Essstörungen

Essstörungen sind schwerwiegende seelische Erkrankungen.. Die Kontrolle über das Essverhalten geht verloren – auch für Magersüchtige, die nicht mehr aufhören können, nicht zu essen. Essstörungen haben somit tatsächlich suchtähnlichen Charakter. Auch die körperlichen Schäden sind oft gravierend. Erfahren Sie hier alles über Esstörungen, wer besonders gefährdet dafür ist, woran man sie erkennt und welche Behandlung wichtig ist.

Neben dem Essverhalten ist bei Essstörungen oft auch das Verhältnis zum eigenen Körperbild gestört – die Betroffenen lehnen ihn vehement ab oder unterwerfen ihn strengen Diäten und Sportprogrammen. In der Regel ist die Selbstakzeptanz gestört und stark vom aktuellen Körpergewicht beherrscht.

Für Betroffene gehen Essstörungen wie Magersucht, Bulimie oder Binge-Eating-Störung mit großem psychischen Leid einher. Das gestörte Essverhalten kann zudem erhebliche körperliche Schäden verursachen. Meist ist professionelle Hilfe nötig, um eine Essstörung zu überwinden. 
 

Welche Arten von Essstörungen gibt es?

Es gibt drei Hauptformen von Essstörungen, die sich auch mischen oder abwechseln können.

Die Magersucht (Anorexia nervosa), ist die bekannteste, aber zugleich seltenste Form von Essstörungen. An ihr leiden 14 von 1000 Mädchen und Frauen, beziehungsweise 2 von 1000 Jungen und Männern. Die Betroffenen nehmen extrem wenig Nahrung zu sich. Zudem treiben einige exzessiv Sport. Entsprechend verlieren sie rapide an Gewicht. Etwa 15 Prozent der Erkrankten sterben.

Die Bulimie (Ess-Brech-Sucht) ist geprägt von Essanfällen, nach denen die Betroffenen die verzehrte Nahrung wieder erbrechen. Da sie das nicht immer tun, oder ein Teil des Nahrungsbreis schon während der Essattacke in den Darm gelangt, sind die Betroffenen häufig nicht dünn, sondern mitunter sogar übergewichtig und fallen äußerlich nicht auf. An Bulimie leiden 19 von 1000 Mädchen und Frauen beziehungsweise 6 von 1000 Jungen und Männern.

Die Binge-Eating-Störung ist die häufigste Essstörung. Dabei nehme die Betroffenen während eines Fressanfalls erhebliche Kalorienmengen zu sich. Davon betroffen sind 28 von 1000 Mädchen und Frauen sowie 10 von 1000 Jungen und Männern. Eine Sonderform ist das Night-Eating-Syndrome mit nächtlichen Fressattacken.

Seltene Essstörungen

Hinzu kommen weiter weniger verbreitete Arten von Essstörungen:

Menschen, die an Orthorexie leiden, verzehren ausschließlich Nahrungsmittel, die sie für gesund halten. Ist die Auswahl stark eingeschränkt, droht Mangelernährung. Zudem kann das eingeschränkte Essverhalten soziale Konflikte provozieren.

Ähnlich verheerend kann sich die Vermeidend-restriktive Nahrungsaufnahmestörung auswirken, die meist im Kindesalter einsetzt. Die Betroffenen lehnen bestimmte Nahrungsmittel aufgrund ihrer Farbe, Konsistenz oder ihres Geruches ab. Das kann schwere Mangelernährung und Untergewicht nach sich ziehen.

Symptome von Essstörungen

Bei einer Essstörung kreisen die Gedanken fast ständig ums Essen beziehungsweise das Nichtessen. Weitere mögliche Anzeichen einer Essstörung sind

  • unkontrollierte Essanfälle
  • komplizierte Essrituale
  • heimliches Essen
  • Ausreden, um nicht essen zu müssen
  • herbeigeführtes Erbrechen/Missbrauch von Abführmitteln
  • Ablehnen des eigenen Körpers
  • starke Angst zuzunehmen
  • zwanghafte Gewichtskontrolle
  • exzessives Sporttreiben

Oft, aber nicht immer, schlägt sich eine Essstörung in starkem Unter- oder Übergewicht nieder. Allerdings ist nicht jeder, der stark abnimmt oder große Angst vor Gewichtszunahme hat, magersüchtig. Und nicht jeder, der sich ab und zu überisst, leidet unter einer Binge-Eating-Störung.

Tatsächlich sind die Übergänge von auffälligem zu krankhaftem Essverhalten fließend. Oft entwickelt sich eine Essstörung nach und nach. Beobachten Sie Anzeichen von Verhaltensstörungen im Essverhalten, sollten Sie diese ernst nehmen und sich beraten lassen.

Essstörungen bei Kindern

Meist denkt man bei Essstörungen an junge Menschen ab der Pubertät. Doch Essstörungen können auch schon im Kindesalter auftreten.

Dazu gehören klassische Essstörungen wie Magersucht und Binge-Eating – mit allen Symptomen, die man auch von Erwachsenen kennt. Eine Bulimie hingegen beobachten Psychologen im Kindesalter sehr nur sehr selten.

„Picky Eating" betrifft vor allem Kinder im Vorschulalter. Die Kinder versteifen sich dann auf bestimmte Lebensmittel oder verweigern ganze Lebensmittelgruppen wie Gemüse oder Lebensmittel einer bestimmten Farbe. 

Das Verhalten geht weit über das typisch wählerische Essverhalten jüngerer Kinder hinaus. Psychologen bezeichnen das Phänomen als vermeidende/restriktive Nahrungsaufnahmestörung. Die Ablehnung von Lebensmitteln steigert sich mitunter zur Angst. Kritisch wird es auch, wenn sich die Kinder nicht altersgemäß entwickeln, Untergewicht oder andere Mangelerscheinungen auftreten. 

Auch das Pica-Syndrom tritt überwiegend im Kindesalter auf. Dabei verschlingen die Kleinen Dinge wie Steine oder Papier. Das kann naturgemäß erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen verursachen.
 

Ursachen und Auslöser für Essstörungen

Die Ursachen von Essstörungen sind komplex. Es gibt vielfältige biologische, individuelle, familiäre und soziale Faktoren, die in ganz unterschiedlichen Konstellationen zusammenwirken. 

Biologische Ursachen: Wie bei allen psychischen Erkrankungen gibt es auch für Essstörungen eine genetische Veranlagung, die den Ausbruch der Krankheiten begünstigt. Auch ein ungünstiges Zusammenspiel von Hormonen oder Botenstoffen des Gehirns könnte zu Essstörungen beitragen.

Individuelle Ursachen: Menschen mit Essstörungen haben oft ein wenig stabiles Selbstwertgefühl und sind unsicher. Eine Anorexie beispielsweise vermittelt dann das Gefühl maximaler Kontrolle - zumindest über den eigenen Körper. Das extreme Maß an Disziplin, das nötig ist, um derart zu hungern, entspricht auch dem hohen Leistungsanspruch und Perfektionismus, der viele Anorektiker antreibt. 

Bei anderen Essstörungen hilft das Überessen, Stress abzubauen und kurzfristige Erleichterung zu erleben. Gefolgt wird das von gesteigerten Selbsthass. Traumatische Erlebnisse wie sexueller Missbrauch können ebenfalls eine Essstörung hervorrufen.

Familiäre Ursachen: Früher wurde vor allem die Familie, insbesondere die Mutter, verantwortlich gemacht, wenn ein Kind an einer Essstörung erkrankte. Diese simple Vorstellung ist längst überholt. Dennoch gibt es Faktoren in der Familie, die Essstörungen begünstigen. 

Beispielsweise, wenn negative Gefühle und Konflikte unterdrückt werden, wenn die Eltern das Kind zu stark kontrollieren oder hohen Erwartungen in ihre Tochter oder den Sohn setzen. Aber auch, wenn das Kind zu viel Verantwortung tragen muss – beispielsweise, wenn die Eltern sich trennen oder ein Elternteil erkrankt, kann das zu einer Essstörung beitragen.

Letztlich ist auch entscheidend, mit welcher Haltung Mutter oder Vater dem eigenen Körper begegnen - ob sie ein eher entspanntes oder unentspanntes Verhältnis zum Essen haben und ob sie das Kind in seiner Körperlichkeit annehmen oder kritisieren.

Soziokulturelle Ursachen von Essstörungen: Insbesondere Frauen werden noch immer stark nach ihrer äußeren Attraktivität beurteilt – und das bedeutet, dem herrschenden Schönheitsideal zu entsprechen. Auch für Männer wird das Aussehen zunehmend wichtig. Schönheitsideale können unsichere Menschen weiter verunsichern. Irgendwann dem Idealbild zu entsprechen, erscheint dann als Lösung aller Probleme. 

Wer nicht ins Raster passt, leidet häufig unter Ausgrenzung und Mobbing. Umgekehrt machen junge Menschen, die Gewicht verlieren, häufig die Erfahrung, dafür bewundert zu werden. Eine Diät kann so zum Startschuss für eine Magersucht werden. Bei anderen, die unentwegt Ablehnung erfahren, wird  Essen zum wichtigsten Weg, positive Gefühle zu erleben.
 

Diagnose von Essstörungen

Wie bei allen psychischen Erkrankungen gibt es derzeit noch keine körperlich messbaren Parameter für eine Diagnose. Sie erfolgt daher auf Basis der Beurteilung von Psychiatern und Psychotherapeuten mit entsprechender Expertise. Neben dem Eindruck, den sie aus dem persönlichen Gespräch ableiten, stützt sich die Diagnose auf die Beantwortung standardisierter Fragebögen, die typische Symptome behandeln. 

Auch eine allgemeine Definition von Essstörungen  ist daher unmöglich. Lesen Sie mehr dazu in den jeweiligen Fachtexten zu den einzelnen Essstörungen!

Essstörungen - mögliche Folgen

Magersucht hungert den gesamten Körper aus. Die Folge sind massive körperliche Schäden. Dazu zählen Muskelschwund, brüchige Knochen (Osteoporose) und Haarausfall. In schweren Fällen nehmen die inneren Organe Schaden, insbesondere das Herz. Auch das Immunsystem wird angegriffen. Bei Frauen bleibt die Monatsblutung aus und sie werden unfruchtbar. Männer leiden unter Potenzverlust.

Eine Bulimie bringt andere Probleme mit sich. Dazu zählen mechanische und säurebedingte Schäden an Zähnen und Speiseröhre. Das gesamte Magen-Darm-System wird in Mitleidenschaft gezogen. Das wiederholte Erbrechen bringt zudem den Elektrolythaushalt durcheinander.

Binge Eating wiederum kann erheblichen Gewichtszunahme mit sich bringen, mit allen Konsequenzen starken Übergewichts: Bluthochdruck, Diabetes, Gelenkprobleme.

Die vielleicht schlimmsten Folgen von Essstörungen aber betreffen die Seele. Letztlich richtet sich jede Essstörung gegen den eigenen Körper – und gegen das eigene Selbst.

Therapie von Essstörungen

Eine Essstörung zu überwinden ist schwer. Die tief verwurzelte Angst, bei normalem Essverhalten zuzunehmen, ist ein massives Hindernis für Anorektiker und Bulimiker. Und für alle Betroffenen ist die Essstörung ein Anker, der ihr Leben stabilisiert – wenn auch auf extrem gesundheitsgefährdende Weise. Ihn loszulassen, erfordert großen Mut und braucht Geduld für den Aufbau alternativer Stabilisierungsstrategien, die Entwicklung eines positiven Weltbildes und des Vertrauens in die eigene Kraft.

All das kann im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung geschaffen werden. Die Behandlung zielt nicht nur darauf ab, ein gesundes Essverhalten zu wagen und dauerhaft beizubehalten. Insbesondre wird auch die Selbstakzeptanz gestärkt und krankmachende Überzeugungen aufgelöst. 

Therapeutische Hilfe        

Die Therapie ist ein Prozess, der insbesondere bei lange bestehenden Essstörungen sehr Zeit benötigt. Wichtig sind dafür therapeutische Einzelgespräche, in denen die Betroffenen mit Hilfe des Therapeuten Ursachen aufdecken und alternative Bewältigungsstrategien erarbeiten. 

Ebenso wichtig ist die Begegnung mit anderen Betroffenen im Rahmen einer Gruppentherapie. Dort treffen Betroffene Menschen, die aus eigenem Erleben nachvollziehen können, was eine Essstörung bedeutet. Im Austausch profitiert man von erfolgreichen Lösungsstrategien oder erlebt ermutigende Berichte von Betroffenen, die in der Bewältigung der Essstörung weiter sind als man selbst.

Ambulante oder stationäre Behandlung?

Abhängig vom Schweregrad der Erkrankung verläuft die Therapie ambulant, in Tageskliniken oder stationär. Insbesondere bei schwer magersüchtigen Patenten ist ein längerer Klinikaufenthalt meist unumgänglich. Der Gewichtsverlust ist bei manchen so lebensbedrohlich, dass die Versorgung des Körpers zunächst im Vordergrund steht. 

Langfristige Nachsorge: Auch die Nachsorge ist wichtig entscheidend. Insbesondere unter Belastung fallen viele Betroffene in ihr altes Essverhalten zurück. Die langfristige Teilnehme an einer Selbsthilfegruppe trägt entscheidend dazu bei, den Therapierfolg zu stabilisieren. 

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.