H2-Atemtest

Von 
Dr. med. Philipp Nicol

Dr. med. Philipp Nicol ist freier Autor der NetDoktor-Medizinredaktion.

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Mittels H2-Atemtest (Wasserstoffatemtest) kann man verschiedene Erkrankungen des Darmes diagnostizieren wie zum Beispiel eine Unverträglichkeit von Milchzucker, Fruchtzucker oder Sorbit (Laktose-, Fruktose- bzw. Sorbitintoleranz). Lesen Sie hier alles Wichtige über den H2-Atemtest – wie er funktioniert, wann man ihn einsetzt und was beim H2-Test zu beachten ist. 

Bauchschmerzen bei Laktoseintoleranz

Was ist ein H2-Atemtest?

Den H2-Atemtest nutzt man vor allem dazu, eine Unverträglichkeit gegen bestimmte Kohlenhydrate nachzuweisen. Besonders oft dient er der Diagnose einer Milchzucker- oder Sorbit-Unverträglichkeit oder einer erworbenen Fruchtzucker-Unverträglichkeit (Laktoseintoleranz, Sorbitintoleranz, Fruktoseintoleranz).

In allen Fällen gelangt der jeweilige Zucker unverdaut aus dem Dünndarm in den Dickdarm. Dort wird er von den Bakterien der Darmflora zersetzt, wobei unter anderem Wasserstoff (H2) entsteht - im normalen menschlichen Stoffwechsel fällt dagegen kein H2 an. Der Wasserstoff wird sehr schnell ins Blut aufgenommen und über die Lungen abgeatmet.

Hier setzt nun der H2-Atemtest an: Wenn nach dem Trinken zum Beispiel einer laktose-, fruktose- oder sorbithaltigen Lösung der Anteil an Wasserstoff in der Ausatemluft ansteigt, deutet dies darauf hin, dass der entsprechende Zucker im Dünndarm nicht verwertet werden konnte und im Dickdarm bakteriell zersetzt wurde.

Mit der Testsubstanz Lactulose lässt sich mittels H2-Atemtest auch die sogenannte orozökale Transitzeit messen - also die Zeit, welche die Lactulose vom Mund bis zum Passieren der Ileozökalklappe am Übergang vom Dünn- zum Dickdarm braucht:

Lactulose ist für den Körper nicht verwertbar, sondern wird im Dickdarm von den Bakterien zersetzt. Dabei entsteht wie bei anderen Kohlenhydraten H2, der dann in der Atemluft messbar ist. Die Zeit zwischen der oralen Aufnahme von Laktulose und dem Anstieg der H2-Konzentration in der Atemluft entspricht der orozökalen Transitzeit der Laktulose.

Wann führt man einen H2-Atemtest durch?

Ein H2-Atemtest kann mit verschiedenen Testsubstanzen aus unterschiedlichen Gründen durchgeführt werden. In erster Linie kommt er bei der Diagnose einer Unverträglichkeit gegen bestimmte Kohlenhydrate (wie Laktose, Fruktose etc.) zum Einsatz.

Diagnose von Unverträglichkeiten

Menschen mit Laktoseintoleranz besitzen nur geringe Mengen des Enzyms Laktase, das normalerweise Laktose (Milchzucker) im Dünndarm in seine Bestandteile Glukose und Galaktose spaltet. Unverdaute Laktose gelangt dann weiter in den Dickdarm und wird dort bakteriell unter H2-Bildung zersetzt.

Bei einer erworbenen Fruktoseintoleranz (Fruktosemalabsorption) kann Fruchtzucker nur vermindert über die Dünndarmwand ins Blut aufgenommen werden, weil die Funktion des dafür notwendigen Transportproteins (GLUT-5) eingeschränkt ist. Der im Dünndarm zurückbleibende Fruchtzucker gelangt weiter in den Dickdarm, wo er von den Bakterien unter Wasserstoff-Bildung zersetzt wird. Das lässt sich mittels H2-Atemtest nachweisen.

Bei einer Sorbitintoleranz wird ist die Aufnahme von Sorbit im Dünndarm ganz oder teilweise gestört. Es wird dann erst im Dickdarm verstoffwechselt - wiederum unter Bildung von H2.

Messung der orozökalen Transitzeit

Ein H2-Atemtest mit Laktulose zur Ermittlung der orozökalen Transitzeit eignet sich kaum zur Diagnose von Erkrankungen. Dafür gibt es mehrere Gründe. So ist zum Beispiel die Transitzeit von Mensch zu Mensch sehr variabel. Zudem wird sie von zahlreichen Faktoren beeinflusst wird (wie Alter, Menstruation, Schwangerschaft, Reizdarm-Syndrom).

Mithilfe des Laktulose-H2-Atemtests (mehrfach wiederholt) lässt sich aber feststellen, ob und inwieweit sich die Transitzeit bei einem Patienten etwa im Rahmen einer Erkrankung oder unter Einnahme motilitätswirksamer Medikamente verändert (Darmmotilität = Beweglichkeit des Darms). Möglich ist dies natürlich nur bei Menschen, die H2-produzierende Bakterien besitzen.

Wann darf man keinen H2-Atemtest machen?

Ein H2-Atemtest darf nur in wenigen Fällen nicht durchgeführt werden. Das betrifft vor allem Personen, die an der sogenannten Hereditären Fruktoseintoleranz leiden, einer sehr seltenen Erbkrankheit. Bei diesen Personen kann die Gabe von Fruktose zu einer lebensgefährlichen Unterzuckerung führen (Hypoglykämie). Der Verdacht auf diese angeborene Stoffwechselkrankheit wird daher nicht mittels H2-Atemtest, sondern anhand einer genetischen Untersuchung abgeklärt.

Bestimmte Umstände (Darmspiegelung, Darm-OP oder Antibiotika-Einnahme) können die Testresultate verfälschen. In solchen Fällen sollte man daher vier Wochen verstreichen lassen, bevor man einen H2-Atemtest durchführt.

Was macht man bei einem H2-Atemtest?

Als Vorbereitung für den H2-Atemtest dürfen Sie 12 Stunden vor der Untersuchung nichts mehr essen und nur noch Wasser trinken. In den 24 Stunden vor der Untersuchung dürfen Sie auch keine schwer verdaulichen Speisen oder Lebensmittel mit hohem Ballaststoffgehalt zu sich nehmen. Sechs Stunden vor sowie während der Untersuchung dürfen Sie ausserdem nicht rauchen.

Zu Beginn der Untersuchung wird zunächst ein Basalwert ("Nüchternwert") bestimmt, also der H2-Wert in der Ausatemluft im nüchternen Zustand. Dafür müssen Sie in ein spezielles Messgerät atmen.

Anschliessend bekommen Sie das Zuckergetränk (in Wasser aufgelöste Laktose, Laktulose, Fruktose, Glukose oder Sorbit). Dann werden in bestimmten Zeitabständen (alle 10 bis 30 Minuten) Atemproben genommen und der jeweils gemessene H2-Wert notiert. Insgesamt dauert der H2-Atemtest zwischen zwei und vier Stunden.

Teilen Sie Ihrem Arzt mit, wenn Sie während des Tests Symptome wie Bauchkrämpfe, Blähungen oder Durchfall bekommen. Das ist insbesondere für sogenannte "Non-Responder" wichtig (siehe unten).

H2-Atemtest: Auswertung

Beim H2-Atemtest zur Ermittlung einer Unverträglichkeit wird die Konzentration von Wasserstoff in der Ausatemluft über einen Zeitraum von mehreren Stunden mehrfach gemessen und dokumentiert. Im Vergleich zum Ausgangswert ("Nüchtern-Wert") steigt sie normalerweise nur sehr gering an (weniger als 20 ppm = "parts per million"). Ein Anstieg auf über 20 ppm spricht dagegen für eine Intoleranz gegenüber dem getrunkenen Zucker (wie Fruktose, Laktose oder Sorbit).

Falsch-positives Ergebnis bei bakterieller Fehlbesiedelung

Bei Menschen mit einer bakteriellen Fehlbesiedelung im Dünndarm leben dort viel mehr Bakterien als normalerweise. Dies kann dazu führen, dass ein H2-Atemtest positiv ausfällt, obwohl gar keine Unverträglichkeit gegen den verabreichten Zucker besteht. Ärzte sprechen dann von einem falsch-positiven Ergebnis.

Falsch-negatives Ergebnis bei "Non-Responder"

Etwa zehn Prozent der Bevölkerung besitzen keine H2-produzierenden Bakterien in ihrem Darm. Sie werden als "Non-Responder" bezeichnet. Ein H2-Atemtest zur Ermittlung einer Unverträglichkeit würde bei ihnen also falsch-negativ ausfallen: Trotz bestehender Unverträglichkeit steigt die H2-Konzentration in der Ausatemluft nicht an. Daher muss man während der Untersuchung beziehungsweise in den Stunden danach besonders sorgfältig auf mögliche Unverträglichkeitssymptome wie Blähungen, Bauchkrämpfe oder Durchfall achten.  

Ihr behandelnder Arzt wird Sie über die Testergebnisse informieren und mit Ihnen besprechen, was beispielsweise im Falle einer Laktoseunverträglichkeit zu tun ist.

Welche Risiken birgt ein H2-Atemtest?

Ein H2-Atemtest ist für die allermeisten Personen völlig unbedenklich. Besteht eine Unverträglichkeit gegen den verabreichten Zucker, sind die dadurch ausgelösten Beschwerden zwar unangenehm, aber vorübergehend und nicht gefährlich.

Was muss ich nach einem H2-Atemtest beachten?

Unmittelbar nach der Untersuchung müssen Sie keine besonderen Dinge beachten. Falls Sie Unverträglichkeitssymptome gezeigt haben, können diese Beschwerden auch noch einige Stunden nach dem H2-Atemtest auftreten. 

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Dr. med.  Philipp Nicol

Dr. med. Philipp Nicol ist freier Autor der NetDoktor-Medizinredaktion.

Quellen:
  • Adler, G. et al.: Klinische Gastroenterologie und Stoffwechsel, Springer-Verlag, 4. Auflage 2014
  • Eisenmann, A et al.: "Implementation and interpretation of hydrogen breath tests“ in: J Breath Res. 2008 Dec;2(4):046002
  • Müller, M.J.: Ernährungsmedizinische Praxis: Methoden - Prävention - Behandlung, Springer-Verlag, 2. Auflage 2007
  • Pschyrembel Online, Klinisches Wörterbuch: www.pschyrembel.de (Abruf: 08.03.2022)
  • Speer, C.P. & Gahr, M.: Pädiatrie, Springer-Verlag, 5. Auflage 2019
  • Stein, J. & Wehrmann, T.: Funktionsdiagnostik in der Gastroenterologie, Springer-Verlag, 3. Auflage 2019
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