Sekundäre Pflanzenstoffe
Unter dem Sammelbegriff "sekundäre Pflanzenstoffe" (SPS, Sekundärmetaboliten, Phytochemikalien) versteht man eine Gruppe von chemisch sehr unterschiedlichen Substanzen, denen gemeinsam ist, dass sie ausschließlich von Pflanzen gebildet werden.
Was sind sekundäre Pflanzenstoffe?
Sie kommen im Gegensatz zu den primären Bestandteilen von Pflanzen, wie Kohlenhydrate, Proteine und Fette, nur in sehr geringen Mengen in der Pflanze vor. Der Gehalt der jeweiligen SPS variiert ebenfalls von Pflanze zu Pflanze.
Sekundär bedeutet, dass die Pflanze die Substanzen weder für den Energiestoffwechsel noch zum Zellaufbau benötigt, diese aber trotzdem für den pflanzlichen Organismus lebenswichtig sind. Sie dienen der Pflanze unter anderem als Abwehrstoff gegenüber Schädlingen sowie als Geschmacks-, Duft- und Farbstoff.
In Bezug auf den Menschen schenkte man den sekundären Pflanzenstoffen lange Zeit kaum Beachtung. Anders als Vitamine und Mineralstoffe wurden sie als mehr oder weniger nutzlos angesehen.
Heute ist bekannt, dass sekundäre Pflanzenstoffe auch beim Menschen wichtige Schutzfunktionen erfüllen. Ein Teil der gesundheitsfördernden Wirkungen von Obst und Gemüse wird mittlerweile auf diese auch bioaktive Substanzen genannten Stoffe zurückgeführt.
Wo kommen sekundäre Pflanzenstoffe vor?
Sekundäre Pflanzenstoffe sind Komponenten unserer Ernährung und kommen vor in:
- Obst
- Gemüse
- Kartoffeln
- Hülsenfrüchten
- Nüssen
- Vollkornprodukte
- fermentierten Lebensmitteln wie Sauerkraut
Ein Mensch, der sich mit gemischter Kost ernährt, nimmt Schätzungen zufolge pro Tag im Schnitt etwa 1,5 Gramm SPS auf, wobei die Aufnahme bei vegetarischer Ernährung deutlich höher sein kann.
Nebenwirkungen von sekundären Pflanzenstoffen
Sekundäre Pflanzenstoffe können allerdings auch unerwünschte Wirkungen auf den menschlichen Organismus haben. So können z.B. Carotinoide, wenn sie in großen Mengen konsumiert werden, zu Ikterus (Gelbsucht), reversiblen Leberfunktionsstörungen und erhöhtem Lungenkrebsrisiko bei Rauchern führen.
Saponine können zu Hämolyse (Auflösung von roten Blutkörperchen) und erhöhter Permeabilität (= Durchlässigkeit) des Darms führen sowie den Blutdruck erhöhen. Die in Kaffee und Tee enthaltenen Polyphenole können die Absorption von Mineralstoffen beeinträchtigen.
Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass derartige gesundheitliche Auswirkungen nur durch exzessive Supplementierung in isolierter Form erreicht werden können. Über die Nahrung können derartig große und unter Umständen schädliche Mengen nicht aufgenommen werden.
Welche Wirkungen haben sekundäre Pflanzenstoffe?
Der Verzehr von Obst und Gemüse ist mit vielen gesundheitsfördernden Wirkungen assoziiert und trägt dazu bei, das Risiko für manche Erkrankungen zu reduzieren. Viele positive Effekte werden von Ernährungsexperten auf die sekundären Pflanzenstoffe zurückgeführt.
Trotz intensivierter Forschungsbemühungen ist der Kenntnisstand darüber, wie sie verschiedene Funktionen im menschlichen Körper genau beeinflussen, noch relativ unerforscht. Oftmals stammen die Erkenntnisse aus Tierversuchen und auch die Ergebnisse dieser Studien sind unter Umständen widersprüchlich.
Einige Wirkungen, welche sekundären Pflanzenstoffen zugeschrieben werden, sind:
Senkung des Risikos für manche Krebsarten (antikanzerogene Wirkung)
Neue Studien zeigen, dass z.B. Polyphenole künftig dazu genutzt werden könnten, neue Präparate herzustellen, die das Krebsrisiko senken sollen. SPS, welche diese Wirkung haben, sind – neben Polyphenolen – etwa Carotinoide, Phytosterine, Saponine und Glucosinolate.
Antimikrobielle Wirkung
Das bedeutet, dass sie das Wachstum und die Ausbreitung von Krankheitserregern wie Viren, Bakterien oder Pilzen unterbinden. Glucosinolate, Polyphenole und Sulfide weisen diese Eigenschaft auf.
Antioxidative Wirkung
Dies heißt, dass durch körpereigene Abläufe und äußere Einflüsse wie Rauchen oder UV-Licht sogenannte freie Radikale entstehen. Diese sind sehr reaktionsfreudig und können Körperzellen und Erbgut schädigen.
Die freien Radikale sind maßgeblich an der Entstehung degenerativer Erkrankungen wie Arteriosklerose und von damit verbundenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Alzheimer, Parkinson, Krebs u.a. beteiligt. Die SPS sind in der Lage, diese Radikale abzufangen, und wirken damit gesundheitsförderlich. Diese Wirkung weisen u.a. Carotinoide, Polyphenole und Sulfide auf.
Antithrombotische Wirkung
Diese Wirkung geht von Polyphenolen und Sulfiden aus.
Cholesterinsenkende Wirkung
Diese Wirkung zeigen u.a. Phytosterine, Saponine und Sulfide.
Immunmodulierende Wirkung
Diese Eigenschaft bedeutet, dass ein positiver Effekt auf die körpereigene Abwehr ausgeübt wird. Carotinoide, Saponine, Polyphenole und Sulfide erfüllen diese Funktion im Körper.
Welche sekundären Pflanzenstoffe gibt es?
Nach derzeitigen Schätzungen kennt man zirka 100.000 verschiedene SPS, von denen allerdings nur ein kleiner Teil erforscht ist. Etwa 5.000 bis 10.000 SPS kommen in der menschlichen Nahrung vor. Aufgrund ihrer unterschiedlichen chemischen bzw. funktionellen Eigenschaften werden sie in verschiedene Klassen eingeteilt.
Zudem kennt man eine Reihe weiterer Substanzen, die sich nicht in dieses Schema einordnen lassen. Zu den nicht den nachfolgenden Kategorien zuordenbaren Substanzen zählen z.B. Chlorophyll und Phytinsäure, welche jedoch trotzdem zu den sekundären Pflanzenstoffen gezählt werden. Zu den wichtigsten Vertretern der sekundären Pflanzenstoffe gehören:
Carotinoide
Vorkommen
Carotinoide sind im Obst und Gemüse für die gelbe, rote, orange und auch grüne Farbe verantwortlich. Sie sind im Pflanzenreich weit verbreitet und kommen vor in:
- Tomaten
- Karotten
- Paprika
- Spinat
- Grünkohl
- grünem Gemüse
- Grapefruits
- Aprikosen
- Melonen
- Kürbis
Carotinoide sind relativ hitzestabil, wobei sie teilweise durch Kochen und Erhitzen zerstört werden. Es sind derzeit über 700 verschiedene Carotinoide bekannt. Einige von ihnen werden im Körper zu Vitamin A umgewandelt, weshalb sie als Provitamin A bezeichnet werden. Einer der bekanntesten Vertreter ist das Betacarotin.
Wirkung
- antioxidativ und entzündungshemmend
- Risikosenkung bestimmter Krebskrankheiten und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- positive Beeinflussung des Immunsystems
- Senkung des Risikos von Augenerkrankungen wie grauem Star und Makuladegeneration
Glucosinolate
Vorkommen
Glucosinolate sind in allen Kohlarten wie
- Rettich
- Radieschen
- Kresse
- Brokkoli
- sowie Senf
zu finden und geben ihnen ihren charakteristischen Geschmack. Der Pflanze selbst dienen sie als Abwehrstoffe gegenüber Fressfeinden, sind allerdings durch Hitze leicht zerstörbar. Es wurden bereits über 120 verschiedene Glucosinolate identifiziert.
Wirkung
In zahlreichen epidemiologischen Studien konnten folgende positive Wirkungen identifiziert werden:
- Senkung des Risikos für bestimmte Krebsarten wie Dickdarmkrebs
- Beeinflussung des Immunsystems
- antibiotische Wirkung
- antioxidative Wirkung
Monoterpene
Vorkommen
Monoterpene sind als Aromastoffe wie Menthol, Carvon und Limone in verschiedenen Pflanzen von Bedeutung. So sind sie unter anderem zu finden in:
- Zitronen
- Minze
- Kümmel
Monoterpene werden auch zur Aromatisierung von Lebensmitteln verwendet.
Wirkung
Sie wirken antikanzerogen (d.h. sie senken das Risiko bestimmter Krebsarten) und cholesterinsenkend.
Phytoöstrogene
Vorkommen
Phytoöstrogene verfügen über eine ähnliche Wirkung wie das weibliche Sexualhormon Östrogen. Sie sind vor allem enthalten in:
- Vollkorn
- Ölsaaten
- Hülsenfrüchten wie Sojabohnen und Leinsamen
Wirkung
Phytoöstrogenen werden folgende positive gesundheitliche Wirkungen nachgesagt:
- Risikominimierung bestimmter Krebserkrankungen
- antioxidative Wirkung
- Einfluss auf das Immunsystem
- protektive Wirkung auf den Knochenstoffwechsel
Es gibt außerdem starke Hinweise dafür, dass die zu dieser Gruppe der sekundären Pflanzenstoffe gehörenden Isoflavone das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken.
Phytosterine
Vorkommen
Phytosterine ähneln strukturell Cholesterin und kommen hauptsächlich in fettreichen Pflanzenteilen wie
- Maiskeimlinge
- Sonnenblumenkerne
- Sesamsaaten
- Nüssen
- Sojabohnen
Wirkung
Sie wirken cholesterinsenkend, weil sie die Aufnahme des Nahrungscholesterins aus dem Darm verringern.
Polyphenole
Vorkommen
Polyphenole sind einer der Gründe, warum die Schale von Obst und Gemüse mitverzehrt werden sollte, denn manche Polyphenole finden sich überwiegend in den Randschichten von Obst, Gemüse und Getreide.
Wirkung
Sie wirken nach dem derzeitigen Kenntnisstand ...
- stark antioxidativ
- antithrombotisch
- blutdrucksenkend
- entzündungshemmend
- antibiotisch
- immunsystemstärkend
- risikosenkend für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- risikosenkend für bestimmte Krebserkrankungen
Polyphenole können in zwei Untergruppen unterteilt werden, nämlich Phenolsäuren und Flavonoide. Phenolsäuren kommen in Kaffee, Vollkorn, Weißwein und Nüssen vor und sind in vielen Lebensmitteln ursächlich für den bitteren Geschmack. Sie schützen die Pflanze vor Fressfeinden. Flavonoide sind in Lebensmitteln als Pflanzenfarbstoff oftmals für die rote, blaue, hellgelbe und violette Farbe vieler Gemüse- und Obstarten verantwortlich. Sie kommen in Äpfeln, Zwiebeln, Soja, Tee, Birnen, Kirschen u.v.m. vor.
Saponine
Vorkommen
Saponine kommen als Bitterstoffe sowohl in Hülsenfrüchten wie Kichererbsen und Sojabohnen als auch in Spargel und Hafer vor.
Wirkung
- antikanzerogen
- antibiotisch und fungizid
- schaumbildende Wirkung in Lebensmitteln
Sulfide
Vorkommen
Sulfide sind zu finden in:
- Zwiebeln
- Lauch
- Knoblauch
- Schnittlauch
In der Pflanze sind sie für die Duft- und Aromastoffe verantwortlich und verleihen ihr den charakteristischen Geruch. Allicin, ein Vertreter der Sulfide, verleiht beispielsweise dem Knoblauch seinen typischen Geruch. Allicin entsteht im Knoblauch allerdings erst durch enzymatische oder thermische Zersetzung.
Wirkung
Sulfide haben folgende positive Wirkungen auf den Menschen:
- Risikosenkung für bestimmte Krebsarten
- antibiotisch und antioxidativ
- antithrombotisch
- blutdrucksenkend
- cholesterinsenkend
- verdauungsfördernd
Forschung zu sekundären Pflanzenstoffen
Es kann davon ausgegangen werden, dass viele SPS noch nicht identifiziert sind und noch nicht alle Wirkungen der bisher beschriebenen SPS erforscht sind.
Viele Erkenntnisse in Bezug auf SPS stammen aus Tierversuchen und können daher nicht direkt auf den Menschen übertragen werden. Es können derzeit keine Empfehlungen für die Zufuhr sekundärer Pflanzenstoffe abgegeben werden, da das Wissen über diese bioaktiven Substanzen noch zu gering ist. Außerdem wird vermutet, dass nicht eine isolierte Substanz für die positiven Wirkungen verantwortlich ist, sondern eine Kombination aus mehreren gesundheitsfördernden Substanzen die gewünschten Effekte erzielt.
Daher kann generell empfohlen werden, fünf Portionen (ca. 650 g) Obst und Gemüse am Tag zu verzehren. Dabei entspricht eine Portion Obst und Gemüse der Handfläche des betreffenden Menschen. Demnach fallen die fünf Portionen Obst und Gemüse bei Kindern wesentlich kleiner aus als jene bei einem Erwachsenen.
Eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung sollte den Bedarf an allen essenziellen Nährstoffen abdecken. Es sollte darauf geachtet werden, die Schale mitzuverzehren und vorrangig zu reifen Früchten zu greifen, da diese einen höheren Anteil an sekundären Pflanzenstoffen enthalten. Viele SPS können durch Hitze zerstört werden. Aus diesem Grund sollte auf eine schonende Zubereitung geachtet und Obst und Gemüse möglichst häufig roh verzehrt werden.
Autoren:
Helga Quirgst, MSc
Redaktionelle Bearbeitung:
Philip Pfleger
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