Senioren-WGs

Von Dr. med. Johannes Pichler
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Sofa; Tisch; Kaffeetassen

Gemeinsam altern

Wohngemeinschaften sind als Wohnform für Jüngere während der Ausbildung und des Studiums bekannt. Wenn ältere Menschen Wohngemeinschaften gründen, geht es weniger um finanzielle Einsparungen als um den gemeinsamen Kampf gegen die Einsamkeit im Alter. Andere Senioren wollen mit Gleichgesinnten etwas Neues versuchen, nachdem sie das Berufs- und Elterndasein abgeschlossen haben.

Der Vorteil einer WG ist, dass sich die Bewohner nach Belieben zurückziehen, aber auch gemeinsam etwas unternehmen können. Das geht von Ausflügen, Konzertbesuchen über gemeinsames Kochen und Essen bis hin zur Hausarbeit, die sich zusammen schneller und besser bewältigen lässt.

Im Jahr 2003 existierten in Deutschland etwa 250 Wohnprojekte mit einigen 1000 Wohngemeinschaften, schätzten die Bertelsmannstiftung und das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) in ihrer ersten Veröffentlichung zu Wohnkonzepten für das Alter.

Grössere Freiheiten

Meist haben Senioren ein grösseres Bedürfnis nach Privatsphäre als junge Menschen. Senioren-WGs sind deshalb anders strukturiert: Sie bieten bessere Rückzugsmöglichkeiten, die einzelnen Wohnbereiche gleichen eher in sich abgeschlossenen Appartements als den Zimmern einer Studentenbude. Allerdings reift eine neue Senioren-Generation heran: Viele der heute 50- bis 60-Jährigen haben als junge Menschen schon WG-Erfahrungen gesammelt und dürften hier weniger Berührungsängste haben.

Im Vergleich zu einem Senioren- oder Pflegeheim sind die Bewohner einer Wohngemeinschaft sehr viel freier in ihrer Lebensweise. Sie müssen sich nicht an feste Aufwach-, Essens- oder Schlafenszeiten halten und können ihr WG-Zimmer selbst gestalten. Ausserdem bringen sie ihre eigenen Möbel mit und überlegen sich gemeinsam, wie sie die Gemeinschaftsräume gestalten wollen.

Lange Vorbereitung

Senioren-WGs stehen nicht vorgefertigt bereit wie beispielsweise Altenheime. Die zukünftigen Bewohner müssen eine längere Vorbereitungszeit einplanen. Zuerst müssen geeignete Mitbewohner gefunden werden, die auch nach Monaten und Jahren noch miteinander harmonieren.

Wer keine WG-Mitbegründer im Freundeskreis hat, sollte sich potenzielle Kandidaten erst einmal genau ansehen. Eine Möglichkeit sind Kontaktbörsen für Senioren, die Stadtteilzentren, Altenvereine und Wohnberatungen anbieten.

Aktivität ist jedenfalls gefragt, wenn Senioren das Projekt "WG" angehen wollen. Das gilt für allem für WGs, die sich komplett selbst organisieren. Es sollte einen Sprecher geben, der die Hauptverantwortung trägt und Verhandlungspartner für andere ist (z.B. Vermieter, Architekten, Nachbarn). Die meisten WG-Bewohner sind relativ junge Rentner, die noch genug Energie und Leidenschaft aufbringen, um sich auf die Planungsphase einzulassen. Sie bauen für eine Zeit vor, in der alles reibungslos ablaufen soll und die Atmosphäre trotzdem stimmt.

Tipp: Das Forum Gemeinschaftliches Wohnen e.V. (FGW) bietet eine Kontaktbörse für Interessenten von Senioren-WG's: www.fgw-ev.de

Pflegebedürftigkeit einplanen

Zu bedenken ist auch, dass Sie selbst oder ein Mitbewohner später pflegebedürftig werden könnten. Für diesen Fall gibt es unterschiedliche Lösungen innerhalb der WGs. Sie sollten vor dem Start der WG gemeinsam Strategien überlegen, wenn einer oder mehrere Mitbewohner rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen sind. Die gegenseitige Hilfe könnte vor allem rasch an ihre Grenzen stossen, wenn alle WG-Bewohner etwa gleich alt sind und ein ähnliches Risiko haben, pflegebedürftig zu werden. Drei Rüstige können beispielsweise kaum vier Pflegebedürftige versorgen. Ein ambulanter Pflegedienst lässt sich kostengünstiger finanzieren, wenn die Pflegekraft bei einem Besuch gleich mehrere Bewohner versorgt.

Noch besser auf die Bedürfnisse Pflegebedürftiger sind Betreute Wohngemeinschaften abgestimmt. Hier ist schon bei der Gründung ein festes Betreuerteam aus Pflege- und Hauswirtschaftskräften Teil des Konzepts. Ähnlich wie bei Pflegeheimen gibt es betreute Wohngemeinschaften, die auch bei schweren, pflegeintensiven Erkrankungen wie fortgeschrittener Demenz oder Bettlägerigkeit eine umfassende Pflege anbieten. Dies sind zumeist aber keine Wohngemeinschaften, die der Initiative der Bewohner entspringen, sondern Einrichtungen, die dem Heimgesetz unterliegen.

Selbst organisieren

Zunächst gilt es, eine bezahlbare Wohnung zu finden, die genug Platz bietet und die gewünschte Zimmeraufteilung ermöglicht. Am besten liegt die Wohnung in einem Stadtteil, den die zukünftigen Bewohner schon gut kennen.

Ein bekanntes Umfeld erleichtert es den WG-Bewohnern später, ihre Wohnung zum Spazierengehen oder Einkaufen zu verlassen sowie am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilzunehmen.

Ist das richtige Domizil ausgesucht, müssen Sie vielleicht Umbaumassnahmen planen. Diese sollten abgeschlossen sein, bevor die neuen WG-Bewohner einziehen, denn nachträgliche Ein- und Umbauten sind meist umständlich und aufwendig. Wichtig sind beispielsweise breite Gänge und Türen für Bewohner, die auf einen Rollator angewiesen sind. Alle Bewohner sollten sich an der Entwicklung des neuen Wohnumfeldes beteiligen.

Lebens- und Streitkultur

Leben mehrere Bewohner unter einem Dach, wird es auch bei einer ausgewogenen Mixtur der Persönlichkeiten nicht ohne kleine Auseinandersetzungen abgehen. Gerade das Vertreten der eigenen Meinung, Ansprechen von Missständen, Schlichten von Missverständnissen und Streits fördert die Kommunikationsfähigkeit und hält die Seele jung. Oft leisten sich die Bewohner von Anfang an gemeinsam eine Putzhilfe oder einen Einkaufsservice, um sich nicht wegen lästiger Kleinigkeiten in die Haare zu kriegen.

Insgesamt überwiegt aber für die meisten der positive Austausch mit neuen Anregungen und Impulsen. Der eine findet ein offenes Ohr für Probleme in der Familie, der andere fühlt sich gebraucht, weil er zuhören kann und nützliche Tipps parat hat.

Wohnprojekte

In verschiedenen Städten gibt es schon Wohnprojekte, denen Sie sich als Bewohner anschliessen können. Vereine beraten Gründer, worauf sie bei der Planung eines Wohnprojektes achten müssen. Das kann eine Wohngemeinschaft sein, aber auch ein ganzes Haus, das Senioren gemeinschaftlich bewohnen. Es gibt auch Projekte, in denen Alt und Jung unter einem Dach wohnen. Sie tauschen sich aber intensiver aus als in einer "normalen" Hausgemeinschaft.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Dr. med.  Johannes Pichler
Quellen:
  • Bertelsmann-Stiftung und Kuratorium Deutsche Altershilfe: Leben und Wohnen im Alter, Betreute Wohngruppen – Erfahrungsaustausch; Gütersloh, Köln 2004, ISBN3-935299-50-8, Internet: www.kda.de;
  • Forum Gemeinschaftliches Wohnen e.V. Bundesvereinigung, Internet: www.fgw-ev.de;
  • Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA), Internet: www.kda.de;
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