Puls messen

Von , Ärztin
und , Medizinredakteurin und Biologin
Valeria Dahm

Valeria Dahm ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte an der Technischen Universität München Medizin. Besonders wichtig ist ihr, dem neugierigen Leser Einblick in das spannende Themengebiet der Medizin zu geben und gleichzeitig inhaltlichen Anspruch zu wahren.

Martina Feichter

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

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Das Pulsmessen mit der Hand ist eine der wichtigsten Untersuchungen in der Medizin. Durch das Ertasten (Palpation) einer Arterie kann man Rückschlüsse auf Frequenz und Qualität des Herzschlags und die Kreislaufsituation ziehen. Lesen Sie hier, wie man den Puls richtig messen kann, welche Informationen über Ihre Gesundheit er liefert und was ein sogenanntes Pulsdefizit ist!

Puls messen

Was ist Pulsmessen?

Den Puls messen bedeutet, dass man die durch die Arterien laufende Druckwelle des Blutes ertastet und ihren Charakter und ihre Frequenz beschreibt. Am sichersten gelingt dies an einer Stelle, wo eine Arterie dicht unter der Haut verläuft, etwa am Handgelenk oder am seitlichen vorderen Hals unterhalb des Unterkiefers. Im Notfall, bei sehr schlechten Kreislaufverhältnissen oder bei speziellen medizinischen Fragestellungen wird der Puls aber oft auch an anderen Stellen ertastet, beispielsweise in der Leiste, der Kniekehle oder auf dem Fussrücken.

Was ist der Puls?

Der Puls ist die Druckwelle, die in den Arterien entsteht, wenn sich das Herz zusammenzieht (kontrahiert) und Blut in den Körperkreislauf pumpt. Diese Druckwelle pflanzt sich durch alle Arterien bis in die Kapillargefässe fort. Ihr Charakter (Stärke und Dynamik) hängt ab von mehreren Faktoren ab - vom Rhythmus und der Kontraktionsgeschwindigkeit der (linken) Herzkammer, von der Funktion der entsprechenden Herzklappe (Aortenklappe), der Elastizität und Wandspannung der Hauptschlagader (Aorta) und der aus ihr abzweigenden Arterien sowie vom Blutvolumen.

Daher kann die Pulsmessung dem erfahrenen Untersucher zahlreiche Hinweise auf den Zustand des Patienten und mögliche krankhafte Veränderungen geben, etwa auf:

  • Trainingszustand und körperliche Belastung
  • psychische Belastungen und Stress
  • Herzrhythmusstörungen
  • Flüssigkeitsmangel oder Blutverlust
  • Infekte oder septischen Schock
  • verringerte Elastizität oder Verkalkung der Arterien
  • Strömungshindernisse oder Verstopfungen in den Arterien

Pulsdefizit

Die Anzahl der Pulswellen, die man pro Minute über einer Arterie ertasten kann, bezeichnet man als Pulsfrequenz. In den meisten Fällen entspricht die Pulsfrequenz der Herzschlagfrequenz (Herzfrequenz). Es kann aber auch sein, dass die tastbare Pulsfrequenz niedriger ist als die mit einem Stethoskop oder EKG ermittelte Herzfrequenz. Diese Differenz wird Pulsdefizit genannt. Es entsteht durch Herzaktionen, die wenig wirksam oder gar kein Blut in den Kreislauf pumpen - es fehlt also ein ausreichendes Schlagvolumen, das eine Druckwelle auslösen könnte, welche man dann in einer peripheren Arterie als Pulsschlag ertasten könnte.

Mögliche Ursachen für Pulsdefizite sind:

  • absolute Arrhythmie: Hier vollführt das Herz nur noch völlig unregelmässige Aktionen, die keinen regelmässigen Schlagrhythmus mehr erkennen lassen. Dieses absolute Arrhythmie ist die häufigsten Ursache für Pulsdefizite und wird in den allermeisten Fällen durch Vorhofflimmern ausgelöst.
  • überzählige Herzschläge: Bei diesen sogenannten Extrasystolen handelt es sich um Herzaktionen, die sich im normalen Schlagrhythmus dazwischen schieben. Sie befördern kaum oder gar kein Blut aus dem Herzmuskel in die Aorta und können so Pulsdefizite hervorrufen. Extrasystolen sind meist harmlos, können aber auch eine krankhafte Ursache haben.
  • schwere Hypotonie: Ein stark erniedrigter Blutdruck (etwa im Schock) kann ebenfalls der Grund sein, wenn beim Pulsmessen weniger Schläge registriert werden, als das Herz ausführt.
  • arterielle Durchblutungsstörung: Dort, wo man den Puls messen möchte, können Strömungshindernisse in den Arterien bewirken, dass nur noch besonders kräftige Herzschläge als Puls tastbar sind - oder gar keine mehr.

Körperlage und Blutdruck beeinflussen ein Pulsdefizit: Das in Ruhe gemessene Defizit verringert sich, wenn der Kopf in Tieflage gebracht wird, und steigt wieder bis zum vorherigen Wert an, wenn der Patient den Kopf erneut aufrichtet. Ausserdem kann das Pulsdefizit bis auf Null absinken, wenn der Blutdruck steigt (etwa infolge von körperlicher Aktivität wie Treppensteigen). Kehrt der Blutdruck wieder auf Normalwerte (Ruhe) zurück, lässt sich auch das vorherige Pulsdefizit wieder feststellen.

Ruhepuls

Alles über den Ruhepuls, wie man ihn misst und welche Werte normal sind, lesen Sie im Beitrag Ruhepuls.

Wann muss man den Puls messen?

Die Pulsmessung ist die einfachste und wichtigste Methode, um lebenswichtige Körperfunktionen (Vitalfunktionen) wie Herztätigkeit, Flüssigkeitshaushalt und Durchblutung zu überprüfen. Sie ist auch von medizinischen Laien durchführbar.

In der Arztpraxis oder im Krankenhaus wird das medizinische Personal bei jedem Patienten regelmässig den Puls messen und dokumentieren, um Veränderungen der Körperfunktionen rechtzeitig erkennen zu können. Ausserdem hilft die Pulsmessung, die Wirkung bestimmter Medikamente (etwa gegen Herzrhythmusstörungen) zu überprüfen. Meist kombiniert man sie dann mit einer Messung des Blutdrucks.

Die Pulsmessung eignet sich auch, um die Durchblutung der Extremitäten zu überprüfen - beispielsweise nach einer Verletzung oder bei Verdacht auf eine Verkrampfung (Spasmus), Gefässverschluss durch ein Gerinnsel oder Verkalkung (Arteriosklerose) von arteriellen Blutgefässen.

Sportler nutzen die Pulsmessung gern dazu, ihre Trainingsbelastung zu steuern. Da sich die Arterien bei intensiver Belastung zusammenziehen, fällt es dann oft schwer, die Pulswelle am Handgelenk zu ertasten. Am sichersten können Sportler an der Halsschlagader (Arteria carotis) ihren Puls messen. Oft wird diese Form der Pulsmessung heute ersetzt durch spezielle Uhren, die aber meist nicht den Puls, sondern über eine EKG-ähnliche Technik die Herzfrequenz messen.

Wie misst man den Puls?

Sie können Ihren Puls selber messen. Dazu gehen Sie folgendermassen vor:

  1. Da man meist den Ruhepuls (ohne körperliche Belastung) messen möchte, sollten Sie bereits einige Minuten vor der Messung entspannt sitzen oder liegen.
  2. Suchen Sie sich eine dicht unter der Haut verlaufende und gut tastbare Arterie. Besonders gut geeignet für die Pulsmessung sind die Speichenarterie (Arteria radialis) an der Innenseite des Handgelenks und die Halsschlagader (Arteria carotis), die sich in der kleinen Grube zwischen dem Kehlkopf ("Adamsapfel") und der seitlichen Halsmuskulatur befindet.
  3. Über der Arterie setzen Sie nun entlang des Gefässverlaufs unter leichtem Druck zwei oder drei Fingerspitzen auf die Haut, bis Sie das Pulsieren des Blutes gut fühlen können.
  4. Nun zählen Sie über eine Minute die eintreffenden tastbaren Pulswellen und erhalten so die Pulsfrequenz (Schläge pro Minute). Alternativ zählen Sie nur die in einer halben oder Viertelminute eintreffenden Pulswellen und rechnen den Wert dann auf eine Minute hoch (z.B. 35 Pulsschläge in einer halben Minute = 70 Schläge pro Minute).

Variiert man den Druck der Fingerspitzen, kann man mit entsprechender Erfahrung zusätzlich zu Rhythmus und Frequenz auch den Verlauf (die Qualität) der Pulswelle erspüren und so weitere Informationen gewinnen. 

Für die Pulsmessung im Krankenhaus kommt oft die Pulsoxymetrie zum Einsatz. Dafür wird ein kleiner Clip auf die Fingerspitze gesetzt, der mithilfe von rotem Licht neben dem Puls auch die Sauerstoffsättigung des Blutes messen kann.

Pulsmessung bei Durchblutungsstörungen

Insbesondere in der Inneren Medizin und in der Chirurgie wird die Pulsmessung auch genutzt, um die Durchblutung der Extremitäten zu überprüfen. Das ist beispielsweise bei Arteriosklerose, beim sogenannten Raucherbein, bei Diabetes oder nach Gefässverschluss oder Verletzungen von Arterien wichtig. Der Untersucher wählt für die Messung eine Arterie, die vom Herzen aus gesehen hinter der vermuteten Engstelle liegt. Von Bedeutung ist dann, ob und in welcher Stärke er dort den Puls fühlen kann. Oft ertastet er zum Vergleich auch den Puls an der gesunden Extremität.

Welche Risiken birgt die Pulsmessung?

Die Pulsmessung birgt keine besonderen Gefahren, man kann daher beliebig oft und ohne Risiko den Puls messen. Ein zu starker Druck auf die Arterie kann aber das Messergebnis verfälschen, wenn die Arterie dadurch komplett abgedrückt wird. Andererseits kann es bei zu leichtem Druck passieren, dass man nicht alle Pulswellen registriert.

Wenn man den Puls an der Halsschlagader ertasten möchten, ist besonders bei älteren Menschen Vorsicht geboten. In dieser Halsregion sitzen empfindliche Druckrezeptoren in der Arterienwand. Werden sie gereizt, sinkt über einen Reflex (Karotissinusreflex) die Herzfrequenz - im Extremfall sogar bis zu einem kurzen Herzstillstand.

Was muss man beim Pulsmessen beachten?

Die Technik der Pulsmessung ist leicht zu erlernen. So können dann auch medizinische Laien den Puls richtig messen. Wichtig ist, dass man niemals den Daumen zum Ertasten des Pulses benutzt, da dessen eigener Puls oftmals so stark ist, dass er sich nicht von den tatsächlich zu messenden Pulswellen unterscheiden lässt.

Und noch ein Tipp: Wenn Sie mehrmals den Puls messen möchten, sollten Sie dafür immer dieselbe Arterie benutzen, um verlässliche Vergleichswerte zu erhalten.

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autoren:
Valeria Dahm
Valeria Dahm

Valeria Dahm ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte an der Technischen Universität München Medizin. Besonders wichtig ist ihr, dem neugierigen Leser Einblick in das spannende Themengebiet der Medizin zu geben und gleichzeitig inhaltlichen Anspruch zu wahren.

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

Quellen:
  • Abt-Zegelin, A. et al.: Pflegeassistenz: Lehrbuch für Gesundheits- und Krankenpflegehilft und Altenpflege, Georg Thieme Verlag, 2011
  • Altmeyers Enzyklopädie: "Pulsdefizit" (Stand: 31.01.2019), unter: www.altmeyers.org
  • Dahmer, J.: Anamnese und Befund: die symptom-orientierte Patientenuntersuchung als Grundlage klinischer Diagnostik, Georg Thieme Verlag, 2006
  • Füeßl, H. & Middeke, M.: Anamnese und Klinische Untersuchung, Georg Thieme Verlag, 3. Auflage, 2005
  • Pflege Heute, Elsevier / Urban & Fischer Verlag, 7. Auflage, 2019
  • Pschyrembel Online, Klinisches Wörterbuch: www.pschyrembel.de (Abruf: 06.04.2021)
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