Sucht auf Rezept
Kolumne von Dr. Ludwig Kaspar über die unauffälligste Sucht der Österreicher und ihre Ursachen.
Begleiten Sie mich bei einem kleinen Gedankenexperiment: Was fällt Ihnen zum Thema Drogensucht ein? Vermutlich Heroin, dunkle Deals in Hinterhöfen, infektiöse Spritzen auf öffentlichen Plätzen.
Tatsächlich ist die Situation in Österreich anders gelagert. Nach Alkohol und Nikotin sind Medikamente die häufigste substanzabhängige Sucht des Landes: 150.000 Österreicher sind medikamentensüchtig. Gerade bei Beruhigungs-, Schlaf- und Schmerzmitteln ist das Suchtpotential hoch, das Gefahrenbewusstsein jedoch gering. Das liegt auch an uns Ärzten: Medikamente werden sehr rasch verschrieben, oft wird dem Druck seitens der Patienten zu leicht nachgegeben.
Medikamentensucht wirkt auf den ersten Blick undramatisch: Sie findet nicht in der Gosse statt, sondern im eigenen Wohnzimmer. Es gibt auch keine offensichtlichen Rauschzustände, die zu sozialem Prestigeverlust führen. Ein Manager, der Aufputschmittel nimmt? Absolut gesellschaftsfähig. Die Folgen für Lebensqualität und Gesundheit sind hingegen gravierend. Der Weg in die Sucht ist kurz, der Entzug lang – sogar länger als bei Alkoholismus. Die positive Nachricht zum Schluss: Bei richtiger Behandlung sind die Heilungschancen gut.
Autoren:
Dr. Ludwig Kaspar
Redaktionelle Bearbeitung:
Nicole Kolisch
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