Dysthymia

Von , Masterstudium in Psychologie
Julia Dobmeier

Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.

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Dysthymia ist eine abgeschwächte Form der Depression. Die auftretenden depressiven Symptome dauern jedoch mehrere Jahre lang an. Sie schränken das Leben der Betroffenen somit erheblich ein und verursachen grosses Leid. Lesen Sie hier alles über Heilungschancen, Symptome, Ursachen und Behandlung von Dysthymia.

Depressiver Mann liegt im Bett und starrt ins Leere

Kurzübersicht

  • Verlauf und Prognose: Grundsätzlich heilbar, Heilungschancen und Prognose steigen, wenn die Krankheit früh erkannt wird
  • Symptome: Antriebslosigkeit, Weinerlichkeit, Gefühl innerer Leere, geringes Selbstwertgefühl, Schlafstörungen, Interessenverlust u. a.
  • Ursachen und Risikofaktoren: Genetische, psychische und soziale Faktoren wirken zusammen
  • Diagnostik: Diagnosestellung nach der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme
  • Behandlung: Antidepressiva, Psychotherapie, Psychoedukation
  • Vorbeugen: Nicht sicher möglich; ein stabiles soziales Netzwerk und Sport haben mitunter schützende Effekte

Was ist Dysthymia?

Die Dysthymia, auch Dysthymie genannt, ist eine chronische Depression. Die Symptome sind deutlich schwächer als bei einer klassischen depressiven Episode.

Früher wurde die Dysthymia als "neurotische Depression" bezeichnet. Der Begriff der Neurose ist allerdings mittlerweile veraltet.

Ist Dysthymia heilbar?

Grundsätzlich gilt Dysthymia als heilbar. Die Heilungschancen stehen umso besser, umso früher sie erkannt wird. Aber genau das ist häufig ein Problem: Aufgrund der weniger ausgeprägten Symptome wird sie selten oder erst spät diagnostiziert.

Bleibt die chronifizierte Depression unbehandelt, leiden die Betroffenen oft ein Leben lang unter den Auswirkungen. Denn auch eine schwach ausgeprägte Depression führt zu Einschränkungen im beruflichen und sozialen Leben.

Bei einem Teil der Patienten entwickelt sich zudem im Laufe der Zeit eine schwere depressive Episode. Das gleichzeitige Vorliegen von depressiver Episode und Dysthymia wird als "double depression" (= doppelte Depression) bezeichnet. Es zeigen sich dann chronisch schwache depressive Symptome, die zwischenzeitlich stark zunehmen. Diese Krankheitsform ist besonders schwierig zu diagnostizieren und aufgrund ihrer Schwere äusserst therapieresistent.

Dysthymia: Welche Symptome treten auf?

Die Symptome einer Dysthymie entsprechen denen einer klassischen Depression – in weniger ausgeprägter Form. Es gehören dazu:

  • Verminderter Antrieb
  • Schlafstörungen
  • Geringes Selbstvertrauen
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Sozialer Rückzug
  • Interessenverlust
  • Verminderte Gesprächigkeit
  • Pessimistische Zukunftssicht
  • Schwierigkeiten mit Routineaufgaben
  • Tendenz zum Weinen
  • Hoffnungslosigkeit

Welche Ursachen hat Dysthymia?

Wie bei der klassischen depressiven Episode sind bei der Dysthymia die genauen Ursachen nicht bekannt. Die Krankheit entsteht vermutlich durch ein Zusammenwirken genetischer, biologischer und psychosozialer Faktoren. Studien zu den Ursachen von chronischen Depressionen zeigten, dass viele Patienten eine frühe Traumatisierung, wie zum Beispiel Missbrauch in der Kindheit, erlebt haben.

Frauen sind als Erwachsene häufiger von Dysthymia betroffen als Männer. Im Kindesalter dagegen findet sich diese Form der Depression bei beiden Geschlechtern gleich häufig.

Mehr zu Depressionen bei Kindern und Jugendlichen erfahren Sie hier.

Wie wird Dysthymia festgestellt?

Nach der Definition der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) müssen folgende Kriterien für die Diagnose der Dysthymia vorliegen:

  1. Die depressiven Symptome zeigen sich konstant über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren oder treten in dieser Zeit regelmässig auf. Phasen mit normaler Stimmungslage dauern kaum länger als einige Wochen an. Eine leicht gesteigerte Stimmung (Hypomanie) kommt nicht vor.
  2. Die Phasen sind nicht so schwer, dass sie die Kriterien für eine rezidivierende depressive Störung erfüllen.
  3. Mindestens drei der typischen Depressions-Symptome liegen während einer depressiven Phase vor.

Wie wird Dysthymia behandelt?

Nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) wird eine Dysthymia mit einer Kombination aus Antidepressiva und Psychotherapie behandelt. Eine alleinige Psychotherapie ist bei einer Dysthymie nicht so effektiv wie die Gabe von Medikamenten. Ebenfalls wichtig ist die sogenannte Psychoedukation.

Als antidepressive Medikamente werden bei Dysthymia vor allem Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) verschrieben, die den Gehalt des Nervenbotenstoffes Serotonin im Gehirn erhöhen. Sie liefern einen wichtigen Beitrag zur Regulierung der Botenstoffe, die bei Menschen mit Depressionen gestört sind.

Sehr wirksame psychotherapeutische Verfahren sind die kognitive Verhaltenstherapie, die analytischen Therapieformen und die interpersonelle Therapie. Die unterstützende Begleitung durch den Therapeuten ist vor allem zu Beginn der Behandlung enorm wichtig, da die Wirkung der Medikamente erst nach einigen Tagen oder sogar Wochen eintritt.

Ein speziell für die Behandlung der Dysthymia in den USA entwickeltes verhaltenstherapeutisches Verfahren ist das CBASP (Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy). Bei diesem steht die persönliche Beziehung des Betroffenen zu seinem Therapeuten im Mittelpunkt. Der Therapeut macht dem Patienten klar, wie er auf andere wirkt – zum Beispiel, wenn er Mitmenschen im Gespräch nicht anschaut.

Ein entscheidender Bestandteil der Therapie ist ausserdem die Psychoedukation, also die Aufklärung des Patienten über die Erkrankung. Menschen, die an Dysthymia leiden, haben häufig Schwierigkeiten, die Störung zu erkennen. Sie leben meist schon längere Zeit mit der Erkrankung und haben sich zu einem gewissen Grad daran gewöhnt.

Wenn Sie bei sich oder einem Angehörigen Hinweise auf eine Dysthymie bemerken, wenden Sie sich an einen Arzt oder Psychotherapeuten! Die Behandlung der Dysthymia verbessert die Lebensqualität.

Wie lässt sich Dysthymia vorbeugen?

Dysthymia entsteht, ebenso wie die klassische unipolare Depression, aus einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Es ist nicht möglich, ihr sicher vorzubeugen. Regelmässige Bewegung und ein stabiles soziales Netzwerk haben schützende Effekte bei einer Depression.

Weitere Möglichkeiten, depressiven Symptomen vorzubeugen, lesen Sie in unserem Artikel über Depression.

Autoren- & Quelleninformationen

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Datum :
Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Vorlage:
Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl
Autor:
Julia Dobmeier
Julia Dobmeier

Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.

ICD-Codes:
F34
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • Aldenhoff, J.: Psychiatrische Therapie. Schattauer Verlag, 1. Auflage, 2007
  • Benkert, O. et al.: Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie. Springer Verlag, 13. Auflage 2021
  • Benkert, O. et al.: Psychopharmakologischer Leitfaden für Psychologen und Psychotherapeuten. Springer Verlag, 3. Auflage, 2016
  • Blanz, B. et al.: Psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter. Schattauer Verlag, 1. Auflage 2006
  • Brakemeier, E. et al.: Chronische Depression. Hogrefe Verlage, 1. Auflage, 2012
  • Dilling, H. & Freyberger, H .J.: Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen. Huber Verlag, 9. Auflage, 2019
  • Fischer-Börold, C. & Krumme, F.: Depressionen. Schlütersche Verlagsgesellschaft, 1. Auflage, 2007
  • Hegerl, U. et al.: Das Rätsel Depression: Eine Krankheit wird entschlüsselt. Beck Verlag, 3. Auflage, 2016
  • Machleidt, W. et al.: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme Verlag, 7. Auflage, 2004
  • Margraf, J. & Schneider, S.: Lehrbuch der Verhaltenstherapie: Grundlagen, Diagnostik, Verfahren und Rahmenbedingungen psychologischer Therapie. Springer Verlag, 4. Auflage, 2018
  • Neurologen und Psychiater im Netz: Jahrelang traurig – chronische depressive Verstimmungen, unter: www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org (Abruf: 04.03.2022)
  • Renneberg, B. et al.: Einführung Klinische Psychologie. Ernst Reinhardt Verlag, 1. Auflage, 2009
  • S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde: Nationale Versorgungs-Leitlinie Unipolare Depression (Stand 2015, in Überarbeitung), unter: www.awmf.org (Abruf: 04.03.2022)
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