Narbenbruch

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Dr. med. Mira Seidel

Dr. med. Mira Seidel ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.

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Ein Narbenbruch (Narbenhernie) bezeichnet eine Vorwölbung (Hernie), die im Bereich einer Narbe auftritt und ist eine mögliche Komplikation nach einer Bauchoperation. Neben einer Vorwölbung kommt es unter Umständen zu Symptomen wie Schmerzen oder Blut im Stuhl. Ärzte behandeln meist operativ, da sich das weitere Auseinanderweichen des Narbengewebes nicht aufhalten lässt. Alles über den Narbenbruch erfahren Sie hier.

Narbenbruch, Narbenhernie

Kurzübersicht

  • Symptome: Unter anderem Vorwölbung, Schmerzen, Blut im Stuhl, Fieber, Übelkeit und abnehmende körperliche Leistungsfähigkeit
  • Behandlung: Narbenbruch-OP
  • Ursachen und Risikofaktoren: Erhöhter Innendruck, Bindegewebsschwäche der Bauchdecke, Wundinfektion, Übergewicht etc.
  • Diagnostik: Erhebung der Krankengeschichte, körperliche Untersuchung, bildgebende Verfahren
  • Krankheitsverlauf und Prognose: In der Regel unproblematisch zu operieren; ohne operativen Eingriff dehnt sich der Narbenbruch weiter aus
  • Vorbeugen: Geeignete Operationstechniken, gutes Wundmanagement nach operativen Eingriffen, geeignete Aufsteh- und Hinlegetechniken etc.

Was ist ein Narbenbruch?

Was ist ein Narbenbruch? Beim Narbenbruch (Narbenhernie) weicht das Narbengewebe auseinander und der Bauchinhalt stülpt sich heraus. Diese Schwachstelle befindet sich beim Narbenbruch meist im Bereich der vorderen Bauchwand. Ein Narbenbruch besteht im Allgemeinen aus einer Bruchpforte, einem Bruchsack und dem Bruchinhalt, der insbesondere bei erhöhtem Druck im Bauch tastbar und sichtbar ist.

Narbenbruch: Bauch

Jede Operation an der Bauchwand birgt das Risiko einer Narbenhernie. So ist der Narbenbruch eine nach einer Bauchwand-OP häufig auftretende Komplikation, die in 15 bis 30 Prozent der Fälle vorkommt.

Meist tritt der Narbenbruch nach Operationen mit medianer Schnittführung auf, einer verbreiteten Operationsmethode, bei der der Arzt die Haut und die Bauchwandschichten in der Mitte entlang der Körperachse durchtrennt. Dort befindet sich die sogenannte Linea alba, wo verschiedene Bauchmuskeln ansetzen.

Die Muskelschichten bestehen aus dem äusseren schrägen Bauchmuskel, dem inneren schrägen Bauchmuskel, dem queren Bauchmuskel und dem geraden Bauchmuskel.

Nachdem der Arzt einen Schnitt entlang der Linea alba verschlossen hat, bieten die angelegten Nähte in der Regel trotz hoher Spannkräfte guten Halt.

Welche Symptome treten auf?

Narbenbrüche unterscheiden sich in Grösse, dem Ort des Auftretens und der Grösse des Bruchsackes. Die Symptome reichen von völliger Beschwerdefreiheit bis hin zu Schmerzen, die eine vollständige Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben. Die Schmerzen treten meist dann auf, wenn man die Bauchmuskulatur beispielsweise beim Husten, Heben schwerer Lasten oder Pressen anspannt.

Bei einem Narbenbruch ist das erste Symptom meist eine Vorwölbung im Bereich der Narbe. Ein kleiner Narbenbruch ist manchmal gar nicht sichtbar und tritt erst bei steigendem Druck im Bauch deutlich hervor. Nimmt die Grösse des Narbenbruchs zu, befinden sich darin möglicherweise Teile des Darms. Stuhlunregelmässigkeiten oder Blut im Stuhl sind dann unter Umständen die Folge.

Neben Rötungen und Schmerzen an der Bruchpforte, die sich deutlich verstärken, wenn der Bruchsack eingeklemmt ist, nimmt gegebenenfalls auch die körperliche Leistungsfähigkeit ab.

"Monströse" Hernie

Bei jedem Narbenbruch besteht die Gefahr, dass sich dieser möglicherweise zu einem sogenannten "monströsen" Narbenbruch ausweitet, der dann einen Durchmesser von über zehn bis fünfzehn Zentimeter hat. In diesem Narbenbruch befinden sich immer Baucheingeweide, die der Arzt im Rahmen einer Operation wieder in den Bauchraum zurückschiebt.

Einklemmung

Je kleiner die Bruchlücke, desto eher wird der Bruch eingeklemmt. Dabei treten möglicherweise innerhalb weniger Stunden heftige, dauerhafte oder kolikartige Bauchschmerzen – meist im Bereich der Narbenhernie – auf. Der Bauch ist dabei sehr druckempfindlich. Starke Bauchschmerzen, Fieber, Übelkeit und Erbrechen deuten darauf hin, dass zum Beispiel Teile des Darms eingeklemmt sind. Eine Einklemmung ist immer ein Notfall, den Ärzte sofort operieren.

Wie behandelt man einen Narbenbruch?

Zu welchem Arzt bei einem Narbenbruch? Der erste Ansprechpartner bei Verdacht auf eine Hernie ist beispielsweise der Hausarzt. Bestätigt sich der Verdacht, so überweist er den Patienten an einen Chirurgen.

In der Regel operiert der Arzt einen Narbenbruch, da er sich nicht von selbst zurückbildet. Auch bei einem kleinen Narbenbruch ist eine Operation ratsam, da der Bruchsack möglicherweise eingeklemmt wird. Bei Patienten mit grossem Narbenbruch ist es sinnvoll, vor der Operation abzunehmen und regelmässig Atemübungen zu machen.

Eine Narbenbruch-OP ist bei Patienten ohne Beschwerden kein dringender Eingriff. Die Muskelschichten weichen jedoch mit der Zeit immer weiter auseinander, sodass die Narbenhernie sich stetig vergrössert.

Ärzte raten zu einer Operation des Narbenbruchs auch dann, wenn er keine Beschwerden macht, da es sonst womöglich zu gefährlichen Komplikationen (zum Beispiel Einklemmung von Darmteilen) kommt.

Experten empfehlen, eine Narbenhernien-OP frühestens vier bis sechs Monate nach der Voroperation durchzuführen. Einen Narbenbruch operieren Chirurgen entweder offen oder mit der sogenannten Schlüssellochtechnik (Laparoskopie). Ihr Arzt klärt Sie darüber auf, wie lange es im Anschluss an eine Narbenbruch-OP nötig ist, sich zu schonen und rät Ihnen gegebenenfalls dazu, für einige Wochen eine Bandage zu tragen.

Narbenbruch-OP: Offene Operation

Bei der offenen Narbenbruch-Operation eröffnet der Chirurg die Bauchdecke mit einem Bauchschnitt. Dann legt er den Bruchsack frei und schiebt ihn wieder in die Bauchhöhle zurück. Je nach Grösse des Bruchsackes und dem Gesundheitszustand des Patienten gibt es verschiedene Methoden, um die Bauchwand wieder zu verschliessen:

Einen sehr kleinen Narbenbruch verschliesst der Arzt in der Regel mit einer direkten Naht. Ab einer Bruchgrösse von drei Zentimetern kommt meist ein stabilisierendes Kunststoffnetz zum Einsatz. Dabei setzt der Operateur das Netz so ein, dass es auf jeder Seite den Narbenbruch mindestens fünf Zentimeter überlappt. Man unterscheidet, je nachdem in welcher Bauchwandschicht der Arzt das Kunststoffnetz eingesetzt hat, die Inlay-, Onlay- oder Sublay-Technik.

Bei grossen Narbenbrüchen kommen gegebenenfalls sogenannte "Bio-Netze" zum Einsatz. Man gewinnt sie aus dem Dünndarm von Schweinen. Später baut der Körper sie ab, nachdem das betroffene Gewebe stabil ist.

Narbenbruch-OP: Schlüssellochtechnik

Bei der Schlüssellochtechnik (Laparoskopie) operiert der Arzt über einen kleinen Bauchschnitt mit einer Kameraoptik. Diese Methode gilt als sehr schonend für den Patienten – wiederholte Brüche und Wundheilungsstörungen treten hier seltener auf.

Auch der Schmerzmitteleinsatz ist geringer. Wie lange Sie nach der Narbenbruch-OP im Krankenhaus bleiben, hängt ebenfalls von der Operationstechnik ab. Im Falle der Schlüssellochtechnik ist die Verweildauer im Krankenhaus generell geringer.

Narbenbruch: Ursachen und Risikofaktoren

Ursache für einen Bauchwandbruch ist eine Kombination aus erhöhtem Innendruck im Bauchraum und einer angeborenen oder erworbenen Schwachstelle des Bindegewebes der Bauchdecke.

Der Druck im Bauch verstärkt sich durch Übergewicht, Husten, Pressen, eine Bauchwassersucht (Aszites) oder durch eine Schwangerschaft und führt dann möglicherweise zu einem Narbenbruch.

Bei kleinen Brüchen ist gegebenenfalls nur Fettgewebe im Bruchsack enthalten, während sich bei grossen Brüchen möglicherweise ein Teil von Dünndarm oder Dickdarm darin  befinden.

Etwa die Hälfte der Narbenhernien tritt innerhalb des ersten halben Jahres nach der Operation auf – bis zu fünf Jahre nach der Operation sind Narbenbrüche möglich.

Risikofaktoren

Neben Grund- oder Begleiterkrankungen des Patienten spielen auch chirurgisch-technische Faktoren eine Rolle. Zusammengefasst gelten folgende Risikofaktoren für einen Narbenbruch:

Patientenabhängige Faktoren:

  • Übergewicht
  • Wundinfektion
  • Höheres Lebensalter
  • Nikotinkonsum
  • Kortison und Medikamente, die die Funktion des Immunsystems unterdrücken
  • Erbliche Kollagenerkrankungen
  • Begleiterkrankungen wie Blutarmut, Tumorleiden, Diabetes mellitus, Bauchaortenaneurysma

Chirurgisch technische Faktoren:

  • Schnittführung
  • Nahtmaterial
  • Nahttechnik

Übergewicht ab einem Body-Mass-Index von 25 zählt zu den wichtigsten Risikofaktoren für die Entstehung von Narbenhernien. Hauptursache ist dabei der erhöhte Druck im Bauchraum. Darüber hinaus lässt sich aufgrund des vermehrten Fettgewebes die Operationswunde bei Übergewichtigen oft weniger exakt vernähen.

Eine verminderte Durchblutung und damit Sauerstoffversorgung des Narbengewebes durch Blutarmut, Schock oder Unterernährung beeinflusst die Wundheilung ebenso negativ wie Rauchen, Kollagenstoffwechselerkrankungen, Wundinfektionen oder eine Kortisontherapie. Raucher besitzen ein vierfach erhöhtes Risiko für einen Narbenbruch.

Untersuchungen und Diagnose

Bei einem Narbenbruch ist es unbedingt ratsam, einen Arzt aufzusuchen. Der Arzt erhebt Ihre Krankengeschichte und führt eine körperliche Untersuchung sowohl im Liegen als auch im Stehen durch. Darüber hinaus bittet er Sie zum Beispiel, einmal zu pressen, um den Bauchdruck zu erhöhen. Mögliche Fragen des Arztes an Sie sind:

  • Wann wurden Sie operiert?
  • Wie viele Operationen wurden bereits durchgeführt?
  • Seit wann bestehen die Beschwerden?

Der Arzt tastet den Bruchring mit dem hervortretenden Bruchsack – lässt sich der Bruchsackinhalt leicht wieder in die Bauchhöhle zurückschieben, ist die Diagnose einfach zu stellen. Bei kleineren Narbenbrüchen ist eine körperliche Untersuchung oft schwieriger, da der Bruchring unauffällig ist und meist nur ein lokaler Druckschmerz besteht.

Einen Narbenbruch charakterisiert man anhand der Grösse der Bruchpforte, ob sich die Vorwölbung spontan zurückschieben lässt, wie weit der Bruch vom Rippenbogen entfernt ist und seine Lage – etwa im Ober- oder Unterbauch.

Narbenbruch-Diagnose: Bildgebende Verfahren

Bei übergewichtigen Patienten ist es oft schwer, einen Narbenbruch zu untersuchen. Dabei ist es hilfreich, innere Organe und Gewebe mit Verfahren wie Ultraschall, Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) darzustellen.

Auch bei Patienten mit starken Beschwerden, bei denen der Arzt durch die reine körperliche Untersuchung keinen eindeutigen Befund erhoben hat, kommen bildgebende Verfahren zum Einsatz. Ärzte untersuchen Krebspatienten zudem auf gegebenenfalls neu entstandene Tumore.

Narbenbruch: Krankheitsverlauf und Prognose

Ein Narbenbruch lässt sich in der Regel unproblematisch operieren und erfolgreich behandeln. Operiert man einen Narbenbruch nicht, dehnt er sich weiter aus.

Komplikationen wie beispielsweise ein Darmverschluss, Schmerzen und Verdauungsprobleme sind mögliche Folgen. Durch neue Operationsverfahren, Kunststoffimplantate und standardisierte Behandlungsschritte hat sich die Hernienchirurgie immer weiter entwickelt.

Neueste Entwicklungen in der Kunststoffnetz-Technik reduzieren die Schmerzen nach einer Narbenbruch-OP mit Netz sowie das Fremdkörpergefühl und ermöglichen eine bessere Bauchwandbeweglichkeit.

Vorbeugen

Einem Narbenbruch lässt sich unter anderem durch die Operationstechniken vorbeugen. Sofern es möglich ist, empfehlen Experten, bei einer Operation zum Beispiel die laparoskopische Operationstechnik anzuwenden und im Falle von grossen Bauchschnitten und Risikofaktoren eine Netzimplantation in Erwägung zu ziehen.

Weitere Faktoren, die zu einer Prävention beitragen, sind ein optimales und hygienisches Wundmanagement nach einem operativen Eingriff und das Vorbeugen einer Verstopfung (Obstipation). Geeignete Aufsteh- und Hinlegetechniken lassen sich vor einem geplanten Eingriff bereits üben und tragen ebenfalls dazu bei, einer Narbenhernie vorzubeugen.

Autoren- & Quelleninformationen

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Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Dr. med. Mira Seidel
Dr. med.  Mira Seidel

Dr. med. Mira Seidel ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.

ICD-Codes:
K43
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • Battegay, E.: Differenzialdiagnose: Innere Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose. Georg Thieme Verlag, 21. Auflage, 2017
  • Deutsche Hernien Gesellschaft (DHG): Patienteninformationen zur Hernienchirurgie, unter: www.herniengesellschaft.de (Abrufdatum: 21.03.2022)
  • Hernien-Selbsthilfe Deutschland e.V.: Therapie, unter: www.hernien-selbsthilfe.de (Abrufdatum: 22.03.2022)
  • Krones, C. J. et Bock, B.: Viszeralchirurgische Fälle für die Facharztprüfung. Springer-Verlag, 1. Auflage 2018
  • Markus, P. M.: Allgemein- und Viszeralchirurgie I: Grundlagen, Allgemein- und Notfallchirurgie. Urban & Fischer Verlag, 4. Auflage 2022
  • Müller, M.: Chirurgie für Studium und Praxis. Medizinische Vlgs- u. Inform.-Dienste; 16. Auflage, 2022
  • Pschyrembel Online, Klinisches Wörterbuch: Narbenhernie, Stand: April 2020, unter: www.pschyrembel.de (Abrufdatum: 21.03.2022)
  • Richter, O. et Uhlmann, D.: Operationsberichte Allgemein-, Viszeral- , Gefäß- und Thoraxchirurgie. Springer-Verlag, 2. Auflage 2018
  • Schiergens, T.: Chirurgie. Urban & Fischer Verlag, 4. Auflage 2019
  • Schumpelick, K.: Narbenhernie- Pathogenese, Klinik und Therapie, Ärzteblatt, Ausgabe 39, 2006
  • Schumpelick, V. et al: Hernien. Georg Thieme Verlag, 5. Auflage, 2015
  • Siewert, J. & Stein, H.: Chirurgie. Springer Verlag, 9. Auflage, 2012
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