Hüftdysplasie

Von , Medizinredakteurin und Biologin
Martina Feichter

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

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Hüftdysplasie bezeichnet eine angeborene oder erworbene Fehlbildung der Hüftgelenkpfanne. Sie tritt bei etwa zwei bis drei von 100 Neugeborenen auf, vor allem bei Mädchen. Ohne Behandlung der Hüftdysplasie ist eine dauerhafte Schädigung von Hüftkopf oder Gelenkpfanne möglich. Eine spätere Gehbehinderung sowie vorzeitige Abnutzungserscheinungen sind eventuelle Folgen. Lesen Sie hier alles Wichtige zur Hüftdysplasie.

Röntgenbild einer Hüftdysplasie

Kurzübersicht

  • Behandlung: Kontrolle durch Ultraschall oder Röntgen, Ausreifungsbehandlung bei Babys, breites Wickeln oder Spreizhose, "Einrenkung": Bandagieren oder Eingipsen, Extensionsbehandlung bei älteren Kindern, Krankengymnastik bei Kindern und Erwachsenen, Operation
  • Symptome: Bei Babys zunächst keine Beschwerden, durch Herausspringen des Hüftkopfes (Hüftluxation) unvollständiges Spreizen der Beine, betroffenes Bein erscheint kürzer, bei älteren Kindern Hohlkreuz oder "Watschelgang", bei Erwachsenen Schmerzen und Unbeweglichkeit im Hüftbereich
  • Ursachen: Falsche oder beengte Lage des Fötus im Mutterleib, hormonelle Faktoren der Mutter in Schwangerschaft, genetische Veranlagung, neurologische oder muskuläre Erkrankungen des Babys, Missbildungen im Bereich der Wirbelsäule, Beine oder Füsse
  • Diagnose: Routinemässig bei Vorsorgeuntersuchung U2 durch Kinderarzt, Ultraschall bei der U3, bei Erwachsenen: Prüfen der Hüftbeweglichkeit und des Gangbildes, Röntgen
  • Prognose: Bei frühzeitiger Behandlung normale Entwicklung bei über 90 Prozent der betroffenen Babys, bei spätem Eingreifen drohen Hüftluxation und Verschleiss des Hüftgelenks, Risiko von gestörtem Wachstum des Schenkelhalses oder Absterben des Hüftkopfes nach einer Operation oder Einrenkung
  • Vorbeugen: Keine vorbeugenden Massnahmen möglich, breites Wickeln bei Babys und Kleinkindern günstig für Hüftgelenke

Was ist eine Hüftdysplasie?

Unter einer Hüftdysplasie versteht man eine angeborene oder erworbene Fehlbildung der Hüftgelenkpfanne. Die Hüftgelenkpfanne ist entweder zu klein oder nicht tief genug. Bei Babys findet der noch knorpelig-weiche Hüftkopf (der Kopf des Oberschenkelknoches) keinen stabilen Halt in der Hüftgelenkpfanne. In schweren Fällen rutscht der Kopf des Oberschenkelknochens aus der Gelenkpfanne. Mediziner sprechen dann von einer Hüftluxation.

Hüftdysplasie und Hüftluxation treten entweder an einem Hüftgelenk oder aber an beiden Gelenken auf. Bei einer einseitigen Fehlstellung ist das rechte Hüftgelenk viel häufiger betroffen als das linke.

Häufigkeit einer Hüftdysplasie

Von 100 Neugeborenen weisen zwei bis drei eine Hüftdysplasie auf. Eine Hüftluxation ist mit einer Häufigkeit von etwa 0,2 Prozent deutlich seltener. Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen.

Hüftdysplasie bei Erwachsenen

Eine unerkannte oder zu spät behandelte Hüftdysplasie bei Babys schränkt die Beweglichkeit im späteren Leben erheblich ein. So treten unter Umständen schon ab dem jungen Erwachsenenalter Spätfolgen auf. Die Fehlbildungen des Hüftgelenks begünstigen eine frühzeitige Gelenkabnutzung, eine Hüftgelenksarthrose (Coxarthrose). In ausgeprägten Fällen sind dauerhafte körperliche Einschränkungen, wie schwere Gehbehinderungen, mit einer damit einhergehenden vorzeitigen Berufsunfähigkeit eine mögliche Folge.

Da Mädchen häufiger an einer Hüftdysplasie leiden, finden sich folglich mehr Frauen als Männer unter den erwachsenen Patienten.

Wie wird eine Hüftdysplasie behandelt?

Die Behandlung der Hüftdysplasie hängt vom Schweregrad der Veränderungen ab. Zur Verfügung stehen sowohl konservative als auch operative Massnahmen.

Die konservative Behandlung einer Hüftdysplasie beziehungsweise Hüftluxation besteht aus drei Säulen: Ausreifungsbehandlung, Reposition und Retention.

Ausreifungsbehandlung bei Babys

Eine bei der Geburt vorliegende Instabilität im Hüftgelenk aufgrund einer Reifungsverzögerung bildet sich bei normaler motorischer Entwicklung in 80 Prozent der Fälle innerhalb von zwei Monaten von allein zurück. Als ärztliche Massnahme reicht meist eine Überwachung mittels Ultraschall aus.

Die Ausreifung des Hüftgelenks wird unterstützt, indem das Kind besonders breit gewickelt wird. "Breites Wickeln" bedeutet, dass dem Baby über die normale Windel zusätzlich eine Einlage, wie ein Moltontuch oder kleines Handtuch, zwischen die Beine gelegt wird. Die Einlage wird zu einem etwa 15 Zentimeter breiten Schlips gefaltet und zwischen Windel und Body beziehungsweise Hose gelegt. Es empfiehlt sich, eine Unterhose in einer Kleidergrösse grösser über die Einlage zu ziehen.

Bei Fragen hilft Ihnen Ihre Hebamme, oder Sie informieren sich in Ihrer Kinderarztpraxis darüber.

Bei einer höhergradigen Hüftdysplasie, bei der aber der Hüftkopf noch in der Gelenkpfanne liegt, erhält das Baby eine angepasste Spreizhose, auch Abspreizschiene genannt. Die Behandlungsdauer hängt vom Schweregrad der Dysplasie ab und wird bis zur Ausbildung einer normalen Hüftgelenkpfanne fortgeführt.

Der Arzt überprüft diesen Prozess in regelmässigen Abständen mittels Ultraschall. In seltenen Fällen fertigt er, sobald die Hüftgelenkpfanne mit zwölf Lebensmonaten ausgereift ist, ein Röntgenbild der Hüfte an. Das zeigt, ob Hüftkopf und -pfanne gut geformt sind.

Reposition und Retention bei Babys und Kindern

Ist bei einem Kind mit Hüftdysplasie der Hüftkopf aus der Gelenkpfanne gerutscht (Luxation), wird er in die Pfanne „eingerenkt“ (Reposition) und anschliessend dort gehalten und stabilisiert (Retention).

Bei Kindern, die nicht älter als neun Monate sind, wird dazu eine Repositionsbandage angelegt, bei der sich das Hüftgelenk durch das Strampeln des Kindes möglicherweise spontan einrenkt. Diese Bandage stabilisiert dann noch längere Zeit das Hüftgelenk in der eingerenkten Position.

Eine andere Möglichkeit ist das manuelle Einrenken des „verrutschten“ Hüftkopfes und anschliessendes Anlegen eines Gipses in Sitz-Hock-Position über mehrere Wochen. Er hält den Hüftkopf stabil und dauerhaft in der Hüftgelenkpfanne. Durch den wiederhergestellten Kontakt entwickeln sich Kopf und Pfanne normal.

Hat das Einrenken nicht funktioniert beziehungsweise ist das betroffene Kind schon älter, führt der Arzt oft vorbereitend eine Extensionsbehandlung durch. Sie dient dazu, das Hüftgelenk zu lockern und die verkürzte Muskulatur zu dehnen.

Krankengymnastik bei Kindern und Erwachsenen

Bei einer Hüftdysplasie hilft Krankengymnastik oder funktionelles Training speziell für Hüftarthrose-Patienten, um Schmerzen zu lindern und Einschränkungen beim Gehen entgegenzuwirken. Dabei trainieren Betroffene vor allem solche Muskeln, welche die Hüfte stabilisieren. Zudem lernen sie, welche Bewegungen ihnen helfen, möglichst schmerzfrei beweglich zu bleiben.

Generell empfehlen Mediziner bei Gelenksverschleiss, das betroffene Gelenk zu entlasten, etwa indem Patienten bei bestehendem Übergewicht abnehmen. Regelmässige gelenkschonende Bewegung gehört ebenfalls zu den hilfreichen Massnahmen. Sportarten wie Schwimmen, Radfahren sowie Wandern in der Ebene sind besonders geeignet.

Operation bei Kindern und Erwachsenen

In manchen Fällen ist eine Operation unumgänglich. Dazu zählt, wenn konservative Massnahmen zur Behandlung einer Hüftdysplasie erfolglos bleiben oder die Fehlstellung zu spät erkannt wird. Letzteres bezieht sich auf Kinder, die drei Jahre oder älter sind, beziehungsweise auf Jugendliche oder Erwachsene. Es stehen dafür verschiedene operative Verfahren zur Verfügung.

Was sind die Symptome einer Hüftdysplasie?

Die Hüftdysplasie bei Babys verursacht zunächst keine Beschwerden. Springt der Hüftkopf bei einer Hüftluxation aus der Gelenkpfanne, spreizt das Baby die Beine nur noch unvollständig ab. Das Bein auf der betroffenen Seite erscheint kürzer als das andere. Die Analfurche und Schamfalte sind zur betroffenen Seite hin verschoben. Bei einer beidseitigen Hüftgelenksluxation sind die Beinverkürzung und die Faltenasymmetrie nicht immer vorhanden.

Bei älteren Kindern kommt es infolge einer Hüftdysplasie unter Umständen zu einem Hohlkreuz oder einem "Watschelgang".

Bei Erwachsenen äussert sich ein fortgeschrittener Verschleiss im Hüftgelenk durch Schmerzen und zunehmende Unbeweglichkeit im Hüftbereich.

Was sind die Ursachen und Risikofaktoren für eine Hüftdysplasie?

Die genauen Ursachen der Hüftdysplasie sind nicht bekannt. Aber es gibt Risikofaktoren, welche die Entstehung dieser Fehlbildung begünstigen:

  • Falsche Lage des Fötus im Mutterleib: In Steiss- oder Beckenendlage geborene Kinder weisen etwa 25-mal häufiger eine Hüftdysplasie auf als Babys, die in normaler Geburtslage zur Welt kommen.
  • Beengende Verhältnisse im Mutterleib wie etwa bei einer Mehrlingsschwangerschaft
  • Hormonelle Faktoren: Das Schwangerschaftshormon Progesteron, das den mütterlichen Beckenring als Vorbereitung auf die Geburt auflockert, bewirkt vermutlich bei weiblichen Feten eine stärkere Lockerung der Hüftgelenkskapsel.
  • Genetische Veranlagung: Bereits andere Familienmitglieder hatten eine Hüftdysplasie.
  • Missbildungen im Bereich der Wirbelsäule, Beine und Füsse
  • Neurologische oder muskuläre Erkrankungen wie offener Rücken (Spina bifida)

Wie wird eine Hüftdysplasie untersucht und diagnostiziert?

Im Rahmen der Vorsorge-Untersuchungen prüft der Kinderarzt bereits bei der U2 (dritter bis zehnter Lebenstag) jedes Kind routinemässig auf eine Hüftdysplasie. Für eine sichere Diagnose führt er bei der U3 (vierte bis sechste Lebenswoche) eine Ultraschall-Untersuchung der Hüfte durch. Eine Röntgenuntersuchung zur Abklärung einer Hüftdysplasie ist normalerweise unnötig und ausserdem weniger zuverlässig, da die noch knorpeligen Säuglingsknochen im Röntgenbild weniger genau zu erkennen sind als im Ultraschall.

Bei der körperlichen Untersuchung weisen folgende Anzeichen auf eine mögliche Hüftdysplasie hin:

  • Ungleich ausgebildete Hautfalten am Oberschenkelansatz (Glutealfaltenasymmetrie)
  • Ein Bein lässt sich nicht so weit wie gewöhnlich abspreizen (Abspreizhemmung).
  • Instabiles Hüftgelenk

Bei Erwachsenen mit Schmerzen im Hüftgelenk erhebt der Arzt die Krankengeschichte und prüft die Beweglichkeit des Hüftgelenks sowie das Gangbild des Betroffenen. Auch hier kommen bildgebende Verfahren wie Röntgen zum Einsatz, um weitere Hinweise zu sammeln.

Krankheitsverlauf und Prognose

Je früher eine Behandlung der Hüftdysplasie erfolgt, desto schneller lässt sie sich beheben und desto grösser sind die Heilungschancen. Bei konsequenter Behandlung in den ersten Lebenswochen und Lebensmonaten, entwickeln sich die Hüftgelenke bei über 90 Prozent der betroffenen Kinder normal.

Wird eine Hüftdysplasie dagegen erst spät erkannt, droht eine Hüftluxation und eine Arthrose schon im jungen Erwachsenenalter.

Zu den Risiken einer Operation und Einrenkung zählen unter anderem Wachstumsstörungen des Oberschenkelhalses und eine sogenannte Hüftkopfnekrose, das heisst ein Absterben des Hüftkopfes.

Gibt es vorbeugende Massnahmen?

Einer Hüftdysplasie lässt sich nicht vorbeugen. Breites Wickeln bewirkt allerdings, dass Babys und Kleinkinder die Beine stärker abspreizen. Dies gilt als günstig für die Hüftgelenke.

Autoren- & Quelleninformationen

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Datum :
Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Vorlage:
Dr. med. Carolina Töpfer
Autor:

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

ICD-Codes:
Q65
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • Baumgart, K. & Mellerowicz, H.: Hüftdysplasie, in: Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2013; 8 (1): 3-22, unter: www.thieme-connect.de (Abruf: 17.11.2021)
  • Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V.: www.kinderaerzte-im-netz.de (Abruf: 12.11.2021)
  • Hurley, M. et al.: Execise interventions and patient beliefs for people with hip, knee or hip and knee osteoarthritis: a mixed methods review. Cochrane Database Syst Rev 2018; (4): CD010842, unter: pubmed.ncbi.nlm.nih.gov (Abruf: 16.11.2021)
  • Jackson, S.A. et al.: CT, MRT, Ultraschall auf einen Blick, Urban & Fischer Verlag, 1. Auflage 2009
  • Krämer, J. et al.: Orthopädie, Springer Verlag, 7. Auflage, 2005
  • Niethard, F.U.: Kinderorthopädie, Georg Thieme Verlag, 2010
  • Sitzmann, F. C.: Pädiatrie. Thieme Verlag, 4. Auflage, 2012
  • Specht, J. et al.: Technische Orthopädie, Springer Verlag, 1. Auflage, 2007
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