Nervenschmerzen

Von , Medizinredakteurin
Tanja Unterberger

Tanja Unterberger studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Wien. 2015 begann sie ihre Arbeit als Medizinredakteurin bei NetDoktor in Österreich. Neben dem Schreiben von Fachtexten, Magazinartikeln sowie News bringt die Journalistin auch Erfahrung im Podcasting und in der Videoproduktion mit.

Alle NetDoktor.ch-Inhalte werden von medizinischen Fachjournalisten überprüft.

Nervenschmerzen (auch neuropathische Schmerzen genannt) treten häufig infolge einer Schädigung von Nerven des peripheren oder zentralen Nervensystems auf. Weitere mögliche Auslöser sind eine Fehlfunktion oder eine Funktionsstörung. Von den Schmerzen betroffen sind oft Kopf, Arme, Hände, Beine und Füsse. Häufige Ursachen sind Krankheiten, Entzündungen, Infektionen oder Verletzungen. Mehr zu Ursachen, Symptomen und Verlauf lesen Sie hier!

Mann mit Nervenschmerzen wird von einem Arzt untersucht

Was sind Nervenschmerzen?

Bei Nervenschmerzen – auch neuropathische Schmerzen genannt – handelt es sich um Schmerzen, die auftreten, wenn Nerven und deren Strukturen (z.B. Nervenfasern, Nervenzellen) gereizt oder geschädigt sind. Die Schädigungen treten etwa durch Entzündungen der Nerven, aber genauso bei Verletzungen nach einem Unfall oder einer Erkrankung wie Multiple Sklerose oder Diabetes mellitus auf.

Typisch sind teils starke Schmerzen, die anfallsartig einschiessen. Sie sind mal brennend, stechend oder dumpf. Auf herkömmliche Schmerzmedikamente sprechen Nervenschmerzen wenig bis gar nicht an. Dabei treten häufig auch Gefühlsstörungen wie Kribbeln oder Taubheit an den betroffenen Stellen auf. Neuropathische Schmerzen strahlen meist in den Körperbereich aus, der von einem oder mehreren Nerven versorgt wird (z.B. Arme, Beine, Kopf, Haut, Rücken). Die Schmerzen sind oder werden bei Betroffenen unter Umständen chronisch.

Der Begriff "Neuropathie“ ist ein Überbegriff für Erkrankungen der Nerven. Man unterscheidet zentrale Neuropathien, also solche, die vom zentralen Nervensystem (kurz ZNS: Gehirn und Rückenmark) ausgehen, von peripheren Neuropathien. Hier sind Nerven ausserhalb des ZNS die Schmerzursache. Eine Neuropathie betrifft entweder einzelne Nerven (Mononeuropathie) oder mehrere Nerven (Polyneuropathie).

Wie unterscheiden sich Nervenschmerzen von anderen Schmerzen?

Neuropathische Schmerzen unterscheiden sich von anderen Schmerzen wie zum Beispiel Kopf- oder Rückenschmerzen. Hier sind die Nerven nur die „Übermittler“ der Schmerzen. Bei neuropathischen Schmerzen sind die Nerven selbst die Auslöser oder zumindest in Teilen die Schmerzursache.

Wer ist betroffen?

Bei Tumorpatienten treten neuropathische Schmerzen bei circa 20 Prozent auf, bei chronischen Schmerzpatienten etwa bei 35 Prozent aller Betroffenen.

Neuropathische Schmerzen gehören neben Rückenschmerzen und Kopfschmerzen zu den häufigsten Ursachen für chronische Schmerzen.

Wie äussern sich neuropathische Schmerzen?

Die Symptome bei Menschen mit neuropathischen Schmerzen können sich deutlich voneinander unterscheiden und im Laufe der Zeit mal mehr, mal weniger intensiv sein.

Betroffene beschreiben die schmerzhaften Symptome häufig als:

  • brennend
  • kribbelnd (z.B. Ameisenlaufen)
  • stechend
  • einschiessend
  • elektrisierend

Die Symptome treten oft in Ruhe auf. Manchmal empfinden Betroffene bereits sanfte Berührungen oder warmes Wasser als schmerzhaft. Das bezeichnen Mediziner als Allodynie. Von Hyperalgesie spricht der Arzt, wenn ein schmerzhafter Reiz viel stärkere Schmerzen auslöst, als es bei Menschen ohne Nervenschmerzen der Fall wäre. Beides ist typisch für neuropathische Schmerzen.

Weitere Symptome sind:

  • Verminderte Wahrnehmung von Vibrationen
  • Reduziertes Temperaturempfinden
  • Kribbelndes bis taubes Gefühl (Hypästhesie) im betroffenen Bereich
  • Schwäche bis hin zu Lähmungen

Da neuropathische Schmerzen einerseits schwierig zu behandeln, andererseits für die Betroffenen besonders belastend sind, ist das Risiko hoch, dass die Schmerzen chronisch werden.

Nervenschmerzen führen aufgrund ihrer Intensität bei den Betroffenen oft zu weiteren Beschwerden wie Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen, Angstzuständen und Depressionen.

Wo treten die Schmerzen auf?

Da Nervenstränge den gesamten Körper durchziehen, sind Schmerzen in nahezu allen Körperbereichen möglich. Betroffen davon sind beispielsweise: der Kopf (z.B. Kopfhaut), der Nacken, das Gesicht (z.B. hinter dem Ohr), der Hals (meist seitlich), der Rumpf, die Rippen, der Rücken, die Schulter, die Arme (z.B. Unterarm, Oberarm), die Hände, die Beine (z.B. Oberschenkel, Knie), die Füsse (vor allem am Fussrücken), die Zehen, die Zähne, der Kiefer, die Haut, der Bauch, der Beckenboden.

Wie entstehen Nervenschmerzen?

Nervenschmerzen haben eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen. Sie entstehen beispielsweise durch Verletzungen, Quetschungen, Infektionen, Entzündungen oder Erkrankungen. Durch die beschädigten oder in ihrer Funktion gestörten Nerven leiten sie ununterbrochen Schmerzsignale an das Gehirn weiter, und das Schmerzempfinden ist gesteigert.

Schon die Kleidung auf der Haut oder normale Berührungen empfinden Betroffene dann unter Umständen als quälend schmerzhaft. Abhängig davon, wo die Ursache liegt, unterscheidet man zwei Klassen von Nervenschmerzen:

Periphere Neuropathie

Dabei gehen die Schmerzen vom peripheren Nervensystem aus. Damit sind alle Nerven gemeint, die ausserhalb von Gehirn und Rückenmark liegen. Sie verbinden beispielsweise Kopf, Gesicht, Augen, Nase, Muskeln und Ohren mit dem Gehirn.

Beispiele peripherer Neuropathien sind unter anderem:

  • Schmerzen auf der Haut bei akuter Herpes-Zoster-Infektion (Gürtelrose), die meist nur an einer Körperhälfte auftreten
  • Post-Zoster-Neuralgie: Starke Nervenschmerzen, die nach einer Gürtelrose bestehen bleiben
  • Phantomschmerz: Der Betroffene nimmt Schmerzen in einem Körperteil wahr, der nicht mehr vorhanden ist, meist infolge einer Amputation.
  • Trigeminusneuralgie: plötzlich heftige Schmerzen im Gesicht
  • Diabetische Neuropathie (Polyneuropathie): Hohe Blutzuckerwerte bei Menschen mit Diabetes mellitus schädigen Nerven an verschiedenen Stellen im Körper, die unter anderem zu brennenden Schmerzen führen, oft an den Füssen.
  • Bannwarth-Syndrom: Schmerzen (z.B. Kopf,- Gesichts- oder Bauchschmerzen), die nach einer Borreliose-Infektion auftreten.
  • Impingement-Syndrom (Engpass-Syndrom): Schmerzen, wenn Nerven zusammengedrückt oder eingeengt werden. Es tritt häufig an der Schulter auf.
  • Karpaltunnel-Syndrom: Ein Engpass im Sehnenfach des Handgelenks klemmt hierbei den mittleren Armnerv ein.

Zentrale Neuropathie

Die Schmerzen gehen vom zentralen Nervensystem (Rückenmark und Gehirn) aus.

Auslöser für zentrale Neuropathien sind beispielsweise:

  • Schlaganfall (Hirninfarkt)
  • Neurologische Erkrankungen, wie z.B. Multiple Sklerose (MS)
  • Entzündungen und Abszesse
  • Verletzung des Rückenmarks und der Wirbel (z.B. Bandscheibenvorfall)
  • Tumoren
  • Verletzungen der Nerven (z.B. Nervenschmerzen durch Unfälle oder nach Operationen)

Ferner sind Verspannungen, psychisch bedingter Stress, Alkoholmissbrauch, Medikamente (z.B. Chemotherapie oder altersbedingte Abnutzungen) mögliche Ursachen für Nervenschmerzen.

Welcher Arzt stellt die Diagnose? Und wie?

Bei Nervenschmerzen ist zunächst der Hausarzt erster Ansprechpartner. Dieser überweist bei Bedarf oder für weitere Untersuchungen an einen Facharzt. Die Diagnose bei Nervenschmerzen stellt ein Neurologe.

Die wichtigsten Massnahmen für eine sichere Diagnose sind das Gespräch mit dem Arzt (Anamnese) und eine neurologische Untersuchung. Wichtig ist vor allem, die Ursache der Schmerzen zu finden, um die passende Therapie möglichst schnell einzuleiten.

Gespräch mit dem Arzt

Zu Beginn führt der Arzt ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten. Dabei erkundigt er sich nach der Krankengeschichte des Betroffenen, insbesondere nach eventuellen Nervenverletzungen oder -schädigungen, etwa durch einen Unfall. Ausserdem fragt er (z.B. mithilfe eines Schmerzfragebogens) gezielt nach den typischen Symptomen und Zeichen von neuropathischen Schmerzen und sammelt Informationen über Dauer, Schmerzcharakter und Intensität.

Neurologische Untersuchung

Die neurologische Untersuchung dient dazu, typische neuropathische Beschwerden wie Taubheit, Lähmungserscheinungen oder Allodynie (Schmerzen bei sanften Berührungen) zu erfassen, die dem Betroffenen oft gar nicht bewusst sind. Mithilfe der quantitativen sensorischen Testung (QST) untersucht der Arzt durch thermische (z.B. Wärme, Kälte) und mechanische (z.B. Druck, Vibration) Reize die Haut und darunterliegende Bereiche auf die Funktion der Schmerzfasern.

Anschliessend misst der Arzt die Nervenleitgeschwindigkeit (Neurographie) und entnimmt gegebenenfalls eine kleine Probe aus dem betroffenen Nerv (Biopsie), um das Nervengewebe auf Veränderungen zu untersuchen (neurohistologische Untersuchung).

Mithilfe weiterer neurologischer Untersuchungen wie den „somatosensibel evozierten Potenzialen“ (SEP) testet der Arzt die Leitfähigkeit und damit die Funktion der Nervenbahnen von der Haut über das Rückenmark bis ins Gehirn. Dazu platziert er eine Stimulationselektrode in der Nähe eines sensiblen Nervs.

Oft setzt er darüberhinaus bildgebende Verfahren ein, zum Beispiel die Computertomografie (CT) oder die Magnetresonanztomografie (MRT). Diese machen eine Nervenschädigung direkt sichtbar. Zudem untersucht der Arzt das Blut des Betroffenen.

Sind Nervenschmerzen heilbar?

Je früher Nervenschmerzen ärztlich behandelt werden, desto besser sind die Heilungschancen. Im Umkehrschluss ist das Risiko, dass die Schmerzen chronisch werden, umso höher, je später die Therapie beginnt. Löst eine Grunderkrankung die Schmerzen aus, ist es jedoch oft möglich, diese und mit ihr auch die Schmerzen zu heilen.

Bei chronischen Schmerzen ist es wichtig, dass der Arzt realistische Behandlungsziele vor der Therapie zusammen mit dem Patienten bespricht. Ein realistisches Ziel ist zum Beispiel, dass sich die Schmerzen um mehr als 30 bis 50 Prozent verringern, sich die Schlaf- und Lebensqualität verbessern und Betroffene arbeitsfähig bleiben.

Wie lange halten Nervenschmerzen an?

Je nach Ursache verschwinden Nervenschmerzen nach einigen Minuten, Stunden, Tagen oder Wochen wieder. Oft bleiben sie aber auch über mehrere Monate bestehen und werden chronisch.

Wie kann man Nervenschmerzen vorbeugen?

Grundsätzlich lässt sich einer Nervenschädigung nicht vollkommen vorbeugen, da es dafür viele mögliche Ursachen gibt. Allerdings lässt sich das Risiko für Nervenschmerzen durch eine gesunde, achtsame Lebensweise reduzieren. Hierzu ist es zum Beispiel wichtig, dass Sie sich ausgewogen ernähren, regelmässig bewegen sowie Stress und Unfallrisiken vermeiden.

Autoren- & Quelleninformationen

Jetzt einblenden
Datum :
Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:

Tanja Unterberger studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Wien. 2015 begann sie ihre Arbeit als Medizinredakteurin bei NetDoktor in Österreich. Neben dem Schreiben von Fachtexten, Magazinartikeln sowie News bringt die Journalistin auch Erfahrung im Podcasting und in der Videoproduktion mit.

Quellen:
  • Baron R. Pharmakotherapie chronischer neuropathischer Schmerzen. In: Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 616-626
  • Cruccu G. et al: EFNS guidelines on neuropathic pain assessment: revised 2009, in: Eur J Neurol. 2010; 17: 1010-8; doi: 10.1111/j.1468-1331.2010.02969.x
  • Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN): Diagnose und nicht interventionelle Therapie neuropathischer Schmerzen, Stand: Mai 2019, unter: https://register.awmf.org/ (Abrufdatum: 09.06.2021)
  • Maier C. et al. (Hrsg.): Schmerzmedizin: interdisziplinäre Diagnose- und Behandlungsstrategien, Elsevier, Urban & Fischer, 2017
Teilen Sie Ihre Meinung mit uns
Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie NetDoktor einem Freund oder Kollegen empfehlen?
Mit einem Klick beantworten
  • 0
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
0 - sehr unwahrscheinlich
10 - sehr wahrscheinlich