Vektorimpfstoffe

Von , Medizinredakteurin und Biologin
Martina Feichter

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

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Vektorimpfstoffe sind eine neue Klasse von Impfstoffen, die sich in ihrem Wirkmechanismus deutlich von klassischen Impfstoffen unterscheiden. Worin dieser Unterschied besteht, gegen welche Erkrankungen ein Vektorimpfstoff zur Verfügung steht und welche Risiken solche Impfstoffe bergen könnten, erfahren Sie hier!

Virus und mRNA

Was sind Vektorimpfstoffe?

Vektorimpfstoffe (Vektorvirenimpfstoffe) gehören zur Gruppe der genbasierten Impfstoffe. Diese stellen eine neue Generation von Impfstoffen dar, deren Wirkmechanismus sich klar von dem der klassischen Lebend- und Totimpfstoffe unterscheidet:

Lebend- und Totimpfstoff

Lebend- und Totimpfstoffe schleusen Krankheitserreger oder Teile davon in den Körper ein - Lebendimpfstoffe enthalten abgeschwächte Erreger, Totimpfstoffe entweder inaktivierte bzw. abgetötete Erreger oder Teile von Erregern oder das krankmachende Gift eines Erregers. In allen Fällen wird eine charakteristische Fremdsubstanz (Antigen genannt) in den Körper eingebracht, damit das Immunsystem spezifische Antikörper dagegen entwickelt.

Genbasierte Impfstoffe

Statt eines fertigen Antigens bringen genbasierte Impfstoffe den genetischen Bauplan für ein Antigen in den Körper ein. Die Körperzellen selbst bauen anhand dieser Anleitung das fremde Antigen (z.B. ein Bakterienprotein) zusammen, das dann in den Körper abgegeben wird und dort eine Immunantwort in Gang setzen soll. Im Grunde wird hier also ein Teil der aufwendigen Impfstoff-Herstellung - die Gewinnung von Antigenen - aus dem Labor in den menschlichen Körper verlagert.

Neben Vektorimpfstoffen zählen auch mRNA-Impfstoffe und DNA-Impfstoffe zu den genbasierten Impfstoffen.

Wie funktionieren Vektorimpfstoffe?

Bei Vektorimpfstoffen wird das in den Körper einzuschleusende Genmaterial - der Bauplan für ein oder mehrere Erreger-Antigene - zuerst in das Erbgut von harmlosen Trägerviren (Vektorviren) eingebracht. Diese können nicht krank machen, aber in menschliche Zellen eindringen und sich eventuell sogar darin vermehren. Dazu docken die Vektorviren an der Oberfläche einer Zelle an und entlassen ihre Gene - inklusive des Antigen-Bauplans - ins Innere. Daraufhin produziert die Zelle gezwungenermassen das Erreger-Antigen.

Dieser Fremdstoff ruft das Immunsystem auf den Plan: Es beginnt, spezifische Antikörper sowie spezifische T-Zellen (spezielle Abwehrzellen) gegen das fremde Antigen zu produzieren. So baut der Geimpfte einen Impfschutz gegen den betreffenden Erreger auf.

Welche Viren dienen als Vektorviren?

Als virale Transporter (virale Vektoren) für den Antigen-Bauplan werden zum Beispiel Adenoviren verwendet, die als "Virentaxis" eingesetzt werden. Es gibt verschiedene Typen von Adenoviren - einige haben sich auf verschiedene Tiere (wie Affen) als Wirtsorganismen spezialisiert. Andere können Menschen infizieren, wobei sie meist die Atemwege befallen und beispielsweise Erkältungssymptome hervorrufen. Die als virale Vektoren verwendeten Adenoviren werden zuvor so modifiziert, dass sie nicht mehr krank machen können.

Auch Impfviren aus Pocken- und Masern-Impfstoffen kommen als Vektorviren in Betracht. Impfviren sind Erreger, die für die Verwendung als Lebend-Impfstoff abgeschwächt wurden, sodass sie keine Erkrankung mehr auslösen können. Mit ihrer Verabreichung als Lebend-Impfung hat man schon viel Erfahrung gesammelt - ein möglicher Vorteil, wenn man solche Impfviren nun auch als Vektorimpfstoff, also für den Transfer von Genen anderer Erreger nutzen will. Beispielsweise versucht man, abgeschwächte Impfpockenviren vom Typ "Modified Vaccinia Virus Ankara" (MVA) als Vektor für einen Corona-Impfstoff zu nutzen.

Ebenfalls als virale Vektoren bieten sich gentechnisch hergestellte Viren an - im Fokus der Forschung steht hier das rekombinante Vesikuläre Stomatitis-Virus (rVSV).

Virale Vektoren werden nicht nur für neuartige Impfstoffe (Vektorimpfstoffe) genutzt. Auch in der Gentherapie setzt man auf diesen Gentransfer durch Vektoren - beispielsweise um fehlerfreie Gene in die Zellen von Patienten einzuschleusen, die an einem Gendefekt leiden.

Welche Risiken bergen Vektorimpfstoffe?

Falls jemand schon einmal Kontakt mit dem Vektorvirus hatte und in der Folge dagegen eine Immunität entwickelt hat ("Anti-Vektor-Immunität"), kann das die Wirksamkeit des betreffenden Vektorimpfstoffes beeinträchtigen.

Manche befürchten zudem, dass eingeschleuste fremde Gene in das Erbgut der menschlichen Zelle selbst eingebaut werden - mit nicht absehbaren Folgen. Tatsächlich sind Vektorviren in der Regel aber so konstruiert, dass ihr Erbgut (inklusive dem eingeschleusten Antigen-Bauplan) nicht in das menschliche Erbgut eingefügt wird. Weitere Informationen dazu erhalten Sie im Artikel "DNA- und mRNA-Impfstoffe".

Stattdessen werden die eingebrachten Fremdgene nur eine begrenzte Zeit lang von der Zelle umgesetzt - zum einen bringt das Immunsystem die Vektorviren unter Kontrolle; zum anderen stoppt auch die Produktion der Erreger-Antigene, da der Körper das eingebrachte Genmaterial schnell abbaut. Bis dahin erreicht man in der Regel eine ausreichende Immunantwort.

Welche Vektorimpfstoffe gibt es?

Vor Covid-19 haben die zuständigen Behörden zwei Vektorimpfstoffe zugelassen - einer gegen Dengue-Fieber und einer gegen Ebola. Im Rahmen der Coronavirus-Pandemie sind weitere hinzugekommen:

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat zwei Vektorimpfstoffe gegen Sars-CoV-2 bedingt zugelassen - einen von AstraZeneca (Vaxzevria) und einen von Johnson&Johnson (Janssen). Weltweit verabreichen Mediziner noch weitere derartige Impfstoffe, beispielsweise ein russisches Vakzin, das auf zwei Vektorviren basiert. Einige Kandidaten befinden sich zudem noch in der Erprobung. Alle wichtigen Informationen zur Coronavirus-Impfung erhalten sie hier.

Meist werden als Vektor Adenoviren verwendet, manchmal auch andere Erreger wie Masernviren. In jedem Fall werden die viralen Vektoren aber so modifiziert, dass sie nicht mehr vermehrungsfähig sind (nicht-replizierende Vektorimpfstoffe). Und beladen werden diese Vektorviren meist mit dem Gen für das Spike-Protein des Covid-19-Erregers - ein charakteristisches Protein aus der Hülle von Sars-CoV-2.

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Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

Quellen:
  • Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften: "Virale Vektoren", unter: www.drze.de (Abrufdatum: 11.05.2021)
  • Dingermann, T.: "Vektorviren als Plattform", in: Pharmazeutische Zeitung vom 09.07.2020, unter: www.pharmazeutische-zeitung.de (Abrufdatum: 11.05.2021)
  • Europäische Arzneimittelagentur (EMA): COVID-19 vaccines: authorised, unter: www.ema.europa.eu (Abrufdatum: 11.05.2021)
  • Europäische Arzneimittelagentur (EMA): COVID-19 vaccines: key facts, unter: www.ema.europa.eu (Abrufdatum: 11.05.2021)
  • Menhorn-Zylka, V. & Grunert, D.: "Genbasierte Impfstoffe: Hoffnungsträger auch zum Schutz vor SARS-CoV-2", in: Dtsch Arztebl 2020; 117(21): A-1100 / B-927
  • Paul-Ehrlich-Institut (PEI): "Impfstoffentwicklung gegen COVID-19", unter: www.pei.de (Abrufdatum: 11.05.2021)
  • Paul-Ehrlich-Institut (PEI): "Welche Impfstoffkonzepte werden bei der Entwicklung eines Impfstoffes gegen SARS-CoV-2 verfolgt?" (Stand: April 2020), unter: www.pei.de (Abrufdatum: 11.05.2021)
  • Siebenand, S.: "Neuer alter Pockenimpfstoff gegen Coronavirus", in: Pharmazeutische Zeitung vom 18.05.2020, unter: www.pharmazeutische-zeitung.de (Abrufdatum: 11.05.2021)
  • Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V.: "Impfstoffe - wie sie wirken und wovor sie schützen" (Stand: März 2021), unter: www.vfa.de (Abrufdatum: 11.05.2021)
  • Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V.: "Impfstoffe zum Schutz vor der Coronavirus-Infektion Covid-19" (Stand: Mai 2021), unter: www.vfa.de (Abrufdatum: 11.05.2021)
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