Lipödem

Von , Arzt
und , Wissenschaftsjournalistin
Clemens Gödel

Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.

Carola Felchner

Carola Felchner ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion und geprüfte Trainings- und Ernährungsberaterin. Sie arbeitete bei verschiedenen Fachmagazinen und Online-Portalen, bevor sie sich 2015 als Journalistin selbstständig machte. Vor ihrem Volontariat studierte sie in Kempten und München Übersetzen und Dolmetschen.

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Das Lipödem ist eine Fettverteilungsstörung an den Beinen und/oder Armen. Oft ist in das betroffene Gewebe zusätzlich Wasser eingelagert (Ödem). Die Veränderung betrifft fast ausschliesslich Frauen. Das Lipödem lässt sich konservativ oder durch eine Operation behandeln. Lesen Sie hier, woran man ein Lipödem erkennt, wie es entsteht und wie es sich behandeln lässt.

Lipödem

Kurzübersicht

  • Behandlung: Kompressionstherapie, manuelle Lymphdrainage, Sport, Gewichtskontrolle, operative Verfahren wie Liposuktion (Fettabsaugung)
  • Symptome: Symmetrische Vermehrung des Fettgewebes an Beinen (und/oder Armen), Druck- und Spannungsschmerz, Neigung zu Blutergüssen, Unproportioniertheit, typischerweise sind Hände und Füsse nicht betroffen
  • Untersuchungen und Diagnose: Anamnese, körperliche Untersuchung, Körpermasse im Verhältnis zueinander (z. B. Taille-Hüfte), BMI, ggf. Ultraschalluntersuchung, ggf. andere Untersuchungsverfahren zum Ausschluss anderer Erkrankungen
  • Ursachen und Risikofaktoren: Nicht vollständig geklärt, vermutlich genetische Faktoren, hormonelle Einflüsse insbesondere von Östrogen
  • Vorbeugen: Keine generelle Vorbeugung möglich, Gewichtskontrolle, Bewegung und frühzeitige Therapie um Fortschreiten der Erkrankung vorzubeugen
  • Krankheitsverlauf und Prognose: Keine Heilung möglich, Symptomlinderung durch entsprechende Therapieverfahren

Was ist ein Lipödem?

Ein Lipödem ist eine Fettverteilungsstörung. Es tritt vorwiegend an den Beinen, seltener an den Armen auf. Die Erkrankung kommt fast ausschliesslich bei Frauen vor. Sehr selten ist ein Lipödem beim Mann. Dann steht es oft in Verbindungen mit anderen Erkrankungen. Der Begriff "Reiterhosenphänomen" ist ein Synonym zum Lipödem.

Bei einem Lipödem ist das Unterhautfettgewebe an bestimmten Körperstellen vermehrt. Insbesondere betrifft dies Po, Hüften und Oberschenkel. Zusätzlich zu dem vermehrten Unterhautfett lagert sich Wasser ins Gewebe ein (Ödem). Erst, wenn die Veränderungen Beschwerden hervorrufen, wird das Lipödem als Krankheit betrachtet.

Wie verläuft die Operation und welche Behandlungen gibt es noch?

Die Lipödem-Behandlung zielt vor allem auf die Linderung der Beschwerden ab. Die Therapie soll zudem verhindern, dass sich die Erkrankung verschlechtert. Eine Behandlung, durch die sich das Lipödem heilen lässt, gibt es nicht.

Der Krankheitsverlauf lässt sich jedoch abmildern – durch konservative und/oder operative Therapiemethoden.

Ein wichtiger Aspekt der Lipödem-Behandlung ist es, begünstigende Faktoren zu reduzieren.

Dazu zählen vor allem:

  • Übergewicht
  • Wassereinlagerungen im Gewebe (Ödeme)
  • Psychische Belastungen

Physiotherapie

Die konservative Behandlung eines Lipödems basiert auf physiotherapeutischen Massnahmen. Der Überbegriff für diese Behandlungsmethode ist "komplexe physikalische Entstauungstherapie" (KPE). Sie ist besonders bei einem gleichzeitig bestehenden Lymphödem erfolgversprechend (Lipolymphödem).

Zur Therapie gehört eine manuelle Lymphdrainage in Form von Schöpf-, Dreh- und auch Pumpgriffen. Diese führt der Therapeut zuerst entfernt vom Lipödem am Rumpf durch, um einen Sog zu erzeugen. Anschliessend erfolgt die Lymphdrainage im Bereich des Lipödems selbst.

Die manuelle Lymphdrainage erfolgt anfangs täglich über eine Stunde, über einen Zeitraum von drei bis vier Wochen.

Kompressionsbehandlung

Im Anschluss an jede Sitzung wird das betroffene Areal gewickelt oder ein Kompressionsstrumpf angelegt. Diese Kompressionsbehandlung reduziert zwar ein Lipödem nur wenig. In vielen Fällen verlangsamt sie aber das Fortschreiten und verhindert, dass infolge eines Lipödems ein Lymphödem entsteht.

Auch andere physiotherapeutische Verfahren sind zur Behandlung eines Lipödems mitunter hilfreich. Dazu zählt etwa die Shock-Wave-Therapie. Sie verbessert die Durchblutung im Gewebe. Die sogenannte intermittierende pneumatische Kompression übt maschinell abwechselnd niedrigen und hohen Druck auf das betroffene Areal aus.

Für Patienten mit einem schweren Lipödem ist mitunter eine stationäre Physiotherapie empfehlenswert.

Massage und Hochlagern der Beine verbessern die Lipödem-Symptome meist kaum. Sie verhindern auch nur selten das Fortschreiten der Erkrankung.

Sport ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie

Es gibt zwar keine spezielle Therapie, um das Lipödem selbst zu behandeln – Sport und Bewegung sind aber wichtige Pfeiler in der Behandlung des Lipödems. Dadurch verringert sich zwar die Zahl der Fettzellen nicht, es ist jedoch trotzdem sinnvoll: Körperliche Aktivität sorgt dafür, dass Sie mobil und beweglich bleiben.

Zudem hilft Bewegung, Übergewicht zu reduzieren beziehungsweise ein gesundes Körpergewicht zu halten.

Tipp: Wählen Sie eine Sportart mit geringem Verletzungsrisiko und gleichmässigen, fliessenden Bewegungen (kein starkes Abbremsen). Geeignet sind zum Beispiel Schwimmen, Wassergymnastik, schnelles Gehen und Radfahren.

Wassergymnastik kann helfen
Wassergymnastik bei Lipödem
Sportarten mit geringem Verletzungsrisiko und weichen Bewegungen wie Wassergymnastik oder Schwimmen sind bei Lipödem-Patienten besonders gut geeignet, um den Körper regelmässig und schonend zu bewegen.

Welche Rolle spielt die Ernährung bei einem Lipödem?

Es gibt keine spezielle Lipödem-Ernährung, die gegen die symmetrische Fettgewebsvermehrung an Beinen und/oder Armen hilft. Eine Gewichtszunahme oder Übergewicht steigern aber das Risiko, dass sich das Lipödem verstärkt. Eine ausgewogene Ernährung ist daher ratsam, um ein gesundes Körpergewicht zu erreichen oder zu halten.

Umgekehrt ist ein Lipödem aber nicht das Ergebnis übermässiger Gewichtszunahme. Es lässt sich auch nicht durch Abnehmen beseitigen. Mitunter belastet es die Psyche eher, wenn das Lipödem trotz andauernder Diät nicht verschwindet.

Weitere konservative Massnahmen

Zur Lipödem-Behandlung gehört auch Hautpflege. Sie verhindert Entzündungen und Infektionen im betroffenen Hautbereich. Deshalb ist es wichtig, die Haut sorgfältig einzucremen, damit sie nicht trocken und rissig wird. Es ist ratsam, kleine Verletzungen sofort zu behandeln, damit sie sich nicht entzünden oder infizieren.

Eine psychische Unterstützung des Patienten ist wichtiger Bestandteil der ganzheitlichen Lipödem-Therapie. Viele Patienten leiden nämlich an Depressionen, Ängsten und/oder Essstörungen. Für Betroffene ist dann psychologische Hilfe wichtig.

Lipödem-OP: Fettabsaugung

Ein Lipödem lässt sich chirurgisch mittels Fettabsaugung (Liposuktion) behandeln. Dabei wird übermässiges Unterhautfettgewebe dauerhaft entfernt. Der Eingriff erfolgt etwa, wenn die Beschwerden trotz konservativer Lipödem-Therapie weiter bestehen oder sogar zunehmen.

Auch wenn sich trotz konsequenter konservativer Behandlung das Unterhautfettgewebe weiter vermehrt, ist eine Fettabsaugung angezeigt.

Die Fettabsaugung ist keine Methode, um überschüssige Kilos bei Übergewicht los zu werden!

Durch die Liposuktion bessert sich das Beschwerdebild der meisten Patienten über viele Jahre. Vor allem Schmerzen und die Bluterguss-Neigung lassen sich durch den Eingriff verringern, zudem reduziert sich der Umfang der betroffenen Extremitäten.

Oft entfallen nach der Fettabsaugung konservative Massnahmen (zum Beispiel Kompression) oder sind nur noch in geringerem Umfang nötig.

Bei einem ausgeprägten Lipödem sowie bei einem Lipolymphödem ist es möglich, dass nach Entstauungstherapie und Gewichtsreduktion grosse, schlaffe Gewebesäcke zurückbleiben. Dann ist gegebenenfalls ein spezieller plastisch-chirurgischer Eingriff (Dermolipektomie) sinnvoller als eine Fettabsaugung.

Ablauf der Fettabsaugung

Es ist ratsam, die Fettabsaugung bei einem Lipödem nur an spezialisierten Zentren durchführen zu lassen – entweder ambulant oder stationär.

Die Liposuktion erfolgt grob in zwei Schritten:

  • Der Arzt leitet über eine Kanüle eine grössere Menge einer speziellen Spülflüssigkeit in das Lipödem-Gewebe. Diese sogenannte Tumeszenz-Lösung enthält unter anderem ein lokales Betäubungsmittel, Kochsalz und Adrenalin.
  • Anschliessend wird die Flüssigkeit zusammen mit viel Fett aus dem Gewebe abgesaugt.

Diese Technik wird auch "feuchte" Fettabsaugung genannt. Sie wird manchmal durch einen Wasserstrahl oder Vibration unterstützt:

  • Wasserstrahl-assistierte Liposuktion (WAL): Nach Verabreichen der Tumeszens-Lösung wird das Fett mit einem fächerförmigen Wasserstrahl herausgelöst und abgesaugt.
  • Vibrations-Liposuktion: Die Absaugkanüle wird in Schwingung versetzt. Da Fettzellen träger sind als etwa Blutgefässe und Nervenzellen, werden sie gelöst und abgesaugt.

Es ist wichtig, dass sich Patienten nach dem Eingriff möglichst bald bewegen (Mobilisierung) und eine physikalische Therapie erhalten. So lassen sich Schwellungen, wie sie oft nach der Fettabsaugung auftreten, vermeiden oder reduzieren.

In einer Sitzung lassen sich maximal fünf Liter entfernen. In schweren Fällen sind deshalb meist mehrere Sitzungen nötig, um das Lipödem deutlich zu reduzieren.

Wie bei jedem chirurgischen Eingriff sind bei einer Liposuktion (schwere) Nebenwirkungen möglich. Unter anderem besteht das Risiko, das Lymphsystem zu verletzen. Als Folge entwickelt sich dann ein sekundäres Lymphödem.

Nicht immer wird die Fettabsaugung von den Krankenkassen bezahlt. Es ist ratsam, sich im Vorfeld über eine mögliche Kostenübernahme zu informieren.

Was sind die Symptome bei einem Lipödem?

Bei einem Lipödem kommt es zu einer Vermehrung des Fettgewebes an den Extremitäten. Meist sind die Beine betroffen. Seltener entwickelt sich das Lipödem an den Armen (vor allem den Oberarmen). Gelegentlich sind sowohl Arme als auch Beine betroffen. Ganz selten entsteht an anderen Körperregionen ein Lipödem (Bauch et cetera).

Das Lipödem ist fast immer symmetrisch ausgebildet, das heisst: Es sind beide Beine und/oder beide Arme betroffen. Seitenunterschiede sind extrem selten.

Das Lipödem der Beine umfasst mitunter auch das Gesäss gleichmässig. Die Füsse sind allerdings ausgespart. Ebenso sind bei einem Lipödem an den Armen die Hände ausgespart. Am Übergang zwischen dem Lipödem und den Händen oder Füssen fällt manchmal ein sogenannter "Fettkragen" auf.

Ein Lipödem tritt häufiger in Verbindung mit allgemeinem Übergewicht auf, muss aber nicht. Oft beobachtet man es auch bei sehr schlanken Frauen. Das Lipödem hat also nichts mit der Körperkonstitution zu tun!

Die Lipödem-Schwellung ist meist weich. Sie lässt sich durch Hochlagern der Beine (oder Arme) kaum verringern. Das ist ein Unterschied zum Ödem (Wasseransammlung im Gewebe) aufgrund einer anderen Ursache.

In den Hautfalten, die durch die Fettgewebsvermehrung entstehen, bilden sich leichter Entzündungen und Infektionen.

Im Unterhautfettgewebe der betroffenen Extremitäten sind oftmals kleine Knoten tastbar, die im weiteren Verlauf manchmal grösser werden. In späten Stadien bilden sich sogenannte Wammen (Fettlappen).

Schmerzen und Blutergüsse

Wichtige Lipödem-Symptome sind ausserdem ein Spannungsgefühl und Schmerzen in den betroffenen Körperregionen, etwa in den Beinen. Diese fühlen sich schwer an und tun besonders nach langem Stehen und Gehen weh. Patienten berichten zudem oft von Berührungs- und Druckschmerzen.

Die Lipödem-Schmerzen sind vor allem in späten Krankheitsstadien mitunter so stark, dass sich Betroffene weniger bewegen und im Alltag eingeschränkt sind.

Zu den Lipödem-Symptomen zählt eine erhöhte Neigung zu Blutergüssen: Selbst leichtere Verletzungen verursachen einen "blauen Fleck". Es liegt aber keine Gerinnungsstörung im ganzen Körper vor. Vermutlich sind die Gefässe im betroffenen Gewebe leichter verletzlich. So bilden sich schneller als bei anderen Menschen Blutergüsse.

Das Lipödem schreitet fort

Das Lipödem ist eine fortschreitende Erkrankung. Das heisst, die Lipödem-Symptome nehmen unbehandelt zu: So entwickelt sich meist ein erstgradiges, leichtes Lipödem zu einem fortgeschrittenen Lipödem mit grossen Fettgewebsvermehrungen.

Das ist für Betroffene mitunter seelisch sehr belastend. Viele Patienten fühlen sich zunehmend unwohl in und mit ihrem Körper. Das Selbstwertgefühl leidet und manchmal entwickeln sich Ängste und Depressionen.

Vor allem, wenn die Diagnose erst spät gestellt wird und Betroffene fälschlicherweise als (selbstverschuldet) übergewichtig diagnostiziert werden, ist das für die Psyche sehr belastend. Die meist langwierige Behandlung trägt manchmal ebenfalls dazu bei – besonders, wenn sie nicht zum Erfolg führt.

Lipödem oder Übergewicht? Unterschiede zu anderen Erkrankungen

Oft werden die Lipödem-Symptome mit den Anzeichen anderer Erkrankungen verwechselt. So verursacht zum Beispiel starkes Übergewicht (Fettleibigkeit = Adipositas) ein ähnliches Beschwerdebild. Das Gleiche gilt für Lymphödeme und Lipohypertrophie.

Ein Lymphödem entsteht, wenn sich Flüssigkeit und Eiweiss im Gewebe stauen, weil der Abtransport über das Lymphsystem gestört ist. Die Lipohypertrophie entsteht wie das Lipödem durch eine lokale Vermehrung des Fettgewebes. Sie bereitet den Betroffenen aber nie Schmerzen.

Manche stellen sich die Frage, wie sich Cellulite und Lipödem voneinander abgrenzen lassen. Cellulite ("Orangenhaut") tritt als wellenartige Hauterscheinung zwar auch oft an Po und Oberschenkeln von Frauen auf, es handelt sich dabei allerdings nicht um ein Krankheitsbild.

Die nachfolgende Tabelle nennt die wichtigsten Unterschiede zwischen einem Lipödem, einem Lymphödem, einer Lipohypertrophie und einer Fettleibigkeit (Adipositas):

Lipödem

Lymphödem

Lipohypertrophie

Fettleibigkeit

Symmetrische Vermehrung des Fettgewebes an beiden Beinen sowie evtl. am Gesäss (und/oder an beiden Armen). Füsse und Hände bleiben ausgespart.

Ansonsten ist der Betroffene meist schlank. So wirkt der Körper deutlich unproportioniert (Disproportion).

Unsymmetrische (einseitige) Vermehrung des Fettgewebes. Wenn ein Bein bzw. Arm betroffen ist, dann meist auch der Fuss/die Hand.

Körper wirkt leicht unproportioniert.

Symmetrische Vermehrung des Fettgewebes an beiden Beinen (und Gesäss).

Körper wirkt deutlich unproportioniert.

Mehr oder weniger überall am Körper überschüssige Fettpolster.

Normale oder leicht ungleichmässige Körperproportionen.

Mit Wassereinlagerung im Gewebe (Ödem).

Mit Wassereinlagerung im Gewebe (Ödem).

Keine Wassereinlagerung im Gewebe.

Wassereinlagerung im Gewebe (Ödem) möglich.

Druckschmerzen.

Keine Druckschmerzen.

Keine Druckschmerzen.

Keine Druckschmerzen.

Deutliche Neigung zu Blutergüssen.

Keine Neigung zu Blutergüssen.

Neigung zu Blutergüssen möglich.

Keine Neigung zu Blutergüssen.

Die einzelnen Krankheitsbilder treten mitunter in Kombination auf, etwa wenn Betroffene zusätzlich zum Lipödem fettleibig sind.

Wie lässt sich ein Lipödem erkennen?

Die Lipödem-Diagnose ist oft nicht leicht. Es gibt nämlich viele andere Erkrankungen, die ähnliche Beschwerden verursachen. Zudem sind manche Ärzte mit dem Krankheitsbild Lipödem wenig vertraut. Deshalb wird das Lipödem bei manchen Menschen gar nicht oder erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert.

Aber welcher Arzt ist bei einem Lipödem der richtige Ansprechpartner? Bei Verdacht auf ein Lipödem ist es ratsam, sich an einen Spezialisten zu wenden. Dazu zählen Hautärzte (Dermatologen) sowie Venen- und Lymphfachärzte (Phlebologen und Lymphologen).

Arzt-Patienten-Gespräch

Zuerst wird sich der Arzt ausführlich mit Ihnen unterhalten, um Ihre Krankengeschichte zu erheben (Anamnese). Mögliche Fragen des Arztes sind:

  • Haben Sie Schmerzen, ein Spannungs- oder Schweregefühl in der betroffenen Körperregion?
  • Neigen Sie zu Blutergüssen im betroffenen Körperbereich?
  • Seit wann haben Sie diese Beschwerden? Haben sie sich im Laufe der Zeit verändert?
  • Nehmen Sie Hormonpräparate ein (Männer und Frauen) oder befinden Sie sich in einer Phase der Hormonumstellung (Frauen, z. B. Pubertät, Schwangerschaft, Wechseljahre)?
  • Was haben Sie bislang gegen die starke Vermehrung des Fettgewebes unternommen (Abnehmversuche, Sport etc.)
  • Sind in Ihrer Familie ähnliche Fälle bekannt?

Möglicherweise fragt der Arzt nach Ihrem psychischen Zustand, zum Beispiel ob Sie unter Ängsten, Essstörungen oder Depressionen leiden. Antworten Sie dem Arzt ehrlich darauf. Das erleichtert die Diagnose und hilft dem Arzt, die richtige Behandlung für Sie auszuwählen.

Körperliche Untersuchung

Zusammen mit den Erkenntnissen aus dem Gespräch reicht dem Arzt meist eine gezielte körperliche Untersuchung aus, um die Lipödem-Diagnose zu stellen. Schon die symmetrische Fettgewebsvermehrung an den Extremitäten bei ansonsten schlankem Rumpf liefert einen deutlichen Hinweis.

Beim fortgeschrittenen Lipödem (Arme, Beine) ist eine Art "Fettkragen" über den Hand- beziehungsweise Fussknöcheln ein Hinweis. Charakteristisch ist ein Kalibersprung von Umfang der Arme/Beine zu den schmaleren Händen/Füssen. Dies gilt aber nicht, wenn neben dem Lipödem noch ein Lymphödem besteht (Lipolymphödem).

Zur Unterscheidung von Lipödem und Lymphödem, etwa am Bein, dient das sogenannte Stemmer-Zeichen. Es ist positiv, wenn sich keine Hautfalte vom Vorfuss abheben lässt. Bei einem Lymphödem ist dies nicht möglich. Bei einem Lipödem dagegen schon: Die Haut am Fuss (an der Hand) lässt sich etwas abheben.

Aber Vorsicht: Da es auch Mischformen von Lip- und Lymphödem gibt, schliesst ein negatives Stemmer-Zeichen ein Lipödem nicht aus!

Manche Ärzte wenden eine Art "Kneiftest" an: Kneift der Arzt in die Aussenseite des Oberschenkels, ist dies bei einem Lipödem schmerzhafter als an der Innenseite – normalerweise ist dies umgekehrt. Zwar lässt sich der Kneiftest auch als Selbsttest durchführen, die korrekte Diagnose ist aber nur durch den Arzt möglich.

Der Arzt inspiziert das betroffene Areal sorgfältig und achtet auf Hautveränderungen. Er prüft etwa, ob die Haut gespannt ist und ob Knoten im Unterhautgewebe tastbar sind. Das betroffene Areal ist meist sehr schmerzhaft und verletzlich. Zudem bilden sich bei einem Lipödem in Hautfalten mitunter Entzündungen und Infektionen.

Zudem notiert sich der Arzt Ort und Ausmass der Veränderungen. Bei Folgeuntersuchungen erkennt er dadurch leichter, wie sich die Erkrankung entwickelt. Auch Gewicht und Körpergrösse (zur Bestimmung des Body-Mass-Index (BMI)) sowie Umfang und Volumen der Arme und Beine sind wichtig für die Kontrolluntersuchungen.

Sinnvoll ist es ausserdem, das Verhältnis von Taillenumfang zu Hüftumfang oder zur Körpergrösse zu berechnen. Dadurch lässt sich leichter erkennen, ob die Fettverteilung unproportioniert ist.

Lipödem-Einteilung

Ein Lipödem lässt sich nach verschiedenen Kriterien einteilen:

Nach der Lage des Lipödems unterscheiden Mediziner den Oberschenkeltyp, Ganzbeintyp, Unterschenkeltyp, Oberarmtyp, Ganzarmtyp und Unterarmtyp. Bei vielen Patienten ergeben sich auch Mischbilder (wie Oberschenkel- und Oberarmtyp).

Nach Struktur und Oberfläche der Haut (Morphologie) lassen sich folgende drei Lipödem-Stadien unterscheiden:

  • Lipödem-Stadium 1 (Anfangsstadium): Glatte Hautoberfläche, gleichmässig verdickte und homogene Unterhaut
  • Lipödem-Stadium 2: Unebene, vorwiegend wellenartige Hautoberfläche; knotenartige Strukturen in der Unterhaut
  • Lipödem-Stadium 3: Ausgeprägte Umfangsvermehrung im betroffenen Körperbereich mit überhängenden Körperanteilen (Wammen)
Lipödem-Stadien
Lipödem-Stadien
Das Lipödem kann nach Struktur und Oberfläche der Haut in drei Stadien eingeteilt werden.

In jedem Stadium besteht die Möglichkeit, dass sich zusätzlich zum Lipödem ein Lymphödem entwickeln. Begünstigt wird dies durch Faktoren wie starkes Übergewicht (Adipositas) und mangelnde Bewegung.

Bildgebung und Funktionsuntersuchungen

Bildgebende Untersuchungen sind für die Lipödem-Diagnose nicht erforderlich. Erfahrene Mediziner untersuchen jedoch manchmal die betroffene Region mit Ultraschall, um die Grösse des Lipödems und den Gefässzustand einzuschätzen.

Mit speziellen Untersuchungen beurteilt der Arzt das Lymphgefässsystem genauer. Dazu zählen die sogenannte (Funktions-) Lymphoszintigrafie und die indirekte Lymphangiografie. Damit lässt sich ein Lymphödem diagnostizieren beziehungsweise ausschliessen.

Nur in Einzelfällen wird bei Lipödem-Patienten eine Kernspintomografie (MRT) oder eine Computertomografie (CT) durchgeführt. Die Verfahren dienen dann meist der Abklärung anderer Erkrankungen.

Alternative Diagnosen

Da ein Lipödem mitunter anderen Erkrankungen ähnelt, ist eine Abgrenzung anderer Ursachen wichtig.

Zu diesen Differenzialdiagnosen zählen:

  • Starkes Übergewicht (Adipositas)
  • Lymphödem
  • Lipohypertrophie
  • Lipom (umschriebene, abgekapselte und ungefährliche Fettgeschwulst)
  • Phlebödem (ein durch Venenschwäche entstandenes Ödem)
  • Andere Ödem-Formen wie das Myxödem (ödemartige Schwellung der Unterhaut aufgrund einer Schilddrüsenerkrankung)
  • Morbus Dercum (Adipositas dolorosa)
  • Madelung-Syndrom (Fettgewebsvermehrung im Hals-Nacken-Bereich, um die Schulterregion oder im Beckenbereich)
  • Fibromyalgie (chronische Erkrankung des rheumatischen Formenkreises mit starken Muskelschmerzen)

Welche Ursachen hat ein Lipödem?

Ein Lipödem entsteht, wenn sich Unterhautfettgewebe lokal vermehrt: Die Fettzellen vergrössern und vermehren sich. Ausserdem lagert das Gewebe mehr oder weniger viel Wasser ein. Dabei handelt es sich um einen fortschreitenden Prozess. So nimmt der betroffene Körperbereich mit der Zeit sehr stark an Umfang zu.

Die genauen Lipödem-Ursachen sind nicht bekannt. Experten haben aber einige Vermutungen. So scheinen zum Beispiel das Hormonsystem sowie eine genetische Veranlagung entscheidend bei der Entstehung eines Lipödems zu sein.

Gleichzeitig gibt es nach heutigen Erkenntnissen keine Hinweise darauf, dass eine falsche Ernährung, zu wenig Bewegung oder andersartiges "Fehlverhalten" ein Lipödem verursachen.

Hormone

Offenbar spielen Hormone, besonders weibliche Geschlechtshormone, bei der Entstehung des Lipödems eine Rolle. Zum einen betrifft das Lipödem fast nur Frauen. Zum anderen tritt es oft in Phasen der Hormonumstellung, etwa nach der Pubertät, Schwangerschaft oder den Wechseljahren auf.

Vor allem dem Hormon Östrogen wird eine wichtige Rolle bei der Lipödem-Entstehung zugeschrieben. Fettzellen reagieren nämlich durch spezielle Andockstellen (Rezeptoren) auf ihrer Oberfläche auf Östrogen.

Bei den wenigen Männern mit Lipödem lässt sich immer eine hormonelle Störung nachweisen. Das spricht ebenfalls dafür, dass Hormone an der Lipödem-Entstehung beteiligt sind.

Ursachen für hormonelle Veränderungen bei Männern mit Lipödem sind zum Beispiel:

Die hormonellen Umstellungen und Störungen führen zu Ungleichgewichten in der internen Gewichtskontrolle des Körpers, der Nerven im Fettgewebe und zu Entzündungsprozessen.

Genetische Veranlagung – ist ein Lipödem vererbbar?

Oft erkranken mehrere Mitglieder einer Familie an einem Lipödem. Das deutet auf eine genetische Veranlagung hin. Vermutlich spielen Gene, die für den Aufbau von Gefässen wichtig sind, eine Rolle bei der Entstehung des Lipödems.

Gefässschäden

Neben der Fettgewebsstörung vermutet man bei einem Lipödem eine entzündliche Fehlfunktion der Gefässe im Unterhautgewebe der Patienten. Die Gefässe im betroffenen Areal sollen "Lecks" haben, die den Übertritt von Flüssigkeit ins Gewebe begünstigen. Dies macht zudem anfälliger für Blutergüsse und trägt zu den Schmerzen bei.

Lässt sich einem Lipödem vorbeugen?

Gegen die vermuteten Ursachen des Lipödems, wie Veranlagung oder hormonelle Umstellungen, sind keine vorbeugenden Massnahmen möglich.

Es gibt jedoch Massnahmen, die helfen, dem Fortschreiten oder einer Verschlechterung des Lipödems vorzubeugen. Dazu zählen etwa eine ausgewogene Ernährung, ein gesundes Körpergewicht und regelmässige Bewegung. Auch eine frühzeitige Behandlung ist wichtig als Vorbeugung gegen das Fortschreiten des Lipödems.

Gibt es eine Heilung bei einem Lipödem?

Ein Lipödem ist eine chronische, fortschreitende Erkrankung. Der Krankheitsverlauf lässt sich nicht allgemein vorhersagen. Er ist massgeblich von zusätzlich bestehenden Erkrankungen und Faktoren wie Übergewicht abhängig.

Wurde ein Lipödem festgestellt, ist eine Behandlung unbedingt sinnvoll. So lässt sich verhindern, dass es weiter fortschreitet und die Lebensqualität des Betroffenen einschränkt. Nach heutigen Erkenntnissen ist eine Lipödem-Heilung nicht möglich. Mit modernen Therapieverfahren lassen sich die Symptome jedoch deutlich lindern.

Im Unterschied zu anderen Erkrankungen wie gefässbedingten Veränderungen oder anderen Ödemformen erhöht ein Lipödem allein nicht das Risiko für chronische Wunden (Ulzera) oder Blutgerinnsel (Thrombosen).

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Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autoren:
Clemens Gödel

Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.

Carola Felchner
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Carola Felchner ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion und geprüfte Trainings- und Ernährungsberaterin. Sie arbeitete bei verschiedenen Fachmagazinen und Online-Portalen, bevor sie sich 2015 als Journalistin selbstständig machte. Vor ihrem Volontariat studierte sie in Kempten und München Übersetzen und Dolmetschen.

ICD-Codes:
E88
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
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