuft als bei der Dermatomyositis:

  • Bei der Dermatomyositis sind vor allem die von den sogenannten B-Lymphozyten produzierten Antikörper für die Muskelschädigung verantwortlich – und zwar indirekt: Sie schädigen kleine Blutgefässe in der Muskulatur (und Haut) und rufen dadurch die typischen Symptome hervor.
  • Bei der Polymyositis werden dagegen nicht die Blutgefässe, sondern die Muskelzellen selbst geschädigt. Auch der Verursacher ist ein anderer: Aktiv sind hier spezielle T-Lymphozyten (T-Killerzellen) des Immunsystems.

Doch warum bekämpft das Abwehrsystem von Polymyositis-Patienten plötzlich körpereigene Strukturen? Auf diese Frage gibt es (noch) keine abschliessende Antwort. Experten vermuten aber, dass die fehlgeleitete Immunreaktion genetisch bedingt ist und möglicherweise durch äussere Einflüsse wie Infekte ausgelöst wird.

Polymyositis: Diagnose

Die Polymyositis wird mit den gleichen Untersuchungsmethoden diagnostiziert wie die Dermatomyositis:

  • Blutuntersuchungen: Wie bei der Dermatomyositis sind bestimmte Blutwerte erhöht (z.B. Muskelenzyme, CRP, Blutsenkung) und oft Auto-Antikörper nachweisbar (wie ANA).
  • Elektromyografie (EMG): Veränderungen in der elektrischen Muskelaktivität zeigen die Schädigung der Muskulatur an.
  • Bildgebung: Verfahren wie Ultraschall oder Kernspintomografie (Magnetresonanztomografie, MRT) erhärten den Verdacht.
  • Muskelbiopsie: Eine entnommene Probe des betroffenen Muskelgewebes zeigt unter dem Mikroskop zerstörte Muskelzellen. Zudem werden T-Lymphozyten sichtbar, die sich bei einer Polymyositis zwischen den Muskelzellen anreichern.

Ausschluss anderer Erkrankungen

Wichtig für eine sichere Diagnose ist es, andere Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik auszuschliessen (Differenzialdiagnose). Gerade, wenn die Beschwerden schwach ausgeprägt sind, und die Erkrankung nur langsam fortschreitet, kann die Polymyositis schnell mit anderen Muskelerkrankungen verwechselt werden.

Dazu zählt etwa die Muskeldystrophie. Dabei handelt es sich um eine Gruppe erblicher Muskelerkrankungen, die ebenfalls Muskelschwäche als Hauptsymptom haben und zum Teil schon in jungen Jahren zum Tod führen.

Polymyositis: Behandlung

Wie die Dermatomyositis, wird auch die Polymyositis zunächst mit Glukokortikoiden ("Kortison") behandelt. Sie wirken entzündungshemmend und dämpfen Immunreaktionen (immunsuppressive Wirkung). Später kommen weitere Immunsuppressiva hinzu, beispielsweise Azathioprin, Cyclosporin oder Methotrexat.

Ergänzend empfehlen Experten wie bei der Dermatomyositis regelmässige Physiotherapie und gezieltes Muskeltraining. Das hilft Polymyositis-Patienten, ihre Beweglichkeit zu erhalten und dem Muskelschwund vorzubeugen.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autoren:
Marian Grosser
Marian Grosser

Marian Grosser studierte in München Humanmedizin. Daneben hat der vielfach interessierte Arzt einige spannende Abstecher gewagt: ein Philosophie- und Kunstgeschichtestudium, Tätigkeiten beim Radio und schließlich auch für Netdoktor.

Sabine Schrör
Sabine Schrör

Sabine Schrör ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte Betriebswirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit in Köln. Als freie Redakteurin ist sie seit mehr als 15 Jahren in den verschiedensten Branchen zu Hause. Die Gesundheit gehört zu ihren Lieblingsthemen.

ICD-Codes:
M33
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • AMBOSS - Fachwissen für Mediziner: "Polymyositis und Dermatomyositis", unter www.amboss.com, Abruf vom 06.08.2020
  • Berlit, P.: Klinische Neurologie, Springer Verlag, 2011
  • Berufsverband Deutscher Internisten e. V.: "Polymyositis und Dermatomyositis", unter www.internisten-im-netz.de, Abruf vom 06.08.2020
  • Buchta, M. et al.: Das zweite StEx: Basiswissen Klinische Medizin für Examen und Praxis, Springer Verlag, 2. Auflage, 2014
  • Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e. V. (DGM): "Entzündliche Muskelkrankheiten", unter www.dgm.org, Abruf vom 06.08.2020
  • Deutsche Rheuma-Liga: Merkblatt "Dermatomyositis/Polymyositis" (Stand: 2020), unter: www.rheuma-liga.de
  • Orpha.net – The portal for rare diseases and orphan drugs: "Polymyositis", unter www.orpha.net, Abruf vom 06.08.2020
  • Pschyrembel Online, Klinisches Wörterbuch: www.pschyrembel.de, Abruf vom 06.08.2020
  • Zierz, S.: Muskelerkrankungen, Georg Thieme Verlag, 2014
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