Multiples Myelom (Plasmozytom)

Von 
Dr. med. Julia Schwarz

Dr. med. Julia Schwarz ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion.

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Das Multiple Myelom (Plasmozytom, Morbus Kahler) ist eine Form von Blutkrebs, die das Knochenmark befällt. Der Körper bildet dabei veränderte weisse Blutkörperchen, was die Immunabwehr beeinträchtigt. Das Multiple Myelom ist eher selten, allerdings die häufigste Krebsart des Knochenmarks. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Lesen Sie hier mehr zu Symptomen und Verlauf des Multiplen Myeloms.

Schematische Darstellung von Zellen

Kurzübersicht

  • Symptome: Schmerzen, vor allem im Rücken, Blutarmut mit Beschwerden wie Müdigkeit, Blässe, Schwindel und Konzentrationsschwierigkeiten, schäumender Urin, Gewichtsverlust, erhöhte Infektanfälligkeit, kleine Hauteinblutungen
  • Verlauf und Prognose: Verlauf, Prognose und Lebenserwartung sind individuell sehr unterschiedlich. Als ungünstige Faktoren gelten ein hohes Tumorstadium, bestimmte Hochrisikomutationen und ein hohes Lebensalter.
  • Diagnose: Die Diagnose erfolgt anhand der typischen Symptome, bestimmter Blut- und Urinwerte, einer Untersuchung des Knochenmarks sowie mithilfe bildgebender Verfahren.
  • Behandlung: Therapiestandard ist eine hochdosierte Chemotherapie mit anschliessender Stammzelltransplantation. Kommt diese nicht infrage, stehen verschiedene medikamentöse Wirkstoffe zur Verfügung.
  • Ursachen und Risikofaktoren: Ursache sind genetische Veränderungen in den Plasmazellen. Risikofaktoren: ionisierende Strahlung oder bestimmte Schadstoffe, hohes Lebensalter, geschwächtes Immunsystem, Virusinfektionen
  • Vorbeugen: Da die Krankheitsursache unbekannt ist, lässt sich dem Multiplen Myelom und Plasmozytom nicht gezielt vorbeugen.

Was ist ein Plasmozytom?

Bei einem Plasmozytom handelt es sich um eine spezielle Form von Blutkrebs, bei der sich sogenannte Plasmazellen im Knochenmark unkontrolliert vermehren. Andere Bezeichnungen für das Plasmozytom sind „Morbus Kahler“ und „Multiples Myelom“.

Im täglichen Sprachgebrauch nutzen viele Menschen die Begriffe Multiples Myelom und Plasmozytom synonym, also gleichbedeutend. Das sind sie jedoch streng genommen nicht. Ein Multiples Myelom bezeichnet eine Krankheitsform, bei der die wuchernden, bösartigen Plasmazellen diffus im Knochenmark oder im Weichteilgewebe verteilt sind.

Das Plasmozytom ist hingegen eine Sonderform des Multiplen Myeloms. Dabei tritt die Vermehrung der Plasmazellen nur lokal begrenzt auf. Es gibt also beim Plasmozytom nur einen einzigen Tumorherd im gesamten Organismus (solitäres Plasmozytom), beim Multiplen Myelom mehrere.

Entartete Plasmazellen

Im Knochenmark werden rote und weisse Blutkörperchen produziert. Während die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) für den Sauerstofftransport im Körper zuständig sind, dienen die weissen Blutkörperchen (Leukozyten) der Immunabwehr. Es gibt verschiedene Untergruppen von Leukozyten, wie etwa Granulozyten, T- oder B-Zellen.

Plasmazellen stellen das am weitesten gereifte Stadium der B-Zellen dar und sind für die Produktion von Antikörpern zuständig. Das sind spezialisierte Eiweisse, die in der Lage sind, Krankheitserreger wie Bakterien und Viren zu neutralisieren. Eine Plasmazelle und ihre Tochterzellen bilden zusammen einen sogenannten Plasmazellklon. Alle dem Klon zugehörigen Zellen bilden einen einzigen, spezifischen Antikörper.

Antikörper eines einzigen Typs bezeichnen Mediziner auch als monoklonale Antikörper. Da es im Organismus sehr viele verschiedene Plasmazellklone gibt, ist das Immunsystem in der Lage, zahllose verschiedene Antikörper gegen die unterschiedlichsten Krankheitserreger zu bilden.

Beim Multiplen Myelom kommt es in einer der vielen Plasmazellen zu Veränderungen im Erbgut (Mutation). Die entartete Plasmazelle beginnt daraufhin, unkontrolliert zu wuchern. Sie und alle ihre Nachkommen produzieren grosse Mengen eines einzigen monoklonalen Antikörpers. In einigen Fällen sind es auch nur Bruchstücke dieses Antikörpers, die sogenannten Kappa- und Lambda-Leichtketten. Mediziner bezeichnen diese Antikörper und Antikörperfragmente auch als Paraproteine.

Die von den entarteten Plasmazellen gebildeten Antikörper sind in der Regel funktionslos und erfüllen ihre Aufgabe bei der Immunabwehr nicht. In der Folge ist das Immunsystem bei einem Multiplen Myelom geschwächt, was die Betroffenen deutlich anfälliger für Infektionen macht. Mit der Zeit verdrängen die entarteten Plasmazellen immer mehr gesunde Zellen im Knochenmark, wodurch verschiedene Symptome entstehen.

Häufigkeit des Multiplen Myeloms

Ungefähr acht von 100.000 Menschen in Deutschland erkranken jährlich an einem Multiplen Myelom. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt zum Zeitpunkt der Diagnose bei 72 Jahren für Männer und bei 74 Jahren für Frauen.

Welche Symptome treten beim Multiplen Myelom auf?

Ob und wie stark Symptome auftreten, ist von Patient zu Patient verschieden. Zu Beginn rufen das Multiple Myelom und das Plasmozytom meist keine Symptome hervor. Etwa ein Viertel der Betroffenen hat zum Zeitpunkt der Diagnose keine Beschwerden. Aber auch akute Verläufe mit ausgeprägten Krankheitszeichen sind möglich.

Knochenschmerzen

Als erste Symptome treten bei einem Multiplen Myelom meistens Knochenschmerzen auf. Besonders häufig klagen die Betroffenen über Rückenschmerzen. Zudem produzieren die Plasmazellen Substanzen, die bewirken, dass der Körper vermehrt Knochengewebe abbaut (oft im Bereich der Wirbelsäule). Deshalb ist beim Multiplen Myelom und beim Plasmozytom das Risiko für Knochenbrüche (Frakturen) erhöht.

Blutarmut

Bei einem Multiplen Myelom und Plasmozytom wuchern veränderte Plasmazellen im Knochenmark. Sie verdrängen im Krankheitsverlauf andere wichtige Blutzellen. Als Folge produziert der Körper zu wenig rote Blutkörperchen und es entsteht eine Blutarmut (Anämie). Typische Symptome einer Anämie sind eine blasse Hautfarbe, Schwächegefühl, Schwindel und chronische Müdigkeit aufgrund der verringerten Sauerstoffversorgung.

Erhöhte Infektanfälligkeit

Wenn die wuchernden Plasmazellen auch die gesunden weissen Blutkörperchen verdrängen, ist der Körper nicht mehr in der Lage, ausreichend intakte Antikörper zu produzieren. Dies schwächt das Immunsystem, und es kommt leichter zu Infektionen mit Bakterien oder Viren.

Veränderter Urin

Produzieren die Plasmazellen beim Multiplen Myelom nur Leichtketten statt vollständiger Antikörper, scheiden die Nieren einen Teil davon aus. Manchmal setzen sich die sogenannten Bence-Jones-Proteine jedoch im Nierengewebe fest und schädigen es. Einige Betroffene berichten in der Folge von einem schäumenden Urin.

Erhöhte Blutungsneigung

Auch die Bildung von Blutplättchen (Thrombozyten) ist beim Multiplen Myelom beeinträchtigt. Die Thrombozyten sind normalerweise für die Blutgerinnung verantwortlich. Als Folge eines Thrombozytenmangels kommt es häufiger zu Blutergüssen sowie Haut- und Schleimhautblutungen.

Allgemeine Krankheitszeichen

Bei einigen Menschen verursacht das Multiple Myelom verschiedene, unspezifische Beschwerden wie Fieber, Nachtschweiss oder Gewichtsabnahme.

Krankheitsverlauf und Prognose

Das Multiple Myelom und das Plasmozytom variieren in ihrem Verlauf und ihrer Prognose sehr. Eine Rolle spielen dabei das Stadium der Erkrankung, das Alter des Betroffenen sowie eventuelle Begleiterkrankungen. Das Behandlungsziel ist stets die Verlängerung der Lebenszeit bei maximal möglicher Lebensqualität.

Prognose und Lebenserwartung beim Multiplen Myelom

Eine vollständige Heilung ist beim Multiplen Myelom und Plasmozytom nur in sehr wenigen Fällen möglich. Die Prognose hat sich durch neue und wirksame Therapien in den letzten Jahren jedoch deutlich verbessert. Noch in den 1980er Jahren lag die durchschnittliche Lebenserwartung beim Multiplen Myelom nur bei bis zu zwei Jahren. Heute überleben Betroffene im Schnitt für etwa fünf bis zehn Jahre nach der Diagnose.

Allerdings hängt die Lebenserwartung massgeblich vom Tumorstadium ab. So beträgt die Fünf-Jahres-Überlebensrate im Stadium 1 mit den derzeit verfügbaren Therapieoptionen 82 Prozent. Das heisst, dass 82 Prozent der Betroffenen nach der Diagnose noch mindestens fünf Jahre leben. Im Stadium 2 beträgt sie 62 Prozent, im Stadium 3 noch 40 Prozent. Als ungünstige Prognosefaktoren gelten neben einem hohen Tumorstadium ein fortgeschrittenes Lebensalter sowie bestimmte Hochrisikomutationen.

Bei allen Angaben zur Lebenserwartung handelt es sich um Durchschnittswerte. Individuell lässt sich die Lebenserwartung beim Multiplen Myelom oder Plasmozytom nicht genau prognostizieren. Einige Menschen versterben bereits nach wenigen Monaten, andere leben länger als zehn Jahre.

Woran stirbt man beim Multiplen Myelom?

Im Endstadium des Multiplen Myeloms haben sich die Tumorzellen bereits sehr stark ausgebreitet. Die meisten Betroffenen sterben in der Endphase des Multiplen Myeloms nicht daran, dass nicht mehr genügend gesunde Blutzellen im Knochenmark entstehen. Hieraus resultiert ein erhöhtes Infektionsrisiko. Infektionen und die daraus entstehenden Komplikationen gelten beim Multiplen Myelom als häufigste Todesursache.

Untersuchungen und Diagnose

Bei jeglichen Symptomen, die möglicherweise auf ein Plasmozytom oder ein Multiples Myelom hinweisen, ist es ratsam einen Arzt aufzusuchen. Erste Hinweise auf die Erkrankung liefern dem Arzt bereits die typischen Symptome wie Knochenschmerzen, eine höhere Infektanfälligkeit, schäumender Urin oder Gewichtsverlust.

Viele der Symptome sind jedoch unspezifisch und treten auch bei anderen Erkrankungen auf. Mit Hilfe verschiedener Untersuchungen ist es dem Arzt möglich, seinen Verdacht zu bestätigen und das Multiple Myelom von anderen Krankheitsbildern abzugrenzen.

Blut- und Urinuntersuchung

Die Kontrolle der Blutwerte ist eine schnelle Methode, um erste Hinweise auf ein Multiples Myelom oder Plasmozytom zu erhalten. Die entarteten Antikörper sind im Blut anhand eines erhöhten Gesamteiweiss-Spiegels nachweisbar. Mit speziellen Untersuchungen lassen sich die charakteristischen monoklonalen Antikörper auch direkt nachweisen.

Ein Blutbild zeigt den Anteil der verschiedenen Blutzellen. An der Veränderung der Blutwerte erkennt der Arzt, wie stark das Multiple Myelom oder das Plasmozytom bereits gesunde Zellen verdrängt hat und ob schon eine Blutarmut besteht. Ein Blutbild hilft zudem, veränderte Nierenwerte festzustellen, wenn Bence-Jones-Proteine das Nierengewebe schädigen und die Nierenfunktion dadurch nachlässt. Die Bence-Jones-Proteine selbst lassen sich auch direkt im Urin von Betroffenen nachweisen.

Bei einem Knochenbefall finden sich erhöhte Kalziumwerte im Blutbild: Der Knochen besteht zu einem grossen Anteil aus Kalzium. Beschleunigt das Multiple Myelom den Knochenabbau, verteilt sich das freigesetzte Kalzium im Blut und lässt sich messen.

Knochenmarkpunktion

Bei Verdacht auf ein Multiples Myelom oder Plasmozytom gehört auch eine Knochenmarkpunktion zur Diagnostik. Dabei entnimmt der Arzt unter örtlicher Betäubung mit einer Nadel Knochenmark aus einem geeigneten Knochen, in der Regel dem Beckenkamm. Anschliessend untersucht er die Knochenmark-Probe unter dem Mikroskop. Bei Gesunden liegt der Anteil von Plasmazellen in der Regel bei maximal fünf Prozent. Menschen mit Multiplem Myelom weisen dagegen häufig höhere Werte auf.

Ausserdem ist es nach einer Knochenmarkpunktion möglich, die entarteten Zellen auf bestimmte Chromosomenveränderungen zu untersuchen. Das ist wichtig, da die Art der Mutation den Krankheitsverlauf beeinflusst.

Bildgebende Verfahren

Falls das Multiple Myelom zu einem Knochenabbau geführt hat, lässt sich dies im Röntgenbild nachweisen. Darauf erkennt der Arzt kleine Löcher (Osteolysen) oder Bereiche einer verringerten Knochendichte. Betroffen sind zum Beispiel die Wirbelkörper und die Beckenknochen sowie Schädelknochen und Rippen.

Bei der Computertomografie (CT) und der Magnetresonanztomografie (MRT) handelt es sich um weitere bildgebende Untersuchungsmethoden, die beim Multiplen Myelom zum Einsatz kommen. Sie sind empfindlicher und lassen noch genauer erkennen, inwiefern das Skelettsystem bereits durch das Multiple Myelom oder Plasmozytom in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ausserdem lassen sich hiermit auch Tumorherde ausserhalb des Knochenmarks nachweisen.

Krankheitsstadien

Stellt der Arzt bei den Untersuchungen fest, dass ein Multiples Myelom oder Plasmozytom vorliegt, ist es wichtig, das Krankheitsstadium zu bestimmen. Beim Multiplen Myelom und Plasmozytom unterscheiden Ärzte drei Stadien. Welches Stadium bei einem Betroffenen vorliegt, richtet sich nach der Höhe bestimmter Blutwerte und danach, ob eine Hochrisikomutation vorhanden ist. Grundsätzlich gilt: Je niedriger das Stadium, desto weniger weit ist der Tumor fortgeschritten und desto besser ist die Prognose.

Behandlung

Die Therapie des Multiplen Myeloms ist abhängig vom Stadium der Erkrankung. Darüber hinaus spielen bei der Therapieentscheidung die individuellen Bedürfnisse des Betroffenen, der allgemeine Gesundheitszustand und Begleiterkrankungen eine wichtige Rolle.

Das Multiple Myelom und das Plasmozytom gelten bis heute als nicht heilbar. Es ist jedoch dank verbesserter Behandlungsoptionen mittlerweile möglich, lange krankheitsfreie Phasen zu erreichen. Ziel der Therapie ist es, die Lebenszeit zu verlängern, die Symptome zu lindern und Komplikationen zu vermeiden.

Muss man das Multiple Myelom immer behandeln?

Beim Multiplen Myelom oder Plasmozytom ist nicht in allen Fällen eine Therapie notwendig. Insbesondere bei Menschen, die noch keine Beschwerden haben, ist es zunächst ausreichend, sie engmaschig zu untersuchen und den Krankheitsverlauf zu beobachten. Diese Strategie bezeichnen Experten auch mit den englischen Begriffen „watch and wait“, also beobachten und abwarten.

Ob eine Therapie erforderlich ist, entscheidet der Arzt unter anderem anhand der sogenannten SLiM-CRAB-Kriterien. Demzufolge ist die Erkrankung therapiepflichtig, wenn der Anteil der Plasmazellen im Knochenmark mindestens zehn Prozent beträgt und mindestens einer der folgenden Punkte erfüllt ist:

  • Erhöhte Kalziumwerte im Blut
  • Eingeschränkte Nierenfunktion (Niereninsuffizienz)
  • Blutarmut
  • Knochenläsionen
  • Ein Anteil von mindestens 60 Prozent klonaler Plasmazellen im Knochenmark
  • Ein verändertes Verhältnis von Kappa- und Lambda-Leichtketten im Blut
  • Mehr als ein Tumorherd mit einer Grösse von über fünf Millimetern im MRT

Neben den SLiM-CRAB-Kriterien sprechen in einigen Fällen auch andere Gründe für eine Therapie, wie zum Beispiel:

  • Schmerzen
  • Fieber, Nachtschweiss und Gewichtsabnahme (die sogenannte B-Symptomatik)
  • Wiederkehrende schwere Infektionen
  • Veränderte Fliesseigenschaften des Blutes, zum Beispiel durch den erhöhten Proteingehalt

Ausserdem berücksichtigt der Arzt, wie hoch das Risiko ist, dass sich die Symptome und Organfunktionen ohne Behandlung verschlechtern.

Chemotherapie und Stammzelltransplantation

Ist beim Multiplen Myelom eine Behandlung erforderlich, kommt nach Möglichkeit eine hochdosierte Chemotherapie mit Zytostatika zum Einsatz. Zytostatika sind Medikamente, die das Zellwachstum bremsen. Ziel ist es, möglichst alle Tumorzellen zu zerstören.

Eine hochdosierte Chemotherapie ist allerdings sehr aggressiv. Sie tötet nicht nur die Tumorzellen, sondern auch alle blutbildenden Zellen ab. Der Körper ist somit nach einer Hochdosis-Chemotherapie nicht mehr imstande, Blutzellen zu bilden: weder die für den Sauerstofftransport notwendigen roten Blutkörperchen noch die für die Immunabwehr unverzichtbaren weissen Blutkörperchen.

Deshalb ist im Anschluss eine sogenannte autologe Stammzelltransplantation erforderlich: Dabei erhält der Betroffene körpereigene Stammzellen, die vor der Chemotherapie aus seinem Blut gewonnen wurden. Sie besiedeln das Knochenmark und sorgen dafür, dass die Bildung von Immun- und Blutzellen wieder in Gang kommt.

Bei Betroffenen unter 75 Jahren handelt es sich bei der hochdosierten Chemotherapie mit Stammzelltransplantation um das aktuelle Standardverfahren. Entscheidender als das tatsächliche Alter ist das biologische Alter, also die tatsächliche körperliche Verfassung. Dazu zählt beispielsweise, wie gut die Organfunktion noch erhalten ist und ob relevante Begleiterkrankungen vorhanden sind. Menschen über 75 Jahre oder in einem sehr schlechten Allgemeinzustand sind oftmals nicht für eine Hochdosis-Chemotherapie geeignet.

Therapie mit anderen Medikamenten

Nicht bei jedem Menschen mit Multiplen Myelom ist die belastende hochdosierte Chemotherapie mit anschliessender Stammzelltransplantation möglich. Ausserdem wirkt diese kombinierte Behandlung nicht bei allen Betroffenen, sodass es zu Rückfällen kommt. In diesem Fall kommen bei der Behandlung in der Regel Medikamente zum Einsatz. Diese gehören verschiedenen Wirkstoffklassen an.

  • Zytostatika wie Melphalan oder Bendamustin hemmen das Wachstum der Tumorzellen.
  • Hochdosierte Glukokortikoide (Dexamethason, Prednisolon) bewirken zum Teil eine schnelle Reduktion der Tumormasse.
  • Proteasom-Hemmer (Proteasom-Inhibitoren, PI) wie Bortezomib und Carfilzomib hemmen das sogenannte Proteasom, einen Enzymkomplex, der wichtig für den Abbau von Eiweissen ist. Ist das Proteasom blockiert, häufen sich alte, funktionslose Proteine in den Zellen an. Dies ist mit grossem Stress verbunden und führt zum Tod der Krebszellen.
  • Immunmodulatoren (immunmodulatory Drugs, IMiD) wie Thalidomid, Lenalidomid und Pomalidomid helfen dem Immunsystem, Krebszellen abzutöten. Sie hemmen die Freisetzung von Entzündungsstoffen und verhindern, dass sich im Knochenmark neue Blutgefässe bilden. Diese benötigt der Tumor für die ausreichende Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff.
  • Histon-Deacetylase-Hemmer beeinflussen die Aktivität von Genen, die für die Tumorentstehung und das Überleben der Tumorzellen wichtig sind.

Auch verschiedene biotechnologisch hergestellte therapeutische Antikörper kommen beim Multiplen Myelom zum Einsatz. Sie binden an bestimmte Strukturen auf der Oberfläche der Krebszellen. Zum einen ist das Immunsystem dadurch leichter in der Lage die Krebszellen zu erkennen und zu zerstören. Zum anderen setzen die Antikörper im Inneren der Tumorzelle eine Reaktionskette in Gang, die die Zelle letztlich abtötet.

Oft kommen die verfügbaren Wirkstoffe in Kombination miteinander zum Einsatz. Welche Wirkstoffkombination die beste ist, entscheidet der Arzt individuell für jeden Betroffenen.

Strahlentherapie

Eine Strahlentherapie ist vor allem beim Plasmozytom die Therapie der Wahl, da sich in diesem Fall nur ein einziger Tumorherd im gesamten Körper befindet. Allerdings entwickelt sich bei etwa der Hälfte der Patienten im weiteren Verlauf ein Multiples Myelom. Darüber hinaus kommt eine Strahlentherapie unter anderem in folgenden Situationen zum Einsatz:

  • Osteolysen, die das Risiko für einen Knochenbruch erhöhen
  • Ausserhalb des Knochenmarks gelegene Tumorherde
  • Schmerzen am Skelett

Unterstützende Therapie

Insbesondere wenn der Knochen befallen ist, ist ein Multiples Myelom oder Plasmozytom mitunter äusserst schmerzhaft. Hier kommen in der Regel wirksame Schmerzmittel zum Einsatz. Manchmal eignet sich in diesem Fall auch eine Strahlentherapie. Dabei werden einzelne Tumorherde bestrahlt, um das Zellwachstum zu hemmen.

Ausserdem verschreibt der Arzt unter Umständen sogenannte Bisphosphonate. Sie hemmen den Knochenabbau und wirken stabilisierend auf die Knochen. Auf diese Weise lassen sich die Anzahl von Knochenbrüchen verringern und Schmerzen lindern. Da unter Bisphosphonat-Behandlung zum Teil der Kalzium-Spiegel im Blut unter den Normalwert abfällt (Hypokalzämie), ist unter Umständen die Einnahme von Kalzium und Vitamin D sinnvoll. Sie senken das Risiko einer Hypokalzämie.

Da durch die Erkrankung die Immunabwehr geschwächt wird, ist es ratsam, dass Betroffene sich besonders gut vor Infektionen schützen. Eine Grippe-Impfung oder eine Impfung gegen Pneumokokken ist in vielen Fällen sehr sinnvoll. In der Grippe-Saison (Herbst, Winter) ist es zudem empfehlenswert, Orte mit einer höheren Infektionsgefahr zu meiden. Dazu zählen etwa öffentliche Verkehrsmittel, Kindergärten und Schulen. In manchen Fällen ist es sinnvoll, Infekten durch geeignete Medikamente, zum Beispiel Antibiotika, vorzubeugen.

Eine besondere Ernährung ist beim Multiplen Myelom oder Plasmozytom normalerweise nicht erforderlich. Einschränkungen gibt es allerdings nach einer Stammzelltransplantation, da der Körper sich selbst in dieser Zeit nicht wirksam vor Infektionen schützt. Deshalb ist es hilfreich, wenn Betroffene Lebensmittel meiden, die möglicherweise stark mit Keimen belastet sind. Dazu zählen zum Beispiel:

  • Roh- und Frischmilchprodukte
  • Schimmelkäse
  • Rohes Fleisch (zum Beispiel Mett oder Tartar)
  • Roher Fisch
  • Frisches (unerhitztes) Obst und Gemüse
  • Nüsse, Mandeln, Keimlinge und Getreideprodukte

Umfassende Informationen zu geeigneten und ungeeigneten Lebensmitteln und der richtigen Zubereitung erhalten Betroffene nach einer Stammzelltransplantation vom Fachpersonal im Krankenhaus.

Ursachen und Risikofaktoren

Den Startpunkt für ein Multiples Myelom oder Plasmozytom bildet eine entartete Plasmazelle, die sich exponentiell vermehrt. Plasmazellen zählen zu den B-Lymphozyten, einer Untergruppe der weissen Blutkörperchen. Ihre wichtigste Aufgabe ist die Herstellung von Antikörpern. Entartete Plasmazellen hingegen produzieren veränderte, meist funktionslose Antikörper (Paraproteine).

Ursache für die Entartung der Plasmazellen sind Veränderungen in der Erbsubstanz. Warum es dazu kommt, ist bisher nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch bestimmte Risikofaktoren, die im Verdacht stehen, ein Multiples Myelom zu begünstigen. Dazu zählen zum Beispiel:

  • Umweltfaktoren wie ionisierende Strahlung und bestimmte Chemikalien und Pestizide
  • Ein höheres Lebensalter
  • Eine gutartige Vorstufe des Multiplen Myeloms, die sogenannte "monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz" (MGUS)
  • Ein geschwächtes Immunsystem
  • Bestimmte Virusinfektionen

Das Multiple Myelom und das Plasmozytom sind nicht vererbbar, da die verantwortlichen genetischen Veränderungen nur die Plasmazellen, nicht aber die Keimzellen betreffen. Allerdings tritt die Erkrankung in seltenen Fällen gehäuft innerhalb einer Familie auf. Das ist ein Hinweis darauf, dass bestimmte erbliche Faktoren das Erkrankungsrisiko beeinflussen.

Vorbeugen

Da die Ursache für ein Multiples Myelom oder Plasmozytom nicht bekannt ist, lässt sich der Erkrankung nicht gezielt vorbeugen. Auch gibt es bislang kein spezielles Programm zur Früherkennung des Multiplen Myeloms. Oft fällt die Erkrankung deshalb eher zufällig bei einer Untersuchung auf, die aus anderen Gründen erfolgte.

Hilfreich für die Früherkennung sind regelmässige Gesundheitschecks beim Arzt. Das gilt insbesondere, da bereits eine einfache Blutuntersuchung wichtige Hinweise auf ein Multiples Myelom oder Plasmozytom liefert. Menschen mit Symptomen, die möglicherweise auf ein Multiples Myelom hinweisen, sollten zur Abklärung ihren Hausarzt aufsuchen.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Vorlage:
Dr. med. Katharina Larisch
Autor:
Dr. med.  Julia Schwarz

Dr. med. Julia Schwarz ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion.

ICD-Codes:
C90
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • Anticancer Fund: Was ist Multiples Myelom? Patientenleitlinie auf Grundlage der ESMO-Leitlinien für die klinische Praxis, Stand: 2017, unter: www.esmo.ora (Abrufdatum: 21.09.2022)
  • Baenkler, H.-W. et al.: Kurzlehrbuch Innere Medizin. Georg Thieme Verlag. 4. Auflage 2021
  • Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V.: Leitlinie Multiples Myelom, Stand 2018, unter: www.onkopedia.com (Abrufdatum: 21.09.2022)
  • Deutsche Krebsgesellschaft: Ernährung nach allogener hämatopoetischer Stammzelltransplantation (HSZT), unter: www.krebsgesellschaft.de (Abrufdatum: 21.09.2022)
  • Deutsche Krebshilfe e.V.: Die blauen Ratgeber: Plasmozytom – Multiples Myelom, unter: www.krebshilfe.de (Abrufdatum: 21.09.2022)
  • Deutsches Krebsforschungszentrum: Immuntherapie gegen Krebs: Impfungen, Antikörper, neue Wirkstoffe, unter: www.krebsinformationsdienst.de (Abrufdatum: 21.09.2022)
  • Goldschmidt, H.: Multiples Myelom, in: Die Onkologie 2010: 1590-1607. (Abrufdatum: 21.09.2022)
  • Kortüm, K. M. et al.: Das multiple Myelom, in: Der Internist (2013), Ausgabe 54.8: 963-977. (Abrufdatum: 21.09.2022)
  • Leitlinie der European Society for Medical Oncology (ESMO): Multiple Myeloma: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Annals Oncol 20017; 28(Suppl 4): iv52-iv61, unter: www.annalsofoncology.org (Abrufdatum: 21.09.2022)
  • Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Diagnostik, Therapie und Nachsorge für Patienten mit monoklonaler Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) oder Multiplem Myelom. Konsultationsfassung 2021, unter: www.leitlinienprogramm-onkologie.de (Abrufdatum: 21.09.2022)
  • Pschyrembel Online: Proteasom-Hemmer, unter: www.pschyrembel.de (Abrufdatum: 21.09.2022)
  • Suraweera A. et al. Combination Therapy With Histone Deacetylase Inhibitors (HDACi) for the Treatment of Cancer: Achieving the Full Therapeutic Potential of HDACi. Front Oncol 2018; 8: 92, unter: www.frontiersin.org (Abrufdatum: 21.09.2022)
  • Zahavi, D. und Weiner, L. Monoclonal Antibodies in Cancer Therapy. Antibodies (Basel) 2020; 9(3): 34, unter: pubmed.ncbi.nlm.nih.gov (Abrufdatum: 21.09.2022)
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