Patientenverfügung

Von , Ärztin
und , Medizinredakteurin und Biologin
Dr. med. Katharina Larisch

Katharina Larisch ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.

Martina Feichter

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

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Eine Patientenverfügung ist wichtig für den Fall, dass ein Mensch nicht mehr selbst für sich entscheiden kann. In der Verfügung kann er vorab festlegen, welchen medizinischen Massnahmen er im Notfall zustimmt und welchen nicht. Eine Patientenverfügung sollte daher mit grosser Sorgfalt aufgesetzt werden. Hier erfahren Sie alles Wichtige zum Thema Patientenverfügung!

Patientenverfügung

Patientenverfügung - das Gesetz

Die Patientenverfügung ist im revidierten Erwachsenenschutzgesetz vom Januar 2013 für die gesamte Schweiz einheitlich geregelt. Ärzte müssen sich an sie halten, sofern es keine begründeten Zweifel gibt, dass sie auf dem freien Willen des Patienten beruht oder noch dem mutmasslichen Willen des Patienten entspricht.

Festlegungen in einer Patientenverfügung sind auch nur dann verbindlich für Mediziner, wenn sie gegen keine gesetzlichen Vorschriften verstossen. Man darf also in seiner Verfügung keine medizinischen Handlungen einfordern, die gesetzlich verboten sind.

In medizinischen Notfallsituationen haben Notärzte, Rettungssanitäter & Co. keine Zeit, abzuklären, ob der Patient eine gültige Patientenverfügung verfasst hat - Lebensrettung bzw. Massnahmen zur Abwehr schwerer Folgeschäden haben hier Priorität. Liegt dann aber die Verfügung vor, muss diese bei der weiteren medizinischen Behandlung des Patienten beachtet werden.

Grundsätzlich steht die Möglichkeit einer Patientenverfügung jedem urteilsfähigen Menschen offen. Auch Minderjährige können, wenn sie urteilsfähig sind, eine Patientenverfügung für sich erstellen (auf Wunsch können die Eltern einbezogen werden). Wichtig ist: Der Betreffende muss die Tragweite der Verfügung verstehen und so weit wie möglich abschätzen können, welche Folgen die Festlegungen in der Verfügung im konkreten Krankheitsfall hätten.

Sicherheitshalber sollte man sich die eigene Urteilsfähigkeit zum Zeitpunkt der Erstellung der Patientenverfügung von einer Fachperson (z.B. dem Hausarzt oder einem Psychiater) bestätigen lassen. Dann können später diese Urteilsfähigkeit und damit die Patientenverfügung nicht angezweifelt werden.

Eine weitere Voraussetzung für eine Patientenverfügung ist, dass sie freiwillig - also ohne äusseren Zwang oder Druck - abgefasst wird. Aus diesem Grund dürfen zum Beispiel Einrichtungen zur Langzeitbetreuung die Vorlage einer Patientenverfügung nicht zu einer Aufnahmebedingung für Patienten machen.

Patientenverfügungen sollten schriftlich verfasst, mit Datum versehen und vom Verfasser eigenhändig unterschrieben werden.

Der Inhalt der Patientenverfügung

Solange ein Mensch noch im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten ist, kann er die Entscheidung über alle notwendigen ärztlichen Massnahmen selbst treffen. Problematisch wird es allerdings, wenn ein Patient aufgrund einer Krankheit (z.B. Demenz, Wachkoma) nicht mehr selbst entscheiden kann.

Mit einer schriftlichen Patientenverfügung können Menschen sicherstellen, dass auch in einem solchen Fall der eigene Wille noch massgebend für die Behandlung ist.

Konkrete Festlegungen, Therapieziele, Werthaltung

Patienten können in der Verfügung mit konkreten Aussagen genau festlegen, welchen medizinisch notwendigen Massnahmen sie in bestimmten Situationen zustimmen und welchen nicht.

Erklärt man sich zum Beispiel im Bedarfsfall mit einer künstlichen Ernährung mittels Magensonde, Infusion bzw. chirurgischer Einlage einer Ernährungssonde einverstanden oder nicht? Wenn ja, darf diese dauerhaft oder nur vorübergehend durchgeführt werden? Möchte man im Falle eines Herz-Kreislauf-Stillstandes und/oder Atemstillstandes wiederbelebt (reanimiert) werden oder nicht?

Wenn man eine bestimmte medizinische Behandlung ablehnt, ist es ratsam, auch die Gründe für diese Ablehnung in der Patientenverfügung festzuhalten, um so späteren Zweifeln von Dritten entgegenzuwirken.

So hilfreich konkrete Festlegungen sehr oft sind - manchmal schränken sie den Handlungsspielraum der behandelnden Ärzte auch auf ungünstige Weise ein. Es kann nämlich eine Krankheitssituation eintreten, die kaum vorhersehbare Therapieentscheidungen erfordert. Dann ist es hilfreich, wenn der Patient in seiner Patientenverfügung auch Therapieziele und/oder seine persönliche Werthaltung formuliert hat.

Mit der Beschreibung von Therapiezielen für eine Krankheitssituation (z.B. die Behandlung soll primär der Erhaltung des Lebens oder der Linderung von Krankheitssymptomen wie Schmerzen, Angst, Atemnot etc.) dienen, haben Ärzte die Möglichkeit, flexibler zu entscheiden, mit welchen Massnahmen sich der als Therapieziel formulierte Wille des Patienten am besten erfüllen lässt.

Auch die persönliche Werthaltung hilft Ärzten, den Patientenwillen zu erfüllen - besonders in unklaren beziehungsweise nicht vorhergesehenen Situationen. Dazu kann man in der Patientenverfügung beispielsweise die persönlichen Lebenseinstellungen, Werte, Wünsche, Erwartungen und Hoffnungen hinsichtlich Gesundheit und Krankheit beschreiben - ebenso wie eventuelle religiöse, spirituelle oder weltanschauliche Überzeugungen. Auch was für einen persönlich "Lebensqualität" und Leben bzw. Sterben "in Würde" bedeutet, sollte man ausformulieren.

All diese Angaben können im Ernstfall Medizinern helfen, Therapieentscheidungen möglichst im Sinne des Patienten zu treffen.

Organspende, Obduktion und mehr

Man kann sich in der Patientenverfügung auch zu anderen Themen äussern - etwa zur Palliative Care und zu pflegerischen Massnahmen, wenn man unheilbar schwersterkrankt bzw. sterbend ist.

Sinnvoll ist es auch, seinen Willen hinsichtlich Gewebe- oder Organspende nach dem Tod in der Patientenverfügung zu dokumentieren. Parallel dazu sollte dies auch in einem Spenderausweis von Swisstransplant erfolgen.

Ebenfalls ratsam ist es, in der Patientenverfügung anzugeben, ob man nach dem Tod obduziert werden möchte oder nicht. In einigen Kantonen geht man automatisch von einer Einwilligung zur Obduktion voraus, wenn Patienten sich vor dem Tod nicht explizit dagegen ausgesprochen haben. In anderen Kantonen dürfen Verstorbene nur obduziert werden, wenn der Betreffende im Vorfeld dem zugestimmt hat oder wenn eine Einwilligung der Angehörigen vorliegt.

Ernennung eines Vertreters

Jeder Patient kann in seiner Patientenverfügung eine Person benennen (z.B. einen Angehörigen oder den Hausarzt), die an seiner Stelle über die medizinische Behandlung entscheiden darf, sobald er dazu selbst nicht mehr fähig ist. Man darf auch eine zweite Person angeben - als Ersatz, falls die erstgenannte Person aus irgendeinem Grund die Vertretung nicht übernehmen kann.

Manche Patienten beschränken sich auf die Ernennung einer Vertretung - ohne weitere Angaben - und überlassen somit ihr alle medizinischen Entscheidungen im Ernstfall. Andere fügen in ihre Patientenverfügung konkrete Anweisungen an den Vertreter ein - etwa, dass dieser über künstliche Ernährung, Schmerzbehandlung etc. entscheiden darf.

Patienten sollten mit der bezeichneten Vertretungsperson (und ggf. Ersatzperson) den Inhalt der Patientenverfügung rechtzeitig besprechen.

Formular oder frei verfasst

Verschiedene Organisationen bieten bereits mehr oder weniger ausgearbeitete Patientenverfügungen an (hier z.B. eine ausführliche Version vom Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte, FMH). Manche davon muss man als Patient nur noch datieren und unterschreiben, bei anderen kann man per Ankreuzen zwischen verschiedenen Aussagen (z.B. künstliche Ernährung - ja oder nein) wählen oder eigene Textpassagen eintragen.

Solche teils vorgefassten Verfügungen sind schneller erstellt als eine völlig frei verfasste Verfügung. Mit letzterer kann man allerdings viel spezifischer auf die eigene Lebenssituation eingehen. Es gibt dann hinterher weniger Spielraum bei der Interpretation.

Eine Patientenverfügung können Patienten ganz allein aufsetzen und auch aktualisieren. Es ist aber zu empfehlen, sich hierbei kompetent beraten zu lassen - zum Beispiel vom Hausarzt, behandelnde Facharzt oder von einer behandelnden Pflegefachperson.

Aufbewahrung der Patientenverfügung

Man kann die eigene Patientenverfügung stets bei sich tragen oder im eigenen Zuhause aufbewahren. Manche Patienten hinterlegen sie auch beim Hausarzt oder bei dem in der Verfügung benannten Vertreter - und tragen einen Informationsausweis (Hinweiskarte) bei sich, wo der Aufbewahrungsort vermerkt ist.

Alternativ können Patienten ihre Patientenverfügung bei einer Hinterlegungsstelle deponieren und darauf in einem mitgeführten Ausweis verweisen.

Aktualisierung und Widerruf

Ein "Ablaufdatum" haben Patientenverfügungen nicht. Patienten sind aber gut beraten, ihre Verfügung in regelmässigen Abständen zu überprüfen und dann neu zu datieren und zu unterschreiben. Vielleicht hat sich ja inzwischen die eigene Meinung geändert, was die ein oder andere medizinische Massnahme betrifft (z.B. künstliche Ernährung im Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Erkrankung). Oder es gibt mittlerweile neue oder weniger belastende Behandlungsmöglichkeiten für bestimmte Krankheitssituationen.

Eine "Aktualisierung" der Patientenverfügung ist auch vor allem dann zu empfehlen, wenn sich bei den eigenen Lebensumständen oder dem gesundheitlichen Zustand etwas wesentlich verändert hat.

Patienten können ihre Verfügung auch jederzeit widerrufen - schriftlich oder mündlich, wobei schriftlich zu bevorzugen ist. Ein mündlicher Widerruf lässt sich nämlich unter Umständen schwer beweisen.

Patienten selbst sollten nicht mehr gültige Patientenverfügungen am besten vernichten.

Patientenverfügung ersetzt nicht die Vorsorgevollmacht

Wozu eine Patientenverfügung? Eine Vorsorgevollmacht reicht doch auch. So denken viele Menschen - zu Unrecht. Denn eine Vorsorgevollmacht dient dazu, einer anderen Person für Notfallsituationen Entscheidungsbefugnisse einzuräumen – also das "wer" zu klären. Dagegen besagt die Patientenverfügung, was bei medizinischen Fragestellungen auf Basis des eigenen Willens zu tun ist – also das "was".

Sinnvoll ist es daher, die Patientenverfügung mit einer Vorsorgevollmacht zu kombinieren. Die Person Ihres Vertrauens, die Sie in der Vorsorgevollmacht benannt haben, kann sicherstellen, dass Ihre in der Patientenverfügung festgelegten Interessen auch durchgesetzt werden. Geben Sie dieser Person am besten eine Kopie Ihrer Patientenverfügung.

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Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autoren:
Dr. med.  Katharina Larisch

Katharina Larisch ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).

Quellen:
  • Behördenübergreifende Plattform oesterreich.gv.at: "Patientenverfügung" (Stand: 01.02.2022), unter: www.oesterreich.gv.at (Abruf: 15.07.2022)
  • Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH): "Patientenverfügung", unter: www.fmh.ch (Abruf: 15.07.2022)
  • Bosshard, G.: "Abklärung der Urteilsfähigkeit", in: der informierte arzt 01/2018:S. 39-40
  • Bundesministerium der Justiz, Deutschland: Broschüre "Patientenverfügung" (Stand: März 2022), unter: www.bmj.de (Abruf: 15.07.2022)
  • Bundesministerium für Gesundheit, Deutschland: "Patientenverfügung" (Stand: 31.01.2022), unter: www.bundesgesundheitsministerium.de (Abruf: 15.07.2022)
  • Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz: "Patientenverfügung" (Stand: 21.10.2019), unter: www.sozialministerium.at (Abruf: 15.07.2022)
  • Deutsche Stiftung Patientenschutz: "Patientenverfügung", unter: www.stiftung-patientenschutz.de (Abruf: 15.07.2022)
  • Deutsche Stiftung Patientenschutz: "Schiedsstelle Patientenverfügung", unter: www.stiftung-patientenschutz.de (Abruf: 15.07.2022)
  • Hospiz Österreich und ARGE PatientenanwältInnen: "Ratgeber Patientenverfügung", 3. Auflage mit der PatVG-Novelle 2019, unter: www.hospiz.at (Abruf: 15.07.2022)
  • Österreichische Justiz, Das neue Erwachsenenschutzrecht im Überblick (Stand: Juli 2017), unter: www.justiz.gv.at (Abrufdatum: 19.07.2022)
  • Rechtsinformationssystem des Bundes, Österreich: "Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Patientenverfügungs-Gesetz", unter: www.ris.bka.gv.at (Abruf: 15.07.2022)
  • Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) Medizinisch-ethische Richtlinien "Patientenverfügungen", 8. Auflage, April 2020, unter: www.samw.ch (Abruf: 15.07.2022)
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