Der Gynäkologe als Lust-Doktor

Sexuelle Funktionsstörungen und Lustlosigkeit kommen in der frauenärztlichen Praxis zu kurz, so eine neue Studie. Gynäkologen sollen Ihre Patientinnen öfter auf Probleme ansprechen.
Schmerzen oder Krämpfe beim Geschlechtsverkehr, ausbleibender Orgasmus oder überhaupt keine Lust auf Sex: die weibliche Sexualität ist ein zartes Pflänzchen. Viele Faktoren müssen zusammen stimmen, damit Frauen ihre Sexualität als lustvoll erleben können.
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Nur wenn der mentale Zustand, die Harmonie mit dem Partner und die Umstände der Beziehung auf Sex eingestellt sind, kann sie überhaupt Lust empfinden. Trotzdem ist Lustlosigkeit für viele Frauen schambesetzt, kurz gesagt ein Tabu. Und das sogar im Gespräch mit dem, der eigentlich zuständig wäre: der Frauenärztin oder dem Frauenarzt.
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Schädliche Tabus

Eine neue Studie des Berliner Frauenarztes Hans Joarchim Ahrendt ergab, dass 60 Prozent der Patientinnen, die einen Gynäkologen besuchen, Fragen zu Ihrer Sexualität haben oder unter sexuellen Problemen leiden.
Die Krux: nur die Hälfte dieser Patientinnen spricht diese Probleme von sich aus an. Während körperliche Beschwerden wie Krämpfe oder Blutungen beim Geschlechtsverkehr nicht tabuisiert sind und von den Patientinnen angesprochen werden, erwähnen nur 34 Prozent der Betroffenen Patientinnen von sich aus, dass sie unter Lustlosigkeit leiden.
Ahrendt fand, dass die Tabus umso schwerer zu brechen sind, je älter die Patientinnen werden. Während weniger als die Hälfte der Teenagerinnen offene Fragen zu ihrer Sexualität haben, klagen 70 Prozent der Frauen über 60 über sexuelle Funktionsstörungen. Zumindest dann, wenn sie vom Frauenarzt explizit danach gefragt werden.
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Rasche Klärung
Während die Beziehungsdimension mehr und mehr Einzug in die gynäkologische Praxis fände, bekäme die Lustdimension immer noch zu wenig Aufmerksamkeit, so der Studienautor. Die Mediziner würden sexuelle Funktionsstörungen zu sehr als Sekundärprobleme einordnen.
Am häufigsten kommen Störungen der sexuellen Appetenz, also Lustlosigkeit die bereits den Beginn des Geschlechtsverkehrs vereitelt, vor. Dass diese Probleme häufig nicht angesprochen werden ist schade, denn: „Die meisten dieser Probleme und Fragen konnten innerhalb der gynäkologischen Routinesprechstunde geklärt werden“, so Ahrendt.
Autoren:
Mag. (FH) Axel Beer
Medizinisches Review:
Dr. med. Stefanie Sperlich
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