Wir werden größer - und gesünder

Die Körpergröße ist ein Maß für die Volksgesundheit. In den letzten 100 Jahren sind die Europäer förmlich in die Höhe geschossen.
In den letzten Hundert Jahren ist der Durchschnittliche Europäer um elf Zentimeter gewachsen. Der Britische Wirtschaftsprofessor Tim Hatton spricht in einem aktuellen Aufsatz in den Oxford Economic Papers von einer “nie da gewesenen Entwicklung”. Die Ursachen, so der Wissenschaftler sind bei sozio-ökonimischen Faktoren und der Volksgesundheit zu suchen. Besonders die Rahmenbedingungen während der Wachstumsphase in der Kindheit entscheiden wie groß wir werden. Doch das alleine kann das Ausmaß der raschen Entwicklung nicht erklären.
Gesünder trotz Krieg und Krise
Die rapide Steigerung der Körpergröße lässt darauf schließen, dass die europäische Bevölkerung immer gesünder geworden ist. So weit so wenig erstaunlich. Nur: den steilsten Anstieg in der Größe erlebten die Europäer ausgerechnet in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Einer Zeit von zwei Weltkriegen, Hyperinflation und Wirtschaftskrise. Dieser scheinbare Widerspruch steht im Mittelpunkt von Hattons Untersuchungen.
Kindersterblichkeit
Das Durchschnittseinkommen, das Auskunft gibt, wie reich eine Gesellschaft ist, spielt natürlich eine Rolle für Größe und Volksgesundheit. Andererseits, so analysiert Hatton, ist die Auswirkung von Kindersterblichkeit und Größe der Familie noch stärker zu beurteilen. Etwa die Hälfte des erstaunlichen Anstiegs sei auf diesen Faktor zurück zu führen, heißt es in der wissenschaftlichen Arbeit. Krieg und Rezession könnten sich - auf lange Sicht betrachtet - sogar positiv auf das Wachstum ausgewirkt haben. Schlicht und einfach, weil in dieser Zeit weniger Kinder zu Welt kamen. Kinder die in dieser Zeit geboren wurden, hatten demnach größere Überlebenschancen im Kindesalter und bessere Rahmenbedingungen.
Faktor Krankenkasse

Längst nicht das ganze Ausmaß des Wachstums im Körper-Wachstum lässt sich dadurch erklären. Es muss noch andere Ursachen geben. Der Ökonom Hatton erwähnt vor allem Bildung, Verstädterung und steigendes Bewusstsein für Hygiene. Bahnbrechenden medizinischen Entwicklungen wie der Entdeckung des Penicillins kommt allerdings keine messbare Rolle zu. Vermutlich weil sie nicht schlagartig für alle verfügbar wurden und sich erst schrittweise durchsetzen mussten. Ein Faktor sticht jedoch heraus: die Erfindung der Krankenkasse. So erwähnt Hatton explizit die Österreichische Situation: seit den 1880er Jahren gibt es hierzulande ein (anfänglich rudimentäres) öffentliches Gesundheitssystem. Auch die Gründung des Britischen National Health Service (NHS) ist an einem Zacken in der Gesundheitskurve zu erkennen.
Geschlecht
Eine Einschränkung hat die Analyse allerdings: nur Daten von Männern sind in die Untersuchung eingeflossen. Sie haben wohl erraten warum. Wieder ist der Krieg schuld, während die Daten wehrpflichtiger Männer gut erhalten sind, wurden Frauen in der Statistik nie systematisch erfasst.
Autoren:
Mag. (FH) Axel Beer
Redaktionelle Bearbeitung:
Philip Pfleger
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