Polydipsie

Von , Zahnärztin
Hanna Rutkowski

Hanna Rutkowski ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.

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Polydipsie bedeutet übersetzt "viel Durst". Entsprechend trinken Betroffene sehr viel und scheiden dann meist auch verstärkt Harn aus. Der starke Durst kann Anzeichen für eine körperliche Erkrankung sein wie etwa für die Zuckerkrankheit Diabetes mellitus. Welche anderen Ursachen Polydipsie haben kann, wann Sie zum Arzt gehen sollten und wie Polydipsie behandelt wird, erfahren Sie hier.

Polydipsie

Kurzübersicht

  • Was ist Polydipsie? übermässiges Durstgefühl, oft Symptom einer zugrundeliegenden Erkrankung
  • Ursachen: z.B. starker Flüssigkeitsverlust durch Erbrechen, Durchfall oder Schwitzen, Fieber, Diabetes mellitus, Diabetes insipidus, Fehlfunktionen der Schilddrüse oder Niere, psychische Faktoren, bestimmte Medikamente
  • Wie hängen Polydipsie und Diabetes zusammen? Je nach Diabetes-Form löst entweder die erhöhte Zuckerkonzentration im Urin die Polydipsie aus (Diabetes mellitus) oder aber ein Mangel bzw. eine fehlende Wirksamkeit des Hormons ADH (Diabetes insipidus).
  • Wann zum Arzt? wenn das starke Durstgefühl über Tage anhält und/oder von weiteren Symptomen (häufiges Wasserlassen, Gewichtsverlust etc.) begleitet wird.
  • Was tun bei Polydipsie? Je nach Ursache z.B. viel trinken und Elektrolytverlust ausgleichen (bei starkem Schwitzen oder Durchfall), Behandlung der Grunderkrankung

Polydipsie: Definition

Durst ist ein natürliches und lebenswichtiges Signal dafür, dass der Körper mehr Flüssigkeit braucht – wir also etwas trinken sollen. den Flüssigkeitshaushalt in Balance zu halten.

Anders sieht es bei Polydipsie aus: Mediziner verstehen darunter ein übermässig gesteigertes Durstgefühl. Es ist meist Anzeichen einer Erkrankung und tritt oft zusammen mit einer Polyurie auf – also einer vermehrten Wasserausscheidung. In der Folge kann es zu einem alarmierenden Flüssigkeitsverlust im Körper kommen.

So entsteht Durst

Das Durstzentrum sitzt im Gehirn, genauer gesagt im Hypothalamus. Dort überwachen spezialisierte "Messfühler" die Flüssigkeitsmenge im Körper (über das Blutvolumen) sowie die genaue Konzentration an Elektrolyten (wie Natrium und Kalium). Ein Durstgefühl wird nun ausgelöst, wenn:

  • der "Wasserpegel" im Körper um mindestens ein halbes Prozent absinkt (z.B. bei schweisstreibendem Sport) oder
  • die Konzentration an Blutsalzen wie Natrium erhöht ist (z.B. durch den Verzehr einer Tüte Chips), sodass eine "Verdünnung" nötig wird.

An der Regulierung des Flüssigkeitshaushaltes sind Hormone beteiligt. Einer dieser wichtigen Botenstoffe ist das ADH (Antidiuretisches Hormon):

Bei Flüssigkeitsmangel schüttet das Zwischenhirn ADH aus. Über den Blutstrom gelangt es zu den Nieren und veranlasst diese, Harn zurückhalten – damit der Körper nicht noch mehr Flüssigkeiz verliert. Der wenige Urin, der abgeht, ist stark konzentriert und dunkelgelb.

Bei Schädigung des Hypothalamus sowie im Alter geht oft das Durstgefühl verloren. Betroffene trinken dann viel zu wenig, sodass der Flüssigkeitsanteil im Körper stark absinken kann. Eine solche Austrocknung (Dehydration, im Extremfall: Exsikkose) kann innerhalb weniger Tage zum Tod führen!

Polydipsie: Ursachen und mögliche Erkrankungen

Eine Polydipsie kann unterschiedliche Ursachen haben, zum Beispiel:

  • Schilddrüsenerkrankungen: Hier ist vor allem die Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) zu nennen. Der Körper produziert dabei z uviele Schilddrüsenhormone, wodurch der Stoffwechsel auf Hochtouren läuft. Häufige Symptome: ungewollter Gewichtsverlust trotz guten Appetits, Nervosität, Schlafstörungen, starkes Schwitzen und Polydipsie.
  • Cushing-Syndrom: Hier verursacht ein Überschuss am Hormon Cortisol Symptome wie Vollmodgesicht, Stammfettsucht (massiger Bauch, schlanke Arme und Beine), hoher Blutzuckerspiegel mit Polydipsie und Polyurie, Akne, Muskelschwäche, Bluthochdruck und Wasseransammlungen im Gewebe (Ödeme).
  • Hyperkalzämie (Überschuss an Kalzium im Blut): Mögliche Ursachen sind z.B. eine Erkrankung der Nebenschilddrüse (Hyperparathyreoidismus), bösartige Tumoren und Unterfunktion der Nebennierenrinde. Eine Hyperkalzämie kann unter anderem Polyurie und Polydipsie auslösen.
  • Nierenerkrankungen: Veränderungen des Nierengewebes durch Entzündungen oder Tumore können zu einer krankhaft verstärkten Urinausscheidung oder einem Diabetes insipidus (siehe unten) führen.
  • Medikamente: Als Nebenwirkung steigern einige Arzneistoffe den Durst. Dazu zählen vor allem harntreibende Medikamente (Diuretika). Auch die Einnahme des Antidepressivums Lithium kann anfangs eine Polydipsie auslösen.
  • psychische Ursachen: Bei bestimmten Formen von Zwangsverhalten und Schizophrenie, aber auch zu Beginn einer Magersucht (Anorexie) trinken die Betroffenen oft grössere Mengen Flüssigkeit. Unter einem gesteigerten Durstgefühl leiden sie aber nicht, das heisst, es liegt hier keine körperliche Ursache für das vermehrte Trinken vor.
  • Fieber: Bei Anstieg der Körpertemperatur (durch verschiedene Infekte) verliert der Körper vermehrt Flüssigkeit, was oft ein starkes Durstgefühl auslöst.
  • Durchfall und Erbrechen: Bei starkem Erbrechen und/oder Durchfall kann der Körper viel Flüssigkeit verlieren und so schnell austrocknen. Hier lautet dann die Devise: trinken, trinken, trinken! Sonst kann es rasch (lebens-)gefährlich werden!
  • Hirnschäden: Bei gewissen Hirnschäden kann die Durstregulation oder die Freisetzung des Hormons ADH gestört sein. In der Folge kann sich das Trinkverhalten verändern, so zum Beispiel bei Schädel-Hirn-Trauma, Hirnblutung, Hirnquetschung, Zysten, Tumoren oder Entzündungen im Bereich von Hypothalamus oder Hypophyse sowie nach Hirnoperationen.

Vor allem aber kann Polydipsie bei Diabetes auftreten!

Zusammenhang Polydipsie & Diabetes

Ein krankhaft gesteigertes Durstgefühl und damit verbunden meist auch eine übermässige Flüssigkeitsaufnahme sind oft auch Symptom von Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) und von Diabetes insipidus (Wasserharnruhr).

Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)

Egal, ob Diabetes mellitus Typ 1 (angeboren) oder Typ 2 (erworben) – die Auswirkungen sind praktisch die gleichen: Der energiereiche Blutzucker kann nur unzureichend in die Körperzellen aufgenommen werden. Der Blutzuckerspiegel ist krankhaft erhöht, weshalb der Körper versucht, den vielen Zucker über den Urin auszuscheiden – Zucker bindet viel Wasser, sodass die Betroffenen viel Harn ausscheiden (Polyurie), der zudem süsslich schmeckt. Ausserdem löst der hohe Blutzuckerspiegel bei Diabetikern starken Durst aus (Polydipsie).

Diabetes insipidus (Wasserharnruhr)

Wie oben erwähnt, ist das Antidiuretische Hormon (ADH) wichtig für die Regulierung des Wasserhaushaltes. Besteht aber ein Mangel an ADH oder sprechen die Nieren nicht ausreichend auf das Hormon an (z.B. aufgrund einer Nierenerkrankung), scheiden Betroffene übermässig viel Urin aus (Polyurie) - mehr als drei Liter am Tag! Zudem leiden die Betroffenen unter heftigem Durst (Polydipsie).

Polydipsie: Wann müssen Sie zum Arzt?

Bei Erwachsenen genügt normalerweise eine Trinkmenge von ungefähr zwei Liter pro Tag. Manchmal ist der Flüssigketisbedarf auch höher, etwa beim Sport oder nach einem stark salzigen Essen. Auch wenn im Sommer die Temperaturen steigen, ist es nicht ungewöhnlich, dass Menschen mehr trinken. Ein verstärkt auftretendes Durstgefühl erfordert also nicht immer sofort einen Arztbesuch.

Wenn Ihr starkes Durstgefühl aber über Tage hinweg anhält und Sie übermässig viel Flüssigkeit trinken und/oder folgende Anzeichen hinzukommen, sollten Sie einen Arzt zurate ziehen:

  • Gewichtsverlust
  • häufiges und vermehrtes Wasserlassen

Polydipsie: Was macht der Arzt?

Der Arzt muss zunächst die Ursache der Polydipsie abklären. Dazu wird er zuerst im Gespräch mit Ihnen Ihre Krankengeschichte erheben (Anamnese). Beispielsweise fragt er dabei:

  • Seit wann verspüren Sie starken Durst?
  • Wie viel trinken Sie am Tag?
  • Welche Getränke nehmen Sie zu sich?
  • Welche Medikamente nehmen Sie ein?
  • Haben Sie noch andere Symptome wie Fieber, Durchfall oder Erbrechen?

Die anschliessende körperliche Untersuchung umfasst unter anderem eine Blutdruckmessung und eine Blutabnahme. Bei der Blutuntersuchung wird unter anderem auf die Blutzuckerwerte sowie die Menge an verschiedenen Elektrolyten geachtet. Ebenfalls wichtig ist eine Urinuntersuchung, bei der die Zuckerkonzentration im Urin gemessen wird – viel Zucker im Urin deutet auf DIabetes mellitus hin.

Besteht der Verdacht auf einen Diabetes insipidus, kann der Arzt bei Ihnen einen sogenannten "Durstversuch" machen: Dazu dürfen Sie über einen Zeitraum von mehreren Stunden weder essen noch trinken. Der Arzt beobachtet Ihre körperliche Reaktion auf den Durst und ermittelt stündlich Ihr Körpergewicht und verschiedene Blutwerte.

Ein "Durstversuch" ist für Betroffene nicht gerade angenehm, da sich ein fast nicht aushaltbares Durstgefühl einstellt. Ausserdem lässt diese Untersuchung nicht unbedingt Rückschlüsse auf die Ursache der Polydipsie zu. Deshalb haben Wissenschaftler 2018 einen Test entwickelt, der besser geeignet sein soll: Hierbei wird ermittelt, ob das Hormon ADH nicht mehr ausreichend gebildet wird oder in der Niere nicht mehr ausreichend wirkt oder ob eine Störung des Durstempfindens der Polydipsie zugrunde liegt. Dieser Test wurde zum Beispiel schon an der Leipziger Universitätsmedizin angewendet.

Steht die Ursache für die Polydipsie fest, kann der Arzt eine geeignete Behandlung vorschlagen. Bei Zuckerkrankheit umfasst diese zum Beispiel regelmässige körperliche Aktivität, gesunde Ernährung, Abbau von Übergewicht und je nach Bedarf blutzuckersenkende Medikamente.

Polydipsie: Das können Sie selbst tun

Meist steigert sich das Trinkbedürfnis, weil der Körper vermehrt Wasser ausscheidet – etwa bei einer fieberhaften Erkrankung oder bei einem Magen-Darm-Infekt mit Erbrechen und/oder Durchfall. Da der Körper mit dem Harn auch Mineralien (Elektrolyte) verliert, sollten Sie auch dieses Defizint möglichst schnell ausgleichen. Somit gilt:

  • viel trinken
  • verloren gegangene Elektrolyte ersetzen, etwa mit einer Wasser-Salz-Zucker-Lösung in der richtigen Zusammensetzung (z.B. fertige Elektrolytlösung aus der Apotheke)

Starkem Durst vorbeugen

Einer nicht krankheitsbedingten Polydipsie können Sie mit folgenden Tipps vorbeugen:

  • Alkohol nur in Kombination mit Wasser: Alkohol entzieht dem Körper Wasser. Nach einer feucht-fröhlichen Nacht erwacht man morgens daher oft mit starkem Durst sowie Kopfschmerzen. Zur Vorbeugung sollten Sie am besten nach jedem Glas Alkohol ein Glas Wasser trinken. Das gleicht den Flüssigkeitspegel wieder aus.
  • Koffein in Massen: Koffein im Kaffee oder Schwarztee wirkt harntreibend und hemmt die ADH-Produktion. Zwar gewöhnt sich der Körper ans Koffein, sodass regelmässiger Konsum nicht mehr übermässig viel Wasser entzieht. Bestenfalls trinken Sie aber zu jeder Tasse Kaffee ein Glas Wasser – und laut einer australischen Studie weniger als sechs Tassen pro Tag. Sonst steigt der Blutdruck und damit das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten.
  • süsse Getränke meiden: Süsse Fruchtsäfte und Limonaden löschen oft den Durst nicht, sondern verstärken das Durstgefühl. Deshalb sollten Sie lieber Wasser, Fruchtsaftschorlen oder ungesüssten Früchtetee trinken.
  • Bei Sport und Hitze ausreichend trinken: Beim Sport und bei hohen Temperaturen im Sommer sollten Sie besonders sorgfältig auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten. Experten empfehlen je nach Körpergewicht und Schweissverlust 1,5 bis drei Liter pro Tag.
  • Salz ins Wasser mixen: In heissen Ländern bekommen frische Säfte oft eine kleine Prise Salz beigemischt – das löscht nicht nur den Durst, sondern bringt auch die verlorenen Elektrolyte wieder ins Gleichgewicht. So hat Polydipsie wenig Chancen.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Hanna Rutkowski

Hanna Rutkowski ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.

Quellen:
  • Deutsches Ernährungsberatungs- und -informationsnetz (DEBInet): "Polydipsie"; unter: www.ernaehrung.de (Abruf: 03.07.2020)
  • Fenske, W. et al.: A Copeptin-Based Approach in the Diagnosis of Diabetes Insipidus; in: The New England Journal of Medicine, 2. August 2018
  • Leitlinie „Diabetes insipidus neurohormonalis“ der deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (Stand: Jan. 2011; derzeit in Überprüfung)
  • Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: "antidiuretisches Hormon"; unter: www.gesundheit.gv.at (Abruf: 06.07.2020)
  • Pharmazeutische Zeitung, 27/2015: "Sport – Training bei Hitze"; unter: www.pharmazeutische-zeitung.de
  • Pharmazeutische Zeitung, 34/2013: "Kaffee – Mehr als ein Genussmittel"; unter: www.pharmazeutische-zeitung.de
  • Pschyrembel Online: www.pschyrembel.de (Abruf: 06.07.2020)
  • Zhou, A. & Hyppönen, E.: Long-term coffee consumption, caffeine metabolism genetics, and risk of cardiovascular disease: a prospective analysis of up to 347,077 individuals and 8368 cases; in: The American Journal of Clinical Nutrition; Volume 109, Issue 3, März 2019, S. 509-516
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