Kawasaki-Syndrom

Von 
Dr. med. Fabian Dupont

Fabian Dupont ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Der Humanmediziner ist bereits für wissenschaftliche Arbeiten unter anderem Belgien, Spanien, Ruanda, die USA, Großbritannien, Südafrika, Neuseeland und die Schweiz. Schwerpunkt seiner Doktorarbeit war die Tropen-Neurologie, sein besonderes Interesse gilt aber der internationalen Gesundheitswissenschaft (Public Health) und der verständlichen Vermittlung medizinischer Sachverhalte.

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Das Kawasaki-Syndromist eine Entzündung der Gefässe, die meist Kinder zwischen zwei und fünf Jahren betrifft. Unbehandelt werden in fast einem Drittel der Fälle die Herzkranzgefässe schwer geschädigt, was unter Umständen zu einem Herzinfarkt, einer Blutung oder zum Tod führt. Erkennt und behandelt man das Kawasaki-Syndrom allerdings rechtzeitig, liegt die Überlebenschance bei 99,5 Prozent. Lesen Sie hier alles über Symptome und Behandlung beim Kawasaki-Syndrom.

Kleinkind liegt mit Teddy im Krankenhausbett

Kurzübersicht

  • Behandlung: Die Gefässentzündung lässt sich medikamentös mit Antikörpern und Glukokortikoiden eindämmen, die Gabe von Acetylsalicylsäure (ASS) hemmt die Blutgerinnung und senkt das Herzinfarktrisiko.
  • Symptome: Anhaltend hohes Fieber ohne klare Ursache, hochrote Lippen, Zunge und Mundschleimhaut, Hautausschlag, beidseitige nicht-eitrige Bindehautentzündung, Lymphknotenschwellung
  • Ursachen: Die Ursachen sind nicht bekannt, vermutlich spielen genetische Faktoren und eine übermässige Aktivität des Immunsystems eine Rolle.
  • Diagnose: Wichtige Hinweise liefern die charakteristischen Symptome und erhöhte Entzündungswerte im Blut, ausserdem ist eine Untersuchung des Herzens mittels EKG und Ultraschall ratsam.
  • Verlauf und Prognose: Bei frühzeitiger Diagnose und Therapie ist die Prognose meist gut, allerdings sind Spätfolgen, insbesondere Komplikationen am Herzen, möglich.
  • Vorbeugen: Dem Kawasaki-Syndrom lässt sich nicht vorbeugen, da die Ursache nicht bekannt ist.

Was ist das Kawasaki-Syndrom?

Das Kawasaki-Syndrom ist eine akute entzündliche Erkrankung der kleinen und mittelgrossen Blutgefässe. In den meisten Fällen sind es kleine Kinder, bei denen das Kawasaki-Syndrom auftritt, bei Erwachsenen ist die Erkrankung sehr selten. Es ist nicht genau bekannt, warum es zu der Entzündung kommt. Ärzte vermuten, dass es sich um eine Überreaktion des Immunsystems handelt, die möglicherweise durch vorangegangene Infektionen entsteht.

An der Gefässentzündung des Kawasaki-Syndroms selbst sind hingegen keine Krankheitserreger beteiligt. Die Erkrankung betrifft den ganzen Körper und alle Organe, besonders gefährdet sind allerdings das Herz und die Herzkranzgefässe.

Kinderärzte zählen das Kawasaki-Syndrom zu den rheumatischen Erkrankungen im weiteren Sinne. Genauer gesagt gehört es zu den Gefässentzündungen (Vaskulitiden). Ein anderer Name für das Kawasaki-Syndrom ist „mukokutanes Lymphknotensyndrom“.

Seinen Namen hat das Kawasaki-Syndrom von dem japanischen Kinderarzt Tomisaku Kawasaki, der die Krankheit 1967 erstmals definierte. Er beschrieb Fälle von Kindern, die einen schwer kranken Eindruck machten und über mehrere Tage unter hohem Fieber litten, welches nicht zu senken war.

In Deutschland erkranken neun von 10.000 Kindern jährlich am Kawasaki-Syndrom. In Japan ist die Erkrankungsrate mehr als 20-mal höher. Die Ursache dafür ist nicht bekannt. Vier von fünf Erkrankten sind Kinder zwischen zwei und fünf Jahren. Jungen sind häufiger vom Kawasaki-Syndrom betroffen als Mädchen.

Was tun beim Kawasaki-Syndrom bei Kindern?

Standardbehandlung beim Kawasaki-Syndrom ist eine Therapie mit Antikörpern (Immunglobulinen). Dabei handelt es sich um künstlich hergestellte Eiweissstoffe, die die Entzündungsreaktion eindämmen und das Immunsystem wieder in geregelte Bahnen lenken. Bei rechtzeitiger Gabe lassen sich Gefässschäden am Herzen weitgehend vermeiden, und es kommt daher wesentlich seltener zu Komplikationen.

Um das Fieber zu senken und um die Blutgerinnung zu hemmen, verordnet der Arzt in der Regel zusätzlich Acetylsalicylsäure (ASS). Experten gehen davon aus, dass hierdurch die Zahl der Herzinfarkte weiter sinkt – die häufigste Todesursache beim Kawasaki-Syndrom.

Liegen bestimmte Risikofaktoren vor, ist es ratsam, zusätzlich zu den Immunglobulinen und ASS sogenannte Steroide zu verabreichen. Steroide wie Kortison hemmen das Immunsystem und stoppen dadurch Entzündungsreaktionen im Körper. Zu den Risikofaktoren zählen zum Beispiel eine Beteiligung der Koronargefässe, eine Erkrankung im ersten Lebensjahr und ein schwerer Verlauf.

Spricht die Erkrankung nicht ausreichend auf diese Medikamente an, stehen weitere entzündungshemmende Wirkstoffe zur Verfügung, um das Kawasaki-Syndrom unter Kontrolle zu bringen, wie zum Beispiel Tumornekrosefaktor-alpha- und Interleukin-1-Hemmer.

Ist es bereits zum Einriss oder Verschluss von Herzkranzgefässen gekommen, ist es unter Umständen erforderlich, mithilfe eines Katheters oder chirurgisch die Blutversorgung des Herzens wiederherzustellen. Dies ist allerdings nur selten der Fall. Bei einem solchen Eingriff setzt der Arzt körpereigene, gesunde Gefässabschnitte oder künstlich hergestellte Gefässprothesen ein. Ausserdem kommen sogenannte Stents infrage. Das sind kleine Geflechtröhrchen, die die betroffene Arterie von innen stützen.

Auch nach einem akuten, gut behandelten Kawasaki-Syndrom ist es wichtig, das Herz auf Schäden zu untersuchen. In manchen Fällen ist es notwendig, die Blutgerinnung über mehrere Monate mithilfe von ASS zu hemmen, um Spätfolgen am Herzen zu vermeiden. Bei Kindern, bei denen Aneurysmen an den Koronararterien bestehen bleiben, sind unter Umständen regelmässige Kontrolluntersuchungen notwendig.

Was sind die Symptome beim Kawasaki-Syndrom?

Das Kawasaki-Syndrom verbirgt sich hinter einer Vielzahl von Symptomen, denn die Krankheit betrifft unter Umständen fast jedes Organ. Dennoch gibt es fünf Hauptsymptome, die in ihrer Kombination sehr typisch für die Erkrankung sind. Sie treten oft nicht gleichzeitig, sondern zeitlich versetzt zueinander auf.

  • In allen Fällen kommt es für mehr als fünf Tage zu Fieber über 39 °C. Besonders an diesem Fieber ist, dass keine Ursache feststellbar ist. Oft sind Bakterien oder Viren Ursache von Fieber, beim Kawasaki-Syndrom gibt es jedoch keinen auslösenden Erreger. Auch eine Antibiotikatherapie senkt das Fieber deshalb nicht.
  • Die Mundschleimhaut, die Zunge und die Lippen sind bei 90 Prozent der betroffenen Kinder hochrot. Mediziner sprechen bei diesen Symptomen von Lacklippen und einer Erdbeer- oder Himbeerzunge.
  • In 80 Prozent der Fälle kommt es zu einem Hautausschlag auf Brust, Bauch und Rücken. Dieser sieht von Kind zu Kind sehr unterschiedlich aus und erinnert zum Teil an Scharlach oder Masern. Typisch ist auch ein Hautausschlag auf der Handinnenfläche und der Fusssohle. Nach zwei bis drei Wochen beginnt die Haut sich an Fingern und Zehen zu schuppen. Das Abpellen der Haut ist ein sehr spätes Zeichen des Kawasaki-Syndroms.
  • Sehr häufig tritt eine beidseitige Bindehautentzündung (Konjunktivitis) auf. Beide Augen sind gerötet und kleine rote Gefässe im Augenweiss zu erkennen. Bei einem Kawasaki-Syndrom kommt es nicht zur Eiterbildung, da keine Bakterien an der Entzündung beteiligt sind. Eine eitrige Bindehautentzündung würde daher gegen das Kawasaki-Syndrom sprechen.
  • Bei etwa zwei Drittel der erkrankten Kinder sind die Lymphknoten am Hals geschwollen. Das ist ein Zeichen, dass eine Entzündungsreaktion im Körper stattfindet und das Immunsystem aktiviert ist.
  • Unter Umständen treten beim Kawasaki-Syndrom weitere Symptome wie Gelenkschmerzen, Durchfall, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schmerzen beim Wasserlassen oder Brustschmerzen auf.

Den betroffenen Kindern sieht man schnell an, dass sie schwer krank sind. Sie sind schlapp, wenig aktiv und in einem schlechten Zustand. Die weitaus gefährlichere Komplikation des Kawasaki-Syndroms ist die Entzündung der Herzgefässe. Kommt es zu einem Herzinfarkt oder zu einer Minderversorgung des Herzmuskels mit Sauerstoff, sind typische Symptome wie Brustschmerz mit Ausstrahlung in den Arm, ein Engegefühl in der Brust und Atemnot möglich. Eine intensive Überwachung des Herzens ist daher in jedem Fall notwendig, um schwere Komplikationen rechtzeitig zu erkennen.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursachen des Kawasaki-Syndroms sind weitgehend ungeklärt. Forscher vermuten, dass eine Überreaktion des körpereigenen Abwehrsystems dahintersteckt. Dabei lösen unbekannte Faktoren eine Entzündungsreaktion in den Blutgefässen aus, die die Gefässwand beschädigt. Manche Experten gehen davon aus, dass die Zellen der Blutgefässe selbst überreagieren und auf diese Weise eine Entzündung entsteht.

Auch eine genetische Komponente soll eine Rolle spielen. Auf die mögliche genetische Komponente stiess man, weil Geschwisterkinder eines am Kawasaki-Syndrom erkrankten Kindes häufiger selbst an einem Kawasaki-Syndrom erkranken.

Untersuchungen und Diagnose

Die Diagnose des Kawasaki-Syndroms beruht vor allem auf den klinischen Symptomen. Spezifische Tests gibt es für die Krankheit nicht. Liegen fünf der folgenden sechs Hauptsymptome vor, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, am Kawasaki-Syndrom erkrankt zu sein:

  • Hohes Fieber über fünf Tage
  • Hautausschlag
  • Mundschleimhautrötung
  • Schwellung beziehungsweise Rötung an Händen und Fusssohlen
  • Meist doppelseitige Bindehautentzündung
  • Lymphknotenschwellung

 Bei Verdacht auf Kawasaki-Syndrom ist es wichtig, das Herz genau zu untersuchen. Besonders ein Elektrokardiogramm (EKG) und ein Herzultraschall sind notwendig, um mögliche Schäden am Herzmuskel und an den Herzklappen früh zu erkennen. In manchen Fällen führt der Arzt auch eine Koronarangiografie durch, bei der er die Herzkranzgefässe mit einem Kontrastmittel sichtbar macht und sie auf Schäden, insbesondere Aussackungen (Aneurysmen), untersucht.

Auch im Blut gibt es einige Anzeichen, die dem behandelnden Arzt bei der Diagnosestellung helfen. Beispielsweise sind die sogenannten Entzündungswerte (Leukozyten, C-reaktives Protein und die Blutsenkungsgeschwindigkeit) erhöht und weisen auf einen entzündlichen Prozess hin. Bakterien oder Viren sind im Blut hingegen nicht nachzuweisen. Andernfalls bestünde eher der Verdacht auf eine Blutvergiftung (Sepsis).

Bei der Verdachtsdiagnose Kawasaki-Syndrom ist es ratsam, auch die anderen Organe zu untersuchen. Besonders hilfreich ist hierbei die Ultraschalluntersuchung, da sich damit alle Organe des Bauchraums gut darstellen lassen.

Krankheitsverlauf und Prognose

Da die Gefässentzündung beim Kawasaki-Syndrom mitunter alle Organe betrifft, ist der Krankheitsverlauf von Kind zu Kind sehr unterschiedlich. Bei einer frühen Diagnose und einem schnellen Therapiebeginn ist die Prognose des Kawasaki-Syndroms aber günstig: Je kleiner der Schaden in den Gefässen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit für langfristige Folgen durch die Krankheit. Bei rechtzeitiger Therapie überleben etwa 99 Prozent das Kawasaki-Syndrom, auch wenn die Langzeitfolgen zunächst noch nicht abzuschätzen sind.

Besonders gefährlich sind die möglichen Komplikationen am Herzen. Dazu zählen vor allem:

  • Entzündung des Herzmuskels (akute Myokarditis)
  • Verengungen der Herzkranzgefässe (Stenosen)
  • Absterben von Teilen des Herzmuskels (Myokardinfarkt)
  • Entzündung des Herzbeutels (Perikarditis)
  • Herzrhythmusstörungen
  • Bildung von Aneurysmen
  • Riss eines Aneurysmas

Die Entzündung der Herzkranzgefässe schädigt die Gefässwand. Kommt es zu einer Blutung oder einer Verstopfung der Gefässe, drohen schwere Konsequenzen für den Betroffenen. Eine intensive medizinische Überwachung ist unverzichtbar, um mögliche Komplikationen früh zu erkennen.

Eine Herzmuskelentzündung, die das Herz und den Herzmuskel unter Umständen langfristig schädigt, entsteht in der Regel in der Akutphase der Erkrankung. Infarkte und Aussackungen der Gefässwände (Aneurysmen) treten hingegen meist erst wenige Wochen nach Beginn des Fiebers auf. Häufigste Todesursache beim Kawasaki-Syndrom ist ein Herzinfarkt.

Um den Langzeitschaden zu beurteilen, sucht der Arzt nach überstandener Erkrankung im Inneren der Herzkranzarterien nach Unregelmässigkeiten. Diese Untersuchung zeigt, ob und wo sich eventuell Aneurysmen in der Gefässwand ausbilden.

Ungefähr die Hälfte aller Aneurysmen bilden sich von selbst zurück. Andere Aussackungen bleiben lebenslang bestehen und stellen ein lebensbedrohliches Risiko dar, da an den geweiteten Gefässwänden ein erhöhtes Risiko für Risse und schwere Blutungen besteht. Erwachsene, die als Kind am Kawasaki-Syndrom litten, sind also auch noch Jahre nach der Erkrankung durch die Spätfolgen am Herzen gefährdet.

Vorbeugen

Da die Ursachen für das Kawasaki-Syndrom nicht bekannt sind, lässt sich der Erkrankung nicht vorbeugen.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Vorlage:
Dr. med. Petra May
Autor:
Dr. med. Fabian Dupont
Dr. med.  Fabian Dupont

Fabian Dupont ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Der Humanmediziner ist bereits für wissenschaftliche Arbeiten unter anderem Belgien, Spanien, Ruanda, die USA, Großbritannien, Südafrika, Neuseeland und die Schweiz. Schwerpunkt seiner Doktorarbeit war die Tropen-Neurologie, sein besonderes Interesse gilt aber der internationalen Gesundheitswissenschaft (Public Health) und der verständlichen Vermittlung medizinischer Sachverhalte.

ICD-Codes:
M30
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • American Heart Association: Diagnosis, Treatment, and Long-Term Management of Kawasaki Disease. https://doi.org/10.1161/01.CIR.0000145143.19711.78, unter: circ.ahajournals.org (Abruf: 01.04.2014)
  • Bieber, C. et al.: Duale Reihe Innere Medizin, Georg Thieme Verlag, 4. Auflage, 2018
  • Gortner, L. et al.: Duale Reihe Pädiatrie, Georg Thieme Verlag, 5. Auflage, 2018
  • Herold, G. Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2022
  • Leitlinie der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR) et al. Leitlinie Kawasaki Syndrom. (Stand: Dezember 2020) unter: www.awmf.org (Abrufdatum: 17.11.2021)
  • Pieper, W.: Innere Medizin, Springer Verlag, 2. Auflage, 2013
  • Speer, C.P.: Pädiatrie, Springer Verlag, 5. Auflage, 2018
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