Angststörungen (Phobische Störung, Anxiety Disorder)

Angst an sich ist kein krankhaftes Gefühl, sondern eine überlebenswichtige Emotion, die uns vor realen Gefahren schützt. Das Erleben von Angst wirkt sich auch auf den Körper aus: Er reagiert in Sekundenschnelle mit typischen Symptomen wie Herzrasen, beschleunigter Atmung, Schwindel, Schwitzen und Zittern. Alle diese Reaktionen dienen einer optimalen Vorbereitung auf einen Angriff oder die Flucht („fight or flight“).
Kurzfassung:
- Bei einer Angststörung ist die Angst im Verhältnis zur tatsächlichen Bedrohung unangemessen und übersteigert.
- Angststörungen führen zu einer erheblichen psychischen Belastung und körperlichen Begleiterscheinungen.
- 5-15% der Menschen leiden mindesten einmal im Leben an einer Angststörung.
- Angststörungen, die in bestimmten Situationen auftreten werden als gerichtet bezeichnet, solche, die nicht ab bestimmte Situationen gebunden sind, als ungerichtet.
- Die Diagnose stellt ein Facharzt für Psychiatrie.
Von einer Angststörung spricht man dann, wenn die Angst im Verhältnis zur tatsächlichen Bedrohung unangemessen und übersteigert ist. Die Betroffenen sind durch die Angst erheblich psychisch belastet, hinzu kommen körperliche Begleiterscheinungen wie Herzrasen, Schwitzen und Beklemmungsgefühle.
Angststörungen sind die häufigsten psychischen Erkrankungen, etwa 5–15% der Menschen leiden mindestens einmal im Leben daran. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer.
Personen mit Angststörungen haben darüber hinaus ein erhöhtes Risiko für das Auftreten zusätzlicher Erkrankungen wie Depressionen, Suchterkrankungen oder körperliche Leiden. Auch Persönlichkeitsstörungen treten im Vergleich zu Gesunden häufiger auf.
In der Entstehung und Aufrechterhaltung von Angststörungen spielen biologische, psychologische sowie soziale Faktoren eine Rolle.
+++ Mehr zum Thema: Phobie +++
Einteilung & Formen der Angststörung
Angststörungen werden in verschiedene Gruppen unterteilt:
- Gerichtete Angststörungen
- Ungerichtete Angststörungen
Gerichtete Angststörungen treten in ganz bestimmten Situationen auf, ungerichtete hingegen sind nicht an bestimmte Situationen gebunden.
Gerichtete Angststörungen | Ungerichtete Angststörungen |
---|---|
Agoraphobie | Angst und depressive Störung, gemischt |
Sozialphobie | Generalisierte Angststörung |
Spezifische Phobie | Panikstörung |
Agoraphobie (ICD-10: 40.0)
Agoraphobische Menschen leiden an der Angst, sich an Orte zu begeben, von denen aus ein Rückzug schwierig oder peinlich ist. Hauptmerkmal ist die Furcht vor oder die Vermeidung von großen Menschenmengen, öffentlichen Verkehrsmitteln, Plätzen, aber auch Aufzügen oder Reisen in weiter Entfernung von zu Hause.
Die Angst kann sich bis zum Auftreten von Panikattacken steigern und wird von folgenden körperlichen Symptomen begleitet:
- Herzrasen
- Schweißausbrüchen
- Zittern
- Beklemmungsgefühl
- Atembeschwerden
Sozialphobie (ICD-10: 40.1)
Bei sozialen Phobien stehen die Angstsymptome beim Zusammentreffen mit anderen Menschen im Vordergrund. Typische Angstsymptome sind:
- Erröten
- Zittern
- Angst, zu erbrechen
- starker Drang, die Toilette aufzusuchen
- Betroffene befürchten, sich peinlich oder beschämend zu verhalten
Aus diesem Grund werden Situationen, in denen sie im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, wie beispielsweise auf Partys, bei Essenseinladungen oder beim Hinzukommen zu kleineren Gruppen, von Betroffenen tunlichst vermieden.
Das Umgehen solcher Alltagssituationen kann letztlich zu einem völligen Rückzug aus der Gesellschaft führen. Da Betroffene häufig nicht darüber sprechen, bleibt eine Sozialphobie oft undiagnostiziert.
++ Mehr zum Thema: Soziale Phobie oder Schüchternheit? ++
Spezifische Phobie (ICD-10: 40.2)
Spezifische Ängste beziehen sich immer auf bestimmte Objekte (Spinnen, Spritzen, Blut) oder spezielle Situationen (Höhe, Fliegen, Prüfungen, Gewitter, Zahnarztbesuch). Sie entstehen zumeist in der Kindheit oder im frühen Erwachsenenalter und können unbehandelt jahrzehntelang bestehen.
Die angstauslösenden Objekte werden, wann immer möglich, vermieden. Ist dies nicht möglich, kann sich die Angst bis zu panikartigen Zuständen steigern. Betroffene suchen selten therapeutische Hilfe.
Generalisierte Angststörung (ICD-10: 41.1)
Bei einer generalisierten Angststörung stehen Befürchtungen und übertriebene Sorgen in Bezug auf mögliche Erkrankungen von Angehörigen, alltägliche Ereignisse und Probleme im Vordergrund.
Daneben existieren folgende körperliche Symptome:
- Anspannung (Muskelverspannung, Rastlosigkeit, Herzrasen, Schwitzen und Zittern)
- Konzentrationsstörungen
- erhöhte Schreckhaftigkeit
- Einschlafschwierigkeiten
Die Angstsymptome treten an den meisten Tagen über eine Dauer von mindestens sechs Monaten auf.
Angst und depressive Störung, gemischt (ICD-10: 41.2)
Dabei ist weder die Angst noch die Depression stark genug für die eine oder andere spezifische Diagnose.
Panikstörung (ICD-10: 41.0)
Wesentliche Kennzeichen einer Panikstörung sind wiederkehrende, schwere Panikattacken, die sich nicht auf bestimmte Situationen oder Umstände beschränken, nicht vorhersehbar sind und deshalb zu einer Erwartungsangst führen können. Panikstörungen treten in Situationen auf, in denen keine reale Gefahr besteht.
So werden harmlose Änderungen der Körperfunktion, wie beispielsweise eine vorübergehend gesteigerte Herzfrequenz, als bedrohliche körperliche Erkrankung (Herzinfarkt) interpretiert.
Es entsteht ein Teufelskreis der Angst: Die Fehlwahrnehmung führt zur Auslösung weiterer Angstsymptome, die dann wiederum fälschlicherweise als Ausdruck einer körperlichen Fehlfunktion gedeutet werden. Diese Spirale führt letztlich zum Vollbild einer Panikattacke.
Was ist eine Panikattacke?
Eine Panikattacke ist eine Episode intensiver Angst, die plötzlich beginnt, nach wenigen Minuten ihr Maximum erreicht und nach 20–30 Minuten wieder abklingt. Für Betroffene ist eine Panikattacke als solche nicht immer sofort zu erkennen.
Um eine Panikattacke diagnostizieren zu können, müssen mindestens vier der unten gelisteten Symptome vorhanden sein, wobei zumindest ein vegetatives Symptom dabei sein muss:
Vegetative Symptome:
- bewusste Wahrnehmung des eigenen Herzschlags (Palpitation), Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz
- Schweißausbruch
- Zittern
- Mundtrockenheit
Sonstige Symptome:
- Atembeschwerden
- Beklemmungsgefühl
- Schmerzen oder Missempfindung im Bereich des Brustkorbs
- flaues Gefühl in der Magengegend (Nausea) oder Missempfindungen im Bauchbereich
- Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit
- verfremdete Wahrnehmung der Umwelt (Derealisation), Fremdheitserleben gegenüber sich selbst, Verlust oder Veränderung des ursprünglichen, natürlichen Persönlichkeitsgefühls (Depersonalisation)
- Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder „auszuflippen“
- Angst, zu sterben
- Hitzegefühl oder Kälteschauer
- Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle
Je nach Häufigkeit der Panikattacken werden zwei Formen unterschieden: Bei der mittelgradigen Panikstörung treten Panikattacken mindestens viermal in vier Wochen auf, bei der schweren mindestens viermal in einer Woche.
Diagnose einer Angststörung
Da Angststörungen häufig auch mit körperlichen Beschwerden einhergehen, suchen Betroffene – vor allem Personen mit Panikstörungen oder generalisierter Angststörung – üblicherweise einen Allgemeinmediziner zur Abklärung ihrer Beschwerden auf.
Die Diagnose Angststörung wird jedoch in der Regel von einem Facharzt für Psychiatrie gestellt. Das direkte Gespräch zwischen Patient und Arzt stellt das Kernstück der psychiatrischen Untersuchung dar.
Eine körperliche Untersuchung (u.a. Herz, Lunge) und verschiedene zusätzliche Maßnahmen, wie eine Blutuntersuchung oder Gespräche mit nahestehenden Personen, geben zusätzlich Aufschluss über die vorliegende Erkrankung.
+++ Mehr zum Thema: Behandlung der Angststörung +++
Warum Angststörungen und andere psychische Krankheiten kein Tabu sind und ein offenes Sprechen darüber wichtig ist, erfahren Sie hier.
Autoren:
Mag. Astrid Leitner
Medizinisches Review:
Univ. Prof. i.R. Dr. Harald Aschauer
Redaktionelle Bearbeitung:
Nicole Kolisch
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