Cannabis-Freigabe: Schmerzpatienten als Leidtragende der Debatte

Cannabinoide sind äußerst wirksam zur Behandlung von Schmerzen. Bürokratie und Vorurteile führen jedoch dazu, dass diese Substanzen Patienten vorenthalten werden, kritisieren Experten.
Segen oder Fluch? Womöglich ist es dieser schwarz-weiß-malerische Zugang, der die Debatte über die Legalisierung von Cannabis so emotional macht - und so oft entgleisen lässt. Entfacht wurde die Diskussion hierzulande zuletzt von den NEOS, die sich in ihrer Mitgliederversammlung für eine Freigabe aussprachen.
Unabhängig von ihrem Ausgang könnte die Debatte negative Folgen haben - für Schmerzpatienten. "Die aktuelle, durchaus emotional geführte Diskussion über eine Legalisierung von Cannabis sollte keine ungünstigen Auswirkungen auf den Einsatz von Cannabinoid-Medikamenten in der Schmerz- und Palliativmedizin haben", sagt Univ.-Prof. Prim. Dr. Rudolf Likar, Generalsekretär der Österreichischen Schmerzgesellschaft, anlässlich der 14. Österreichischen Schmerzwochen.
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Wirksamkeit von Cannabinoiden belegt
"Cannabinoide lindern Schmerz, Spastik und Angst, stimulieren den Appetit, unterdrücken Übelkeit und Erbrechen, verbessern die Lebensqualität und können in multimodale Behandlungskonzepte gut integriert werden", sagt Likar. "Besonders synergetisch ist die Kombination von THC mit einer klassischen Opioid-Therapie.
Anders als Opioide führen Cannabinoide auch bei Überdosierung zu keiner potenziell lebensgefährlichen Atemdepression und auch zu keiner Unterdrückung der wichtigen Abwehrfunktion gegen infektiöse Keime."
Der Wirkstoff Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) wird bei der Therapie als Reinstoff verabreicht - in Tabletten- oder der leichter dosierbaren Tropfenform. Von Bedeutung ist dabei die psychotrope "Nebenwirkung". Das Gefühl, das von Drogenkonsumenten geschätzt wird, muss für die medizinische Anwendung ausgeschaltet werden: In Reinform - ohne Begleitsubstanzen aus der Pflanze - macht THC nicht high.
Die klinische Wirksamkeit von Cannabinoiden konnte in den vergangenen Jahren zu verschiedenen Indikationen bestätigt werden. Gut belegt sind vor allem antiemetische (gegen Übelkeit und Brechreiz), appetitsteigernde und krampflösende Effekte.
Immer mehr klinischen Studien mit verschiedenen Cannabinoid-Medikamenten würden viel versprechende Ergebnisse für eine Reihe von Schmerzzuständen liefern, heißt es in einer aktuellen Veröffentlichung der International Association for the Study of Pain, die der Diskussion über den Einsatz von Cannabis und Cannabinoiden in der Schmerztherapie gewidmet ist.
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Vorurteile und Bürokratie
In Österreich stehen derzeit drei Cannabinoid-Präparate zur Verfügung. Likar möchte die Arzneien einer möglichst großen Zahl von Schmerzpatienten zugänglich machen: "Dazu müssen nicht nur gelegentlich noch vorhandene Vorurteile gegenüber Cannabinoid-Medikamenten abgebaut werden, sondern auch bürokratische Hürden", so Likar. "Wünschenswert wäre eine Vereinfachung der Erstattung durch die Krankenkassen und dass zur Verschreibung kein Suchtgiftrezept mehr erforderlich ist."
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Autoren:
Philip Pfleger
Redaktionelle Bearbeitung:
Mag. (FH) Axel Beer
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