Skidaumen

Von , Arzt
und , Biologin und Medizinredakteurin
Clemens Gödel

Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.

Dr. Monique Amey-Özel

Dr. Monique Amey-Özel hat Biologie an der Universität Bonn studiert und in den Neurowissenschaften promoviert. Sie war mehrere Jahre in der Forschung und als Lehrbeauftragte u.a. im Fach Anatomie an medizinischen Ausbildungseinrichtungen tätig. Sie beriet als Pharmareferentin Ärzte in verschiedenen Indikationen und ist nun als Medizinredakteurin verantwortlich für die Erstellung medizinischer Texte sowohl für Fachkreise als auch interessierte Laien.

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Als Skidaumen bezeichnet man den (Teil-)Riss des ulnaren Seitenbandes am Daumengrundgelenk. Typischerweise handelt es sich dabei um eine akute Sportverletzung, die zur Gelenkinstabilität mit Schmerzen und Schwellungen führt. Je nach Ausmass des Bänderrisses ist eine Operation erforderlich. Lesen Sie hier mehr zu Symptomen, Therapie und möglichen Folgen des Skidaumens!

Skidaumen durch Unfall beim Sport

Kurzübersicht

  • Behandlung: Akutbehandlung nach der PECH-Regel (Pause, Eis, Compression, Hochlagern/Ruhigstellung), Operation mit Bandnaht oder Bandersatz, konservative Behandlung durch Schienen (Bandorthosen) und Physiotherapie
  • Prognose: Mit Behandlung sind Verlauf und Prognose meist gut. Die Operation birgt Risiken wie Blutungen oder Nervenschädigungen. Ohne Behandlung ist eine Heilung meist nicht möglich, und es kommt öfter zu Spätfolgen wie einer Gelenkarthrose.
  • Symptome: Schwellung, Druckschmerz, Laxheit und Instabilität im Gelenk, Bluterguss bei Verletzung kleiner Gefässe, Biegbarkeit im Gelenk
  • Diagnose: Körperliche Untersuchung mit Abtasten, Gelenk-Funktionstests (Valgusstresstest), Röntgenuntersuchung, Ultraschall, Magnetresonanztomografie, seltener Arthrografie
  • Ursachen und Risikofaktoren: Ausgelöst durch eine übermässige Abspreizung oder Streckung des Daumens nach aussen; Sportarten wie Skifahren, Ballsport oder Turnen bergen ein hohes Risiko. Chronische Überbelastung ist seltener die Ursache.
  • Vorbeugung: Ein Skidaumen lässt sich meist nicht verhindern. Gepolsterte Handschuhe oder Tapes bieten eine Möglichkeit, das Daumengelenk etwas zu sichern und zu stützen.

Was ist ein Skidaumen?

Einen Skidaumen bezeichnet man auch als ulnare Seitenbandruptur, bei der es zu einem (Teil-)Riss des Bandes am Grundgelenk des Daumens (ulnares Kollateralband) kommt. Dieses Band befindet sich an der Innenseite des Daumens (Richtung Zeigefinger) und ist wichtig für die seitliche Stabilität im Daumengrundgelenk. Es schützt den Daumen bei Streckung und Beugung vor einem seitlichen Abknicken. Grundsätzlich ist ein derartiger Bänderriss an allen Fingern möglich. Der Daumen ist jedoch am häufigsten betroffen.

Der Skidaumen war bislang vor allem als Wildhüter-Daumen (Gamekeeper's thumb) bekannt, da er vor allem bei Wildhütern beobachtet wurde. Sie zogen sich diese Verletzung durch das häufig wiederholte Brechen des Genicks von Kleinwild zu. Dabei spannen sie den Hals des Tieres zwischen Daumen und Zeigefinger und überstrecken im selben Zug das ulnare Kollateralband. Durch diese ständige Bewegung ist das Band chronisch gereizt und reisst schliesslich.

Heute verstehen Mediziner unter dem Skidaumen vorrangig eine akute Verletzung beim Sport – eben beim Skifahren. Bis zu zehn Prozent der Skiunfälle betreffen das Daumengrundgelenk. In den meisten Fällen befindet sich der Riss am körperfernen Ende des Bandes.

Als Komplikation des Skidaumens gilt eine sogenannte Stener-Läsion. Dabei wird das körperferne Ende des gerissenen Bandes in der bindegewebigen Sehnenplatte der Adduktorenmuskulatur des Daumens eingeklemmt, welche den Daumen heranzieht. Das Band schlägt um, sodass eine Heilung erschwert ist.

Wie sieht die Therapie bei einem Skidaumen aus?

Wie bei einem Bänderriss am Knie oder Fuss gilt es auch beim Skidaumen, direkt nach dem Unfall nach der PECH-Regel zu behandeln: Pause, Eis, Compression, Hochlagern beziehungsweise in diesem Zusammenhang eher Ruhigstellung. Es ist wichtig, den Daumen unmittelbar ruhigzustellen und nach Möglichkeit zu kühlen. Ein Kompressionsverband stabilisiert das Gelenk zusätzlich.

Operative Behandlung

Liegt ein kompletter Riss, eine Stener-Läsion oder gar ein knöcherner Bandausriss vor, ist meistens eine Operation nötig. Im Rahmen des Eingriffs verbindet der Arzt die gerissenen Enden durch Bandnähte, Nahtanker, Drähte oder Minischrauben wieder. Dafür ist meist nur ein kleiner Schnitt an der Seite des Daumens notwendig. Gegebenenfalls ist eine Sehnenrekonstruktion notwendig. Dazu verwendet der Chirurg beispielsweise Material aus anderen Sehnen oder Knochenhaut.

Bei lange zurückliegenden Verletzungen, die zu einer deutlichen Instabilität oder Gelenkverschleiss (Arthrose) geführt haben, sind eine operative Bandplastik (Bandersatz) oder eine Gelenkversteifung (Arthrodese) eine Alternative. Dies führt allerdings zu einer dauerhaften Bewegungseinschränkung des Daumens.

Im Anschluss an die Operation wird der Skidaumen für etwa sechs Wochen ruhiggestellt. Danach beginnt in der Regel unmittelbar die Physiotherapie. Ärzte empfehlen, für rund drei bis vier Monate nach der Operation grössere Belastungen des Daumens zu vermeiden.

Mögliche Risiken und unerwünschte Folgen der operativen Behandlung eines Skidaumens sind Verletzungen von Gefässen und Nerven, Störungen der Temperaturempfindung (Kälteintoleranz), Versteifungen und chronischer Schmerz. Lassen sich bereits während der Operation Nervenschäden feststellen, repariert der Chirurg sie soweit möglich sofort.

Konservative Behandlung

Bei einem Skidaumen mit Teilriss (und nicht kompletter Ruptur) ist eine konservative Therapie möglich. Der Daumen wird in einer Gipsschiene oder einer Daumenorthese für drei bis vier Wochen ruhiggestellt. Danach folgt auch hierbei eine Bewegungstherapie (Physiotherapie).

Was sind mögliche Folgen eines Skidaumens?

Die Prognose eines fachgerecht und frühzeitig behandelten Skidaumens mit begleitender Physiotherapie ist gut. Zwar besteht eine erhöhte Gefahr für eine erneute Ruptur, der Daumen ist aber meist nach Abschluss der Therapie wieder normal einsetzbar.

Wird der Skidaumen jedoch nicht behandelt, so droht durch die dauerhafte Instabilität eine schmerzhafte Gelenkarthrose. Das ist eine Erkrankung, bei der das Gelenk zunehmend verschleisst (degeneriert).

Woran erkennt man einen Skidaumen?

Nach einem (Teil-)Riss des ulnaren Kollateralbandes ist der Daumen instabil. Kurz nach dem Unfallereignis schwillt der Daumen infolge eines Blutergusses an und wird deutlich druckschmerzhaft, insbesondere im Bereich des Daumengrundgelenks. Bei sämtlichen Tätigkeiten, an denen der Daumen beteiligt ist, bemerken Betroffene ein (leichtes) "Wegklappen" des Daumens in dessen Grundgelenk. Typischerweise lässt sich das Daumengrundgelenk etwas "aufklappen" beziehungsweise zur Seite biegen. Liegt die Verletzung schon länger zurück, leiden Betroffene vor allem unter einer Schwäche und Instabilität des Daumens.

Wie stellt man einen Skidaumen fest?

Medizinische Spezialisten für einen Skidaumen sind Orthopäden, Unfallchirurgen und Sportmediziner. Zunächst stellt der Arzt unter anderem folgende Fragen:

  • Wie war der Unfallhergang?
  • Wo haben Sie Schmerzen?
  • Können Sie den Daumen wie gewohnt bewegen?
  • Hatten Sie bereits Verletzungen in diesem Bereich?

Dann prüft der Arzt, ob Durchblutung, Motorik und Sensibilität des Daumens beeinträchtigt sind. Bei der Untersuchung der Hand tastet der Arzt das Gelenk ab (Palpation) und achtet insbesondere auf Schmerzpunkte und schmerzhafte Bewegungen, Deformitäten, Schwellungen und Blutergüsse entlang des ulnaren Seitenbands.

Zusätzlich misst der Arzt die Instabilität des Skidaumens (Valgusstresstest). Wenn eine Mitbeteiligung des Knochens nicht auszuschliessen ist, röntgt der Arzt in der Regel die Hand zuvor. Für den Test wird der Daumen im Daumengrundgelenk in maximaler Streckung und in 30 Grad Beugung abgespreizt und die Gradzahl der maximalen Abspreizung gemessen.

Besonders wichtig ist dann auch der Seitenvergleich. Ist der Daumen in seinem Grundgelenk über zirka 30 Grad abspreizbar oder mehr als 15 Grad im Vergleich zur Gegenseite, liegt höchstwahrscheinlich ein Skidaumen vor.

Meist fertigt der Arzt zwei Röntgenaufnahmen (anterior-posterior und lateral) an. Mithilfe dieser Bilder beurteilt der Arzt, ob ein Knochenstück mit dem Band ausgerissen ist (knöcherner Bandabriss). Reine Bänderrisse sind auf einem einfachen Röntgenbild nicht direkt erkennbar. Um das Ausmass der Ruptur zu beurteilen, macht der Arzt von beiden Daumen Aufnahmen, während er Abspreizdruck auf das Daumengrundgelenk ausübt. So ist es ihm möglich, das ulnare Kollateralband indirekt zu beurteilen.

Manchmal dient eine Ultraschalluntersuchung der Abklärung eines Skidaumens. Ihr grosser Vorteil ist, dass der Daumen und seine Bänder sich auch in Bewegung begutachten lassen (dynamische Untersuchung). Auch eine Magnetresonanztomografie (MRT) gilt als sehr gutes bildgebendes Verfahren, um einen Skidaumen zu diagnostizieren. In sehr seltenen Fällen empfehlen Ärzte eine Arthrografie, eine Röntgenuntersuchung des Gelenks nach Injektion eines Kontrastmittels.

Wie kommt es zu einem Skidaumen?

Die häufigste Ursache für einen Skidaumen ist das abrupte Abspreizen (Abduktion) des Daumens in Richtung der Speiche (radial) oder eine übermässige Streckung. Der Daumen ist dabei nach aussen – von der Hand weg – überdehnt. In Abhängigkeit von der Stärke der Abspreiz-Kraft reisst das ulnare Seitenband teilweise oder komplett. Beim Skifahren entsteht dieser starke Abspreizdruck durch das Hängenbleiben in der Schlaufe des Skistocks beim Fallen.

Auch bei Ballsportarten, Turnen und Kampfsportarten tritt mitunter ein Skidaumen auf. Ein typisches Verletzungsmuster bei Ballsportarten ist der Sturz mit der Hand auf den Ball. Seltener ist der Skidaumen die Folge einer chronischen Schädigung des Seitenbandes.

Lässt sich ein Skidaumen verhindern?

Einem Skidaumen lässt sich nur schwer vorbeugen, da er meist bei einem Unfall oder einem plötzlichen Sturz entsteht. Manchmal hilft es, beim Sport spezielle oder gepolsterte Handschuhe zur Sicherung des Daumengelenks zu tragen oder das betreffende Gelenk mit Tapes zu stützen. Das sind jedoch Massnahmen, die keine absolute Sicherheit bieten, sondern lediglich den Aufprall und die Stosswirkung auf den Daumen dämpfen.

Autoren- & Quelleninformationen

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Datum :
Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Vorlage:
Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Wallny
Autoren:
Clemens Gödel

Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.

Dr. rer. nat. Monique Amey-Özel
Dr.  Monique Amey-Özel

Dr. Monique Amey-Özel hat Biologie an der Universität Bonn studiert und in den Neurowissenschaften promoviert. Sie war mehrere Jahre in der Forschung und als Lehrbeauftragte u.a. im Fach Anatomie an medizinischen Ausbildungseinrichtungen tätig. Sie beriet als Pharmareferentin Ärzte in verschiedenen Indikationen und ist nun als Medizinredakteurin verantwortlich für die Erstellung medizinischer Texte sowohl für Fachkreise als auch interessierte Laien.

ICD-Codes:
S63
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • American Association for Hand Surgery: SKIER’S THUMB FAQ, unter: www.handsurgery.org (Abrufdatum: 12.01.2022)
  • Anderson, D.: Skier’s Thumb, in: Aust Fam Physician 2010, 39(8): 575-7
  • Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), Arbeitskreis Traumarehabilitation, Sektion Rehabilitation Physikalische Therapie: Nachbehandlungsempfehlungen, 5. Auflage, 2019
  • Ewerbeck, V. et al.: Standardverfahren in der operativen Orthopädie und Unfallchirurgie, Georg Thieme Verlag, 4. Auflage, 2014
  • Grifka, J. & Krämer, J.: Orthopädie Unfallchirurgie. Springer Verlag, 9. Auflage, 2013
  • Hung, C.Y. et al.: Gamekeepers Thumb, in: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing, 2022
  • Imhoff, A.B. et al.: Checkliste Orthopädie. Georg Thieme Verlag, 3. Auflage, 2014
  • Lucerna, A. & Rehman, U.H.: Stener Lesion, in: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing, 2022
  • Madan, S.S. et al.: Injury to Ulnar Collateral Ligament of Thumb, in: Orthopaedic Surgery, 2014, 6: 1-7
  • Mahajan, M. & Rhemrev, S.J.: Rupture of the ulnar collateral ligament of the thumb – a review, in: Emergency Medicine 2013, 6:31
  • Mohseni, M. & Graham, C.: Ulnar Collateral Ligament Injury, in: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing, 2022
  • Schroeder, N.S. & Goldfarb C.A.: Thumb Ulnar Collateral and Radio Collateral Ligament Injuries, in: Clin Sports Med, 2015, 34: 117-126
  • Wiemer, P.: Skidaumen – Standards der Sportmedizin, in: Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 2001, Jg. 52, 11: 327-328
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