Kiefergelenk

Von , Ärztin
Eva Rudolf-Müller

Eva Rudolf-Müller ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie hat Humanmedizin und Zeitungswissenschaften studiert und immer wieder in beiden Bereich gearbeitet - als Ärztin in der Klinik, als Gutachterin, ebenso wie als Medizinjournalistin für verschiedene Fachzeitschriften. Aktuell arbeitet sie im Online-Journalismus, wo ein breites Spektrum der Medizin für alle angeboten wird.

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Das Kiefergelenk (Articulatio temporomandibularis) ermöglicht die Bewegungen des Unterkiefers gegen den Oberkiefer und das das Kauen und Zerkleinern der Nahrung in der Mundhöhle. Das Schläfenbein bildet mit der Fossa mandibularis die Gelenkpfanne, in der der Gelenkkopf (Caput mandibulae) des Unterkiefers beweglich sitzt. Lesen Sie hier alles Wichtige über das Kiefergelenk: Anatomie, Funktion, wichtige Erkrankungen und Verletzungen!

Was ist das Kiefergelenk?

Das Kiefergelenk besteht aus dem Gelenkkopf, der Gelenkpfanne, einem Gelenkhöcker, einer Gelenkscheibe und der Gelenkkapsel.

Der Gelenkkopf (Caput mandibulae) am Gelenkfortsatz des Unterkiefers hat eine zylindrische Form und ist an der Vorderseite von Knorpel überzogen. Über ihm liegt in der von einer Gelenkkapsel umgebenen Gelenkhöhle eine aus Knorpel bestehende Gelenkscheibe (Discus articularis). Sie teilt die Gelenkhöhle in zwei Abschnitte.

Als Gelenkpfanne fungiert die Fossa mandibularis des Schläfenbeins. Sie ist im vorderen Bereich von Knorpel überzogen. Vor ihr liegt der kleine Gelenkhöcker (Tuberculum articulare ossis temporalis).

Die grosse Beweglichkeit des Kiefergelenks wird möglich durch die Gelenkkapsel, die aus elastischen Fasern und Bindegewebe besteht. Sie ist so weit und schlaff, dass der Unterkieferhöcker sogar „ausrenken“ (luxieren) kann, ohne dass sie einreisst.

Das Kiefergelenk bei Neugeborenen und alten Menschen

Die Gelenkpfanne ist bei Neugeborenen nur flach ausgebildet. Bei zahnlosen alten Menschen flachen Gelenkpfanne und Gelenkhöcker zunehmend ab. Das Öffnen und Schliessen des Mundes erfolgt dann ausschliesslich über eine Scharnierbewegung.

Welche Funktion hat das Kiefergelenk?

Die Bewegungen des Kiefergelenks dienen in erster Linie dem Zerkleinern und Zerkauen der Nahrung.

Das Kiefergelenk ist in seiner Mechanik recht kompliziert, ist es doch als eine Kombination aus zwei Gelenken aufzufassen: Ein unteres Gelenk (discomandibulares Scharniergelenk) und ein oberes Gelenk (discotemporales Schiebegelenk) bewirken zusammen eine Art „Drehgleiten“. Dabei arbeiten das rechte und das linke Kiefergelenk immer zusammen.

Wenn der Kiefer geschlossen ist und keine Kaubewegungen ausgeführt werden, berühren sich die Zähne nicht. Der Gelenkkopf liegt dann zusammen mit dem Discus im vorderen Teil der Gelenkgrube und auf dem hinteren Teil des Gelenkhöckers.

Scharnierbewegung

Das Öffnen und Schliessen des Mundes ist eine Kombination aus einer Scharnier- und einer Schiebebewegung. Es beginnt mit einer Scharnierbewegung, bei der der Discus auf dem Gelenkhöcker nach vorne unten rutscht und der Kieferwinkel nach hinten wandert, ohne Artikulation der Zähne. Beim Mundschliessen erfolgt die umgekehrte Bewegung. Für diese Scharnierbewegung sorgt das untere (discomandibulare) Scharniergelenk.

Gleit- oder Schlittenbewegung

Das Vor- und Zurückschieben des Unterkiefers erfolgt im oberen (discotemporalen) Schiebegelenk unter Führung der Zähne. Hier gleitet der Discus mit dem Gelenkkopf auf dem Gelenkhöcker nach vorn. Bei dieser Bewegung des Kiefergelenks spielen der Zustand, die Form und die Stellung der Zähne eine Rolle. Bei einem starken Überbiss muss das Gelenk erst ein wenig geöffnet werden, damit die Schneidezähne des Unterkiefers an denen des Oberkiefers vorbeigeführt werden können.

Seitwärts- oder Mahlbewegungen

Bei Seitwärts- oder Mahlbewegungen sind ebenfalls die Zähne beteiligt. Hierbei dreht sich der eine Gelenkkopf um eine senkrechte Achse in der Gelenkpfanne, der andere dreht sich auf dem Gelenkhöcker nach vorne, wodurch die Zahnreihen dieser Seite auseinanderklaffen. Das Kinn wird auf die Gegenseite verschoben. Die Bewegungen finden abwechselnd in den beiden Kiefergelenken statt.

Wo befindet sich das Kiefergelenk?

Das Kiefergelenk ist die gelenkige Verbindung zwischen dem Schläfenbein (Os temporale) – einem grossen, paarigen Knochen an der seitlichen Schädelwand – und dem bogenförmigen Unterkiefer.

Welche Probleme kann das Kiefergelenk verursachen?

Eine Arthrose des Kiefergelenks entsteht in Folge einer Schädigung des Gelenkknorpels. Diese kann durch mehrfaches „Ausrenken“ (Luxation), Verletzungen oder Entzündung des Kiefergelenks entstehen. Bei der – schmerzlosen – Öffnung des Mundes weicht dabei der Unterkiefer zur gesunden Seite ab (Bonnet-Position). Während der Öffnung des Mundes tritt ein typisches Gelenkknacken auf.

Die Kiefergelenke können Kopf- und Rückenschmerzen, Tinnitus oder sonstige Beschwerden hervorrufen. Denn schlecht eingepasste Zahnfüllungen oder Kronen, Zähneknirschen, Stress oder schiefe Körperhaltung schädigen auf Dauer die Kiefergelenke. Dadurch verkrampfen die Kaumuskeln, was schmerzhafte Signale in alle möglichen Körperregionen aussenden kann. Man spricht dann von einem Kiefergelenkssyndrom (TMG-Syndrom = Temporomandibulargelenks-Syndrom).

Wenn der Gelenkkopf sich bei sehr weit geöffnetem Mund vor den Gelenkhöcker bewegt, kann es zu einer Kiefersperre kommen – der Mund lässt sich nicht mehr schliessen. Im umgekehrten Fall kann der Mund bei einer sogenannten Kieferklemme nicht mehr geöffnet werden.

Das Kiefergelenk kann bei einem Sturz oder einem Schlag in das Gesicht gebrochen werden.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Eva Rudolf-Müller
Eva Rudolf-Müller

Eva Rudolf-Müller ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie hat Humanmedizin und Zeitungswissenschaften studiert und immer wieder in beiden Bereich gearbeitet - als Ärztin in der Klinik, als Gutachterin, ebenso wie als Medizinjournalistin für verschiedene Fachzeitschriften. Aktuell arbeitet sie im Online-Journalismus, wo ein breites Spektrum der Medizin für alle angeboten wird.

Quellen:
  • Kirsch, J. et al.: Taschenlehrbuch Anatomie, Georg Thieme Verlag, 2. Auflage, 2017
  • Pschyrembel Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter Verlag, 268. Auflage, 2020
  • Waldeyer, A.: Anatomie des Menschen, Walter de Gruyter Verlag, 19. Auflage, 2012
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